Zum Inhalt der Seite

Corruptio optimi pessima

Die Entartung des Besten führt zum Schlimmsten
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

schweigend

Herzlich Willkommen zu einem neuen Kapitel meiner Geschichte.^^
 

Ich möchte euch hier noch den Link zum Lied geben. Dieses ist nämlich nicht mein geistiges Eigentum und gehört der tollen Band Samsas Traum… ich leih es mir nur für diesen Zweck, da es so wundervoll ist.

Leider habe ich es nicht als komplett Version im Internet gefunden, da es ein ziemlich langes Vorspiel hat._.

Ich kann euch also daher leider nur diesen Link geben:

http://www.musicline.de/de/player_flash/4260063943218/0/10/50/product.

Wen das Bild dazu interessiert, dass Tom gemalt hat… das findet ihr hier.

http://www.pinkhatmedia.com/gallery/main.php?g2_view=core.DownloadItem&g2_itemId=902&g2_serialNumber=5
 

Und jetzt wünsche ich viel Spaß beim Kapitel…
 


 


 


 


 

_____
 

Die nächste Woche vergingen trotz der Routine, die sich einmal eingeschlichen hatte, sehr rasch.

Aber der schwarzhaarige, stumme Junge ging Tom nicht mehr aus dem Kopf.

Immer wieder erwischte er sich dabei, wie er über den Grund grübelte. Sich immer wieder die gleichen Fragen stellte.

Er war neugierig.

Auf die Geschichte und Vergangenheit, doch auch auf Bills Persönlichkeit. Auf sein Wesen… auf seine Stimme.

Erst wenn ein Mensch nicht mehr redet, stellt man fest, wie viel die Sprache unter Menschen ausmacht. Welchen hohen Stellenwert sie besitzt und wie sehr sich die Menschen, im Umgang miteinander, auf sie verlassen…

All das erkannte Tom, als er mit Bill zu tun bekam.

Es waren oft nur flüchtige Begegnungen in der Pause oder nach dem Unterricht. Aber er merkte schnell, dass, wenn er alleine mit dem Anderen war und Jenny nicht seinen Dolmetsche spielen konnte, die Kommunikation mehr als eingeschränkt war.

Sie existierte eigentlich gar nicht...

Und das lag nicht nur daran das Tom nicht wusste was er sagen sollte (er kam sich einfach blöd bei solche Selbstgespräche vor), sondern auch an Bill.

Wenn man mal davon absah, dass er den Schwarzhaarigen eh nicht verstanden hätte, wenn er antworten wollen würde… daran lag es nicht.

Bill ignorierte ihn einfach.

Es war als würde er ihn zwar an Jennys Seite akzeptieren, doch es fand keinerlei Umgang statt. Er hielt keinen Augenkontakt, reagierte nicht auf Ansprache oder ähnliche Bemühungen und schien ihn eigentlich gar nicht wahrzunehmen.

Das einzige Indiz, dass er ihn doch bemerkte, waren die verstohlenen Blicke, die er dem Blonden immer zuwarf, wenn er dachte, Tom würde dies nicht merken.

Dieser schob dieses Verhalten einfach auf seine Vergangenheit.

Wenn Bill wirklich so etwas Schreckliches erlebt hatte – was auch immer das war - war es dann nicht normal, dass er so auf Fremde reagierte?

Mit diesem Gedanken jedenfalls beruhigte er sich immer wieder.

Und er gab nicht auf.

Wusste der Geier was er an diesem Kerl gefressen hatte, er wusste es nicht.

Das einzige was er wusste war, dass Bill ihn sehr interessierte… er würde gerne mal seine Stimme hören.

Wenn man eine Stimme hatte, musste man doch irgendwann sprechen, oder?

Irgendwann rutschte einem doch ein Wort raus, wenn man sprechen konnte…!

So viel zur Theorie.

Er wollte den Anderen sprechen hören. Ihn interessiere es sehr, wie Bill klang. Wo doch schon sein ganzes Erscheinungsbild androgyn und irgendwie modellmäßig war.

Nie hätte er gedacht, dass er in diesem Kaff so Jemanden treffen würde…
 

So verging ein Monat.

Und eigentlich war der Blonde immer noch genauso weit wie am Anfang.

Es schien kein herankommen an diesen stummen Jungen zu geben.

Als er darüber einmal mit Jenny geredet hatte, hatte sie ihm gesagt, dass sie fast das ganze halbes Jahr, das sie schon hier war, gebraucht hatte, bis er mit ihr kommuniziert hat und ihr soweit vertraute das er mit ihr Augenkontakt halten und mehrere Stunden alleine mit ihr sein konnte.

Das war keine gute Nachricht für Tom. Er war noch nie sehr geduldig gewesen…

Aber er wollte nicht aufgeben.

Warum auch immer, Bill hatte es ihm angetan. Er wollte, dass er ihm vertraute.

Deswegen würde er nicht aufgeben.

Die Faszination die der Schwarzhaarige auf andere hatte lag nicht nur an seinem Äußeren sondern auch an dieser gewissen Tragik die er ausstrahlte. Da war er sich sicher.

Und wie sich herausstellte, zahlte sich seine Geduld früher aus als er gedacht hatte.

Er bekam die Chance hinter die Fassade vorzudringen… früher als er es selbst gehofft hätte.

Ob das nun gut oder schlecht war, lag im Auge des Betrachters.

