Zum Inhalt der Seite

Dell'Arte della guerra

(Von der Kunst des Krieges) [Rufus/Reno/Tseng]
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Vendetta

Vendetta
 

Tseng und Elena taten nur wenige Minuten später das selbe wie Reno: Dafür sorgen, dass etwas in ihren Magen kam.

Der Wutainese hatte dem Quengeln seiner Partnerin nach gegeben. Und dem Hinweis darauf, dass ein lautes Magenknurren jedes Anschleichen vereiteln würde.

Elena achtete sorgsam darauf, das nichts von ihrer Hamburger-Soße auf den Ledersitz des Autos tropfte, während sie ein kritisches Auge auf den Salat behielt, den Tseng versuchte zu essen. Und dabei jedes einzelne Blatt so skeptisch begutachtete, als ob es ihm gleich an die Kehle springen würde.

"Salat hat die Angewohnheit sich nicht gegen seine Schicksal zu wehren, Tseng." schmatzte sie. "Wann hast du eigentlich das letzte Mal was gegessen?" Wieder ein vorsichtiges Heran tasten.

Mit der Tür ins Haus fallen, ihn direkt auf das offensichtliche stoßen, war die falsche Taktik.

Das hatte sie heute ja schon mehrmals versaut.

"Vor 32 Stunden. Einen Schokoriegel."

"Tseng, du weißt schon, das der menschliche Körper Nahrung benötigt, um vernünftig agieren zu können?" Sie musste ihm jetzt mit Logik kommen.

Die verstand er.

Emotionen würde er blocken.

"Es gibt Vitamintabletten."

Sie widerstand dem Drang ihm den Hamburger ins Gesicht zu drücken. "Vitamintabletten ergänzen, Tseng. Sie ersetzen keine Nahrung. Wie viel wiegst du inzwischen?"

"49 Kilo." antwortete er ohne nachzudenken, zu konzentriert auf ein Tomatenstück.

Die Turk neben ihm hustete trocken. "Tseng, du wiegst 10 Kilo weniger als ich! Und wir sind beides Gartenzwerge mit unseren nicht mal 1,70m."

"Elena, seit wann bist du meine Diät-Beraterin?" Damit war auch dieses Thema für ihn abgehakt.

Nur dieses Mal würde sie nicht locker lassen. Sich nicht ab wimmeln lassen.

"Seit", sie holte tief Luft, "Ich mich frage, wie Reno und du im Bett noch überhaupt etwas geregelt bekommen, ohne dass du durch brichst." Sie schob sich den letzten Rest Hamburger in den Mund. "Es läuft nichts mehr, oder? Wie lange hast du ihn nicht mehr ran gelassen?"

"Elena."

Tseng packte den Salat zurück in die Papiertüte, suchte nach seinen Zigaretten und startete den Motor.

"Nicht Elena." fauchte sie, nahm ihm die Tüte ab. Wie konnte sie nur so blind gewesen sein? "Tseng, auch wenn ich mich wiederhole: Der Rest des Universums hat tatsächlich das Bedürfnis nach körperlicher Nähe. Danach zu kuscheln, mal Sex miteinander zu haben. Ganz normal. Wie lange?"

Tseng zündete sich die Zigarette an, knüllte die leere Packung zusammen und warf sie zu dem halb auf gegessenen Salat in die Tüte. "Sechs Wochen." antwortete er ihr schließlich, als er einsah, dass sie eine Antwort auf die Frage haben wollte.

"SECHS WOCHEN?" Seine Partnerin jappste nach Luft.

Sechs Wochen in denen sie nicht ansatzweise mitbekommen hatte, das Reno jemand anderem hinter her gestiegen war.

Reno, der sonst immer sofort zu ihr gerannt kam, um sich an ihrer Schulter aus zu heulen, überkamen ihn die Triebe.

Es war Elena gewesen, die als erste wusste, das irgendetwas zwischen Tseng und ihm lief. Vor der er es direkt zugegeben hatte.

Das es nicht nur ein schneller Fick gewesen war. Das ausgerechnet Reno zum Wiederholungstäter wurde.

Reno, der an Tseng festhielt. Obwohl sie nicht mehr miteinander schliefen.

Und ein weiteres Mal verfluchte Elena das Universum, Rufus, Tseng und Reno.

"Süßer." Ihre Stimme wurde zu einem leisen Gurren, vorsichtig streckte sie die Hand aus, um Tseng über die Haare zu streichen.

Jahre - es hatte Jahre gedauert, bis sie den Tonfall gefunden hatte, der ihn nicht zurück schrecken ließ. Die Berührung, welche ihn nicht zum Zusammen zucken brachte. "Reno macht sich Sorgen um dich. Und du realisierst es nicht. Genau so wenig wie du merkst, das jemand anderes wegen dir durch dreht."

