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Fatal Frame Gaiden

the chosen ones
von

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Chapter 2 || Die Katastrophe ~yòsomura's calamity~ (1 von 2)

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18.08.1956

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Soeben bin ich angereist. Die Bewohner des Dorfes, in dem ich untergekommen bin, sind seltsam beunruhigt. Sie scheinen sich vor etwas zu fürchten. Vielleicht täusche ich mich aber nur. Zaomura ist ein schönes kleines Dörfchen, in dem immer noch alte Bauten aus der Meiji-Zeit, in der es gegründet wurde, stehen.

Meinen Kindern wird das sicher gefallen.

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20.08.1956

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In diesem Dorf gehen seltsame Dinge vor sich. Seit ich ihnen erzählt habe, dass ich Völkerforscher bin, starren sie mich alle ehrfurchtsvoll an. Sie murmeln manchmal etwas von einem verfluchten Dorf. Als ich allerdings nachfrage, verstummt ihr leises Murmeln sofort und sie gehen ihres Weges.

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22.08.1956

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Jemand hat mich eingeweiht. Zaomura ist das Nachbardorf des verfluchten Dorfes. Es liegt am anderen Ende des Waldes, so erzählte mir es eine alte Dame. Sie sagte, dass dieses Dorf und alle seine Einwohner in einer Vollmondnacht während einer Zeremonie verschwunden sind. Sie sagt auch, dass dieser Ort seitdem verflucht ist. Niemand wagt sich auch nur in die Nähe dahin, nicht einmal in den schönen Laubwald, der das Dorf zur Hälfte umschließt. Die Frau sagt, in Zaomura nennen es alle "Hinkonmura" - Das Dorf des Elends. Und sie flüstert mir noch zu, dass das Dorfoberhaupt will, dass ich mir das einmal ansehe. Die Leute fürchten, der Fluch würde auch auf ihr Dorf übergreifen. Als ich etwas erwidern will, bringt sie mich mit einer Geste zum Schweigen. Seltsame Leute sind das hier...

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23.08.1956

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Habe Ryo, Tsukiko und Isamu sicher untergebracht bei einer kleinen freundlichen Familie. Makie, die Ziehmutter, wird sich sicher gut um sie kümmern. Wenn ich den Worten der Alten glauben kann, ist das hier viel zu gefährlich für meine Kinder.

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25.08.1956

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Um das Dorf herum ist ein unangenehmer Nebel, der mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Gut, dass ich an wasserabweisende Bekleidung gedacht habe. Hier liegt alles in Trümmern, zumindest sieht es auf den ersten Blick so aus. Aber es sind doch einige Häuser in einem guten Zustand und man kann sie sogar, wenn man vorsichtig ist, betreten. Es ist wunderbar zu sehen, dass manche Gegenstände, Geschirr oder auch Spielzeug und Kleidung nahezu unbeschädigt sind. Anscheinend war dieses Dorf sehr wohlhabend, die Häuser in denen ich war, scheinen mir riesig im Gegensatz zu denen in Zaomura, die Räume sind elegant eingerichtet und sogar die Wege mit schönen, flachen Steinen gepflastert.

Ich habe auch eine Tafel im Schutt gefunden, auf der ich gerade noch den Namen des Dorfes lesen konnte - "Yòsomura", Das Dorf der Elemente....

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28.08.1956

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Ich fühle mich seit zwei Tagen beobachtet. Wenn ich mich aber umdrehe, ist da nichts. Langsam glaube ich, ich werde senil. Kein Mensch würde es wagen, hierher zu kommen, also bin ich alleine hier.

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29.08.1956

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Heute Nacht werde ich mir den Tempel ansehen. Er ist genau im Zentrum des Dorfes. Es scheint mir auch als wäre dieses Dorf nach einem bestimmten Muster angelegt worden, da sich um den Tempel herum strahlenförmig Wege abzeichnen, die zu kleineren Gebäuden, vielleicht eine Art Schrein, führen sollen. Manche dieser "Schreine" sind vollkommen ausgelöscht, man kann noch den Umriss eines solchen Gebäudes erkennen, Andere sind jedoch noch sehr gut erhalten. Es sieht so aus als würde der Umriss nach hinten spitz zulaufen, wie ein Pfeil. So etwas habe ich noch nie gesehen.

Was mir noch auffällt, ist die Tatsache, dass viele Häuser durchlöchert sind. Es scheint mir, als wären im Krieg hier viele Kämpfe ausgetragen worden. Doch warum stehen dann die Häuser noch? Ich muss darüber nachdenken...

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30.08.1956

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Ich habe im Tempel seltsame Spuren entdeckt.
 

Es sieht aus wie Blut, doch es ist keines. Es ist eine seltsame schwarze Masse, die wie Blut riecht... Langsam wird mir unheimlich.

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02.09.1956

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In der Nähe des Tempels sind viele Gärten. Doch einer ist an einem ganz anderen Ort angelegt worden. Das Schild an dem schweren Eisentor ist heruntergefallen und zerbrochen, aber ich kann dennoch lesen, was darauf steht. Dies ist der "weiße Garten". Er ist wirklich wahrlich ein wunderschöner Garten. Zwar sieht man auch hier Spuren der Verwüstung, doch die Bäume sind wie durch ein Wunder erhalten geblieben.
 


 

Es sind alles Kirschbäume. Und sie blühen - um diese Jahreszeit!!

