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Balance

von

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"Bitte Takeo, ich will nicht länger der Außenseiter sein!"

"Es tut mir ja leid aber...."

"Jedes Mal sagst du das, jedes Mal!"

"Dann kennst du die Antwort doch, wieso fragst du mich dann immer und immer wieder?"

"Weil...weil...ist doch egal, kannst du nicht ein Auge zudrücken?"

"Aiji, wie oft soll ich es noch sagen? Du musst es dir erst noch verdienen!"

"Wie denn? Das geht einfach nicht!"

"Kirito und Kohta haben es sich auch hart erarbeiten müssen!"

"Die hatten es auch einfach, sie waren die ersten, da war niemand der immer schon vorher alles erledigt hat. Sie lassen mir keine Chance mich zu beweisen, immer wenn ich sie bitte zu warten bis sich für mich eine Gelegenheit bietet..."

"Warten ist das letzte was ihr euch leisten könnt! Euer Auftrag hat absolute Priorität!"

"Ich weiß, ich will ihn doch auch schützen! Mehr als alles andere will ich in der Lage sein ihn zu schützen..."

"Aiji, mach nicht den Fehler und lass persönliche Interessen an ihm zu!"

"Pfft, was meinst du was Kohta und Kirito an ihn bindet..."

"Pflichtbewusstsein."

"Ha, wers glaubt..."

"Aiji, entweder du findest dich damit ab dass du noch zu schwach bist um dein Siegel zu brechen, oder du strengst dich einfach etwas mehr an. Ich werde dir deine Kräfte nicht geben, bevor du sie dir nicht verdient hast."

"Besten Dank, großer Obermeister. Ich hoffe ich werde nie so ein Arsch wie du wenn ich mal in deiner Position bin."

"Was das angeht brauchst du dir ja dann keine Gedanken zu machen, du wirst nie in meine Position kommen wenn du nicht einmal diese einfache Beförderung schaffst."

Aiji schlug die Türe zu Takeos Wohnung lautstark zu und trat noch ein Mal kräftig dagegen. Warum hasste ihn dieses Leben so?
 

~
 

Ein seltenes, zwar wunderschönes aber ebenso unheilverkündendes Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Wunderbar! Aus dieser Situation ließ sich doch sicher etwas machen... Dieser Aiji schien so verzweifelt zu sein, dass es ein Leichtes werden würde ihn zu beeinflussen. Er würde schnell zum Werkzeug werden, da bestand kein Zweifel. Das Problem war nur, ihn von den anderen drei weg zu bekommen und lange genug zu trennen. Wachsame Augen beobachteten jeden Schritt des jungen Wächters, es war geradezu nervtötend.

Manas perfekte Maske aus emotionsloser Gleichgültigkeit ließ nicht erkennen was in seinem Inneren geschah. Die rasenden Gedanken und der unstillbare Hunger, der ihn schon seit Jahren quälte und nicht nachlasen würde. Das war der Preis für seine Macht, er brauchte viel Nahrung. Aber nicht irgendwelche...

Nein, erbrauchte etwas, besser gesagt, jemand ganz bestimmtes. Jemand, dessen Seele mit Abstand die reinste war, die ihm je begegnet war...
 

~
 

Der Lichtschalter war noch immer kaputt! Verärgert ließ Jun seine Jacke einfach im Flur fallen und tastete sich in der Dunkelheit vorsichtig nach vorne. Einmal wäre er fast über seine Schuhe gestolpert, doch er konnte sich noch rechtzeitig an der Komode festhalten. Jetzt noch zwei Schritte nach vorne, einen nach links, den Arm ausstrecken... Ah!

Das Licht im Wohnzimmer ging flackernd an und erhellte den kleinen Flur gut genug um halbwegs sehen zu können. Seufzend ließ Jun den Blick durch seine recht unordentliche Wohnung schweifen. Auf dem Sofa lag ein schwarzes Fellknäuel und schlief tief und fest.

"Schon gut, du brauchst mich nicht so stürmisch zu begrüßen, ich weiß auch so, dass du mich liebst."

Goldene Augen sahen ihn kurz an, dann schlief Rill weiter. Jun seufzte und tapste durch das Wohnzimmer, hob hier und da ein Buch oder Notenblätter auf, doch die Motivation hier Ordnung zu schlafen ließ recht schnell wieder nach. Immer fielen ihm Sachen ein die eigentlich wichtiger waren und unbedingt jetzt sofort gemacht werden mussten...

Als er die Balkontüre öffnete um warme, saubere Frühlingsluft in das Zimmer zu lassen, stockte er.

Da war wieder diese Krähe... jeden Abend saß sie hier, sie schien auf ihn zu warten. Sie sah ihn aus tiefschwarzen Augen wissend an. Unheimlich... Unheimlich und vor allem lächerlich. Wahrscheinlich hatte sie bloß ihr Nest hier irgendwo in der Nähe, das war sicher der Grund warum sie Abend für Abend hier saß. Und doch... warum duldete Rill die Gegenwart des schwarzen Vogels einfach so? Eigentlich war sie recht angriffslustig wenn es um alles ging was flatterte und fliegen konnte. Vor ein paar Wochen war einmal ein Spatz auf dem Balkon gelandet, er hatte eine Verletzung am Flügel und konnte nicht mehr fliegen. Rill hatte einen höllischen Lärm gemacht und wäre fast durch die Glastüre gesprungen. Der kleine Vogel war vor Schreck vom Balkon gefallen. Es hatte Jun fast das Herz gebrochen als er den toten Körper unten auf der Straße aufgelesen hatte.

Doch jetzt lag sie da und schlief ganz ruhig.

Schultzerzuckend ließ Jun die Türe einen Spalt aufstehen und verschwand kurz in der Küche, holte einen kleinen Teller mit Milch und ein paar Kekse, die er zerbröselte und auf den Balkon hinaus legte, neben die Milch. Ob die Krähe das mochte? Geduldig hockte Jun sich vor die Türe, halb vom Vorhang verborgen, und beobachtete den schwarzen Vogel. Er rührte sich nicht. Er bewegte sich keinen Millimeter, und kurz fragte Jun sich ob das Tier überhaupt noch lebte. Zum ersten Mal sah er sich die Krähe genauer an. Sie war ungewöhnlich groß, selbst für eine Krähe. Der Schnabel glänzte im Mondlicht und ließ sie sehr gefährlich aussehen, die Krallen sahen aus als wären sie nicht nur verdammt scharf sondern auch sehr sehr stark. Doch das beängstigende an dieser Krähe waren ihre Augen. So schwarz dass es fast so aussah als hätte sie gar keine Augen, und würde sich nicht der Mond in ihnen spiegeln hätte Jun gedacht er würde in leere Augenhöhlen starren. Diese Augen... sie sahen ihn an! Er war sich sicher, dieser Vogel beobachtete ihn. Der Blick der Krähe verfolgte ihn, sah ihm direkt in die Augen, durchbohrte ihn... Jun schauderte. Es war wirklich unheimlich... Langsam stand er auf, drehte sich zögerlich um. Er konnte den Blick der Krähe spüren... sie beobachtete ihn. Kurz schoss Jun der Gedanken an einen amerikanischen Film in den Kopf, den er vor lange Zeit einmal mit Kirito gesehen hatte. Nach diesem Film hatte Kirito angefangen sich das Auge zu schminken... Vielleicht war die Krähe so was wie in diesem Film...