Ihre Hand glitt langsam unter ihr Jackett. Zog den Umschlag heraus. Vorsichtig schüttelte sie die Bilder auf ihren Schoss. "Das hier" sie hielt eines der Fotos hoch, "ist nicht irgendein kleiner Stricher, den Rufus gerade umbringt."

Für sie, die in Midgar aufgewachsen war, sahen wutainesische Gesichter sich immer noch viel zu ähnlich. Tseng und diese kleine nervige Göre, die öfters im 7th Heaven anzutreffen war, waren ihre einzigen Referenzen.

Aber selbst Elena erkannte die erstaunliche Ähnlichkeit zwischen dem Jungen und Tseng. Nur minimale Abweichungen in der Schärfe der Wangenknochen, ein etwas breiteres Gesicht.

"Tseng, Rufus bringt gerade dich um. Sehr ritualisiert. Siehst du es?"

Eine Ansammlung zusammenhängender Konsonanten nahm Elena als Zustimmung. "Was in Minervas Namen ist zwischen euch passiert?"

"Was soll passiert sein?" Tseng verkroch sich hinter seiner kalten, stoischen Maske. Schob das, was er auf den Fotos sah, weit von sich.

"Hast du mit ihm geschlafen?" Elena nahm ihm die Zigarette ab, inhalierte tief den Rauch.

"Zwei" er zögerte. "Nein, dreimal."

Auf dem Beifahrersitz sackte die Turk in sich zusammen. "Weil du es wolltest?" wisperte sie gegen das Surren des Motors an.

"Nein." Tsengs Stimme war so beherrscht wie immer. "Nicht am Anfang."

"Was heißt das jetzt?" Elena stand kurz vor der absoluten Verzweiflung. Dem Wutainesen die Informationen zu entlocken, gestalte sich schwieriger als einen verstockten Avalanche-Kämpfer aus zu fragen. "Wer eh... war oben?" Sie hasste es auf diese Klischees zurück greifen zu müssen.

"Ich." Tseng nahm ihr wieder die Zigarette ab.

"Moment, du wolltest nicht mit ihm vögeln, hast ihn aber flach gelegt?" versuchte Elena das gerade gehörte zu verarbeiten.

"Ich lasse mich von keinem Shinra ficken." wurde ihr immer noch ruhig, vollkommen beherrscht geantwortet.

Elena rechnete schnell. Die sechs Patronen, die sie im Magazin hatte, sollten reichen, Tseng das Hirn aus dem Schädel zu pusten. "Hast du ihm das gesagt?" fragte sie leise, lauernd.

"Mehrmals."

"In diesem Tonfall?"

Warum? Warum sie? Was für einen Fehler hatte sie in einem anderen Leben begangen.

"Vermutlich."

"Tseng! Du verdammter Idiot! Wer hat vergessen, dir Taktgefühl ein zu prügeln? Das kannst du doch nicht dem sagen, der dich für den größten Held auf der Welt hält!" Sie sah zur Seite, entdeckte die Tankstelle, an der sie gerade vorbei gefahren waren. "Stopp! Ich brauche Zigaretten."
 

Der schwarze Sportwagen hielt mit quietschenden Reifen, Elena sprang heraus, schlug kräftig die Tür hinter sich zu.

Tsengs Augenbraue hob sich, sein Blick blieb auf ihrem Rücken hängen.

Es lag vollkommen jenseits seines Erfahrungshorizonts, begreifen zu können, weshalb sie gerade so wütend war.

Er hatte ihr nur die Wahrheit gesagt. Die drei Mal die er mit Rufus geschlafen hatte, waren nicht von ihm aus gegangen. Er war jedes Mal in die Ecke getrieben worden, hatte sich gewehrt.

Sex mit Rufus war falsch. Fühlte sich wie ein Vertrauensbruch an. Als ob er etwas ausnutzen würde, das ihm viel wichtiger war, als ein kurzer Moment körperlicher Befriedigung.

Rufus würde für ihn immer der Junge bleiben, der sich heulend an sein Bein geklammert hatte, der zu ihm unter die Decke gekrochen kam.

Der im kindlichen Trotz seine Aufmerksamkeit verlangte.

Distanz war nur durch das vorgeschobene Sir entstanden; die erzwungene höfliche, respektvolle Anrede in einer fremden Sprache.

Millisekunden Verzögerung im Redefluss; jedes Mal aufs neue die genaue Überlegung was er wie zu sagen hatte, welche Tseng den nötigen Abstand gab. Den ein Turk zum Präsidenten einzuhalten hatte.
 

Durch das Fenster sah er Elena in dem hell erleuchteten Verkaufsraum der Tankstelle gestikulieren. Sie war gereizt, ließ es an dem Verkäufer aus.

