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Paladin Buch 1

von

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Kapitel 97

Kapitel 97
 

Hina Natzuyama stand in dem Raum, der einst die Offiziersmesse des Schachtschiffes Imperator war. Die Außenwand des Raumes war komplett Glas, die die Sicht auf das Mittelteil des Schiffes frei gab. Hina hatte diesen Raum damals in ihr Schlafzimmer umgewandelt. Jalousien hingen an den Fenstern. An der Stirnseite des Raumes war ihr Bett, neben dem einige Kleiderschränke standen. Eine Couch stand neben der Tür vor der Glaswand, so dass man gemütlich hinaussehen konnte. Doch aktuell sah man nichts. Es war gegen Abend und ein schwerer Sandsturm fegte über die „Stadt“ hinweg. Damals während eines Standsturmes kam sie mit Sosuke hier her. Auf der Flucht vor dem Militär. Ihr gefiel es hier. Hier war man zwar in vielerlei Hinsicht rückständiger als anderswo, aber dafür war man Nirgendwo freier als hier. Sie hob das Handgelenk, um zu sehen wie spät es war, doch sie hatte keine Uhr um.

„Ach nicht schon wieder.“ brummte Hina und zog sich ein Hemd an und verlies den Raum. Die Gänge waren wie ausgestorben. Es war auch immerhin Samstagabend. Jeder der nicht hier sein musste, und dies waren auch nur verdammt wenige, waren zu Hause. In den Gängen hallte das Auftreten ihrer nackten Füße auf den kalten Metallboden. Mit den Jahren hatte sie sich an diese Kälte gewöhnt. Ihr Büro hatte sie in dem Raum des Kapitäns, neben der Brücke eingerichtet. Sie schob die Tür auf und huschte in den dunklen Raum, ohne das Licht anzuschalten. Sie kannte sich blind in ihrem Büro aus. Und bis die Leuchtstoffröhren angegangen waren, hatte sie ihre Uhr schon gegriffen und war wieder aus dem Büro verschwunden. Sie ging durch den dunklen Raum. Der Sandsturm lies es wie mitten in der Nacht wirken. Sie griff auf ihren Tisch, doch da war nichts. Kurz fühlte sie auf dem Tisch herum, doch sie fand die Uhr nicht. Genervt griff sie nach der Tischlampe und schaltete sie an. Erst jetzt sah sie eine Gestalt auf ihren Stuhl sitzen. Sie war kaum zu sehen, da das Licht der Lampe ihn nur indirekt beleuchtete.

„Hallo.“ sagte sie trocken.

Hina erschrak, sprang zurück und nahm eine Kampfhaltung an. Erst dann erkannte sie, dass es Sosuke war.

„Bei den Drachen, willst du mich zu Tode erschrecken?“ fragte Hina keuchend. In dem Licht sah Hina, das Sosuke die Uhr in der Hand hatte. Dieser starrte mir versteinernden Blick auf sie.

„Was machst hier? Und warum starrst du meine Uhr so an?“ fragte Hina. Doch Sosuke regte sich kein Millimeter. Hina runzelte die Stirn.

Da sah Sosuke sie plötzlich mit eiskaltem Blick an, das es Hina schauderte. Diesen Blick hatte sie noch nie bei Sosuke gesehen.

„Wer bin ich?“ fragte er langsam, wobei seine Stimme ihr eiskalt den Rücken runter lief. Hina sah ihn fragend an. Doch Sosuke schwieg wieder.

„Sosuke?“

„Der Name mag ja noch stimmen, aber WER bin ich?“

„Was ist mit dir los? Du bist Sosuke Natzuyama. Mein Bruder. Was soll das alles?“

„Gut, eine bessere Frage, wer sind SIE?“

„Deine Schwester.“ sagte Hina verständnislos. Hina wusste nicht so recht was sie tun sollte. Sosuke benahm sich extrem fremdartig. Und was sollten diese Fragen. Sosuke musterte Hina von oben bis unten. Nach kurzen schweigen sprach er langsam weiter.