Es war an einem verregneten, unspektakulären Tag…

Mit andren Worten überhaupt nicht sein Tag. Er fühlte sich schon seit dem Morgen so merkwürdig melancholisch ohne genau zu wissen warum.

Also beschloss er heute alleine mit dem Bus nach Hause zu fahren. Sonst lief er ja immer mit den Drillingen. Damit Jenny Bescheid wusste, tippte er im Gehen eine SMS an sie in sein Handy und schickte diese ab als er einstieg. Nun war er fast froh darüber, dass sie heute eine Stunde länger hatte als er.

Auf Fragen und mitleidige Blicke hatte er jetzt keinen Bock.

Und so stellte er den Ton seines Handys aus und wartete bis er aussteigen konnte.

Heute würde er alleine sein.

Als er zehn Minuten später die Haustür aufschloss wurde er von Sam begrüßt, der schwanzwedelnd um ihn herumsprang und ihn so wieder unwillkürlich zum Lächeln brachte.

Dieser Hund war einfach nur dumm…

Treu und unendlich traurig.

Tom zog sich die Schuhe und seine Hoodie aus, ehe er sich hinkniete und den Vierbeinern zu streicheln begann. Dieser jaulte leise und leckte ihm zärtlich übers Gesicht.

»Sammy, du Sau…« lachte er und befreite sich von dem übermütigen Hund.

Dieser trotte ihm in die Küche hinterher und ließ sich an seinen Füßen nieder, als er begann sich Nudeln zu machen. Dort lehnte er sich gegen das Bein seines Herrchens und sah bettelnd nach oben.

Der Blonde, der gerade begann die Würstchen zu schneiden sah ihn streng an.

»Vergiss es.«

Sam sah ihn groß an und gab einen klagenden Laut von sich. Er streckte eine Pfote aus, als wolle er nach Tom greifen. Dieser schüttelte lächelnd den Kopf.

»Na fein…« sagte er und zeigte eine Faust in die Luft. Sofort warf sich der Hund hin und begann sich zuerst in eine und dann in die andere Richtung zu rollen.

»Sehr gut. « lobte Tom und warf ihm ein Stück Wurst hin.

Sam verspeiste es selig.

Während er die Soße anrührte und die Nudeln in kochendes Wasser warf, beobachtete er aus den Augenwinkeln seinen Hund.

Wenn er ehrlich war, wollte er gar nicht wissen, was dieses Tier so dachte.

Schließlich hatte nicht nur Tom viel verloren, sondern auch die Anderen. Vor allem Sam…

Er war Tobis Hund gewesen und war von ihm aufgezogen und geliebt worden. Natürlich hatte er ihn auch schon immer geliebt, aber er war damals einfach nicht so viel zuhause gewesen. Eigentlich war er fast nie da gewesen. Aus Angst…

Sam war Tobis Hund gewesen und diesem treu ergeben. Er hätte alles für den kleinen Jungen gemacht.

Fast vier Tage hatte er an seinem Sterbebett gesessen und sich nicht von seiner Seite bewegt und…-

Tom verdrängte die Gedanken so schnell er konnte.

Seine Kehle schnürte sich zusammen.

Scheiße! Warum musste er gerade jetzt an so etwas denken?!

Krampfhaft versuchte er sich wieder auf seine Tätigkeit zu konzentrieren und es klappte so einigermaßen. Er bekam langsam wieder richtig Luft.

Als der Kurzzeitwecker klingelte, goss er das Wasser ab und schüttete die Nudeln in ein Sieb zum Abtropfen; ehe er sich ein paar auf den Teller machte und sie mit Soße und Wurststückchen verzierte.

Er setzte sich mit dem Teller an den Küchentisch und begann zu essen.

Doch wie sehr er sich auch bemühte, immer wieder wollten die Gedanken an Tobias in sein Bewusstsein vordringen. Sie versuchten es mit aller Macht.

Es war anders als in der Nacht… da klopften die Erinnerungen leise an und kamen aus dem Hinterhalt getarnt als Träume und Vorstellungen. Doch am Tag brachen sie einfach über ihn herein wie ein Sturm, ausgelöst durch alle möglichen Kleinigkeiten und quälten ihn.

Das Essen zum Beispiel…

Wie oft hatte er es für Tobi gemacht?

Und wie viele unzählige Male hatte er dabei zugesehen wie Dieser die Nudeln freudig verputzt hatte und nach fast jedem Bissen mit dem Löffel über seinen Mund fuhr?

Tom ließ den Löffel fallen und vergrub das Gesicht in den Händen.

Wann würde es endlich aufhören so wehzutun?

Er tat doch schon alles.

Wann wurde er endlich von diesem Schmerz befreit, der ihm die Luft raubte?

Der Blonde wurde von Sam zurückgeholt, der winselnd unter dem Tisch saß und seinen Kopf an Toms Bein rieb. Er blickte zu ihm auf und für einen Moment dachte er wirklich in den Augen des Tieres auch Schmerz zu erkennen. Als wolle er sagen, dass er ihn verstehen würde.

Doch das war absurd… oder?

Er streckte eine Hand nach dem Rüden aus und kraulte sein Ohr.

»Habe ich mich eigentlich jemals bei dir bedankt?« fragte er leise und sah wie Sams Ohren zuckten. »Dafür… das du mich damals geholt hast? Du bist nie aufgestanden außer um mich…- wenn du mich nicht geholt hättest, Sammy… wäre… er alleine ge – gestorben.«

Tom spürte die Tränen auf seine Wangen, doch er konnte nichts mehr dagegen tun.