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05.09.1956

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Ich fühle mich immer mehr beobachtet. Manchmal bekomme ich solche Angst, dass ich am liebsten davon laufen würde. Doch ich darf jetzt nicht aufgeben. Ich habe das Gefühl, das Rätsel beinahe gelöst zu haben. In dem Garten in dem ich vor drei Tagen war, steht eine kleine Kammer. Es scheint mir fast wie ein Gefängnis, denn ich kann keine Fenster ausmachen. Die Kammer ist wie ein kleiner Schrein, der auf Stelzen steht. Wenn ich sie betrete fühle ich mich seltsamerweise sicher. Obwohl es keinen Grund gibt, denn manchmal da...höre ich ein Wispern, ein Kichern... ich weiß auch nicht.
 

Es ist seltsam.

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06.09.1956

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Der Stoff... es ist der Stoff! Auf ihm stehen Bannsprüche. Aber was halten die fern? Ich muss noch mehr Antworten finden, ehe ich das Rätsel lösen kann.

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10.09.1956

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Ich habe im Tempel einen Raum freilegen können. Es war schwierig, denn ich wollte nicht beschädigen, aber es scheint als wären unter dem völlig zerrütteten Tempelgebäude noch viele geheime Räume. Wofür die waren, kann ich nicht sagen. Vielleicht finde ich dort mehr Informationen.

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12.09.1956

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Makie sagt, die Kinder haben viel Spaß hier. Sie denken schon fast nicht mehr an ihre Mutter. Die Götter mögen sie umarmen. Wenn sie das nur sehen könnte! Ich denke sie wäre genau so begeistert wie ich. Ich habe es geliebt, wenn sie ihre dunklen Mandelaugen aufgerissen hat bei meinen Erzählungen und Funden...

Tsukiko ist mittlerweile eine junge Frau geworden und die Männer in Zaomura stieren ihr nach, als sei sie eine Göttin. Ich hoffe, Makie hat ein Auge auf meine Tochter.
 

Ich erzähle den Kindern gerne von den Entdeckungen, doch dieses Mal wird mir unwohl, wenn sie mich danach fragen. Ich weiß auch nicht, aber...

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14.09.1956

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Ich bin in einem der unterirdischen Räume des Tempels. Niemand wird mir dies glauben, wenn er es nicht mit eigenen Augen sieht. Die Räume sind so prunkvoll wie es zur Meiji-Zeit nur möglich war und über und über mit Gold verziert. Marmor überall, seltene Holzsorten, gedrechselte Pfeiler...es ist unglaublich!

Eine Kammer allerdings ist ganz schlicht gehalten. Ich frage mich warum.

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16.09.1956

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Gestern Nacht habe ich eine weitere Entdeckung gemacht. In der unscheinbaren Kammer war so etwas wie ein Lager. Oder auch ein Ort für wichtige Dokumente. Bücher liegen herum, sie sind von den morschen Bücherregalen heruntergefallen. Insgesamt scheint es mir als wäre hier eine Art Erdbeben vorübergegangen. Aber die untern Räume hat dies wohl nicht beeinträchtigt.

In dem Raum sind zeremonielle Gewänder aufgehängt worden, ich kann noch die Muster auf den Kutten ausmachen. Wirklich prächtige Gewänder. Ich vermute, sie wurden nur zu ganz speziellen Anlässen verwendet.
 

Ich habe Schriftstücke gefunden! Alte Schriftrollen und sogar noch Steintafeln aus längst vergangenen Zeiten. Leider sind sie vergammelt, es ist schwer, die Schriftzeichen zu entziffern. Ich werde sie mit ins Dorf nehmen, vielleicht kann der Dorfälteste sie lesen...

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17.09.1956

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Der Dorfälteste hat mich einen Teufel geschimpft. Ich hätte nicht das Recht, diese Schriftstücke mitzubringen, denn sie seien mit einem Fluch behaftet. Er fürchtet um sein Dorf. Aberglaube geht also immer durch die kleinen Dörfer in ländlichen Gebieten.

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18.09.1956

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Die Alte Frau half mir die Schriftstücke zu übersetzen. Aus irgendeinem Grund habe ich das Gefühl, sie war schon einmal dort, denn sie scheint nicht die geringste Mühe beim Herauslesen der Schrift zu haben.
 

Auf einem Blatt Papier hat sie mir diverse alte Schriftzeichen gemalt, die neben unseren neuen stehen. Ich bin ihr sehr dankbar und werde morgen früh aufbrechen um meinen Nachforschungen nach zu gehen.
 


 

20.09.1956

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Es ist unglaublich! Noch mehr Schriftrollen. Und ich kann mittlerweile sogar entziffern, was sie besagen. Es scheint als wäre diese weiße Kammer hinten in dem riesigen Garten für eine zeremonielle Reinigung verwendet worden. Sie heißt in den Schriftrollen "Seele der Jungfrau". Es wird auch noch eine Quelle hier in der Nähe erwähnt, in der ebenfalls eine Reinigungszeremonie stattgefunden haben soll. Vielleicht finde ich sie ja.
 

Hier steht außerdem noch etwas von Kindern. Vielen Mädchen und Jungen, die ganz besonders gewesen sein sollen. Die Schriftrollen erzählen von "Götterkindern". Vielleicht bin ich der Lösung näher, als ich gedacht habe...