"Blödsinn..."

Kurz lachte er sich selbst aus, dann zog er den Vorhang einfach zu und wandte sich Rill zu. Die Katze schlief noch immer tief und fest.

Er sollte auch versuchen zu schlafen, morgen früh musste er arbeiten bevor er zur Probe ging. Er hasste seine Arbeit aber irgendwoher musste er ja Geld bekommen...

Gähnend schlurfte er ins Bad, den schwarzen Vogel schon beinahe vergessen.

Beinahe...
 

~
 

"Yoshiki, ich habe hier die Akten die du haben wolltest..."

"Danke Toshi, leg sie einfach da hin, ich kümmere mich drum..."

"Viel zu tun?"

"Ja, leider... es tut sich was."

"Schon wieder jemanden verloren?"

"Ja..."

Seufzend lehnte er sich zurück und hob den müden Blick. Toshi musterte ihn mit besorgter Miene. Er würde ihn gleich daran erinnern dass er schlafen sollte, dass die Welt sich auch weiterdrehen würde wenn er ein paar Stunden davon keine Notiz nahm und dass er Ruhe brauchte.

"Yoshiki, du solltest dich hinlegen, auch du brauchst mal Ruhe, weißt du?"

"Ich weiß, ich weiß... ich leg mich gleich hin. Wirklich!"

"Ich glaub dir kein Wort... leg dich hin, und wenn's nur eine Stunde ist. Ich tipp die Berichte für dich ab. In Ordnung?"

"Okay... aber achte darauf dass..."

"Hey ich weiß, das ist mein Job okay? Mach dir nicht immer zu viele Gedanken!"

Natürlich wusste Toshi was er tat, mehr noch als er selbst... Mit einem dankbaren Nicken stand er auf und verschwand ohne seinen Freund noch ein mal anzusehen im Nebenzimmer. Eine eigene Wohnung hatte er zwar auch, aber dort war er schon seit Wochen nicht mehr gewesen. Er schlief - wenn er denn überhaupt schlief - hier im Büro, auf der Couch. Das reichte, lange würde er sowieso keinen Schlaf finden. Die Alpträume würden ihm keine Ruhe lassen...

"Ob es allen so geht die beinahe erfroren wären?"

Leise sprach er mit sich selbst, der beste Weg die verhasste Stille in Schach zu halten. Seufzend legte er sich hin, zog die dünne Decke über sich. Sobald er lag kamen die Gedanken wieder... Gedanken an die Vergangenheit, an den Verlust und die unsterbliche Angst, die er seit jener Zeit in sich einschloss und mit sich herumtrug. Ob das jemals aufhören würde?

Kurz bevor er einschlief machte er sich im Geiste eine Notiz, es war wieder einmal Zeit sich mit einem sehr gute Freund zu unterhalten. Er würde ihn morgen anrufen...
 

~
 

Routiniert und beinahe lautlos rasten Toshis Finger über die Tastatur. Immer wieder schnellte sein Blick vom Bildschirm zu dem Papierstapel und dann zu der Türe, hinter der sein Freund und Boss schlief. Ob er wirklich schlief? Wenn ja dann sicher nicht lange, er schlief nie lange.

Ein trauriges Lächeln quälte Toshis Lippen als er den Bericht überflog den er gerade abtippte.

Es waren schon wieder welche erfroren... Sie hatten schon wieder ein paar wertvolle Schätze an Mana verloren.

Angewidert verzog Toshi das Gesicht, wenn er auch nur an Mana dachte wurde ihm schlecht. Er hatte große Angst vor ihm, wie beinahe jeder der um seine wirklich Macht wusste. Sogar Yoshiki, dessen Macht nicht geringer war, fürchtete ihn. Dann wiederum hatte er Dinge erlebt und mit ansehen müsse, die Toshi sich nicht einmal vorstellen wollte. Das was er von ihm erfahren hatte war nur ein Bruchteil der wirklichen Geschehnisse von damals, da war er sich sicher.

Das was Toshi wusste reichte aus, um ihm einen Schauer über den Rücken zu jagen.

Yoshiki war einer der ersten gewesen, die die wahre Natur und die Absicht jener erkannt hatte, die wie Mana unerkannt auf Erden lebten und das Unglück für jene bedeutete, die sich ihnen zu sehr näherten. Diese Schicksalhafte Begegnung vor so vielen Jahren hatte Yoshikis wahre Kräfte entfesselt und ihn seiner Bestimmung zugeführt.

Toshi war sich sicher dass Yoshiki nichts mehr hasste, als seine Bestimmung... die Pflicht sich um die zu kümmern, die nicht einmal wussten wie wichtig sie waren.

Yoshiki rettete täglich so viele Leben, er trug die Verantwortung beinahe vollkommen alleine, ob die Welt in Dunkelheit versinken, oder weiterhin in einem Wechselspiel aus Schatten und Licht existieren würde. Er war es, der verhinderte dass Manas Macht weiterhin wuchs indem er dafür Sorge trug, dass alle die ihm als Nahrung dienen würden geschützt wurden.

Früher war es och einfach, ein Schutzgeist pro reiner Seele, kein Problem. Aber nach und nach... Mana wurde stärker, mit jeder Seele die er bekam, und so mussten auch mit der Zeit mehr und mehr Schutzgeister zugeteilt werden, um die Seelen zu schützen. Mehr Arbeit für Yoshiki, mehr Sorgen, weniger Zeit...

Zeit... Zeit war etwas, das niemand von ihnen hatte. Für Mana schien sie still zu stehen, er hatte das Talent immer im richtigen Moment zuzuschlagen, immer am richtigen Ort zu sein. Für Yoshiki raste die Zeit dahin, ließ ihm keinen Platz zum Atmen, trieb ihn an...