Ohne es richtig zu realisieren, ließ er sich vom Stuhl auf den Boden gleiten, schlang die Arme um den stämmigen Hund und begann hemmungslos zu weinen.

Sam bewegte sich nicht.

Er ertrug es die ganze Zeit über ohne sich auch nur einmal gegen die Umklammerung zu wehren.

Es war als wolle er ihm sagen, dass er von nun an auch immer für ihn da sein wollte.

Als sich Tom wieder etwas beruhigt hatte, stand er auf und nahm seinen Teller um den Rest Nudeln zu entsorgen. Er würde keinen Bissen mehr herunterbringen.

Er kippte die Nudeln in den Mülleimer und stellte den schmutzigen Teller dann in den Spüler, ehe er sich sein Glas nahm und ins Wohnzimmer übersiedelte.

Seine Kehle schmerzte immer noch und seine Augen brannten unangenehm.

Er hasste es zu weinen.

Unelegant warf er sich auf die Couch und angelte dann nach der Fernbedienung.

Irgendwie musste er sich ablenken um wieder ein wenig zu sich selbst zu finden, ehe seine Mutter nachhause kam.

Er wollte nicht, dass sie seinen jetzigen Zustand mitbekam.

Lustlos zappte er durch die Programme, fand aber nichts Interessantes, weswegen er einfach bei irgendeiner Talkshow hängen blieb.

Irgendwann sprang Sam zu ihm aufs Sofa, streckte sich vor ihm so lang aus, wie er nun einmal war und vergrub seine Schnauze in seiner Armbeuge.

Tom lächelte schwach.

Wie konnte er dem Hund jetzt auch noch verbieten hier oben zu sein? Na all dem?

Er verlor vor dem TV das Zeitgefühl… eigentlich starrte er nur auf die sich bewegenden Bilder ohne den Sinn dahinter zu verstehen und versuchte wieder zu seiner Stärke zu finden.

Das war ihm auch fast gelungen, da klingelte es an der Tür.

Was?

Er setzte sich auf und schob den Hund dabei sanft von der Couch.

Vielleicht seine Mutter?

Aber das konnte nicht sein, sie würde nicht klingeln, wenn sie ihren Schlüssel vergessen hätte… sie würde eher am Fenster klopfen oder –

Wieder ein Klingeln, dieses Mal mehrmals hintereinander.

»Ist ja gut! Bin unterwegs!« brüllte Tom und machte sich auf den Weg zur Tür.

Nach einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel, der im Flur hing und ihm versicherte, dass man von seinem vorherigen Ausbruch nichts mehr sah, riss er die Tür auf.

Sein erster Impuls war die Tür wieder zuzuschlagen. Der Zweite eher zu schreien.

Vor ihm stand Jenny und das erste Mal seit er sie kannte, sah sie hilflos und völlig verzweifelt aus.

»Tom du musst ihm helfen! Bitte…«

Es dauerte einige Augenblicke mehr bis Tom die ganze Katastrophe vor seiner Haustür genau erfasst hatte.

Ihm blieb für einen kurzen Moment die Luft weg.

Dort stand seine beste Freundin in ihrer linken Hand hielt sie eine blutige Nagelschere und an der rechten Hand hatte sie einen völlig apathischen Bill.

Dem Schwarzhaarigen rann das Blut im Strömen an seinem Armen hinunter.

Hinter ihm rastete Sam völlig aus und begann wie wild zu kläffen. Anscheinend roch er das Blut.

Zischend atmete er aus.

»Sag mal, bist du komplett bescheuert!« schrie er Bill an und packte ihn an der Schulter.

Dieser zuckte erschrocken zusammen, reagierte aber sonst nicht.

»Los reinkommen… und du auch!«

Er zog Bill mit sich mit ins Haus und Jenny folgte ihnen wenig später.

»Sam aus! Geh auf deinen Platz!« wies er den Hund streng an, der sofort aufhörte mit Bellen und dem Befehl seines Herrchens nachkam.

Tom drückte den Anderen aufs Sofa und wirbelte dann zu der Schwarzhaarigen herum. »Sag mir was passiert ist! Und warum bist du nicht gleich zum Arzt mit ihm?«

»Ich weiß es auch nicht genau! Ich wollte nach Hause, weil du ja schon weg warst und meine Schwestern konnten mich heute nicht abholen! Und an dem Pavillon da am Spielplatz hab ich ihn so gefunden! Er wollte mir nichts sagen und er wollte auch nicht zum Arzt. Du bist der einzige, der mir eingefallen ist, der ihm helfen würde… bitte! Er verblutet noch…!«

»Quatsch. Der verblutet schon nicht so schnell.« seufzte Tom.

Na großartig so hatte er sich seinen Tag heute nicht vorgestellt… eigentlich hatte er ja mal nicht an den stummen Jungen denken wollen. War wohl nichts!

»Geh mal in die Küche und hol ihm ein Glas Wasser, okay? Ich seh was ich tun kann.«

Jenny nickte. Sie sah ziemlich mitgenommen aus.

Aber sie befolgte seine Anweisungen ohne zu wiedersprechen und verschwand in die Küche. Ein wenig kannte sie sich immerhin aus, schließlich war sie schon ein paar Mal dagewesen. Die Wasserflaschen würde sie sicher auch finden.

