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Der unerwünschte Mieter

von

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Kapitel 6

Kapitel 6
 

„Ich habe noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen.”
 

Kaum, dass wir Beckis Lounge betreten und uns einen Platz gesucht haben, sieht mich Joshua herausfordernd an.

Schon während der Fahrt hierher hat er mich ununterbrochen kritisiert. Ich verdrehe die Augen und schaue ihn an. „Was ist denn jetzt schon wieder?”
 

„Wie du dich sicherlich daran erinnern kannst, haben wir heute morgen nicht gefrühstückt.” Nebenbei nimmt er die Getränkekarte in die Hand und schlägt sie auf. Seine Augen schweifen kurz über die gelblichen Seiten, ehe sie wieder an mir haften bleiben.
 

„Lag vielleicht daran, dass wir – also ich – keine Zeit dafür hatten?”

Gleichgültig zucke ich mit den Schultern und entwende ihm die Karte, womit ich mir einen bösen Blick einfange. Geschieht ihm recht, wenn er lieber mich ansieht als zu schauen, was er bestellen möchte.

Aus taktischen Gründen habe ich Joshua vorhin davon überzeugt, mit dem Taxi in die Stadt zu fahren. Zwar hat er sich über die horrenden Kosten echauffiert – dies war nur einer seiner harschen Kritikpunkte –, aber letztendlich hat er die Hälfte brav und artig bezahlt.

Also kann ich heute trinken, was ich möchte, und ich weiß schon ganz genau, nach was mir ist. Nach Cocktails, deren Alkohohlgehalt man kaum herausschmeckt, der sich aber dennoch schleichend langsam in die Blutbahn mischt und einen nach und nach sachte umnebelt.
 

Eine Hand drückt die Karte unsanft nieder, die ich mir bewusst vor das Gesicht gehalten habe.

„Ich habe noch gar nicht gesagt, was ich sagen wollte.”
 

„Für einen Mann brauchst du dafür auch ziemlich lange.“ Keck klimpere ich mit den Wimpern.
 

Zunächst sieht er mich mit einer Mischung aus Contenance und Überraschung einfach nur an, doch schon bald leckt er sich über die Lippen und beugt sich ein wenig vor.

„Um gleich auf den Punkt zu kommen: Ab morgen möchte ich jeden Früh frisch gebrühten Kaffee und es ist mir egal, wie du das arrangierst. Ich habe deine ganze Küche erfolglos nach einer Kaffeemaschine abgesucht. Es ist mir wirklich ein Rätsel, wie man ohne so ein Ding auskommen kann.“
 

„Hohe Ansprüche haben und selbst nichts dafür tun, das sind genau die richtigen.“ Ich lege meine Unterarme auf den kleinen mahagonifarbenen, quadratischen Tisch zwischen uns und breite die Karte verkehrt herum vor mir aus. „Schau hier“, deute ich dann auf ein paar schwarze Lettern auf gelblichem Untergrund. „Du hast freie Auswahl: Café schwarz, Café au lait, Latte Macchiato, Cappuccino, Latte Macchiato mit Vanille, Latte Macchiato mit Caramel, Cappuccino mit Haselnussnote und so weiter.“ Ohweh, was es nicht heute so alles gibt. „Da wird doch was für dich dabei sein!?“
 

„Kaffeeverweigerer wie du haben absolut keine Ahnung!“ Er sieht an mir vorbei und beginnt zu lächeln.

„Heiß! Der Laden hat unerwarteterweise eine ganze Menge zu bieten.“
 

Ich drehe mich um und erblicke zwei große Blondinen, die sich an der Bar miteinander unterhalten. Eine schlanker als die andere, eine aufgebrezelter als die andere. Mir wird schlecht. Als ob ich so was nicht schon zu genüge ertragen müsste, wenn ich auf Arbeit durchs Büro laufe.

Typisch, dass sich die Männer von solchen Grazien angezogen fühlen, nur muss ich das zum Glück nicht verstehen.

Es ist nicht mal das Wasserstoffblond, das mich sauer aufstoßen lässt, sondern die Art und Weise, wie diese Mädchen immer posen. Hintern raus, Brüste raus, Bauch rein. Das tiefe Dekolleté immer wieder perfekt zur Schau stellen. Und bloß immer dümmlich lächeln. Zuguterletzt die Männer mit allem möglichen Müll zuschwätzen.