Oft fragte Toshi sich wie lange er das noch durchhalten würde. Ob damals ein großer Teil seiner Seele wirklich verloren gegangen war, ob die Traurigkeit und der ruhelose Ehrgeiz der traurige Rest der einst so strahlenden Seele waren, oder ob es noch da war, das Licht dass Yoshiki früher einmal ausgestrahlt hatte... ob es noch da war, gut behütet und geschützt in seinem Inneren.

Laut aufseufzend drückte er die Entertaste und speicherte die Berichte in den Archiven, lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen. Ein kurzer Moment Ruhe, so viel konnte er sich gerade gönnen. Nicht viel mehr jedoch, die Zeit drängte, wie sie es immer tat.

Noch hatte Toshi keine Vorstellung davon, wie sehr die Zeit wirklich drängte...
 

~
 

Normalerweise beruhigte ihn die Musik, heute nervte sie ihn. Ungewöhnlich...

Unkonzentriert zupfte er an den Saiten herum, den Blick ins Leere gerichtet. Die Unterhaltung mit Takeo ließ ihn nicht los. War er wirklich so schwach? War er wirklich nicht stark genug um zum Wächter zu werden? War er wirklich nicht würdig ihn zu schützen?

"Aichu, was ist los?"

Heute nervte ihn sogar der liebevolle Spitzname, mit dem ihn Kirito ansprach. Nervte ihn heute alles? Wahrscheinlich.

"Nichts. Wie war die Nachtschicht?"

"Ereignislos. Er hat versucht mich zu füttern... mit Keksen und Milch."

"Und, hast du ihn beim duschen bespannt?"

"Nein."

"Hm. Hätte ich gemacht."

"Vielleicht bist du deshalb nicht..."

"Was, sprich es ruhig aus, zu schwach? Noch nicht erwacht? Nicht in der Lage das Siegel zu brechen? Los, sag es schon!"

Abwehrend hob Kirito die Hände. So hatte er Aiji schon lange nicht mehr erlebt. Es hatte keinen Sinn mit ihm zu reden wenn er solche Laune hatte. Wahrscheinlich war er wieder einmal bei Takeo gewesen und hatte ihn genervt bis der stille Meister selbst die Geduld verloren und ausfallend oder beleidigend geworden war, so wie immer. Aiji konnte sich nicht damit abfinden dass seine Zeit noch nicht gekommen war. Er nahm es beinahe persönlich dass Kirito ihn noch nicht als Wächter ansehen konnte und ihn nicht alleine mit ihm ließ. Es war zu riskant, er würde es nicht schaffen sich zu verteidigen.

"Sorry, hab verschlafen und bin zu spät zur Arbeit gekommen und musste dann länger machen, und dann war da noch so ein dummes Kind auf dem Fahrrad und..."

"Hi Jun... beruhig dich, mein dummer Bruder ist auch noch nicht da."

Aiji begrüßte Jun nur knapp, wandte sich dann wieder seiner Gitarre zu. In letzter Zeit konnte er nicht wirklich mit Jun reden oder ihn ansehen. Zu groß war die Frustration darüber, dass er nicht dazu beitragen konnte ihn zu schützen...

Jun kam zu ihm und setzte sich neben ihn, Aiji zuckte zusammen. Die Präsenz dieser reinen Seele war sogar für ihn spürbar, obwohl er technisch gesehen nur ein normaler Mensch war, zumindest bis er endlich die Kraft gefunden hatte sein Siegel zu sprengen und seine Macht freizusetzen. Wie verlockend musste das reine Prickeln, dass er in seiner Gegenwart verspürte erst für jemanden sein, der bereits seine Kräfte entfesselt hatte? Oder... jemanden wie Mana?

Kurz wanderte Aijis Blick zu Jun, er betrachtete sein Gesicht von der Seite ganz genau und eindringlich. Die Vorstellung, was mit ihm geschehen würde wenn die Wächter versagten, verursachte eine Gänsehaut bei Aiji. Nicht auszudenken...

"Schön dass du endlich auch zu uns stößt, geliebter Bruder."

In Kiritos Stimme war kein Bisschen Humor zu hören, er starrte Kohta strafend an und schüttelte tadelnd den Kopf. Der Bassist senkte kurz den Blick, begrüßte dann jeden mit einem knappen Kopfnicken und beeilte sich sein Instrument anzuschließen. Kohta kam immer zu spät, das war normal. Nein, nicht zu spät... immer später als Jun. Egal wann Jun ankam, Kohta kam ein paar Minuten später.

Jun war zu verträumt um etwas zu merken. Er war noch nie misstrauisch geworden, hatte nie gemerkt dass er nie unbeobachtet blieb.

Das erleichterte den Wächtern die Arbeit ungemein.

Aiji hob kurz den Blick, Takeo saß schweigend am Schlagzeug, den Blick konzentriert auf Kohta gerichtet. Ab und zu zuckten seine Lippen, er sprach sicher wieder mit dem Bassisten. Aiji spürte wieder dieses zornige Gefühl, die Enttäuschung und die Eifersucht. Er hatte diese Macht auch, er wusste nur nicht wie er sie befreien musste! Die anderen drei sprachen unentwegt in Gedanken miteinander, er konnte genau so wenig hören wie Jun. Aber er würde es irgendwann auch können. Er musste einfach!

"Aiji-kun, träumst du? Hey!"

"Uhm, sorry... was hast du gesagt?"

"Ne ganze Menge..."

"Das denk ich mir schon."

Er wollte nicht mit Jun reden, jede Sekunde in seiner Gegenwart, jedes Wort das er sagte, alles erinnerte ihn daran dass er nicht in der Lage war seine Pflicht zu erfüllen, dass er ihn nicht schützen konnte.

"Fangen wir an? Takeo, gibst du den Einsatz?"
 

~
 

Mit langsamen und fließenden Schritten ging Mana den langen Gang hinab, den Kopf hoch gehoben und die Lippen fest aufeinandergepresst, zu seinem charakteristischen Schmollmund, der ihn ebenso anmutig wie unheilvoll wirken ließ. Sich der Präsenz zu seiner Rechten stets bewusst drehte er den Kopf ein wenig in diese Richtung, ohne seinen Gang zu verlangsamen.

"Was weiß er?"

"Das Nötigste."

Közis sanfte Stimme versicherte ihm alles was er wissen wollte. Er verabscheute es, Gedanken zu lesen, obgleich er diese Fähigkeit besser beherrschte als irgendjemand sonst. Deswegen hatte er Közi diese Stimme gegeben, damit er mit ihm sprach. Doch nicht nur das Geschenk einer Stimme an den ehemals stummen Gefährten band ihn an seinen Herrn, es war ein Bund auf Leben und Tod, entsprungen aus Liebe und resultierend in unendlicher Loyalität.