Tom lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Jungen, der vor ihm saß.

Es war das erste Mal das er Bill ohne lange Ärmel sah. Jetzt wusste er auch warum das so war.

»Scheiße, Alter. Deine Arme sehen aus wie ein Kriegsgebiet.« stellte er leise fest und starrte den Anderen vor sich an.

Das stimmte auch. Die Kompletten Unterarme waren voller Narbengewebe und frischen Wunden. Wenn man nicht genau hinsah konnte man die bereits verblassten Narben für gesunde Haut halten, so dicht lagen sie aneinander. Nur vereinzelt blitzte ein Stück unverletzte Haut zwischen den weißen Spuren hervor.

Dann trat er einen Schritt näher, packte den Anderen am Handgelenk und besah sich die frischen Wunden. »Boha ey, Junge. Was machst du nur für Scheiße. Komm mit… wir müssen das säubern, sonst kriegst du noch ne Blutvergiftung. Ich kann mir nicht vorstellen das du die Schere vorher desinfiziert hast.«

Bill bewegte sich nicht, als er an seiner Hand zog.

Ungeduldig wie er nun einmal war, packte Tom ihn unter den Armen und stellte ihn einfach mit etwas mehr Kraftaufwand auf die Beine. »Zick nicht rum. Ich will dir bloß helfen.«

Damit zog er ihn mit sich.

Im Augenwinkel registrierte er wie die Schultern des Schwarzhaarigen nach unten sackten, doch er ließ es ohne Gegenwehr zu das er ihn mit sich zog.

»Wir sind im Bad!«

»Okay!«

Immerhin.

Er war sich sicher, dass seine Mutter Tobis Koffer noch irgendwo aufbewahrte. Wenn nicht hatte er gleich ein großes Problem.

Als er mit Bill im Bad ankam, drückte er ihn auf den Toilettendeckel.

»Bleib da sitzen. Wir müssen deine Arme erst einmal versorgen.«sagte er während er sich umdrehte und begann in den Schränken zu wühlen.

Irgendwo hier musste er doch sein…

Aber er fand nichts.

Würde sie ihn im Schlafzimmer aufbewahren?

Musste ja wohl so sein, wenn er ihn hier nicht fand. Der Blonde rannte ins Schlafzimmer seiner Eltern hinüber und tatsächlich… er fand den Koffer schließlich in der Kommode seiner Mutter.

Komischer Ort um so etwas aufzuheben, aber darüber konnte er sich später den Kopf zerbrechen.

Er ging zurück ins Bad und sah, dass Jenny inzwischen auch da war und Bill gerade das Glas reichte.

Während Jenny auf dem Badwannenrand hockte, kniete er sich vor dem Schwarzhaarigen hin und stellte den Koffer neben sich ab.

»Ich wird deine Wunden erst Mal reinigen und dann versorgen, okay? Wenn es wehtut melde dich einfach.« sprach er ruhig und klappte den Deckel des blauen Koffers auf.

Routiniert suchte er alle Utensilien die er benötigte und begann mit der Säuberung der frischen Wunden.

»Was ist das?« fragte Jenny als er die große Flasche hervorzog erstaunt.

»Das ist Wundspüllösung.« antwortete er und schüttete etwas auf einen Mulltupfer, ehe er es vorsichtig auf den Arm verteilte. »Das wird die Wunden desinfizieren und verhindern das Keime eindringen können.« Dann nahm er eine Pinzette aus dem Koffer, riss ein Alupäckchen auf und förderte etwas daraus zutage, was aussah wie Mückengage. Dieses dünne Netz klebte er auf die Wunden und zupfte es mit der Pinzette so, dass es alle offenen Stellen bedeckte. »Die Wundgage ist mit Creme getränkt, die er Haut hilft sich schnell wieder zu regenerieren und sie verhindert außerdem das der Schorf an der Binde hängenbleibt und du dir die Wunden wieder aufreißt, wenn du den Verband abmachen willst.« erklärte er und nahm zum Schluss einen Verband aus dem Koffer, riss auch dort die Verpackung ab und begann mit geübten griffen den Arm zu verbinden.

Die gleiche Prozedur führte er auch mit dem anderen Arm durch.

»Sag mal bist du Arzt oder so was?« wollte Jenny perplex wissen und starrte ihn an wie eine Erscheinung.

Tom lachte leise.

»Red keinen Mist, oder denkst du echt, wenn es so wäre, würde ich freiwillig noch in die Schule gehen?«

»Stimmt auch wieder.«

»Sagen wir es einfach mal so,… ich habe eine Menge Erfahrungen sammeln können.« winkte er ab und sah dann zu dem Schwarzhaarigen auf. »Alles okay? Hat es sehr wehgetan?«

Er bekam ein zaghaftes Nicken gefolgt von einem Kopfschütteln, was ihn zum Grinsen brachte.

»Na immerhin. Du kannst den Verband ruhig drei Tage drum lassen…da hat die Creme Zeit einzuwirken und du brauchst nicht ständig neue Verbände, hm?«

Ein Nicken.

»Na gut. Lasst uns zurück ins Wohnzimmer gehen… hier ist es nicht wirklich bequem.«
 

Im Endeffekt blieben Jenny und Bill noch eine ganze Weile.