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21.09.1956

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Ich höre seltsame Geräusche. Es hört sich an wie ein großer Gong, der geschlagen wird, doch ich konnte nirgends einen im Dorf finden.

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23.09.1956

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"Siehe, die Kinder der Götter, Kinder der Sünde. Erkenne sie an ihren Augen, so tief wie ein Ozean und von so klarem satten Grün wie der Wald der Götter, der Yòsomura umgibt. Hüte dich vor ihren Gesten, ihren Bewegungen. Diese Kinder sind unserer nicht würdig. So reinige sie von allem Menschlichen und Bösen und sende sie in den Himmel, zu ihren Vätern zurück. Auf das Yòsomura mit ewiger Gnade und Wohlwollen bedacht werde."
 

Dies fand ich auf einer Schriftrolle, die vollständig erhalten geblieben ist. Die Kinder von denen da geredet wird, ich glaube sie... ich glaube sie werden geopfert. Ich habe ein ungutes Gefühl bei der Sache.

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26.09.1956

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Ich habe ein Gespenst gesehen! Als ich mich gegen Abend auf den Weg zurück ins Nachbardorf machte, stand vor mir plötzlich eine Gestalt. Sie war ganz hell, so wie das Licht des Mondes und dabei so durchsichtig, dass ich sie kaum zu erkennen vermochte. Ich konnte nur dastehen, meine Glieder waren gelähmt vor Angst. Es sah aus wie ein Mädchen, welches ein weißes Gewand trug. Doch sie stand nur da und blickte in den Himmel hinauf ehe sie langsam verschwand und der Nebel mich wieder einhüllte. Ich frage mich, ob es eines der Mädchen ist, die geopfert wurden.

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27.09.1956

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Obwohl ich nirgends menschliche Überreste finden kann, bin ich mir doch sicher, dass es noch irgendwo Knochen geben muss. Vielleicht, wenn ich sie untersuche, kann ich feststellen was die Todesursache war. Die alte Frau, die mir beim Lesen der Schriftrollen half, kann mir auch dieses Mal eine Hilfe sein. Ich denke, sie ist eine Art Priesterin im Ruhestand, denn es scheint mir, als wüsste sie viel mehr über diese Katastrophe, als sie mich glauben machen will.

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02.10.1956

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Ich habe Angst.
 

Seit etwa 4 Tagen bin ich in diesem Dorf und ich kann den Ausgang nicht mehr finden. Dort wo ich ihn in meinen Unterlagen verzeichnet hatte, steht nun ein altes, zerfallenes Haus, dahinter ein Abgrund, so tief, dass ich es nicht wage, daran hinunterzuklettern. Ich bin verzweifelt. Wo kann dieser Ausgang nur hingekommen sein? Vielleicht habe ich mich im Nebel verirrt?
 

Die Nächte sind grausam hier, von solcher Unruhe und Beklemmung, dass ich kein Auge zu bekomme.

Und die Gespenster... sie tauchen jetzt öfter auf. Alles Kinder. Kinder in weißen Gewändern und mit leuchtenden Augen. Und auch Kreaturen, deren Herkunft ich nicht annähernd bestimmen kann. Sie scheinen etwas zu suchen, sie verfolgen mich... Warum ich?!

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03.10.1956

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.....

Ich habe Angst.

Ich habe Angst.

Ich habe Angst.
 

Die Kreaturen und Kinder... Es sind noch mehr geworden.
 

...
 

Und noch mehr!

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04.10.1956

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Ich glaube, ich werde niemals mehr dieses Dorf verlassen. Oh ihr Götter, sendet mir Eure Gnade! Helft mir hier heraus!
 

Langsam werde ich verrückt.
 

Was soll nur aus meinen Kindern werden?

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***
 

Jin klopfte sich den Staub ab. Sie hustete stark, die Luft war sehr nebelig und voller Staubpartikel. "Mi?" Sie stemmte sich hoch und kam nur schwer auf die Füße. "Mi?!" Schleppend kam sie voran. Sie sah sich um. Nirgends war ihre Freundin zu sehen. Nur dichter Wald, schwarz wie die Nacht und so bedrohlich, Jin hätte am liebsten Reißaus genommen. Sie ging langsam den schmalen Lehmweg entlang. Vielleicht war Miyako durch diese Wucht wo anders gelandet? In dem Moment wäre Jin fast schon wieder schwarz vor den Augen geworden. "Was ist passiert?", murmelte sie abwesend.

"Jin?? Jin bist du hier?" Sie hörte eine Stimme nicht weit von sich entfernt und stolperte durch den Wald, in die Richtung, aus der sie die Stimme ihrer Freundin gehört hatte.

"Miyako? Wo bist du?" Jin versuchte angestrengt etwas zu erkennen, doch es war so dunkel, dass sie nicht einmal die Hand vor Augen sah. Sie zuckte erschreckt zurück, als sie dann das gleißende Licht von Miyako's Taschenlampe erblickte. Nach dieser Dunkelheit waren ihre Augen sehr empfindlich und so kniff sie sie fest zu.
 