Mit einer ausladenden Bewegung öffneten die beiden gesichtslosen Diener die große Flügeltüre und gaben den Weg in das Audienzzimmer frei. Mana und Közi betraten es, die Türen schlossen sich wieder.

Auf einem kunstvoll gearbeiteten Sessel saß ein junger Mann, der die beiden frech angrinste und ihnen zum Gruß zuzwinkerte.

"Hi! Du bist Mana? Wow, krasses Kleid!"

Auf dem porzellangleichen Gesicht ließ sich keine Reaktion erkennen. Mit beherrschten Bewegungen setzte sich Mana ihm gegenüber an den Tisch, Közi blieb neben seinem Herrn stehen.

"Sie sind mit den Fakten vertraut? Hier sind die Daten."

Közi schob einen dünnen Ordner über den Tisch um seine Aussagen zu kräftigen.

"Wenn sie ihn öffnen sehen sie sämtliche Daten über die Zielperson. Lebenslauf, biologische Daten, alles was sie wissen müssen um..."

"Um den Kerl her zu bringen, is schon klar."

"Sie missverstehen uns. Sie haben nicht die Mittel seine Wächter zu besiegen, sie werden ihm nicht nah genug kommen. Ihre Aufgabe ist es..."

"hehe, Momentchen mal! Was soll das heißen, traust du mir das nich zu? Klar schaff ich das! Das sind doch nur ein paar Aushilfswächter!"

"Nein."

Zum ersten Mal erklang Manas Stimme, und brachte Miyavi augenblicklich zum Schweigen.

"Selbstüberschätzung führt zwangsläufig immer zum Tod."

In Manas Stimme lag stechende Endgültigkeit.

"Wenn sie die nächste Seite aufschlagen würden..."

Schweigend tat er was Közi sagte, hörte aufmerksam zu und stellte seinen Mittelungsdrang vorerst zurück. Vielleicht war es doch gar nicht so schlecht erst einmal zu zuhören was diese seltsamen Typen von ihm wollten. Eigentlich wusste er kaum etwas über seine neuen Aufraggeber, außer eben dass sie ziemlich wichtig und einflussreich zu sein schienen. Dieser Mana war eine ganz große Nummer, was der genau konnte und tat wusste Miyavi nicht, er hatte aufgehört zuzuhören als sicher war dass er verdammt viel Geld dafür bekommen würde wenn er den Auftrag erledigte den er bekommen würde.

Zuerst hatte er damit gerechnet dass er einfach jemanden umlegen oder entführen musste, ein Kinderspiel. Aber etwas an Manas Worten hatten seinen selbstsicheren Eifer gezügelt. Vielleicht sollte das doch etwas schwieriger werden als zuerst angenommen...

"Haben sie soweit alles verstanden?"

"Hm, ich denk ma schon... bis auf den Teil mit diesem komischen Aili."

"Aiji."

"Ja von mir aus... also ich soll immer dann auftauchen wenn er da is, ja?"

"Richtig."

"Und ich soll mich besiegen lassen? Aber möglichst nich dabei abkratzen?"

"Richtig."

"Und das soll ich ein paar Mal machen und bekomm für jedes Mal Kohle?"

"Richtig."

"okay... sonst noch was?"

"Das wäre es soweit. Sie bekommen alles an Ausrüstung was sie benötigen. Unternehmen sie was getan werden muss, aber enttäuschen sie uns nicht."

"Nene, ich mach meine Arbeit meistens recht gut..."

"Das hoffe ich für Sie."

"Okay, dann geh ich mal wieder... irgend ein Zeitlimit?"

Mana erhob sich langsam, den eiskalten Blick auf Miyavi gerichtet.

"So schnell wie möglich."

Damit drehte er sich um und überließ es Közi sich um den Kopfgeldjäger zu kümmern.

Unterdämonen... normalerweise gab er sich niemals mit solch niederen Geschöpfen ab, aber die Situation erforderte es nun mal. Nirgends sonst hätte sich jemand auftreiben lassen, der zwar gut, aber nicht zu gut kämpfte, nicht nachfragte was er überhaupt tat und nicht zuletzt einfach aus dem Weg zu räumen war.
 

"Eine kleine Schabe, wann hast du vor sie zu zertreten?"

"Wenn ihr Verfallsdatum abgelaufen ist. Was hast du herausgefunden?"

Mana sah sich nicht um, wenn Juka nicht gesehen werden wollte dann war selbst er nicht in der Lage ihn zu enttarnen. Der Spion bewegte sich ungesehen neben ihm her, leise flüsternd.

"Bedauerlicherweise nicht... fest steht nur, dass der Junge absolute Priorität hat."

"Selbstverständlich hat er das. Was ist mit dem Elitecorps?"

"Noch keine Kontaktaufnahme, dein Gegenstück scheint unentschlossen zu sein, aber sein Schoßhund ist wachsamer denn je."

Mana nickte nur. Auch wenn er Juka nicht sehen konnte, er wusste dass der Spion ihn unentwegt beobachtete. Es lag in seiner Natur, genau wie die Angewohnheit, die Personen nicht bei ihren Namen zu nennen. Zu Anfang war es beinahe unmöglich gewesen zu verstehen von wem er sprach, mittlerweile jedoch verstand Mana sehr gut von wem er redete.

"Schickst du deinem Gegenstück noch immer süße Träume?"

"Dazu besteht keine Notwendigkeit. Er träumt von selbst."

"Oh, wie überaus amüsant!"

"Geh jetzt, ich habe zu tun."

"Welch abrupter Abbruch eines erheiterndes Gespräches...."

"Erheiternd für dich, ermüdend für mich."

Die Stille um ihn herum veränderte sich, Juka war tatsächlich verschwunden. Obwohl er außer der Fähigkeit, beinahe unsichtbar zu sein für jene, von denen er nicht gesehen werden wollte, keine anderen Kräfte besaß machte er Mana von Zeit zu Zeit nervös. Es lag eine gewisse Bedrohung in der Art wie er sprach und einfach zu verschwinden vermochte.

Kurz blieb Mana stehen und atmete tief durch, stützte sich an der kalten Marmorwand kurz ab. Das Schwindelgefühl verschwand schnell wieder, aber der brennende Hunger blieb wie immer bestehen. Er hatte zu lange auf süße Kost verzichten müssen. Es war ihm zuwider, unwürdige Seelen zu fressen, er wollte nur die reinsten aller Seelen. Aber im Moment blieb ihm nichts anderes übrig, irgendwie musste er überleben.