Und auch wenn Tom sich den Tag durchaus anders vorgestellt hatte, es störte ihn nicht wirklich.

Es tat gut mit Jenny zu scherzen und zu reden und es war schön Bill zu beobachten.

Irgendwie war es ihm, als hätte er die Distanziertheit abgelegt.

Aber wieso so plötzlich?

Es fühlte sich so an, als hätte man eine Mauer aus Eis durchdrungen. Und plötzlich machten viele Gesten und Bewegungen einen Sinn… so als hätte man nur die Augen viel eher aufmachen müssen.

Tom war mehr als zufrieden, weil er begriff das er auf einen guten Weg war um Bills Vertrauen vielleicht doch zu bekommen.

Aber so richtig klar wurde es ihm erst, als sich die Beiden nach geschätzten drei Stunden von ihm verabschiedeten. Nachdem Jenny ihm ein Küsschen auf die Wange gegeben hatte, war Bill an ihn heran getreten und hatte ihn das erste Mal direkt angesehen.

Dann war er einen Schritt vorgetreten und hatte ihn in eine kurze, aber sehr herzliche Umarmung gezogen, bevor er sich umwandte, als wäre nichts geschehen und davon ging.

Jenny hatte gelacht.

»Das ist denke ich seine Art dir Danke zu sagen.«

Tom hatte sich mehrere Augenblicke nicht bewegen können. Er hatte einfach nur da in dem Türrahmen gestanden und den Beiden hinterhergesehen.

Sie gingen die Straße entlang und irgendwie fühlte es sich nicht an wie ein Abschied…

Eher wie der Anfang einer Freundschaft.
 

Als Tom nach dem Abendbrot in seinem Zimmer auf dem Bett saß, hatte er die Begegnung von heute noch immer nicht ganz verwunden.

Bill hatte sich selbst verletzt.

Die Frage war nur, warum eigentlich?

Was quälte ihn so sehr, dass er zu solchen Mitteln greifen musste?

Doch das was ihn am meisten beschäftigte, war die plötzliche Veränderung des Verhaltens ihm gegenüber.

War das nur eine Phase gewesen oder konnte er jetzt hoffen?

Grübelnd saß er auf der Tagesdecke und riss ein Stück Papier in kleine Streifen.

Eigentlich brachte es überhaupt nichts, wenn er sich jetzt hier den Kopf darüber zerbrach… er musst es einfach auf sich zukommen lassen. Das war die einzige Möglichkeit.

Und er musste versuchen Bill –

Es klopfte und seine Mutter steckte den Kopf zur Tür hinein.

»Tommy?«

Bei dem Spitznamen zuckte er wie unter einem Peitschenhieb zusammen.

»Oh entschuldige! Tom wollte ich sagen-… ich-…«

»Schon okay. Was gibt es?«

»Ich wollte hören wie dein Tag so war.«

»Ach ja. Und wirklich?«

»Was meinst du damit?«

»Mom, nimm mir das nicht übel, aber dich hat die letzten Monate nicht interessiert wie mein Tag war, wieso solltest du es gerade heute wissen wollen?«

»Du hast Recht. Es tut mir sehr leid, dass ich dich so vernachlässigt habe. Aber das soll anderes werden, verstehst du? Alles soll hier anders werden und irgendwo muss ich ja anfangen.« sagte sie mit brüchiger Stimme und er konnte genau sehen, wie sie mit den Tränen zu kämpfen hatte.

Sein Herz krampfte sich bei diesem Anblick zusammen.

Er hatte sie nicht verletzten wollen!

»Ja, okay. Setz dich zu mir.« lenkte er ein und klopfte neben sich auf die Matratze.

Sie schenkte ihm ein schiefes Lächeln und folgte seinem Angebot sofort.

Als sie sich neben ihn gesetzt hatte, schwiegen sie eine Weile.

Es tat ihm weh, dass sie immer noch so tiefe Augenringe hatte und so blass war. Sie schien immer noch nicht wirklich schlafen zu können. Und auch tagsüber fand sie keine Ruhe…

»Ich will wirklich wissen wie es dir geht, Schatz…« fing sie an und musterte ihn so liebevoll, dass es ihm die Kehle zusammenschnürte. Sie lächelte. »Wir haben dich ja quasi ins kalte Wasser geworfen mit dem Umzug… und… wie hast du dich denn eingelebt? Hast du schon Freunde? Wie läuft die Schule?«

Tom erwiderte das Lächeln trotz des Engegefühls in seiner Brust.

Das war kein fröhliches Lächeln, sondern eines, dass man jemanden schenkt, wenn man nicht will, dass er sich genauso schlecht fühlt wie man selbst. Ein Aufmunterungslächeln quasi.

Davon hatte sie ihm in letzter Zeit schon so viele geschenkt.

Also begann er von der Schule zu erzählen, von Jenny und ihren Schwestern, von Lehrer die er leiden und welchen die er nicht ausstehen konnte und von Bill…

Alles was am ersten Tag passiert war und auch alles was er jetzt manchmal noch zu ertragen hatte, weil er anders war, ließ er aus.

So etwas würde er seiner Mutter wahrscheinlich nie mehr erzählen können.

Auch wenn sie in den letzten Wochen wieder mehr zu sich selbst gefunden hatte, er konnte sie manchmal noch mitten in der Nacht weinen hören.

Etwas was ihm fast das Herz zerriss.