Tseng war sich nicht sicher, warum.
 

Er griff nach den Fotos, die auf dem Beifahrersitz lagen. Sah sie ein weiteres Mal durch.

Rufus Lächeln. Distanziert. Verträumt.

Tseng kannte dieses Lächeln nur zu gut.
 

"Tseeeeng!" die brüchige Stimme eines Teenagers. "Wo warst du gestern?"

"Nicht da." murmelte Tseng, griff sich ein Handtuch aus dem Umkleide-Schrank.

"Das habe ich gemerkt. Ich habe dich gesucht." Rufus blieb an seiner Seite, folgte ihm in den Duschraum. Tseng verdrehte die Augen, begann sich aus seinem Anzug zu schälen.

"Ich war arbeiten. Mission." Rufus wurde das Hemd, die Hose und das Jackett in die Hand gedrückt. "Und ehe ich dir noch mehr Rechenschaft abliefern muss - bis vor zehn Minuten war ich auf dem Schießstand und habe trainiert."

Der Wutainese drehte das heiße Wasser auf, genoss die Tropfen die auf seine Haut fielen.

Sah über die Schulter. Zu Rufus, der immer noch im Duschraum stand.

Immer noch seine Kleidung hielt.

Und lächelte.
 

Die rechte Hand zitterte. So stark, dass Tseng die Fotos zur Seite legen musste. Der Kopf hob sich, er sah wieder zu Elena.

Und zuckte zusammen, als ein stechender Schmerz sich in seinen rechten Arm fraß.

Fokus!

Mit der linken Hand hatte er sein Messer aus seiner Tasche gezogen. Die Klinge fest über die Haut geführt.

Tiefer als sonst.

Dicke Tropfen liefen seine Haut herab, verfingen sich zwischen seinen Fingern.

Rot.

Blut. Wie auf den Fotos.

Ein zweiter Schnitt. Noch mehr Schmerzen.

Die ihn ablenkten von den Bildern. Die ihn wieder auf das brachten, worauf er sich konzentrieren musste. Ärger von ShinRa fernhalten, einen Skandal vermeiden.

"TSENG!" Elenas Stimme drang wie durch Watte zu ihm durch. Er sah, wie sie um das Auto herum lief. Sah, wie sie die Fahrertür auf riss.

Sie zerrte ihn aus seinem Wagen, hatte ihn am Kragen seines Jacketts gegriffen. Schüttelte ihn. "DU ABGEFUCKTER HURENSOHN!" Kümmerte sich nicht darum, dass sich Köpfe in ihre Richtung drehten. Menschen ungläubig zu ihnen sahen

Ihre Hand fuhr hoch. Hinterließ rote Striemen auf seiner Wange.

Er schmeckte Blut in seinem Mund.

Blut.
 

Das Würgen kam, er konnte nichts dagegen tun. Bittere Galle, die sich mit dem Blut mischte. Die er hustend von sich gab.

Elenas Arme zogen sich um ihn. Ihre Hand strich vorsichtig über seinen Kopf. "Ist in Ordnung Tseng. Es ist in Ordnung, wenn du dich scheiße fühlst."
 

An einem Abend zwei kotzende Turks. Das musste der neue interne Rekord sein. Elena versuchte es sarkastisch zu sehen. Sonst würde sie anfangen zu schreien, zu heulen.

"Glotze nicht so!" zischte sie einer jungen Frau entgegen, die an der gegenüberliegenden Zapfsäule stand, ihr Auto betanken wollte.

Kleidung, Wagen - alles passte zu einem Mädchen aus den höheren Kreisen. Die Frauen, die sich als potentielle Ms Shinra sahen.

In ihren Armen zitterte Tseng. Fragte heiser: "Hast du noch ein Kaugummi?"

"Nein, aber ich hole welche. Eine Flasche Wasser und zwei Kaffee zum mitnehmen? Sonst noch irgendwelche Wünsche?"

"Kopfschmerztabletten."

Sie nickte, ließ ihn los und zerrte den Erste Hilfe-Kasten unter dem Fahrersitz hervor. Eine Bandage wurde Tseng in die linke Hand gedrückt. "Du versaust dir sonst deine Ledersitze."

Das Lächeln, nur ein schwacher Schatten um seine Lippen, beruhigte sie etwas. Das gemurmelte: "Danke." das sich nicht nur auf den Verband bezog, ließ auch sie grinsen.
 

Die ungläubigen, irritierten Blicke, mit denen sie bedacht wurde, als sie den Kaffee und die restlichen verlangten Sachen kaufte, konterte sie nur mit: "Noch nie einen Ehekrieg gehabt?", dabei strahlte ein schelmisches Grinsen in ihren braunen Augen.
 