"Ich bin hier! Ist alles in Ordnung?" Miyako schüttelte sich das Laub aus den Haaren und klopfte ihre schwarze Hose ab. Diese war an einem Hosenbein eingerissen, genau so wie das rote Shirt, dass Jin ihr geliehen hatte. "Oh Mist...", murmelte die Japanerin. "Tut mir leid, dass i..." Weiter kam sie nicht, denn Jin kam auf das Mädchen zugestürmt und umarmte sie fest. Dann betrachtete sie ihre Freundin eindringlich, um festzustellen, dass an ihr noch alles dran war. "Gut, du bist nicht verletzt!", seufzte sie erfreut. Miyako drückte ihre Freundin und strich ihr über den Rücken. "Was ist passiert?", fragte sie nach einer Weile, als Beide die Umarmung wieder gelöst hatten. "Das frag nicht mich, ich weiß es auch nicht.", murmelte Jin. Miyako hob ihre Tasche auf und suchte mit dem Licht ihrer Lampe den Inhalt dieser, der sich auf dem bemoosten Boden weit verstreut hatte. Nach ein paar Minuten Suche fand sie fast alles, sogar Jin konnte ein paar ihrer Sachen finden, ihre Tasche jedoch blieb verschwunden.

Plötzlich durchfuhr es die junge Japanerin wie ein elektrischer Schlag. "Die Kamera!!! Jin, ich weiß, was passiert ist!" Sie bückte sich um ihre Kamera aufzuheben. Jin trat dicht an sie heran. "Ich glaube, das kannst du mir später erzählen, denn wir haben Besuch." Damit deutete sie auf den Weg zurück, den sie gekommen war. Dort stand eine alte Bekannte: Die zerdrückte Frau, die ihren abgebrochenen Kopf in ihre Richtung schwenkte und leise vor sich hinwimmerte.

"Sie will, dass wir ihr folgen", stellte Miyako fest. "Dann los, denn immerhin ist SIE schuld daran, dass wir hier sind!" Jin schnaufte durch ihre Nase und stapfte dann über den bewachsenen Boden des dunklen Waldes.

Zögernd folgte ihr die Andere und beide Mädchen schlichen - mal wieder - der zerdrückten Frau nach, die ab und an stehen blieb und sich nach ihnen umzudrehen schien. Der Weg war schmal und ziemlich verwachsen, so als wäre schon lange nicht mehr benutzt worden, doch mit Hilfe des Geistes ging es ganz gut voran. "Ich finde es immer noch sehr seltsam, dass sie uns hier her bringt, meinst du nicht auch?" Miyako, die voranging, da sie das Licht hatte, nickte nur stumm. In der anderen Hand hielt sie die Kamera, so fest, dass sie diese zerdrücken hätte können, wäre das Gehäuse nicht so stabil gewesen. Endlich teilte sich der Wald und eine Lichtung wurde sichtbar, ein kleiner Hügel und mehrere große Felsen tauchten auf. Beide Mädchen wanderten an ihnen vorbei. Jin kamen sie vor wie uralte Monster, die nur schliefen und jeder Zeit wieder erwachen konnten. "Sieh mal...", meinte Miyako nach einer halben Ewigkeit. Vor ihnen erstreckte sich ein großer Platz: Ein vollkommen zerstörtes Dorf. Ein großes Dorf mit vielen Häusern, doch man konnte schon aus dieser Entfernung sehen, wie verfallen und alt die Gebäude waren.

Ein Schauer lief über Jins's Rücken. "Woher wissen wir eigentlich, dass uns das Ding da nicht in die Falle lockt?", wollte sie wissen. "Wir sind jetzt irgendwo im Nirgendwo und haben keine Ahnung, wie wir wieder zurück kommen sollen... Alles was wir zu unserer Verteidigung, haben sind unsere Kräfte und diese Kamera...", stellte die Chinesin fest.

Sie mochte auch diese komischen diese Steine nicht. Im ungewöhnlich unheimlichen Licht des Mondes wirkten sie bedrohlich... Als wenn sie jeden Moment erwachen und sie anspringen würden.

Einen Moment lang schloss sie die Augen. Als sie sie wieder öffnete, fühlte sie sich bedeutend ruhiger. "... Vielleicht hat sie dort gelebt... Oder sie lockt uns zu Anderen, die mächtiger sind...", begann sie von Neuem.
 

"Ich glaube auch, dass sie hier gelebt hat. Und vielleicht möchte sie endlich in Frieden ruhen können, und wir sollen helfen, dass dies geschieht." Miyako leuchtete mit ihrer Taschenlampe umher, als die Beiden dem Dorf näher kamen und nun auf einem kleinen gepflasterten Weg ihre Reise ins Nirgendwo fortsetzten.

Die Frau verschwand abermals, als die Mädchen eine Gasse zwischen zwei verfallenen Häusern betraten. "Oh nicht schon wieder..." Jin zuckte mit der Augenbraue. "Hmmm... beim letzten Mal hab ich die Kamera gefunden...vielleicht..." Mi ging ein paar beherzte Schritte weiter und leuchtete zum Boden. Tatsache! Da lag wirklich Etwas! Die Japanerin bückte sich, um es aufzuheben.

"Was is das denn für ein Schrott?", fragte Jin, die ihr über die Schulter sah. Ein kalter Schauer lief ihr plötzlich über den Rücken und sie fühlte, wie ihre Nackenhaare sich aufstellten. Beunruhigt wirbelte sie herum.

"Mi!", rief sie aus und deutete mit ihrem Finger auf eine weiße, durchsichtige Frau. Sie war nicht weit von den beiden Mädchen entfernt und sah aus, als würde sie sich gleich auf eine der alten Steinbänke niederlassen. Es schien fast so, als würde sie sich ausruhen. Dabei drehte sie den Kopf in die Richtung der Beiden und starrte sie an.
 