Würg.

Selbst wenn ich solch eine Figur hätte, würde ich nicht mein ganzes Selbst darauf reduzieren. Das schätze ich so an Maren. Vom Aussehen her gleicht sie diesen beiden Mädchen an der Bar sehr, doch sie versteht es wenigstens, dieses geschickt mit ihrer Intelligenz zu vereinen.
 

„Du kannst dich gerne zu ihnen gesellen“, meine ich irgendwann. „Die beiden nehmen dich bestimmt gerne mit nach Hause und ich habe dich los.“

Wenn er ernsthaft auf diesen Typ Frau steht, dann ist er ohnehin nicht der richtige für mich. Mal abgesehen davon, dass er das aufgrund seiner unverschämten und herablassenden Art sowieso nicht ist.

Je mehr ich darüber nachdenke, wünsche ich mir sogar, dass er jetzt aufsteht und geht. Dann habe ich allen Grund, ihn zu verabscheuen, und werde hoffentlich das Kribbeln an meinem Ohr endlich wieder los, das mich bis jetzt immer noch auf Schritt und Tritt verfolgt.

Mit einem leisen Seufzer nehme ich meine Hand vom Ohr, das ich schon wieder mal dort berührt habe, wo Joshuas warmer Atem mich am Morgen gestreift hat.

„Auf was wartest du?“ Fragend sehe ich ihn an.
 

„Herrlich, wie du mich loshaben möchtest.“ Er stützt seinen Kopf in die Hände und betrachtet mich eingehend. „Du würdest wirklich alles dafür tun, dass ich jetzt gehe, oder?“
 

Ja!

Naja.

Nein.

Ach, ich weiß nicht.

Besser wäre es.

Stocksteif sitze ich da und fahre mit meinen Augen den bräunlichen Rand seiner Iriden nach. Ein Wunder der Natur, solch eine wunderschöne Farbkombination zu erschaffen. Das tiefe Grün zusammen mit diesem Kastanienbraun haut vermutlich alle Mädchen um. Dagegen ist man einfach machtlos.
 

„Leider muss ich dich enttäuschen, Milly.“ Traurig, als ob ihm gerade die Chance seines Lebens entgangen wäre, nimmt er meine Hände und legt sie zusammen.

„Wir müssen erst noch das mit dem Kaffee klären. Und wenn wir schon dabei sind, so offen miteinander zu plaudern, müssen wir uns gemeinsam auch noch was bezüglich deiner Puzzle-Manie überlegen. Bei so vielen Puzzles in der Wohnung bekommt man ja regelrecht Zustände!“
 

Seine Worte rauschen achtlos an mir vorbei. Das einzige, was ich wahrnehme, sind seine weichen Hände um meine. Das sanfte Gefühl seiner Haut an meiner.

Mein Herz klopft wie wild und ich weiß ganz genau, dass ich gerade drauf und dran bin, mich restlich in diesen Kerl zu vergucken.
 

Nein, das darf ich nicht!

Das wird sowieso kein gutes Ende nehmen, also darf ich es gar nicht erst beginnen lassen.
 

Zärtlich fahren seine Daumen über meine Handrücken und hinterlassen Spuren von glühendem Feuer.

Im Gegenzug ist das Kribbeln an meinem Ohr nahezu lachhaft!
 

Ich kann gar nicht sagen, wie erleichtert ich bin, dass in diesem Moment die Bedienung an unseren Tisch kommt und uns fragt, was wir denn trinken wollen.
 

„Einen Sex on the beach!“, platzt es aus mir heraus und die junge Rothaarige grinst mich liebevoll an. Ihr Blick springt von Joshuas sowie meinen Händen und meinem Gesicht ständig hin und her.
 

„Gerne“, sagt sie freundlich und widmet sich nun Joshua.
 

„Einen doppelten Espresso, bitte“, antwortet er mit ungewohnt sachter Stimme.
 

Die junge Frau wendet sich mit einem erneuten Lächeln an mich ab und läuft zurück zur Bar, wo sie vermutlich herkam.