„Das ist eine Lüge. Ich weiß nicht genau wer ich bin, aber SIE können NICHT meine Schwester sein. Ich habe keine Schwester.“

Hinas Augen weiteten sich. Hatte er es herausgefunden. Sie hatte so lange diese Lüge gelebt, dass sie es fast verdrängt hatte.

„Du weißt es also...“

„Ich weiß nichts... Zumindest bei weiten nicht genug... ABER eines weiß ich,... ich habe keine Eltern, und auch keine Schwester.“ stellte Sosuke fest und stand auf. Erst jetzt sah sie, dass er einen Mantel trug. Hina schloss die Augen. Sie hatte wirklich gehofft, es für immer vergraben zu können, ja zum Schluss glaubte sie wirklich daran.

„Also, wer sind sie?“ fragte Sosuke ernst. Hina trat einen Schritt zurück und lies sich auf einen Stuhl fallen. Sie zögerte und zog die Luft mit aller Kraft durch ihre Nase ein, nur um ein paar Sekunden Zeit zu erkaufen.

„Ich habe nicht gelogen, als ich sagte wir wären Geschwister.“ sagte Hina, mehr für sich selbst als für Sosuke. Dieser sah sie unverändert mit hartem Gesicht an.

„Was hast du gefunden? Zweigstelle A oder B?“ fragte sie offen.

„Beide.“

„Aha.“ sagte Hina und schweigen umfing beide. Ach fast einer Minute ergriff Hina wieder das Wort.

„Ich möchte dass du eines klar weißt, alles was ich tat, tat ich zu deinem Wohle. Auch wenn du es mir nicht glauben wirst, aber ich schwöre, ich tat das alles nur für dich.“ sagte sie mit zitternden Händen.

„Wer sind sie?“

„Erkennst du mich denn nicht? Kannst du dich nicht an mich erinnern? Wen du dich gefunden hast, hättest du auch mich dabei finden müssen.

„Ich fand nicht mich selbst. Ich fand lehre Anlagen. Obskure Daten und Berichte. Kopfschmerzen und Alpträume. Aber ich fand nicht mich selbst. Ich fand etwas, das so aussieht wie ich.“

„Das war zu erwarten. Eigentlich hättest du keinerlei Erinnerung haben sollen. Aber so ist das mit unerforschter experimenteller Technik.

„Was meinen Sie?“

„Hör verdammt noch mal auf Sie zu sagen. Wir kennen uns seit 20 Jahren. Ich kenn dich sogar besser als Du selbst. Also hör auf mich zu behandeln, als sei ich eine Fremde.“ forderte Hina verärgert.

„Aber sie SIND eine Fremde.“

„Nur weil du dich nicht erinnern kannst?“

„Erinnern? Woran?“

„An alles was zählte... Doch heute nur noch vergangene Altlast ist.“ sagte Hina und wendete den Blick von Sosuke ab.

„Das früheste woran ich mich erinnere, da war ich 15. Was geschah davor?“ fragte Sosuke und setzte sich wieder.

„Ich möchte dich schützen. Auch vor dich selbst.“

„WAS GESCHA DAVOR!“ brüllte Sosuke wütend.

„Glaube mir, dieses Wissen bringt dir nur Leid. Mir brachte es das.“ sagte Hina mit Tränen in den Augen.

„Du hast nicht das Recht dazu, dies für mich zu entscheiden.“ antwortete Sosuke jedoch eiskalt.

„Du magst recht haben, aber glaub deiner Schwester, wenn sie sagt, du willst es nicht wissen. Es würde alles zerstören. Dein Weltbild. Dein Selbstbild. Dein ganzes Leben bisher würde es nichtig machen, und dein restliches würde es zu einer Litanei des Leidens machen. Glaube mir bitte.“

„Woher willst du das wissen?“

„WEIL ES MIR GENAUSO ERGING!“ rief Hina unter Tränen.