Nur kurz seiner natürlichen Eleganz beraubt schritt er weiter, in seine Gemächer. Er würde Közi anweisen ihm eine Seele zu besorgen damit er zumindest den gröbsten Hunger stillen konnte.

Später, jetzt hatte er wichtigeres zu tun.
 

~
 

Überrascht öffnete Gackt die Türe ein Stück weiter und ließ seinen Überraschungsgast eintreten.

"Ich habe nicht damit gerechnet dass du heute kommen würdest, schön dich zu sehen!"

Eine kurze freundschaftliche Umarmung, ein reservierter Händedruck. Widersprüchliche, jedoch perfekt zusammen passende Handlungen.

"Komm rein... setz dich. Ein Glas Wein?"

"Gern..."

Kurz ließ Yoshiki den Blick durch die Wohnung seines Freundes schweifen. Schlicht, leblos, steril. Die wenigen Dinge, die Leben in dieses Zimmer brachten waren ohne Zweifel von jemand anderem hierher gebracht worden...

"Wo ist You?"

"Er kommt gleich zurück, er holt Zigaretten."

Nickend nahm er das Weinglas an, der gleiche Wein wie immer, roter französischer Jahrgangswein. Teuer, selten, abscheulich.

Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander, dann trafen sich ihre Blicke. Traurige, von Verlust gezeichnete Augen blickten in ihr perfektes Gegenstück.

Yoshiki wandte den Blick schnell wieder ab, er konnte Gackt nie lange ansehen. Das Loch in seiner Seele war noch zu frisch, es schmerzte diese Wunde so klar zu sehen. Wie You das wohl immer aushielt?

"Was führt dich zu mir? Du sieht besorgt aus... ist alles in Ordnung?"

"Sähe ich dann besorgt aus?"

"Nein..."

Er verkniff sich den Kommentar, dass Yoshiki eigentlich immer besorgt aussah.

"Ich weiß nicht weiter... ich verliere."

"Was meinst du?"

"Ich verliere, Stück für Stück. Er wird immer stärker, ich verliere immer mehr Seelen, die Kräfte meiner Wächter und meine eigenen schwinden immer mehr."

"Du redest von Mana?"

"Ja..."

"Dann red nicht weiter, du weißt ich helfe dir gern, ich bin dir vieles schuldig. Aber... ich will diesen Namen nie wieder hören."

"Ich weiß... verzeih."

Langsam hob Yoshiki den Blick wieder. Gackt hatte den Kopf gesenkt, er war sicher wieder in alte Erinnerungen versunken. Sein Ausdruck war wieder so trüb... wie damals als Yoshiki ihn gefunden hatte, ihn im letzten Moment mit Yous Hilfe hatte retten können, bevor Mana auch den letzten Rest aus ihm heraus saugen konnte. Es war schon so lange her, trotzdem war noch viel zu tun. Und so wie es aussah leistete You gute Arbeit, er schien es irgendwie zu schaffen ihn ganz langsam wieder aufzubauen. Kein Wunder eigentlich, You war einer der besten und mächtigsten Wächter. Mana hatte es aufgegeben nach Gackt zu jagen, nicht weil er ihn bereits einmal kosten durfte, sondern weil er einfach keine Chance hatte an ihn heran zu kommen. Yoshiki entkam ein leiser Seufzer. Hätte er doch mehr Wächter wie You, dann bräuchte er sich nicht so oft Vorwürfe zu machen wenn er wieder einen reinen Menschen an Mana verlor. Aber außer You gab es nur noch fünf weitere, die den Rang eines Meisters trugen. Das Elitecorps...

"Du denkst schon wieder zu viel nach."

"Genau wie du..."

"Ja... du hast recht..."

"Ich denke immer noch darüber nach..."

"Ob es deine Schuld war?"

"Ja."

"Es war nicht deine Schuld. Du hast... wir beide haben gedacht er könnte mich schützen. Und er hat sein bestes getan."

Die Erinnerung an seinen alten Wächter schmerzte zwar immer noch, aber mittlerweile konnte er mit einer gewissen Ruhe an Kami zurück denken. Gackt hob sein Glas und sprach leise.

"Auf dich, wo immer du auch bist..."

"Auf euch beide..."

Fügte Yoshiki leise hinzu und Gackt nickte. Beide tranken schweigend ihren Wein, ab und an brachen sie die Stille um kleine, belanglose Gespräche zu führen, nichts von Bedeutung. Yoshiki wusste, dass You seit geraumer Zeit vor der Türe stand. Er spürte ihn, redete kurz in Gedanken mit ihm. Doch You ließ sich nicht dazu überreden herein zu kommen.

"Es ist in Ordnung, ich denke es ist gut wenn du mit Gackt allein bist. Er braucht das sicher einmal, ich weiche auch so nicht von seiner Seite."

"Ich weiß...sonst würde er hier nicht mehr sitzen."

"Doch, dann hätte er nur einen anderen Wächter."

Ein sanftes Lächeln schob sich auf Yoshikis Lippen. Typisch You... er trug nicht einmal das Meistersiegel. Es bedeutete ihm überhaupt nichts, er sah sich genau so wie alle anderen Wächter. Ohne Titel, ohne Ruhm.

"Weißt du... ich wünschte ich könnte dir helfen. Aber ich kann nicht..."

Gackts Stimme unterbrach die stumme Unterhaltung von You und Yoshiki.

"Doch, das tust du schon... wirklich. Weißt du wie lange es her ist dass ich mein Büro verlassen habe und einfach so mit jemandem gesprochen habe?"

"Und da fiel dir niemand sonst ein?"

"Nein."

"Hm... was ist mit Toshi?"

"Er macht sich sowieso schon zu viele Gedanken. Und er versteht mich nicht."

"Denkst du wirklich? Ich denke schon... warum sollte er nicht. Meinst du, es verstehen dich nur die, die in deiner Situation waren? Wenn du ihm das sagst wird er sich den nächstbesten dieser Wichser suchen und sich freiwillig in deine Situation bringen."

"Was willst du mir damit sagen?"

"Dass du auch ohne mich nicht allein wärst."

"Da irrst du dich, ich bin sogar mit dir allein."

"Meinst du nicht dass er wütend wäre wenn er das hören würde was du da von dir gibst?"

"Toshi weiß dass..."

"Ich rede nicht von Toshi. Ich rede von hide."

"Ich dachte es mir schon."