Im Auto kontrollierte sie den Sitz der Bandage. "Idiot." wurde Tseng noch einmal an den Kopf geworfen, ihm dann der Kaffee gegeben.

Zu dem er drei Kopfschmerz-Tabletten schluckte.

Die Fotos verschwanden im Handschubfach.

"Wer ist Cathy?" Elena zündete zwei Zigaretten an.

"Sie hat hier als Nutte im Honeybee Inn angefangen." Tseng nahm die Zigarette an, die Elena ihm entgegen hielt. "Don Corneos Tod kam ihr ganz gelegen."

"Nicht nur ihr." fauchte Elena leise, und vertrieb Erinnerungen an den fetten Zuhälter und seine kurzen Stummelfinger an ihrem Körper, aus ihrem Kopf.

Tseng hob nur eine Augenbraue.

Reno war damals dreimal sicher gegangen, dass der Don tatsächlich tot war. Hatte dann seinen Körper persönlich im Inn abgeliefert, mit dem Hinweis, dass so etwas passierte, vergriff man sich an einem Turk.

"Cathy nutzte die Gunst der Stunde," fuhr er fort, "zog das Bordell unter ihre Kontrolle."

Elena schlürfte ihren Kaffee und nickte. "Ah, langsam dämmert es mir. Ich wusste nur nicht, dass der Name der Mama San Cathy ist."

"Wieder was dazu gelernt." Tseng verfolgte den Weg des Rauchs durch sein Auto. "Nach Meteor hat sie sich mit Han und seinen Leuten angelegt. Was eine Nummer zu groß für sie war."

Neben ihm lachte Elena leise. "Man sollte sich halt nicht mit den Bastarden aus Wutai anlegen. Das geht meistens schief."

Und da war es wieder. Tsengs Grinsen. Leicht süffisant, leicht zynisch. Ein Grinsen, das nur wenige jemals sahen. Das sein wirkliches Alter durchschimmern ließ. "Haben wutainesische Bastarde so an sich, Laney."

"Komm von deinem Ego-Trip herunter." Ihr Lachen wurde lauter, befreiter. "Erzähl mir lieber deine Gute-Nacht-Geschichte weiter."

"Sie ist schnell erzählt: Han war sich bewusst, welche guten Kontakte Cathy hat. Und anstatt sie verschwinden zu lassen, ließ er sie weiter arbeiten. Nur für sich. Cathy blieb am Leben, Han kontrolliert jetzt die meisten Bordelle in den Sektoren."

Elena legte den Kopf schief. Simple Worte, viele Implikationen.

Onkel Han war ein wutainesischer Kriegsflüchtling, der schon vor Meteor in Midgar begonnen hatte, seine Tentakeln langsam, behutsam aus zu strecken. Der Tod des Dons hatte die Karten für die Syndikate neu gemischt.

Und nach dem die Welt fast am Abgrund stand, Städte wieder aufgebaut werden mussten, war Han einer der Gewinner.

Elena wusste, das Tseng Kontakt zu ihm hatte. War sich seit knapp zwei Jahren absolut sicher, als Hans Schläger plötzlich aufgetaucht waren um für Tseng ein Problem mit einigen WRO-Mitarbeitern zu regeln.

Nur hatte sie nie nachgefragt, wie weit diese Kontakte gingen.

Es war eine andere Welt. Die sie niemals vollständig begreifen könnte, egal wie fließend sie inzwischen Wutai sprach.

"Tseng?" Gerade war ein weiteres Puzzelteil an den richtigen Platz gefallen. Sah Elena einen weiteren der vielen Fäden, an denen sie alle hingen. In dem Puppentheater das sich ShinRa Electric Company nannte.

"Hat Veld dich auch deswegen ausgesucht? Das war kein gigantischer PR-Coup, sondern hatte absolut praktische Gründe, nicht wahr?"

Niemanden, nicht einmal ein Shinra selbst, standen die Türen der Syndikate so weit offen wie Tseng.

Rufus konnte mit so vielen Gil-Scheinen in der Hand wedeln, wie er wollte. Ihnen noch so viele Versprechungen machen, ihnen noch so viele Vorteile verschaffen. Sie würden ihm keinen Zutritt gewähren. Er war keiner von ihnen.

Aber ShinRa brauchte die Syndikate. Brauchte ihre Tentakeln, die sich bis nach Wutai erstreckten. Brauchte den Einfluss der Leute dort, um das Gebiet befriedet zu halten.

Die Menschen in den Dörfern vertrauten viel eher den Männern, als denen von der Company eingesetzten Verwaltern. Männer, die den armen Dorfbewohnern Geld liehen für die nächste Saat, die sich direkt und ohne Umwege ihrer Probleme an nahmen.