„Wenn du wüstest was ich gesehen, erlebt und durchlitten hab.“

„Du bist nicht ich.“

„ABER DU BIST WIE ICH! Wir sind gleich!“

„Wie gleich?“

„Ich bin wie du. Hast du jemals daran gedacht, das deine „Gabe“ nicht natürlich war?“

„Bis vor kurzen ja.“ sagte Sosuke trocken.

„Mach den Computer an.“ befahl Hina. Sosuke drückte die Starttaste und betrachtete Hina.

„Und nun?“

„Warte bis er hochgefahren ist.“ sagte Hina. Eine Melodie verriet, dass der PC hochgefahren war. Da legte Hina die Hand auf den Monitor und schloss die Augen. Ohne bewegen der Maus begann der Mauspfeil über den Bildschirm zu wandern, öffnete ein Dokument und dann wurde der Satz: „Ich kann das gleiche wie du.“ geschrieben. Danach öffnete Hina wieder die Augen. Sosuke sah sie verwirrt an.

„Nicht nur du hast diese Gabe. Ich bin wie du. Sosuke sah sie misstrauisch an.

„Und darum glaube mir, es wird dir nur Leid bringen, wenn du diesen Weg weiter gehst.“

„Ich kann diesen Weg nur noch weiter gehen. Aber wer bist du? Wer WARST du?“

Hina schloss die Augen. Tränen liefen ihr übers Gesicht.

„Ich... Ich BIN Hina Natzuyama... Ich bin Hina Natzuyama, und alles andere ist unwichtig.“ sagte sie, mehr um ihre eigene Entscheidung zu bekräftigen.

„Es gab 500 Objekte. Aber keine hieß Hina.“ sagte Sosuke deutlich.

„Das wonach du suchst, starb vor 10 Jahren. An ihre Stelle trat ich.“

„Wer starb vor 10 Jahren?“

„Das will und werde ich dir nicht sagen.“ lehnte Hina ab. Da stand Sosuke auf und ging um den Tisch herum. Er kniete sich vor Hina hin und griff ihre Hand.

„Ich bitte dich. Ich bitte dich aus tiefsten Herzen, HILF MIR. Wenn dir was an mir liegt, dann sag es mir. Ich habe... Alpträume. Visionen... Erinnerungen an schreckliche Dinge... Grausame Dinge. Dinge die ich nicht auszusprechen wage. Aber Dinge an die ich mich nicht erinnern kann. An die ich mich nicht erinnern sollte. Gelöschte Erinnerungen. Jedoch so kräftig, das sie sich eingebrannt haben. Ich muss wissen wer ich bin. Nur so, wenn ich weiß was geschehen ist, kann ich eventuell damit umgehen. Ich fand so viel... und so viel lässt sich von mir gar nicht geistig erfassen. Ich stehe vor dem Puzzel meiner Existenz. Den Haufen hab ich gefunden. Aber ob alle Teile da sind weiß ich nicht, geschweige denn, wie das fertige Bild aussehen soll.

„Fünfte Generation, Objekt 59.“ sagte Hina mit geschlossenen Augen.

„Sosuke sah sie fragend an.“

„Anna.“ sagte Hina. Sosuke kannte diesen Namen. Doch da schlugen die Kopfschmerzen wieder zu. Sosuke stöhnte auf.

„Was ist los?“ fragte Hina erschrocken, während Sosuke sich den Kopf hielt.

„Kopfschmerzen. Als ob sich etwas dagegen stellen würde, das ich mich erinner.“

„Dann hör darauf.“ bat Hina.