Instinktiv hob Miyako die Kamera an und visierte mit der Linse auf die helle Gestalt in ihrer Nähe. "Zuff!", dann das Geräusch des Wiederaufladens. "Ich glaube ich spinne, ich sag dir da ist ein Geist und du? Du fotografierst ihn!" Jin schüttelte wild ihren Kopf. Miyako grinste. "Naja, ich hatte halt das Gefühl, sie wollte das. Aber keine Sorge, Jin. Ich weiß was ich tue. Und jetzt lass mich diesen ,Schrott' anschauen."

Einen Augenblick später gefror der jungen Japanerin das Grinsen im Gesicht.

"Ich glaube mich tritt ein Pferd... Das ...das..." Sie wedelte mit dem vergammelten Notizbuch umher. Jin verschränkte die Arme. Sie war gefasst, obwohl diese ganze Umgebung einen anderen Menschen zum Schreien gebracht hätte. Und das wunderte sie nicht... "Was ist das?", wollte die Chinesin wissen.

"Ein Buch von Dr. Aso. Er schreibt von den Geistern hier, und dass man sie mit der Kamera einfangen kann... und er hat noch einen Zettel beigelegt, wie dieses Gerät genau funktioniert...komisch. Warum liegt das hier?" Miyako faltete den Zettel auseinander, den sie für die Erklärung der Kamerasteuerung hielt. Jin nahm das Buch an sich und blätterte darin. "Du weißt warum es hier liegt, hab ich recht? Vorhin, als du die Kamera gefunden hast, da wirktest du so... verstört, als hättest du sehen können, was dem Träger zuletzt passiert ist. Also... was ist los?" Jin schlug das Büchlein zu. Miyako seufzte: "Aso floh vor irgendwas, und ließ die Kamera im Wald zurück. Etwas, das ich nicht sehen konnte, hat ihn dahin gerafft. Ich glaube, er kam aus dem Spiegel, in den wir gezogen worden sind." Die Japanerin runzelte die Stirn. "Ich vermute es jedenfalls..." Gerade als sie sich umdrehte, weiteten sich ihre Augen erneut. Dort stand ein weiterer Geist. An einer Hauswand, und es schien, als würde er etwas suchen... er beugte sich nach vorn und zurück und betrachtete die verfallenen Gemäuer.

Jin bemerkte, dass die Aufmerksamkeit ihrer Freundin von Etwas beansprucht wurde und folgte ihrem Blick. "Mann! Wie viele tauchen denn noch auf?", grummelte sie. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. "Könnte das... dieser Dr. Aso sein?", überlegte sie halblaut, jedoch laut genug, dass es ihre Freundin wahrnehmen konnte. Diese reagierte geistesgegenwärtig und hob die Kamera erneut. Ein kurzer Lichtblitz später verschwand die Person. "Schon möglich...", meinte sie zögernd.

Jin seufzte. "Wir sollten einen Unterschlupf suchen. Wer weiß wie das Wetter in den nächsten Minuten wird? Ein Dach über dem Kopf reicht schon, aber vielleicht können wir noch ein halbwegs erhaltenes Haus finden... Dort könnten wir dann in Ruhe dieses Büchlein lesen und vielleicht erfahren wir dann auch was hier eigentlich abgeht." Gemeinsam machten sie sich auf den Weg und fanden nach einiger Zeit eine kleine Hütte am Dorfrand, die aus Holz gebaut war und kaum beschädigt wirkte. Jin schaffte es, die klemmende Tür aufzubekommen und so fanden sie sich schließlich drinnen.
 

"Ich weiß nicht..." Miyako rieb sich ihre klammen Hände. "Hier riecht es so komisch." Als die Japanerin die Schwelle emporstieg und die Inneneinrichtung des kleinen Häuschens betrachtete, fiel ihr nichts Besonderes auf. Doch sie fühlte enorm viel Energie in diesem Häuschen, generell war ihr schon die ganze Zeit alles Mögliche durch den Kopf gegangen - im wahrsten Sinne. Ich hoffe nur, wir kommen hier raus. Ich wünsche mir nichts mehr, als ein warmes Bett und meine nervige Tante. Wie es denen wohl geht? Das Mädchen saß auf einem Schemel, den sie zuvor entstaubt hatte und leuchtete mit dem Licht ihrer Lampe auf Jin, die gerade versuchte, etwas Brennbares aufzutreiben. "Wie wollen wir das denn anzünden?", fragte Miyako in den Lichtkegel hinein, dort wo ihre Freundin herumschwirrte und Holz und anderes Material zusammentrug.

Jin sah sie kurz an, schüttelte dann ihren Kopf und machte dann weiter. "Was glaubst du eigentlich wie Leute früher Feuer gemacht haben? Du weißt schon, vor der Zeit des Feuerzeugs oder von Benzin?", meinte sie und begann die Kommoden zu durchsuchen.

Ihre Bewegungen stoppten kurz, dann legte sie den Kopf verwirrt zur Seite. "Was ist das denn?" Sie hob einen kleinen Behälter und eine Rolle Film hoch und brachte beides zu Miyako. "Sieh mal."