Schon der alte Präsident hatte das begriffen. Vielleicht hatten es ihm auch seine Berater erklärt. Zu denen auch der damalige Chef der Turks gehörte: Veld.

Und sie saß jetzt neben dem aktuellen Leiter des Departments. Einem Wutainesen. Der leise schnaubte.

"Es hat gedauert, Laney. Herzlichen Glückwunsch."

"Shit." Mehr konnte sie in diesem Moment nicht sagen. Versuchte sich vorzustellen, wie es sich an fühlte zu wissen, dass man nach einem exakten Persönlichkeitsprofil selektiert worden war.

Niemals eine Wahl gehabt hatte.

Sie hatte sich freiwillig für die Turks entschieden. Weil sie sich beweisen wollte. Ihrer Familie zeigen, dass viel mehr in ihr steckte als das kleine Blondchen, welches immer die zweite Geige spielte.

Reno war vor die Entscheidung gestellt worden, entweder auf der Straße Drogen zu verkaufen, sich als Gangschläger durch zu bringen. Oder das selbe weiter zu tun, in einen schicken Anzug gekleidet, mit gesichertem Gehalt.

Rude hatte seine Familie versorgen wollen. Nahm dafür in Kauf, dass sie ihn für tot hielten, und jeden Monat einen Scheck im Briefkasten fanden.

Was sie gemeinsam hatten, war die Tatsache, dass sie alle irgendwann, irgendwo eine Wahl gehabt hatten.

Elenas Gedanken drifteten weiter. Rufus hatte diese Entscheidungsfreiheit auch nie gehabt. Von seiner Geburt an war klar gewesen, dass er der nächste Präsident der Company sein würde.

Egal ob sein Persönlichkeitsprofil passte oder nicht.

Es wurde halt passend gebogen, geprügelt.

Von Veld.
 

Elena schluckte hart. Ein Gedanke führte zum nächsten. "Wenn Rufus stirbt, wer übernimmt den Laden?" Ihre Stimme zitterte. Sie hatte Angst vor der Antwort, obwohl sie ihr bereits bekannt war.

Tseng blies einen Rauchring aus.

"Seit heute Nachmittag weiß ich, dass ich es bin."

"FUCK!" Elena schlug mit der Faust gegen das Armaturenbrett. Fluchte noch lauter, als sie merkte, dass sie auf harten Widerstand gestoßen war. Im Gegensatz zu der anderen Person im Auto hasste sie es, sich selbst zu verletzen.

"Dieses Arschloch! Dieser Flachwichser!"

"Deshalb muss er ja auch leben." antwortete Tseng ihr ruhig und reichte die gekühlte Wasserflasche herüber.

"Nicht Rufus." jaulte Elena, presste das Plastik gegen die schmerzenden Knöchel. "Veld!"

Tsengs Nasenspitze kräuselte sich. "Was hat der jetzt damit zu tun?"

"Denk doch mal nach. Wenn ich jetzt schon drauf komme, obwohl ich nie viel mit ihm zu tun hatte, alles nur aus deinen spärlichen Informationen und Renos Hang zum Quatschen, wenn er besoffen ist, ableiten kann, müsstest du doch schon viel eher drauf gekommen sein. Veld hat euch in die gegenseitige Abhängigkeit getrieben. Rufus und dich. Rufus vergöttert dich, Tseng. Du bist sein Turk."

"War." unterbrach der Wutainese sie trocken.

"Shit, anders formuliert: Du bist Rufus Weltmittelpunkt. Alles was er tut, ist eigentlich darauf fixiert es dir recht zu machen. Als Omega Weapon den Tower zerstört hat; Reno und ich ihn da raus gezerrt haben, hat er zuerst nach dir gefragt. Und war solange hysterisch, bis Rude durch rief und das Okay gab, dass ihr beide noch lebt. Rufus war selber am abkratzen." Sie zerrte die nächste Zigarette aus der Schachtel. Jede Idee das Rauchen sein zu lassen, wurde in dieser Nacht Geschichte. "Davor, die Sache mit Sephiroth. Rufus hat den Befehl gegeben, dich wieder zurück zu holen. Und damit gedroht, jeden selbst um zu bringen, der sich diesem Befehl widersetzt."

"Rufus?" Die sonst so gefasste Stimme des Turks brach.