„Ich kann nicht. Ich muss wissen, wer ich bin. Erst dann kann ich normal leben.“

„Du wirst danach nie wieder normal leben können.“

„Das tu ich doch jetzt schon nicht. Taten wir doch nie.“

„Da hast du recht...“

„Bitte, sag mir was du weißt. Wenn ich mich selbst wieder kenne, dann kann ich weiter leben.“

„Hör auf deinen Körper. Lass es sein.“

„NEIN!“ fauchte Sosuke. Darauf sackte Hina merklich in sich zusammen und seufzte.

„Du warst schon immer ein Sturkopf gewesen... Du kennst sicherlich nun schon Projekt Titan?“

„Ja... Darüber bin ich gestolpert.“

„Du... Ich... wir beide waren Teil dieses Projektes. Wir wurden künstlich geschaffen. Daher diese Fähigkeiten.“

„ich weiß... Ich weiß wo ich herkomme, und das meine „Gabe“ nicht natürlich ist... Jedoch... mir fehlen fast 100 Jahre.“ erklärte Sosuke.

„Ich weiß auch warum. Als das Kriegsglück kippte, schaufelte man etliche Sachen in ein anderes Projekt. Projekt Drachenzahn. Dabei wurde massenhaft Material und auch wir, in Bunkern eingelagert. Dabei fror man uns mit Cryokammern ein. Damals eine ganz neue Technik. Nur irgendwas lief schief. Wir wurden nicht nach 50 Jahren geweckt, auch nicht nach 100. Zumindest nicht alle. Und jene die geweckt wurden, wurden sofort getötet... oder schlimmeres.“

„Schlimmeres?“

„Du kennst diese Welt gut genug. Ein 15 jähriges Mädchen, ohne auch nur ein Grundrecht.“ sagte Hina und drückte die Hände in ihren Schoß. Sosuke verstand, was geschah.

„Schlimmeres.“

„Nach vier Jahren brach ich dem Kommandanten der Söldnertruppe das Genick...“ setzte Hina an, doch ihre Hände begannen zu zittern.

„... Dann rächte ich mich an den anderen der Truppe.“

„Doch wieso kannst du dich erinnern, und ich nicht?“

„Dafür sorgte ich damals bei dir. Immerhin waren... sind wir Tötungsmaschinen. Nur zum Abschlachten der Feinde geschaffen. Und wir hatten eine „Bestimmung“. Ich kannte dich zu gut, um zu wissen dass du nicht ablassen würdest. Darum löschte ich alle deine Erinnerungen. Und glaube mir, die wenigen guten, wiegen die Massen an negativen Erinnerungen nicht auf.“ erklärte Hina.

„Und warum mich?“ fragte Sosuke. Diese Frage war wie ein Dolchstoß, was ihr auch anzusehen war.

„Damals... ... Wir beide... Es war mehr zwischen uns... ich hatte gerade 40 Menschen mit meinen bloßen Händen umgebracht. Ich dachte, ich hole dich aus dem Kälteschlaf und alles wird gut... Doch...“ Hina führte den Satz nicht zu Ende. Sie kämpfte mit den Tränen und den Schmerzen, die die Erinnerungen auslösten.

„Doch?“

„Doch ich hatte mich verändert... Als ich vor deiner Cryokammer stand, du immer noch 15. Ich schon 20. Ich realisierte, dass was mal zwischen uns war, längst vergangen war. Ich saß drei Tage vor deiner Kammer und weinte. Denn nur der Gedanke an dich hatte mich die Jahre am Leben erhalten. Und dann, so dich und doch so weit weg. Nach drei Tagen kam ich zu einen Entschluss. Ich wollte dich in meiner Nähe haben. Auch wenn es nie wieder so werden würde. Also beschloss ich, dir deine Erinnerung nicht zu geben und deine Schwester zu werden. So konnte ich über dich zumindest noch ein wenig wachen.“ erklärte Hina mit zittriger Stimme.

„Erinnerungen nicht zu geben?“ fragte Sosuke. Doch Hina zeigte nur stumm auf einen kleinen schwarzen Würfel.

„Was ist das?“

„Deine Erinnerungen.“



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