"Was ist damit?" Miyako nahm beides in ihre Hände und betrachtete es prüfend. "Moment, das haben wir gleich.", murmelte sie dann und schloss die Augen um sich zu konzentrieren. "Dr. Aso at sie hier zurück gelassen, er hat hier auch genächtigt", meinte sie nach kurzer Zeit.

Jin fand nun endlich einen Feuerstein und entfachte das Material, dass sie in die kleine Feuerstelle gelegt hatte. Nach ein paar Versuchen klappte das auch und schon bald knisterte das Feuer und tauchte den Raum in ein wenig Behaglichkeit. Dann setzte sich die Chinesin neben Miyako und begann, im Buch zu blättern.

"Was meinst du, schreibt er so?" Sie hielt das Buch in das Licht des Lagerfeuers.

"Hm...", machte Miyako nur und verstaute derweil ihren Film und das kleine Döschen in ihrer schwarzen Umhängetasche. "Wir werden es schon noch herausfinden. Ich hoffe nur, wir können heute Nacht ruhig schlafen." Sie fröstelte etwas und zog an den Ärmeln des Shirts, um sich zu wärmen. "Zieh doch die Jacke an.", meinte Jin, als sie erkannte, dass der Anderen kalt war und packte inzwischen den Feuerstein ein. Vielleicht würden sie ihn noch öfter brauchen...

"Du könntest doch einen Bannkreis ziehen, oder funktioniert das nicht so einfach?", erkundigte sie sich, nicht wirklich ernsthaft, während sie das Buch zur Seite legte. Bei dem derzeitigen Lichtverhältnissen war der Versuch, etwas so zerschlissenes zu Entziffern, schmerzhaft für ihre Augen. Außerdem wollte sie die Batterie der Taschenlampe schonen, sie konnten immerhin nicht wissen, wie lange sie hier bleiben mussten.
 

Miyako kniete auf dem Boden, der mit ein paar alten Tatami-Matten ausgelegt war. Sie waren schon vergammelt, und das Stroh, das herausschaute war nicht mehr zu verwerten, doch es war halbwegs gemütlich auf ihnen. "Gibst du mir mal meine Tasche?", fragte sie ihre Freundin und schlüpfte kurz in die Jacke, doch angesichts des Feuers, dem sie jetzt näher war, wurde ihr bald zu warm. Jin überreichte ihr die Tasche und erhielt als "Dank" die Jacke wieder, die sie kopfschüttelnd entgegen nahm. Dann zog sie einen Stift aus der Tasche und ging mit einem Blatt Papier bewaffnet an die Haustüre. Sie schrieb ein paar Zeichen auf das Stück Zettel und legte es mit einem konzentrierten Blick auf die Holztüre. Dort blieb der Zettel plötzlich hängen, als wäre er festgeklebt.
 

"So, jetzt ist mir wohler", meinte die Japanerin und schnappte sich ihre Jacke, knautschte sie zusammen und legte sie sich unter ihren Nacken. "Wir müssen warten, bis es wieder heller wird, vielleicht gibt's hier nen Ausgang aus diesem Gruseldorf." Sie schielte noch eine Weile ins Feuer, während Jin sich ebenfalls aus ihrer Lederjacke ein Kissen formte.

"Dann schlafen wir jetzt, wir versuchen es zumindest.", sagte Jin in den großen Raum und fügte noch an: "Hoffentlich hilft dieser Spruch an der Tür auch...sonst weiß ich nicht, für was ich garantieren kann." Mit diesen Worten drehte sie sich zur Seite und schloss ihre Augen.

Noch ein paar mal wachte die Chinesin kurz auf, sah sich dann meistens verwirrt um und warf einen Blick auf die neben ihr liegende Miyako. Das Feuer, das beinahe auszugehen drohte, entfachte sie von Neuem und legte sich danach wieder auf die Tatami-Matten vor der Feuerstelle.
 

=*=
 

Ein warmer, aber unbarmherzig heller Sonnenstrahl weckte Jin am nächsten Morgen. Durch den löchrigen Vorhang fiel das Licht genau auf ihr linkes Auge. Ein Brummen unterdrückend, setzte sie sich auf und begann sich zu orientieren.

Das Feuer war seit ihrem letzten Erwachen ausgegangen, doch das war jetzt nicht weiter schlimm, da es angenehm warm war...

Ich frage mich, was für eine Jahreszeit hier gerade ist., dachte sie, während sie sich streckte und Hose sowie Jacke abklopfte, bevor sie sich zu Miyako hinunter beugte. "Aufstehen, Mi! Es ist schon ganz hell draußen..."
 

Die Japanerin reagierte nicht sofort, doch dann streckte sie sich träge auf ihren Tatami-Matten aus und gähnte hinter vorgehaltener Hand. "Es ist schon wieder Tag?", blinzelte sie die Chinesin an und rollte sich noch mal auf die Seite.

"Jaa, es ist schon wieder Tag. Sei froh, denn am Tag sehen wir wenigstens mehr!" Jin stand auf und richtete ihre Garderobe, ehe sie Miyako hochzog und ihr half, sich fertig zu machen, um dieses Haus zu verlassen

"Na schön...dann auf in die Schlacht!" Miyako trat als Erste über die Schwelle des Hauses - prallte aber im selben Moment wieder zurück, direkt in Jins Oberkörper.
 