Elena zog scharf die Luft ein, begreifend wie viel Tseng nicht wusste. "Ja, Rufus! Der Idiot, der sich mit der WRO angelegt hat. Nicht weil ihm ShinRa irgendetwas bedeutet, sondern weil es dein Leben ist. Als das Geostigma bei ihm ausbrach, hat er mich gefragt, was wir tun würden, wenn er sterben sollte. Ich habe ihm die ehrliche Antwort gegeben. Das wir alle die Zyankalikapseln in der Tasche haben. Ab dem Moment hat er angefangen zu kämpfen. Gegen seinen eigenen Tod. Und ich bin mir sicher er hat ihm öfters den Mittelfinger gezeigt, und ihm entgegen gespuckt, dass er das eigene Ableben nicht in seinem Terminkalender unterbringen konnte. Weil es einfach noch nicht passte. Die Situation zu unsicher war. Aber Rufus gibt einen Dreck auf ShinRa. Er wollte die Company nie wirklich haben. Nicht so, wie es in den Medien immer dar gestellt wird. Nicht weil er so machtgeil ist. Sondern weil Du so auf sie fixiert bist."

Während sie redete, war auch Elenas Stimme immer brüchiger geworden. "Und das hat Veld, dieser Wichser, hervor gerufen. Und es war doch auch Veld, der euch beide zusammen gesteckt hat?"

Langsam, zögernd nickte Tseng.

"Ich will gar nicht wissen, was er Rufus gesagt hat. Er wird ihn auf dich eingeschworen haben. Den kleinen Jungen, dem später quasi das Universum gehören würde. So einen Dreck gesagt haben, wie 'Er ist immer für dich da.', 'Er wird dich immer beschützen.' . Den Müll, den man einem kleinen verlorenen Kind sagt, das Halt sucht. Und Veld selbst hat doch immer wieder dafür gesorgt, dass dieser Halt weg bricht. Psychoterror der gehobene Klasse. Davon verstehe ich auch etwas. Ich bin auch Turk. Und nicht nur 'Laney'."

"Habe ich auch nie in Frage gestellt." Die Worte, die über Tsengs Lippen kamen waren so sachlich, spröde wie immer. Doch zitterte die Stimme nun immer deutlich hörbarer.

Elena zog ihre Beine an, schlang die Arme um die Knie. "Alles logische Konsequenzen. Der gestreckte Mittelfinger aus dem Grab. Auf Kosten zweier Kinder."
 

Frag nicht was du für die Company tun kannst, sondern wie du der Company ans Bein fickst. Einer der zynischen Sprüche, die im Department immer schon die Runde gemacht hatten. Als Turk hatte man ShinRa gegenüber absolut loyal zu sein.

Aber man war immer zuerst ein Turk. Dann ein Mitarbeiter ShinRas. Ein Selbstverständnis, das sie absetzte von all den grauen Bürodrohnen. Aber auch von den SOLDIER.

Im ganzen komplizierten Geflecht des Konzerns gab es keine andere Abteilung, die so fest aufeinander eingeschworen war.

Nicht bloß Kollegen. Man vertraute keinem Kollegen sein Leben an. Einem Partner schon.

Und jetzt hatte ein Turk die Company so richtig gefickt.

Veld musste sich gerade lachend in seinem Grab drehen.

Nicht nur, das ein Wutainese die Geschäfte übernehmen würde. Nein, es war auch noch ein Turk. Velds Turk.

Dem keine Wahl gelassen worden war.
 

Sie schob sich die Haare aus dem Gesicht. Ein aussichtsloses Unterfangen. Die Strähnen fielen sofort wieder zurück. "Scheiß Nacht."

Tseng nickte wortlos.

"Machen wir unseren Job."

Ablenkung für sie beide. Kompensation. Zu viele Gedanken, zu viele Erkenntnisse die gerade durch ihre Köpfe spukten.

"Wie geht es deiner Hand?" So eine klassische Frage von Tseng. Der sich vor wenigen Minuten noch ein Messer quer über den Unterarm gezogen hatte.

"Besser. Ich kann nachher meine Faust ein paar Wichsern so richtig in ihre Ärsche rammen." Elena grinste wieder. "Und die Armatur ist böse."

Tseng schmunzelte. "Nicht die Armatur ist böse. Du bist nur dämlich."

Er zuckte nicht zusammen, als sie die Arme um seinen Hals schlang. Ihm einen Kuss auf die Wange drückte.

Viel mehr musste er sich auf den Straßenverkehr konzentrieren.

Und auf eine andere Überlegung. Logische Konsequenzen - Elena hatte es treffend formuliert. Nur in einer Sache lag sie daneben: Veld hob den Mittelfinger nicht aus dem Grab.

Die Früchte seiner Arbeit würde er noch ernten können.

Starb Rufus.
 

Sie waren gezwungen an einer roten Ampel zu halten. Tseng starrte in den Schnee, der immer dichter fiel. Der erste Schnee seit Jahren.

"Dieses Arschloch!" fauchte er plötzlich. Mit so viel Wut in der Stimme, dass Elena zusammen zuckte.