"Lügner. Du verdrängst doch die Gedanken an ihn. Ich hoffe ich sterbe nicht vor dir, ich will nicht auch zu jemandem werden, an den man ums verrecken nicht denken will."

Getroffen senkte er den Kopf, Gackt hatte das Talent einem immer wieder unsanft vorzuwerfen was man für Fehler machte. Das Schlimme daran war, dass er Recht hatte. Yoshiki verdrängte die Gedanken an seinen alten Freund wirklich, aus Angst alte Bilder sehen zu müssen, die ihm das Herz wieder in kleine Fetzen reißen würden.

"Ich glaube ich gehe besser..."

"Bleib."

Gackt sah ihn an, und kurz glühte ein Stück seines alten selbst in ihm auf.

"Ich denke dass You bald zurück ist, wir wollten zusammen essen. Er hat gekocht, willst du auch mitessen?"

"Sehr gern."
 

~
 

"Jun!"

Alarmiert schnellte Kohtas Blick zu seinem Bruder.

"Ist er in Gefahr?"

"Takeo sagt er hat eine verdächtige Präsenz in Juns Nähe entdeckt. Komm..."

"Ich komme mit!"

"Aiji, du weißt genau dass..."

"Na und? Gib mir ne Chance, ich komme mit!"

Kohta sah seinen Bruder kurz an und nickte.

"Lass ihn mitkommen, wie soll er sonst eine Möglichkeit finden seine Kräfte zu entfesseln?"

"Ja in Ordnung...ausnahmsweise."

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg, Kirito wusste wohin sie mussten. Takeo hatte Jun begleitet, es war seine Schicht. Zu dumm, dass gerade in seiner Schicht etwas geschehen musste, Takeo hatte kaum Kräfte. Jedenfalls keine, die zum Kampf oder zur Verteidigung viel taugten. Weder herrschte er über ein Element, noch teilte er seine Seele mit einem Tier. Dafür waren seine Sinne um einiges ausgeprägter.

"Ich fahre... Aiji du sitzt hinten."

"Warum? Ich will..."

"Hinten sag ich!"

Kopfschüttelnd stieg Kohta neben seinem Bruder in den Wagen. Immer wenn es um Aiji ging wurde sein Bruder unausstehlich. Kohta wurde das Gefühl nicht los, dass es nichts damit zu tun hatte, dass Aiji vielleicht eine Gefahr sein oder im Weg herumstehen könnte wenn sie Jun schützen mussten, sondern viel mehr damit, dass er selbst in Sicherheit war. Kirito hatte ein Talent dafür ihn immer wieder aus der Schusslinie zu ziehen. Der Nebeneffekt war eben das Problem, dass Aiji noch keine Chance gehabt hatte sich zu beweisen.

"Da hinten, da ist Takeo."

"Ich sehe es."

"Entschuldige, ich will nur helfen!"

"Lass das mit dem Helfen bis du wirklich in der Lage dazu bist!"

Verletztes Schweigen war die Antwort auf diesen Kommentar. Kirito verstand es wirklich, Salz in Wunden zu streuen.

"Du bleibst im Auto."

Aiji hatte keine Zeit zu protestieren, Kirito war bereits ausgestiegen und hatte die Türe lautstark hinter sich zugeschlagen. Kohta folgte ihm, warf Aiji aber noch einen mitleidigen Blick zu.

Takeo kam ihnen mit hastigen Schritten entgegen.

"Du hast Aiji mitgeschleppt?"

"Ja. Und?"

"Nunja... er ist nicht gerade eine Hilfe oder?"

"Na und? Lass ihn doch wenigstens dabei sein."

Hört hört, schoss es Kohta in den Kopf. Wenn Aiji nicht dabei war wurde er in Schutz genommen. Typisch für seinen Bruder, bloß das Gesicht wahren.

"Also. Die Präsenz ist fremd, die Kraft dahinter kann ich nicht gut einschätzen. Ich habe schon ein Kraftfeld errichtet, es reicht um dieses Gebäude, Jun ist da drin. Ich werde zu ihm gehen und ihn davon abhalten heraus zu kommen, bis ich von euch Entwarnung bekomme."

"Irgendwelche Risiken?"

"Das übliche... er kommt aus de Luft, am besten ihr fangt ihn auf dem Dach ab."

"In Ordnung. Kohta, sagst du Aiji bescheid?"

"Klar. Gehst du schon mal in die Luft?"

"Sehr witzig."

Mit ein paar Blicken nach links und rechts verschwand Kirito in einer Seitenstraße, keine zehn Sekunden später flog eine schwarze Krähe aus dem Schatten und jagte mit großer Geschwindigkeit auf das Dach des Einkaufszentrums zu.

"Viel Glück..."

"Danke, dir auch..."

Ein freundschaftliches Nicken, dann verschwand Takeo in dem Gebäude, Kohta ging zum Auto zurück. Aiji hatte in der Tat geduldig dort gewartet.

"Und? Was ist los?"

"So genau weiß ich das nicht, ich weiß nur dass ich mich meinem Bruder widersetzen werde und dich einfach mitnehme. Wir müssen auf das Dach. Am besten wir nehmen die Feuertreppe, das ist schneller als drinnen nach dem Notausgang zu suchen. Kommst du?"

Erfreut lächelnd stieg Aiji aus dem Wagen. Jetzt bekam er endlich seine Chance! Endlich würde er eine Möglichkeit bekommen, seine Kräfte unter Beweis zu stellen, er würde eine Hilfe sein! Er würde Jun schützen können!

"Komm schon, schnell...halt dich aber im Hintergrund bis klar ist was da vor sich geht. Wir wissen nicht was auf uns zukommt. Verstanden?"

"Klar."
 

~
 

Er spürte deutlich die Gegenwart einer immensen Kraft, noch konnte er die Quelle aber nicht sehen. Der Umriss des Gebäudes wurde immer größer je näher er kam, bald würde es so weit sein. Ein erregtes Beben durchfuhr seine Angespannten Muskeln, bis in die Fingerspitzen und die letzten Nerven seiner Flügel.

Wo waren die Wächter? Er wusste dass sie da waren, außerhalb des starken Kraftfeldes, das leicht bläulich schimmernd verbarg was auch immer sich in dem Gebäude befand. Es war nicht von Bedeutung, alles was zählte war sein Auftrag.

Ein kleiner schwarzer Schatten tauchte auf dem Dach auf. So unscheinbar, jeder andere hätte ihn übersehen. Eine schwarze Krähe saß dort und starrte ihn geradewegs an. Das musste einer von ihnen sein. Die Aura die diesen kleinen Vogel umgab war ungeheuer stark, Miyavi erschauderte. Das würde sicher lustig werden! Aber er musste noch warten, das eigentliche Ziel fehlte noch. Er nahm eine weitere Präsenz wahr, doch sie war noch etwas weiter entfernt und somit noch nicht im Radius des Interessanten.
 