Doch es war auf jeden Fall besser als in Hannover. Wenn Tom an die letzten Tage in ihrer alten Wohnung zurück dachte, lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter.

Er konnte nicht mehr sagen wie oft er seine Mutter in einem total verwüsteten Zimmer im Arm gehalten hatte. Sie hatte geschrien und geweint…

Diese Schreie hatten sich tief in seinen Innersten eingebrannt.

So was vergaß man nicht, auch wenn man es wollte, man konnte es nicht vergessen… und auch wenn es enger zusammenschweißte, distanzierte es auch gleichzeitig.

Nie mehr würde er mit ihr über alles reden können, aus Angst ihr wehzutun und diese grausamen Schreie noch einmal hören zu müssen.

Diesen wahnsinnigen Schmerz den keiner versuchen sollte in Worte zu fassen.

Der Schmerz der ihn Tag für Tag…-

»Tom? Hörst du mir überhaupt zu?«

»Oh… verzeih. Ich war eben in Gedanken.«

»Hab ich gemerkt. Ich habe dich gefragt, was du davon halten würdest, wenn wir dieses Wochenende zum See fahren würden. Campen oder so… einfach mal rauskommen und zusammenfinden… wegen…«

Sie fuchtelte hilflos mit den Händen herum.

Aber der Blonde verstand sie auch so.

Es war wahr, dass sie, er und Gordon sich nicht mehr so nahe waren wie früher, aber das war auch irgendwie verständlich. Jeder ging mit dem Schmerz und der Trauer anders um.

Sie hatten sich sehr voneinander entfernt… niemals war es so still in der Familie Trümper gewesen wie jetzt. Aber campen gehen?

Er hasste Natur.

Noch mehr hasste er die Vorstellung in dieser zu schlafen. Vor allem wenn der Familienfrieden so erzwungen werden sollte. Das klappte doch nie.

Doch das konnte er ihr nicht sagen.

Er sah die Hoffnung in den braunen Augen, dass alles wieder so werden würde wie früher.

Doch das war absurd.

»Okay… wieso nicht.« stimmte er zu und seufzte. »Aber versprich dir nicht zu viel davon.«

»Danke…« sagte sie leise und strich ihm sanft über die Wange. »Wirklich… vielen Dank. Ich weiß, dass du es nicht magst. Ich freue mich sehr, wirklich… und auch für das Gespräch. Ich habe es vermisst so mit dir zu reden, weißt du das?«

»Ja Mom, ich habe es auch vermisst.«

Einige Minuten herrschte Stille.

»Würdest du mir einen Gefallen tun, Tom - …Tom?« fragte sie und man sah ihr ganz genau an, dass sie sich seinen Spitznamen mit aller Kraft verkneifen musste.

»Was du willst.«

»Spiel das Lied für mich, ja?«

»Du… du meinst?... hälst du das für eine gute Idee?«

»Ich will es hören. Außerdem habe ich dich so lange nicht mehr spielen gehört… bitte.«

Tom presste die Lippen zusammen, doch schließlich erhob er sich und holte seine Gitarre aus der Zimmerecke, wo diese in ihrem Ständer stand.

Er konnte seiner Mutter einfach keinen Gefallen abschlagen. Schon lange nicht mehr.

Sie hatte den Kopf gegen die Wand gelehnt, die Augen geschlossen und lächelte traurig.

Der Blonde nahm die Gitarre und zupfte die ersten Saiten an.

Die Melodie ging ihn so flüssig von den Fingern… er brauchte nicht einmal darüber nachdenken.

So oft hatte er sie gespielt.

Immer wieder.

Und immer wenn er sie spielte erinnerte er sich an Tobi, wie er begeistert mitgesummt hatte und ihm dabei zugesehen hatte wie er dieses Lied immer weiterentwickelte.

Er erinnerte sich an all die Gelegenheiten wo der Kleine ihn von hinten umarmt hatte, während er spielte.

So ziemlich die einzige Zärtlichkeit die ihnen Beiden je möglich gewesen war…

Der Text zum Lied war erst viel später, nach seinem Tod entstanden, doch Tom war sich sicher, dass sein kleiner Bruder über die Zeilen begeistert gewesen wäre.

Auch wenn es eigentlich eine eigenständige Melodie ohne Text gewesen war, konnte er das gut in einem langen Vorspiel kaschieren.

Es war eigentlich das schönste Lied was er je geschrieben hatte, fand er.
 

» Katzenlöwenseelenhund, deine weißen Pfoten.

Tragen uns vom Erdenrund ins ferne Reich der Toten…« sang er nach dem Vorspiel.

Seine Stimme zitterte bedenklich und man konnte die Tränen deutlich in seiner Stimme hören, doch mit jedem Wort wurde er sicherer.
 

»Katzenlöwenseelenhund, schnupperst Du an mir.

Katzenlöwenseelenhund, dann gehe ich mit Dir.
 

Katzenlöwenseelenhund, du kennst alle Sorgen…

Tief auf meinem Herzensgrund, erblicke ich den Morgen?
 

Katzenlöwenseelenhund, wo werde ich sein?

Katzenlöwenseelenhund, du weißt es allein.
 

Katzenlöwenseelenhund, wann kommst Du mich holen?

Himmelspforte, Höllenschlund – auf deinen leisen Sohlen?
 

Katzenlöwenseelenhund, ist es für mich Zeit?