"Ein Mal, ein verdammtes Mal wird dieser Scheißkerl seinen Willen nicht bekommen!" Er drehte den Kopf.

"Laney," eindringlich musterte er seine Partnerin. "wenn ich noch einmal so einen bescheuerten Gedanken wie Kündigung habe, prügle mir Vernunft in meinen wutainesischen Dickschädel. Ich habe die Schnauze voll. Die Spielregeln haben sich gerade geändert. Jetzt bestimme ich sie!"

Etwas hatte sich gerade verändert. Elena wusste nicht genau, was es war. Aber es war wichtig. Essentiell. Vielleicht Tsengs Betonung des kleinen Worts 'ich'.

"Ich prügle dich bis Kalm und zurück. Da kannst du dir sicher sein. Und äh ... Tseng? Warum fahren wir gerade zu dir?"

"Weil," Tseng sah betreten zur Seite, einen schuldbewussten jungenhaften Ausdruck im Gesicht, "ich überprüfen will, ob meine Wohnung noch steht. Und es auf dem Weg liegt."

Elena beschloss, besser nicht nach zu fragen.

Sie ahnte den Grund.
 

Tsengs Apartment lag in einem Wohnblock, in dem hauptsächlich Wutainesen lebten. Er war letztes Jahr wieder umgezogen. Noch tiefer in das Viertel. Die Menschen, die hier wohnten verdienten zwar in einem Jahr nicht so viel wie der Turk in einer Woche, doch er fühlte sich hier wohl. Und auch Elena mochte die Gegend. Mochte die vielen Farben. Die seltsamen Gerüche.

Die Bewohner hatten die grauen Häuser in ihre Heimat verwandelt. Wäsche hing auf den Balkonen, in den Fluren. Selbst um diese Uhrzeit waren Stimmen zu hören, herrschte Leben.

Und zu Elenas Verwunderung lief Tseng nicht zielstrebig zu seiner Wohnung, sondern wand sich an abgestellten Fahrrädern und Wäscheständern vorbei zu einer Tür, die etwas weiter den Gang herab lag.

"Deine Wohnung ist da." Elena deutete hinter sich.

"Ich weiß. Aber denkst du ich bin so irre und lasse Bastard unbeaufsichtigt?"

"Oh." Nur mit Mühe unterdrückte Elena ein Kichern. Ihr Verdacht, weshalb Tseng den Abstecher machte, hatte sich gerade bestätigt.

Er klopfte in diesem Augenblick an die Tür. Und es dauerte nur ein paar Sekunden, bis sie sich öffnete.

Im Dämmerlicht erkannte Elena eine kleine Frau, die im Türrahmen stand. Klein und verschrumpelt. Ob sie jetzt 60 Jahre alt war, oder schon 120 konnte die Turk nicht bestimmen. Aber Tseng verbeugte sich vor ihr, fragte leise in seiner Muttersprache, ob sie irgendwelchen Ärger gehabt hatte. Der Geruch von Sandelholz und Ingwer wehte zu Elena herüber.

Und Tseng beugte sich blitzschnell nach unten als ein kleiner schwarzer Schatten versuchte, aus der Wohnung zu entkommen, zwischen seinen Beinen hindurch zu fliehen.

Sofort erklang dramatisches Protestgeschrei.

Bastard keifte alles und jeden an, der sich ihm auf mehr als einen Meter nährte.

Jeden.

War es nicht Tseng.

Und als der Kater merkte, dass der Turk ihn zwischen den Ohren kraulte, wandelte sein klägliches Maunzen, dass die Umwelt glauben ließ, er würde gerade abgestochen werden, auch in ein zufriedenes Schnurren.

"Ich musste ihn auslagern. Sonst hätte es in meiner Wohnung ein Blutbad gegeben."

Elenas Nasenspitze kräuselte sich. "Blutbad?"

"Erkläre ich dir gleich." Nach weiteren ausgiebigen Krauleinheiten und der mehrmaligen Entschuldigung für die Umstände wurde der Kater der Frau wieder in die Arme gedrückt. Die anscheinend wusste, wie sie mit dem Tier umzugehen hatte. Elena hörte sie etwas von frischem Lachs gurren, ehe die Tür wieder ins Schloss fiel.

"Du verwöhnst ihn gnadenlos. Morgen folgt bestimmt eine lange Entschuldigungsarie, weshalb du ihn abgeschoben hast. Und er kriegt noch mehr frischen Fisch." Mit verschränkten Armen lehnte Elena sich neben Tsengs Wohnungstür. Und kämpfte gegen einen Lachkrampf.

"Er hat es sich verdient." brummte Tseng nur leise und schloss die Tür auf.

Das es ein Kater war, warf Elena ihm nicht an den Kopf.