"Sieh an, ein Piepmatz!"

Lachend zog er die Flügel ein und ließ sich die letzten Meter auf das Dach fallen, wie eine Katze auf allen vieren landend.

"Is das nich irgendwie peinlich? Ich mein, wenn ich dir einen Flügel stutze, fliegst du dann im Kreis?"

Langsam richtete er sich auf und stemmte eine Hand in die Hüfte, ein freches Grinsen auf den Lippen. Die Krähe sah ihn weiterhin nur an.

"Sag mal, kannst du auch irgendwas? Oder glotzt du nur doof?"

Die Krähe rührte sich nicht, auch als Miyavi einen Schritt auf ihn zu tat. Kurz packten ihn Zweifel, war das wirklich ein Wächter oder sprach er hier peinlicherweise mit einem Vogel?

"Hey, also wenn du weiterhin da rumhocken willst okay, mach du mal. Ich bin eh nich wegen dir hier, dummes Federvieh."

Miyavi schritt an ihm vorbei, als er ihm nur kurz den Rücken zudrehte hörte er ein leises Rascheln, und im nächsten Augenblick spürte er das elektrische Knistern in der Luft, das immer kam wenn Elementarenergie gesammelt wurde.

Er schaffte es gerade noch bei Seite zu springen und der geballten Energie aus Luft und Blitzen auszuweichen.

"Ohaaa, du kannst ja doch was! Oh Gott bist du hässlich, wärst du doch besser ein Hähnchen geblieben."

Kirito sah ihn nur ruhig an und versuchte die Kräfte seines Gegners systematisch abzuschätzen. Wie viel wirklich hinter der kessen Fassade steckte konnte er nicht sagen, aber es war auf jeden Fall Grund zur Vorsicht. Immerhin hatte er ihn sofort erkannt und war seinem Warnschuss perfekt ausgewichen. In Gedanken drängte Kirito seinen Bruder zur Eile.

"Also, was kannst du noch? Kannst du auch reden? Oder machst du nur so... ,krah krah'?"

Kirito schwieg, er hatte so das Gefühl dass dieser kleine Unterdämon eine recht kurze Geduldspanne hatte.

"Haloohooo, is da jemand zu hause? Oder is dein Kopf nich nur hässlich sondern auch noch leer? Sag mal was!"

"Er redet nur wenn der andere das wert ist."

Ruckartig drehte Miyavi den Kopf zur Seite. Verdammt, er war unaufmerksam gewesen. Er hatte nicht gespürt wie sie sich ihm genähert hatten. Ein Lächeln verzog sein Gesicht zu einer frechen Fratze. Da standen also noch zwei Wächter. Den einen erkannte er sofort. Ein junger, schlanker Mann mit großen dunklen Augen und aufmerksamem Blick, hinter dem eine ungeahnte Kraft ruhte, die entfesselt werden wollte. Neben ihm stand ein großer, weiß - grauer Wolf, der den Blick auf Miyavi gerichtet hatte. Eine Gänsehaut lief ihm den Rücken hinab, dieser Wächter hatte genau so viel Kraft wie der andere... vielleicht würde das doch etwas schwerer als gedacht.

"Oh wie süß, ein Hund. Und du, was kannst du? Wirst du auch ein Tier? Zeig mal was!"

Aiji hielt seinem Blick stand und rührte sich nicht. Der Wolf löste sich von seiner Seite und ging mit langsamen, kraftvollen Schritten auf den Unterdämonen zu.

"Oh Mann, recht schweigsame Truppe, was? Ist ja langweilig... na ja, ich hab eh eigentlich keine Zeit. Mein Boss wartet, der will jemanden haben der... ach jetzt hab ich doch glatt den Namen vergessen... Jun oder so, ne? So ein hässlicher kleiner Gnom, hat ne ziemliche Hackfresse und..."

Die zwei Sekunden, in denen er den Blick wieder auf Kirito gerichtet hatte, wurden ihm beinahe zum Verhängnis. Erneut das elektrische Knistern, dann fegten abertausende, winzig kleine, nadelfeine Geschosse an ihm vorbei. Miyavi musste sich ziemlich anstrengen um dem Eisregen zu entkommen, doch es gelang ihm schließlich.

"Cool, du kannst Eis zaubern? Is im Sommer sicher nützlich!"

Kohta ließ die Hand langsam sinken, ließ Miyavi keine Sekunde aus den Augen.

"Uärks, du bist ja noch hässlicher... hey, seid ihr verwand oder so?"

"Gut geraten."

Auf ein unsichtbares Signal, dass nur die drei zu sehen vermochten, entbrannte ein heftiger Kampf. Aiji stand da und beobachtete wie Eis und Wind gemeinsam gegen pure Dunkelheit kämpften. Immer und immer wieder sah es so aus, als würden Kohta und Kirito Miyavi mit Leichtigkeit ausradieren können, doch der kleine Dämon schien immer wieder Asse aus dem Ärmel zu ziehen, er schien niemals müde zu werden, bombardierte die beiden nicht nur mit geballter dunkler Energie, sondern auch noch äußerst nervtötend mit dummen Sprüchen. Aiji ließ den Blick zwischen den dreien hin und herrasen. Wenn er nur wüsste wie er sich einbringen konnte, irgendwie musste er doch eingreifen und helfen können! Aber wie?

Ein lauter Schrei riss ihn aus seinen Gedanken. Kirito kniete am Boden, aus einer dunkel ölenden Wunde an seinem Bein tropfte Blut.

"Oh, der Spatz hat das Füßchen verletzt!"

Der Laut der Kohtas menschlicher Kehle entkam hätte genau so gut von seiner Wolfsgestalt stammen können. Er stürzte sich auf Miyavi und riss ihn zu Boden, beide rangen nun miteinander ohne ihre Kräfte einzusetzen. Aiji trat zögerlich nach vorne. Vielleicht war das seine Chance...

"Aiji, bleib wo du bist!"

Kirito stand wankend wieder auf und warf Aiji einen warnenden Blick zu.

"Misch dich nicht ein! Hörst du?"

"Genau, misch dich nicht ein, Menschlein!"