Katzenlöwenseelenhund, bin ich für Dich bereit.,,«
 

Zum Ende hin wurde seine Stimme sowie sein Gitarrenspiel immer leiser, bis Beides schließlich ganz verstummte.

Tom atmete ein paar Mal zittrig aus und wand sich zu seiner Mutter um.

Er war nicht wirklich überrascht zu sehen, dass sie weinte.

Aber sie sah auch friedlich aus. So als würde sie wirklich daran glauben, was er ihr eben vorgesungen hatte. Und er musste zugeben, dass es irgendwie eine sehr schöne Vorstellung war.
 


 

**
 

Was soll das denn sein?

Ein Katzenlöwenseelenhund…

Ein was?!

Na jemand, der auf meine Seele aufpasst, wenn ich sterbe…

Tobi…

Aber so was gibt es, Tommy. Ganz bestimmt! Ich kann nur nicht so gut malen wie du.

Lass uns nicht darüber reden…

Aber –

Nein! Ich will nicht darüber reden! Hörst du?

Tut mir Leid…

Hey… nicht weinen. Ich wollte dich nicht anschreien… wirklich.

Malst du ihn mir, Tommy…?

Was?

Na den Katzenlöwenseelenhund.

Ich weiß doch gar nicht wie der aussieht…

Aber ich, ich beschreib ihn dir, okay? Bitte! Mach es für mich, ja?

Ja.

Wirklich?

Ja… für dich würd ich alles machen.

Ich hab dich so lieb!

Ich dich auch, Kleiner.
 

**
 

Die Tage bis zum Freitag vergingen leider viel zu schnell.

Und es regnete immer noch durch.

Es hieß zwar, dass sich das Wetter am Wochenende bessern sollte, doch dieser Vorhersage stand Tom noch skeptisch entgegen.

Eigentlich konnte es ihm ja egal sein, wenn der Ausflug ins Wasser fiel, aber irgendwie hatte er die böse Vorahnung, dass auch Regen die Planung seiner Mutter nicht durchkreuzen konnte.

Lustlos saß er in der Cafeteria und starrte aus dem Fenster.

Es war so dunkel und grau wie an Wintermonaten um 5 nachmittags… dabei war es gerade mal elf Uhr.

»Hey…«

»Oh, hi.« begrüßte er Jenny abwesend, die sich neben ihm auf den Stuhl fallen ließ. »Scheißwetter, ehrlich. Meine Haare kräuseln sich schon wieder!«

»Hm…«

Na wenn die keine anderen Sorgen hatte.

»Sag mal hast du Bill eigentlich gesehen?«

»Ich? Wieso ich? Du bist doch mit ihm in einer Klasse und hängst andauernd mit ihm rum.«

»Schon aber…« Jennys Gesicht verdüsterte sich.

»Aber?«

»Na ja… ein paar Spacken haben ihn heute wieder einen echt üblen Streich gespielt,… seitdem ist er nicht mehr aufgetaucht.«

»Was haben sie gemacht?«

Jenny seufzte. »In der ersten Pause haben sie ihm auf dem Gang eine Schale Müsli übern Kopf gekippt. Sie meinten das würde gut zu seinem Style passen.«

Wieso musste die Kantine auch Müsli ausgeben?

»Was?!« fragte Tom scharf. »Wie tief unten ist das denn? Der ihre Dummheitsskala hat nach unten hin wohl ein Loch, was? Was ist dann passiert?«

»Na ja… alle haben gelacht und noch weitere unpässliche Kommentare gerissen, dann ist Bill weg und seitdem habe ich ihn nicht wieder gesehen.«

»Scheiße.«

»Ja… ich dachte er wäre vielleicht bei dir.«

»Wieso sollte er? Er kann mich nicht mal leiden.«

»Das stimmt doch gar nicht, Tom. Er mag dich sehr… schließlich hat er dich umarmt.«

»Reit da nicht so drauf rum… er war mir nur dankbar, mehr nicht. Seitdem beachtet er mich genauso wenig wie vorher…«

»Er kann es eben nicht so zeigen. Aber er ist an dir interessiert… das weiß ich genau. Schon alleine wie er dich ansieht und dich immer beobachtet.«

»Hör schon auf. Das klingt gruslig, wenn du es so sagst.«

»Sorry.«

»Was nun? Suchen wir ihn?«

»Besser wär´s… sonst hast du seine Arme wohl umsonst behandelt.«

Tom seufzte, packte sein Essen wieder ein und folgte seiner Freundin aus der Kantine. Eigentlich nicht so schlecht… Hunger hatte er eh keinen und so wurde er wenigstens von schrägen Gedanken abgelenkt.

Trotzdem sollte er sich wohl nicht über eine solche Situation freuen.

»Hat er Plätze wo er immer hingeht?«

»Ja… du könntest auf den Toiletten nachschauen und ich geh in den leeren Musiksälen gucken. Wenn wir nichts gefunden haben treffen wir uns in fünf Minuten wieder hier an der Hoftür. Dann wird er wohl draußen sein.«

»Draußen, bei dem Regen?«

Jenny zuckte nur die Schultern und ging ohne noch etwas zu sagen.

Er suchte wie befohlen die Jungentoiletten in allen Stockwerken ab, fand aber nichts.

Also ging er zu der großen Flügeltür, die zum Hof führte und als auch Jenny wenig später ankam, wusste er, dass er wohl keine Wahl mehr hatte.