"Was ist denn jetzt schon wieder?" Jin schob ihre Freundin voraus, doch diese rührte sich keinen Zentimeter mehr. Stattdessen schlug sie die Tür vor sich wieder zu und drehte sich abrupt um. "Da draußen steht jemand.", verkündete sie erschrockener, als sie es vermutet hatte. Jin, die ihrer Freundin zwar viel glaubte, aber nicht alles, schob sie zur Seite um selber nach dem "Jemand" da draußen zu sehen. Draußen war tatsächlich "Jemand"... Eine seltsam anmutende Gestalt die sich schleierhaft bewegte und hin und her waberte, als sei sie ein großer schwarzer Wackelpudding. Jin schloss ganz ruhig die Tür und ging nach hinten zu Miyako, die in einer Ecke kauerte.

"O..okay...also Geister waren ja schon schlimm, aber damit käme ich wenigstens zurecht...DAS DA draußen ist KEIN Geist...!"
 

So ironisch es klang, Jin begann zu kichern. "Das ist natürlich kein Geist. Das ist..." Sie brach mitten im Satz ab. "Haben wir eigentlich mein Buch irgendwo finden können?" Sie kramte in Mi's Tasche.

"AH!", mit einem triumphierenden Schrei, zog sie das ledereingebundene Band hervor und legte es auf ihren Schoß. Dort schlug sie es vorsichtig auf und begann darin zu blättern. Anfangs sah es so aus, als wären es nur leere Seiten, doch beim näheren Betrachten formten sich langsam Schriftzeichen und Bilder.

Schließlich kam sie auf eine völlig leere Seite und legte ihre Hand darauf, die Finger so weit wie möglich auseinandergespreizt. "Shen...", glitt auf eine merkwürdige Art und Weise von ihren Lippen, bevor eine sternenförmige Schrift erschien und schließlich auch ein Bild, das ziemlich identisch mit dem Ding war, das vor der Tür gestanden hatte.

"Also das Ding heißt... Zadru... Verdammt, ich sollte wirklich wieder mehr chinesische Sachen lesen..." Sie verengte ihre grünen Augen kurz, schob ihre Brille mit einem Finger zurück auf die Nase. "Er ist auf der Suche nach Seelen die nicht in die Totenwelt gehen - also Geister... Allerdings macht er das nur tagsüber... Er mag Sonnelicht und hasst die Dunkelheit... Lebenden ist er eigentlich keine Gefahr, na ja zumindest wenn diese nicht vor seiner Nase herumtanzen. Die Seelen von Lebenden mag er auch..." Sie sah kurz hoch zu ihrer Freundin. "Das Ding wird wohl nicht unterscheiden können, ob wir tot oder lebendig sind.", setzte sie als Interpretation des Textes hinzu. "Was man vermeiden sollte um ihn zu reizen steht hier aber nicht...", las sie langsam vor. Sie hatte das Buch schon länger nicht mehr gebraucht und da sie nicht mehr in China lebte bekam sie nur selten Lektüre in ihrer Muttersprache...

"Dann schau ich mal schnell nach, ob dieses Zadru noch draußen steht und wir verschwinden, so schnell es geht, von hier!" Miyako machte ein ziemlich ernstes Gesicht und erhob sich von den Tatami-Matten. Sie öffnete die Tür einen Spalt weit, fast zu weit. Das Ding war immer noch da, jetzt viel näher als vorhin. Gefährlich näher. Jin schluckte bei dem Gedanken, ob sie es schaffen würden, in einen Schatten zu springen und dem Biest zu entkommen. "Komm schnell wieder her. Und dreh dich nicht um!" Die Chinesin streckte die Hand nach ihrer Freundin aus.

Miyako's Nackenhaare stellten sich auf. Es war das Gefühl, dass jeder hat, wenn er WEISS, dass irgendetwas ihn beobachtet, durchdringt mit Blicken - bis aufs Mark. Mit Gänsehaut überzogen schlich die Japanerin zu ihrer Freundin. Das Gefühl wurde dennoch nicht weniger... Sie schauderte. Und wagte nicht, sich umzudrehen. Deshalb sah sie auch nicht, dass der Schatten langsam noch näher kam, bedrohlich näher. Jin standen langsam kleine Schweißperlen auf der Stirn. "Noch ein bisschen... komm, beeil dich!", flüsterte sie eindringlich.

Endlich war Mi in Reichweite und Jin schloss rasch ihre Hand um das Handgelenk der Anderen, um sie zu sich zu ziehen. "Und jetzt komm schnell mit!", flüsterte sie. Sie hatte die Hintertür des Hauses entdeckt, die in eine andere Richtung ging. Sie leitete ihre Freundin nun schnellstmöglich durch das alte Haus, um es dann zu verlassen. Jin begann zu laufen, passte sich jedoch an das Tempo der anderen an, während sie ab und zu einen Blick über die Schulter warf.

Noch war der Zadru nicht auf der Hauptstraße und konnte sie daher nicht sehen, doch er würde jeden Augenblick um die Ecke kriechen. Ruckartig zog sie Miyako hinter eine halbwegs stehende Hausmauer, so dass das Monster sie nicht sehen konnte. Sie hielt ihrer Freundin den Mund zu und legte einen Finger auf ihre eigenen Lippen um ihr zu signalisieren, dass sie still sein sollte.

Vorsichtig begann sie dann, von der Hauptstrasse wegzukrabbeln und weiterhin nach einem halbwegs abgedunkelten Ort zu suchen. Hin und wieder blickte sie hinter sich um sicher zu gehen, dass ihr die zukünftige Shinto-Priesterin folgte.