Ich nutze die Gelgenheit, um Joshua meine Hände zu entreißen.

„Kannst du endlich damit aufhören, mich ständig zu begrabschen?“

Ich klinge total gereizt, doch ich sehe wohlwollend darüber hinweg und starre ihn obendrein wütend an.
 

„Sex on the beach also.“ Süffisant grinst er mich an.
 

„Lenk nicht vom Thema ab!“, schnaube ich.

„Das ist mein Bereich!“ Ich zeichne eine unsichtbare Zone um mich herum. „Und der Rest ist meinetwegen deiner. Aber komme nie wieder auf den Gedanken, mich anzufassen. Da bekomme nämlich ich Zustände!“
 

„Deine Puzzles sind viel schlimmer als das.“

Und schon streift sein Bein an meinem entlang, wodurch ich augenblicklich die Luft anhalte.
 

Aber im nächsten Moment bereits schlägt mein anderes – das gesunde – Bein wie von selbst aus und trifft ihn hart am Unterschenkel.

Joshua zuckt zusammen und zieht sich zurück.

„Müssen immer gleich die Pferde mit dir durchgehen, wenn dir was nicht passt?“

Er greift unter den Tisch und reibt sich das Bein.
 

„Eine andere Sprache scheinst du ja nicht zu verstehen.“

Stimmt doch, selbst wenn ich mich eben mal wieder nicht unter Kontrolle hatte!
 

Passiert mir eigentlich nur bei ihm.
 

Als uns unsere Getränke serviert werden, schnappe ich mir meinen Cocktail und nehme einen kräftigen Zug aus dem orangenen Strohhalm. Da ich kaum was von dem Alkohol merke, setze ich noch ein paar Mal an. Erst als das Glas fast leer ist, stelle ich es wieder ab, und atme einmal tief aus.

Besser!
 

„Also, bekomme ich nun morgen Früh meinen Kaffee?“

Um sein Verlangen danach zu unterstreichen, nippt er mal kurz – unbeeindruckt von meiner Gier – an seinem Espresso.
 

So ein Tritt und danach ein Cocktail besänftigt einen erstaunlich gut. Mein ganzer Körper fühlt sich zwar immer noch wie in Watte gepackt an – kommt wohl von dem heftigen Kribbeln, das er in mir ausgelöst hat –, aber nichtsdestotrotz spüre ich wieder so etwas wie Verstand in mir.
 

„Das mit dem Kaffee ist das geringste Problem“, entgegne ich auf einmal völlig gelassen. Da ich seinen verwirrten Blick sehe, füge ich hinzu: „In meinem Schafzimmer steht die alte Kaffeemaschine meiner Eltern. Was heißt alt. Eigentlich ist sie noch neuwertig, doch meine Eltern haben sie nicht mehr gebraucht. Und weil du blind bist, hast du das Kaffeepulver im Kühlschrank nicht gesehen. Kaffeefilter stehen im Schrank neben dem Ofen.“ Und weil ich merke, wie baff er gerade ist, setze ich das überheblichste Lächeln auf, das ich zustandebringe.
 

„Und obwohl du das alles hast, hast du mich heute auf dem Trockenen sitzen lassen?“

Die Frage kommt spät. Sehr spät. Typischer Fall der 3Ls:

lausig

lange

Leitung.
 

„Woher soll ich denn wissen, dass du Kaffee magst?“

Ich schaue ihn verständnislos an.
 

„Wer tut das denn nicht? Oh entschuldige, ich vergaß, dass es eine Spezies wie dich gibt, die keinen Kaffee trinkt.“
 

„Sieh an, so was gibt es in der Tat. Und du kannst froh sein, dass ich trotz meiner kleinen Aversion gegen den intensiven Geruch alles dafür besitze, dass du dir morgen deinen heißgeliebten Kaffee kochen kannst.“
 

Dann kehrt mit einem Mal Stille zwischen uns ein. Diese nutze ich, um mich in der Lounge ein wenig umzusehen. Für einen Freitag Abend ist sie wie erwartet sehr gut besucht und gerade kommt wieder ein ganzes Träubel Menschen herein. Je mehr ich mich umsehe, desto mehr Blicke werde ich gewahr, die heimlich Joshua zugeworfen werden. Und wie ich Joshua bisher kennengelernt habe, suhlt er sich bestimmt in ihnen.