»Ich will da nicht raus…« maulte der Blonde, zog sich aber trotzdem die Kapuze über sein Cappy und verstaute seine Dreads darunter, ehe er die Tür aufstieß.

Zusammen traten sie in den Regen.

Der Wolkenbruch war so stark, dass Tom schon nach wenigen Minuten spürte, wie der Stoff an seinen Haut zu kleben begann.

Na herzlichen Glückwunsch…

Warum genau holte er sich noch einmal den Tod hier?

Sie suchten den Hof ab und wurden schließlich in der hintersten Ecke, zwischen zwei großen Hecken, die das Schulgelände von der Straße abgrenzten, fündig.

Dort kauerte Bill.

Die Beine eng an seinen Körper gezogen, die Arme um die Knie geschlungen und den Kopf auf die Arme abgelegt. Er rührte sich nicht.

Wenn er wirklich die ganze Zeit schon hier war, musste er völlig durchgeweicht sein.

Als Tom und Jenny näher kamen, sahen sie auch die Lehrerin, die über ihm stand und mit Kleinkindstimme auf ihn einredete:

»Na komm, steh schon auf. Es ist doch ganz doll nass hier draußen, hm? Wir gehen rein und dann hol ich dir erst Mal einen warmen Kakao, ja Süßer?«

Ging es eigentlich noch?

Warum bot sie ihm nicht gleich noch einen Teddy und ein Platz in der Krabbelgruppe an?!

Der Junge war 16, verdammt!

Jenny warf ihn einen Blick zu der deutlich signalisierte:

Ich hab´s dir doch gesagt!

Ja, das hatte sie… aber das war echt krass.

Ihm wurde ganz schlechte, wenn er sich vorstellte, dass jemand so mit ihm reden würde.

Ohne weiter darüber nachzudenken, bewegte er sich unaufhaltsam auf die Szene zu.

Er schob die Lehrerin etwas unsanft beiseite und unterbrach sie damit in ihren Ausführungen warum Regen so ungesund war. Dann packte er Bill am Arm und zog ihn hoch.

»Junge, was machst du hier draußen? Du holst dir noch den Tod.« fuhr er ihn an. »Jenny und ich suchen dich hier wie die Bekloppten und du sitzt hier seelenruhig und erkältest dich?!«

Der Schwarzhaarige ließ sich widerstandslos erst von ihm hoch – und dann mitziehen.

Erst als sie drin waren, drehte Tom sich nach seiner Freundin um. Diese stand grinsend hinter ihm.

»Du hättest mal das Gesicht von der Wickert jetzt sehen müssen.«

»Mir doch vollkommen egal. Die Frau hat nicht mehr alle Bemmen im Beutel.« meinte der Blonde trocken und kramte in seinem Rucksack nach einem sauberen Handtuch. Er wurde auch sofort fündig. Zum Glück hatten sie heute Sport gehabt… sonst wäre der Zufall wohl eher unwahrscheinlich gewesen.

Die Schwarzhaarige begann lauthals zu lachen und bekam sich nicht wieder ein.

»Be – bemmen im… B… b…« quietschte sie und wurde wieder von einer Lachsalve geschüttelt.

Tom hob eine Augenbraue, sagte aber nichts mehr dazu.

Er zog seine Jacke aus, drückte Bill, der immer noch verloren neben ihm stand auf eine Bank und warf ihm das Handtuch über den Kopf.

»Halt still… du bist ja klitschnass.«

Während er versuchte sein stummen Gegenüber mit dem Handtuch einigermaßen trocken zu bekommen, beruhigte sich Jenny langsam wieder.

»So, geschafft,… jetzt bist du wenigstens einigermaßen trocken.«

»Du solltest dich lieber schnell umziehen, sonst erkältest du dich wirklich noch…« warf nun auch die Schwarzhaarige besorgt ein.

Bill nickte und sah die Beiden dann an, die immer noch vor ihn standen.

Etwas Undefinierbares lag auf einmal in seinem Blick und dann, ehe Tom sich auch nur bewegen konnte, schlang er wieder seine Arme um ihn.

Das zweite Mal diese Woche…

Da er noch saß und Tom vor ihm stand, umarmte er eher seinen Bauch, doch er ließ nicht mehr los.

Völlig überrumpelt stand der Dreadhead da; das Handtuch noch immer in seiner Hand.

Bill klammerte sich an ihn und schien in nächster Zeit nicht geplant zu haben ihn wieder freizugeben.

»Ähm… ich - Sag mal heulst du?« stammelte Tom fassungslos und sah auf die zuckenden Schultern des Anderen hinunter.

Was war denn jetzt kaputt…?

»Ich lass euch dann mal alleine…« sagte Jenny plötzlich dicht hinter ihm.

»W – was? Nein das kannst du nicht machen!«

»Warum nicht?«

»Wenn du nicht da bist, versteh ich ihn doch nicht!«

»So ein Unsinn… er kann schreiben und du sicher auch lesen.« winkte Jenny bestimmt ab. »Rette ihn Tom. Ich weiß du kannst ihn retten… er braucht jemanden zum fest halten und ich denke, den hat er jetzt gefunden. Er scheint das auch so zu sehen.«

»Aber…«

Doch damit hatte sie sich schon umgedreht und war davon gegangen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  G-Saite
2018-06-28T08:10:37+00:00 28.06.2018 10:10
War das eine Anspielung auf „Rette mich“?


Zurück