Ein Kater, den Tseng aus einer Mülltonne gezogen hatte. Den er aufgepäppelt hatte. Ein Kater, der den Chef des Departments absolut in seinen Samtpfoten hatte.

Um so verwunderte war sie, als weiteres klägliches Maunzen über den schmalen Wohnungsflur hallte.

Ein schmuckloser Flur. Keine Bilder an den Wänden, keine herum liegenden Alltagsgegenstände. Tsengs gesamte Wohnung war in minimalistischen Stil eingerichtet.

Er hielt sich nicht damit auf, das Licht ein zu schalten. Ging direkt in die Küche.

Während Elena weiter seine Wohnung inspizierte. Schnell aufzuräumen, gut sauber zu halten. Fast klinisch rein. Das einzige was die Sauberkeit störte war ein Jackett, das achtlos über einem Stuhl hing. Ein dreckiges weißes Hemd, das auf dem Sofa lag. Eine benutzte Kaffeetasse auf dem Küchentisch.

Dazu eine schnell hin gekritzelte Notiz, die an der Küchentür hing:
 

'Cloud hat angerufen. Große Scheiße! Hab dir ne nachricht aufn ab gesübbelt. MELD DICH asap!!!

Und futter was!'
 

Elena wusste sofort, wer es geschrieben hatte. Und wieder versetzte der vertraute Ton einen Stich.

Das Wissen, dass sie es nicht mitbekommen hatte.
 

"Hast du wieder den Müll durch wühlt?" rief sie in die Küche, während sie einen unauffälligen Blick ins Bad warf. Zwei Zahnbürsten, eine Zahnputzcreme lagen auf der Ablage vor dem Spiegel.

"Nein, habe ich nicht. Es war Rufus Idee.", Tseng kniete neben einen Pappkarton. "Als ob ich mit Bastard nicht schon genug Ärger hätte."

In der spärlichen Beleuchtung, welche von draußen durch das Fenster fiel, sah Elena wie er zwei kleine Katzen aus dem Karton zog. Schwarz und weiß. Sie sachte kraulte, sich versicherte das es ihnen so weit gut ging.

"Haben sie schon Namen?" Elena blieb im Türrahmen stehen, verkniff sich ein hingerissenes Seufzen.

Tseng legte den Kopf schief. Begutachtete die beiden kleinen Katzen die sich gerade versuchten unter sein Jackett zu verkriechen.

"Xìnyì." Er hielt den weißen Kater hoch.

Elena lächelte. "Guter Name." Sie verstand inzwischen genug Wutai um zu wissen das 'xìnyì' nicht nur Loyalität, sondern auch Treue hieß.

"Und" er überlegte einen Moment. "Zìyóu." Das schwarze Kätzchen maunzte zustimmend. Schien mit der Wahl des Namens einverstanden.

"Freiheit?" übersetze Elena ihn zögernd. Tseng lächelte. Ein nichts sagendes wutainesisches Lächeln.
 

Die Katzen waren schnell versorgt. Aus dem Kühlschrank noch zwei viel zu überzuckerte Kaffeegetränke in Dosen heraus geholt.

"Wenn du so weit bist, können wir los?" Tseng warf Elena die Dose zu.

Die sie auffing. "Ich warte nur auf dich, Boss."
 

Die Arbeit in dieser Nacht hatte gerade erst begonnen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2008-09-19T22:01:59+00:00 20.09.2008 00:01
Ich überlege grad, wen ich zuerst erschieße. Rufus oder Tseng! XDDD
Und der arme Reno durfte seit 6 Wochen nicht....? Dein!Reno gefällt mir richtig gut... Und so ne abfuckte Idee kann nur von ihm kommen!
Du weisst,dass ich deine Schreibe gnadenlos vergöttere. Ich hab nirgends was Besseres gelesen und giere immer wieder nach neuem...
Ick knuddel dia janz dolle!!! Und auch an Noctifer n lieben Schmatzer!!!
Von:  Skalli_Otori
2008-09-19T10:38:25+00:00 19.09.2008 12:38
Ich bin wie immer hin und weg! Es ist Wahnsinn und ich sehe schon kommen, das es zu einem Machwerk der Spitzenklasse ausufert. Ich bin total vernarrt in die Turks und Tseng schlägt diesmal allem die Krone ins Gesicht. Er ist, wie du es Elena so schön hast sagen, ein abgefuckter Hurensohn und ich hab das Gefühl, das mir das symphatisch wird. Hoffentlich sagt das nichts über meinen Geschmack bei Männern aus, sonst muss ich mir Sorgen machen. Wie dem auch sei! Ich bin und bleibe begeisterte Leserin und freue mich schon auf mehr wunderbare Kapitel! *unauffällig ein Fanfähnchen schwenkt*


Zurück