Soll er doch.

Es macht mir nichts aus.

Für alle Beteiligten wäre es ohnehin das Beste, wenn er sich endlich die beiden blonden Grazien schnappen und mit ihnen verschwinden würde.

Nach einer Weile richte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf mein Gegenüber, der sich entspannt zurückgelehnt und sich wohl ebenfalls die Leute um sich herum angesehen hat, so wie er schon wieder grinst.
 

„Es ist Freitag Abend, Wochenende, was schaust du eigentlich so betrübt?“

War ja abzusehen, dass irgendsowas von ihm kommt.
 

„Es kann ja nicht jedem dieses sarkastische Lächeln ins Gesicht gemeiselt sein wie dir“, erwidere ich halbherzig.
 

Warum macht er nicht endlich einen Abgang?
 

„Komm mal wieder runter und erkläre mir, warum du so viele Puzzles in deiner Wohnung hast.“
 

Dass er auch immer so lange auf etwas herumreiten muss, bis ich es ihm sage. Und was mache ich? Gehorche ihm aufs Wort!

Nur noch dieses eine Mal tue ich ihm den Gefallen, denn ich gebe schließlich nicht die Hoffnung auf, dass er sich danach endlich verdünnisiert.

„Der Zusammenbau eines 3D-Puzzles ist eine geniale Herausforderung, was du, wie du selbst bereits zugegeben hast, nicht nachvollziehen kannst.“

Nachdem ich nach meinem Cocktailglas gegriffen und es geleert habe, mache ich mit einem Wink in Richtung Bedienung deutlich, dass sie mir gerne noch mal dasselbe bringen darf.

Er will es ernsthaft wissen? Also gut!

„Zuerst baut man alle vier Seiten zum Beispiel jedes Turms, jedes Mastes oder jeder Hauswand einzeln zusammen und am Ende versucht man, rein durch räumliches Vorstellungsvermögen alle diese Einzelteile zu einer Einheit zusammenzufügen.“ Mit jedem Wort werde ich immer euphorischer. „ Mit der Zeit entsteht ein dreidimensionales Gebäude mit mehreren Zimmern oder ein Schiff mit mehreren Decks. Du kannst es drehen und wenden und hast eine exakte Kopie des Originals in der Hand. Gut, vielleicht nicht so ausgefeilt wie ein Modellschiffsbau oder so, aber ich finde es einfach faszinierend, wie man aus ein bisschen Schaumstoff und bedruckter Pappe diese Kunst erschaffen kann!“

Immer wenn ich davon erzähle, blühe ich richtig auf. Strahlend nehme ich den Cocktail entgegen, den mir die nette Rothaarige gerade hinhält.

„Und aus diesem Grund stehen der Eiffelturm, die Titanic, das Schloss Neuschwanstein und die anderen Puzzles in meiner Wohnung herum. Dahinter steckt nicht mehr und nicht weniger.“
 

Ich frage mich, warum Joshua nichts erwidert. Wenn er mich weiter mit diesem entrückten Blick ansieht, sehe ich es schon kommen, dass ich ganz nervös auf meinem Stuhl hin- und herrutsche und mir ein dümmliches Anschmachten seiner Erscheinung unterdrücken muss. Um das zu vermeiden, konzentriere ich mich auf meinen frischen Cocktail und zülle ein wenig an meinem Strohhalm herum. Mein Blick wandert auf die Getränkekarte, die ich wieder herumdrehe und nun erneut studiere. Es schadet ja nicht, wenn ich mir schon mal überlege, was ich nachher trinken möchte.
 

Die seichte Hintergrundmusik beginnt, mich angenehm zu umhüllen. Immer mehr gebe ich mich der Melodie hin, die aus den Boxen dringt. Erfreulicherweise haben sich die Verantwortlichen der Lounge heute für eine eher rockige Musikrichtung entschieden. Ganz nach meinem Geschmack.

Nach einer Weile stehe ich auf. Joshuas Schweigen veranlasst mich dazu, ihm nicht mitzuteilen, was ich vorhabe. Darum gehe ich einfach ohne ein Wort der Erklärung.