Miyavis lachende Worte beschämten ihn. Menschlein... nicht einmal ein Unterdämon hatte seine versteckte Kraft gesehen... plötzlich schoss ihm ein Gedanke in den Kopf, den er bisher noch nie gehabt hatte. Vielleicht... war er ja wirklich nichts anderes als ein normaler Mensch? Vielleicht hatte er keine Kräfte? Ein paar Sekunden vergaß er sich auf das Geschehen zu konzentrieren, und diese paar Sekunden reichten vollkommen aus.

"Aiji!"

Ein Strahl aus purer Energie schoss auf ihn zu, traf ihn mitten in die Brust und schleuderte ihn ein paar Meter weiter nach hinten, gefährlich nah auf den Rand des Daches zu.

Geblendet von Schmerz und Schreck schloss er die Augen, griff nach irgendetwas um sich fest zu halten und kauerte sich auf dem Boden zusammen, die Hand fest um die Geländerstange der Feuerleiter gekrallt. Übelkeit stieg in ihm auf, seine Brust schmerzte und fühlte sich nass an. Dumpfe Geräusche drangen an sein Ohr, wütende Stimmen, lautes Knurren, immer und immer wieder das knarrende Zischen von Eis, sausendes Surren von Luft und scharfes Knallen von Miyavis schwarzer Energie. Eine Weile hörte er nur diese Geräusche, während er dagegen kämpfte das Bewusstsein zu verlieren, dann verstummte der Kampflärm. Einen Moment hatte er das Gefühl, einen kleinen Schatten zu sehen der davonflog, doch er verließ sich nicht auf seine Augen.

"Aiji, bist du in Ordnung? Aiji!"

Kohta kniete auf einmal neben ihm, zog ihn an den Schultern vom Abgrund weg, löste seine krampfhaft festgekrallte Hand von dem Geländer und drehte ihn auf den Rücken.

"Lass die Augen auf, du musst wach bleiben!"

Auf ein mal war auch Kirito da, er umfasste Aijis anderen Arm und zog ihn von seiner Brust weg. Eine klebrige, schwarze Substanz haftete auf seinem Hemd, vermischt mit ein wenig Blut.

"Es ist nicht schlimm, das ist so was wie... es sieht aus wie Teer. Tzz... ziemlich stillos."

"Lass die dummen Sprüche. Wir müssen hier weg. Hilfst du ihm? Ich sage Takeo bescheid und mach dann, dass ich hier weg komme. Wir treffen uns zu hause. Nimm Aiji mit zu uns."

Damit drehte sich Kirito von den beiden weg und hinkte zum Rand des Daches, sah nicht hinunter, schloss die Augen und ließ sich einfach fallen. Aus dem Abgrund zwischen den Häusern der Stadt erhob sich eine schwarze Krähe und flog davon.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von: abgemeldet
2007-04-15T14:45:42+00:00 15.04.2007 16:45
Toll, rührend, fesselnd..

Perfekt.

~ Danke.
Von: abgemeldet
2006-06-24T02:45:15+00:00 24.06.2006 04:45
"Normalerweise steh ich weder auf Crossover, noch auf Fantasy...
Aber deine FF hat mich gefesselt-^.^-"

dem muss ich mich anschließen.
ich hätte nicht gedacht, dass die ff das schafft.
ich ging auch (leider) recht lustlos an "die sache" heran, weil soviele charaktäre vor kamen.
aber letztendlich...WOW! ich bin ehrlich begeistert.
Von: abgemeldet
2005-12-18T00:40:50+00:00 18.12.2005 01:40
Normalerweise steh ich weder auf Crossover, noch auf Fantasy...
Aber deine FF hat mich gefesselt-^.^-

Da unten schon so viel erwähnt wurde, was ich auch sagen wollte, werd ich einfach mal weiterlesen.

Dewa Shaijou (_ _)

P.S.: Wird Hide noch mal erwähnt werden? TT_TT
Von: abgemeldet
2005-09-25T00:10:55+00:00 25.09.2005 02:10
Hey Du!!!

Ist ne tolle Fic, ich steh ziemlich auf Fantasy. Armes Aiji, tut mir richtig leid. Selbst nach dieser Fic kann ich Mana nicht hassen. Um es kurz zu machen, solltest du es wagen dise Fic abzubrechen, krieche ich persönlich die Leitung und erwürge dich mit dem Kabel. Umd wenn du W-LAN hast ist auch kein Problem, irgendwo finde ich sicher eins und wenns das vom Toaster ist.
Dariusz

Nimm es ernst, ich kenn sie jetzt schon ein paar Jahre und sie ist "leicht" psychopatisch veranlagt!
waiwai da yo, dat Shin
*Igami Shin...igami*
Von:  Kayleigh
2005-09-08T09:21:31+00:00 08.09.2005 11:21
Hey! XD

Ich wollt nur mal loswerden das du die Zitate klasse gewählt hast! Das passt immer perfekt...^^
Waaahhh ich muss das alles nochmal lesen... ;__;
Von:  Starsailor
2005-09-04T17:38:50+00:00 04.09.2005 19:38
Ya~!
*g*
Ich mag deine #F'F..
Zu erst dachte ich ja, dass du dich irgendwie verhaspeln würdest oder sonst was anstellst, weil du so viele Personen untergebracht hast aber..oO
Es ist toll geworden..*noddu*
Nicht zu viel was immer wieder preis gegeben wird aber auch nciht zu wenig, genau richtig um den Leser am lesen zu halten und zum weiter lesen zu animieren..*smiel*
Zumal mir dein Schreibstil sehr zusagt.*noddu*
Er ist einfach zu verstehen und es wird nicht versucht durch komplizierte Umschreibungen eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen..
Nyou~..Werd mich nach her dem zweiten Kapitel widmen.. Danach gibts wieder nen Kommentar!*noddu*

Baikyu~ s Kyo
Von:  Rabbid
2005-09-03T08:26:05+00:00 03.09.2005 10:26
Mist, jetzt hab ich vergessen zu erwähnen, dass ich die ganze Idee an sich gut finde........^///^
Von:  Rabbid
2005-09-03T02:47:06+00:00 03.09.2005 04:47
WOW!!!
Endlich mal wieder eine Fantasy Story~ >.<
Und dann auch noch soo gut beschrieben
*freu*
Die Tiere in die sich Kirito und Kotha verwandeln können, passen so~ gut zu ihnen....und dann auch noch die Elemente......
Überhaupt sind die Rollen sehr passend verteilt....(ich benutze irgendwie dieselben Wörter *schluchz*)
*kicher*
Das bild von den Dirus passt so perfekt zu dem text.....irgendwie ^///^
Bin schon richtig gespannt auf ihren Auftritt......


Hoffe, es geht ba~ld weiter ^.~
Ich würde mich sehr freuen


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