Etwas schwindelig ist mir ja schon, während ich den schmalen Gang an den anderen Gästen vorbei entlanglaufe. Dennoch schaffe ich es, ohne großes Aufsehen die Damentoilette zu erreichen und darin zu verschwinden. Dort lehne ich mich erst mal gegen die Tür und bin froh, dass ich die einzige hier bin. Zwar bin ich noch weitestgehend nüchtern, aber dieses wabelige Gefühl, das mich allmählich übermannt, beeinträchtigt mein Gleichgewichtssinn schon so ein klitzekleines bisschen.

Wenig später kämpfe ich mir wieder einen Weg zurück zu Joshua. Als ich ihn bereits sehen kann, legt mir plötzlich jemand eine Hand auf meinen Arm, worunter ich leicht zusammenzucke.
 

„Ihr seid ein süßes Pärchen.“, lächelt mich die rothaarige Bedienung herzlich an und drückt sachte meinen Arm. „Vor allem diese Harmonie zwischen euch ist einzigartig. Ich könnte euch glatt beneiden.“
 

Hä?

Ich frage mich ehrlich, wie sie auf eine solch wahnwitzige Idee kommt, dass zwischen Joshua und mir so etwas wie Harmonie existiert. Also wenn ich unsere soziale Beziehung beschreiben müsste, dann

wären es eher Substantive wie Ironie, Verkrampftheit und kriegerische Auseinandersetzung. Ach und nicht zu vergessen: einseitige, total dumme und überflüssige Vernarrtheit.

Irritiert zucke ich lediglich mit den Schultern und lächle sie ebenso liebevoll an.
 

„Ich wünsche euch beiden noch einen wunderschönen Abend“, fügt sie hastig hinzu, als schon wieder nach ihr gerufen wird.
 

„Danke!“, rufe ich ihr immer noch ganz perplex nach. Sie dreht sich noch einmal um und zwinkert mir zu.
 

Mich hätte es nicht gewundert, wenn Joshua in der Zwischenzeit von allen möglichen Frauen belagert worden wäre, doch er sitzt einsam und verlassen auf seinem Stuhl und wartet darauf, dass ich mich wieder hinsetze.

„Da bist du ja wieder.“

Instinktiv greife ich nach meinem Glas und trinke einen Schluck.

„Meinst du nicht, du solltest ein wenig langsamer machen?“
 

„Mit was?“ Verständnislos schaue ich Joshua an.
 

„Na damit!“ Mit seinem Zeigefinger deutet er auf mein schon wieder fast leeres Glas.
 

„Warum sollte ich?“

Ich weiß wirklich nicht, warum ihn das was angehen sollte.
 

„Während deiner Abwesenheit kam übrigens eine von ihnen zu mir an den Tisch.“ Er nickt in Richtung Bar und ich weiß auch ohne Hinzusehen, dass er die beiden Blondinen meint. „Sie haben gefragt, warum ich mich mit so einer alten Schachtel wie dir abgebe.“
 

„Warum sitzt du dann noch hier?“, stoße ich hervor, während sich meine Hände zu Fäusten ballen.
 

„Weil ich noch nicht beurteilen kann, ob du eine bist oder nicht. Du siehst ziemlich jung für dein Alter aus, aber das hat bekanntlich nichts zu sagen.“

Neugierig setzt er sich aufrecht und visiert mich an.

„Und? Bist du's? Also eine alte Schachtel, meine ich?“
 

Ich will schon aufstehen und gehen und ihn den blonden Tussen an der Bar überlassen, die ja nur darauf warten, über ihn herzufallen, doch plötzlich kommt mir ein Gedankenblitz und da soll noch mal wer behaupten, dass Alkohol den Verstand benebelt!

„Wollen wir eine Wette abschließen?“

Diabolisch grinsend lehne ich mich über den kleinen Tisch und halte drei Finger vor sein Gesicht.

„Der Sieger hat drei Wünsche frei.“
 

„Eine Wette?“ Abwägend kaut Joshua auf seiner Unterlippe. Dann schleicht sich ein fieses Lächeln in seine Mundwinkel. „Welche?“
 

„Ich wette, dass du älter bist als ich.“

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich gerade vollkommen verspekuliere, die Verlockung ist einfach zu groß. Mit drei Wünschen könnte ich allerhand anstellen und Joshua hat wirklich keinen blassen Schimmer davon, wie durchtrieben ich sein kann.
 

Ohne zu überlegen streckt er mir die Hand hin und ich schlage sofort ein, nicht dass er mir hier noch einen Rückzieher macht.
 

Die kurze Berührung zwischen uns ignorierend, fordere ich ihn auf, mir sein Geburtsjahr zu verraten.
 

„Das wäre zu einfach.“ Demonstrativ verschränkt er die Arme und grinst. „Fangen wir beim Tag an. Du zuerst.“
 

„Der 21.“, antworte ich ohne Umschweife.
 

„Der 17.“
 

Aufgeregt trommele ich mit den Fingern auf den Tisch. „Monat?“, frage ich.
 

„Du zuerst.“
 

Meinetwegen. „November.“
 

„Dezember ... Ich sollte mir langsam Gedanken über meine Wünsche machen.“

Siegessicher streicht er sich eine Haarsträhne zurück.
 

„Nicht so voreilig“, entgegne ich. „Das Jahr ist das Entscheidende.“
 

„Du bist dran.“ Er macht eine ausladende Bewegung mit seiner Rechten.
 

Wenn er denkt, dass ich es zuerst verrate, dann hat er sich aber mächtig geschnitten.

„Zeig mir deinen Personalausweis.“

Ich muss auf Nummer sicher gehen. Zwar glaube ich schon, dass er mir die Wahrheit sagen würde, doch sicher ist sicher. Es steht immerhin viel auf dem Spiel.

Nervös gönne ich mir den letzten Schluck von meinem Cocktail.

Meine Beine wippen ganz unruhig auf und ab.

„Komm schon. Rück ihn raus.“
 

Tatsächlich lehnt er sich zur Seite und holt seinen Geldbeutel aus der Gesäßtasche. Da ich gar nicht erwarten kann, das grüne Plastik in die Finger zu bekommen, stehe ich auf und stelle mich neben ihn.

Doch er legt den Geldbeutel nur auf den Tisch und versteckt ihn unter seinen Händen. Dann legt er den Kopf schief, um mich ansehen zu können.

„Wir tauschen zur gleichen Zeit die Ausweise.“
 

Mensch, ich war so nah dran! Widerwillig nehme ich wieder Platz und krame meinen Perso aus meiner Handtasche.

„Also gut. Auf drei.“

Er nickt.

„Eins, zwei … drei.“

Was dann folgt ist ein wildes Durcheinander von Händen, bis jeder den Ausweis des anderen erwischt und sich vor die Nase hält.
 

Lachen durchflutet den Raum.
 

Ein hämisches, durchtriebenes Lachen.
 

Die Leute werfen uns komische Blicke zu, aber das ist mir so was von egal.
 

Denn das Lachen stammt von mir!
 

Miiiir!
 

„Du bist 11 Monate älter als ich, wie gigantisch ist das denn! Und die 30 bekommst du damit auch noch dieses Jahr und damit vor mir verpasst!“

Auch dass meine Stimme ein wenig zu laut für diese Location ist, stört mich nicht im Mindesten.
 

Joshuas Miene verdüstert sich zunehmend.

„Glückwunsch!“, presst er zwischen seinen Lippen hervor.
 

Ich strahle wie ein Honigkuchenpferd.

Mit einer Hand klopfe ich ihm auf die Schulter. „Deine Niederlage ist besiegelt.“ Jede einzelne Sekunde, wo er mit den Zähnen knirscht, koste ich bis ins kleinste Detail aus. „Glaub mir, meine drei Wünsche werde ich gut einzusetzen wissen.“
 

Dieser Abend ist genial!
 

Absolut genial!
 

Wer hätte schon gedacht, dass sich das Blatt noch zu meinen Gunsten wenden wird?
 

„Jetzt komm mal wieder runter“, fordert mich Joshua sichtlich gereizt auf. „Es sind nur Wünsche und keine Offenbarung.“
 

Ach ja?



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