Gerade als sie um eine Hausecke lugen wollte, hörte sie ein Geräusch, dass sie kurz erstarren ließ, doch dann überwiegte ihre Neugier. "Mi!", zischte sie dann und winkte sie zu sich. "Ein Geist...", erklärte sie und deutete um die Ecke.

"Langsam habe ich das Gefühl, wir sind in einer Geisterbahn gelandet", stöhnte diese. Dann rollte sie sich herum und lehnte gegen die bröckelige Mauer, unbeeindruckt von dem Schauspiel, dass hinter ihr stattfand. Seelenfresser da, Geist dort, langsam fühl ICH mich wie ein Magnet für obskure Sachen. Ob das an dieser Kamera liegt? Sie betrachtete das glänzende Objekt. Zwar war es heller, jetzt da es Tag war, doch der Nebel war immer noch eine dicke, trübe Suppe, durch die man kaum 10 Meter weit sehen konnte.

Sie holte das kleine Büchlein, dass sie gefunden hatten, hervor und blätterte etwas darin.
 

"15. September 1965. Mir scheint es, als wären hier nicht nur Geister. Es sieht so aus, als wären auch Projektionen früherer Leben hier. Es ist unersichtlich warum, doch ich vermute, man will mich aufmerksam machen auf die Geschichte dieses Ortes. Die Kamera scheint alles um mich herum magisch anzuziehen. Dieses Teufelszeug - hätte ich doch niemals angefangen, daran zu arbeiten. Wer weiß, welchen Schaden diese Kamera für mich noch bedeuten wird. Wir..."
 

Miyako las noch einmal über die Stelle. Wir? Ist noch jemand bei ihm gewesen? Gerade als sie weiter lesen wollte, riss Jin sie mit sich, beinahe wäre ihr das Buch aus der Hand gefallen. Da sie weiterhin Gesten machte, die Miyako als "Sei bloß leise!" deutete, konnte sie nicht fragen, doch mit einem Blick über die Schulter stellte sie fest, warum sie diesen Ort abermals verlassen mussten: Das ekelige Wabbelding kam auf sie zu, nicht so langsam wie vorhin, und genau das war es, was Jin beunruhigte. Es schien ihre Witterung aufgenommen zu haben. Tausende chinesische Schimpfwörter gingen Jin in dem Moment durch den Kopf, als sie ihre Freundin hinter sich herzog. Der Geist war mittlerweile schon wieder verschwunden, doch das bedeutete ihr derzeit nicht wirklich etwas.

Jin wirbelte herum und steuerte in eine andere Richtung, ohne es zu wissen, lief sie direkt Richtung Dorfmitte. Dann hielt sie so plötzlich im Laufen inne, dass Miyako, die sich gerade umdrehte, sie fast umgerannt hätte. Es presste ihr den Atem aus der Lunge, so heftig prallte die kleine Japanerin gegen ihren Rücken. Sie unterdrückte ein schmerzvolles Keuchen und riss im selben Augenblick ihre Augen wieder auf. Hektisch suchte sie die Umgebung vor ihnen ab, ihre Schultern spannten sich. "Wie zur Hölle..?", fluchte sie, denn genau vor ihnen glitt gerade noch ein schwarz-violetter Zadru hinter eine Mauer hervor und schien sie genau in dem Augenblick zu bemerken.

Ein rascher Blick nach hinten bestätigte ihre Vermutung - es gab zwei von der Sorte!

"Wir müssen uns aufteilen! Lauf du nach rechts! Ich versuche mein Glück links! Suche nach etwas Dunklem... Vergiss nicht! Sie mögen Licht, keine Dunkelheit! Und jetzt nimm die Beine in die Hand!", zischte sie in Miyako's Ohr und verpasste ihr einen sanften Schubs in die besagte Richtung, bevor sie selbst zu laufen begann.

Die Dinger waren vermutlich aufgrund ihrer Körperbeschaffenheit nicht sonderlich schnell, aber ehrlich gesagt wollte sie das lieber nicht auf die Probe stellen.

Schon wenige Momente später hörte sie hinter sich ein rasches, schmatzendes Geräusch. Offensichtlich verfolgte sie zumindest eines dieser merkwürdigen Kreaturen.
 

Miyako rannte in die Richtung, in die sie geschubst wurde. Der Nebel behinderte ihre Sicht etwas, doch es war immerhin möglich einen Weg zu erkennen. Diesen nahm sie jetzt, sie rannte über einen alten, mit hellen Steinen gepflasterten Weg, so schnell sie ihre Füße tragen konnten. Da Miyako keine große Sportlerin war, befürchtete sie, ihr würde bald die Puste ausgehen, aber noch konnte sie laufen. Als sie kurz stehen blieb und sich umdrehte wand sich in etwa 5 Metern Entfernung ein Zadru. "Verdammter Mist, warum ich!?", schimpfte sie mit der Kreatur und lief weiter. Oh Jin, hoffentlich ist dir nicht schon was passiert..! Das schmatzende Geräusch wurde lauter. Miyako schluckte ihre Angst herunter und lief, was das Zeug hielt.

Zadru ließ nicht locker, so lange nicht bis es plötzlich einen Schlag tat und zwischen Miyako und dem anderen Zadru eine fadenscheinige Gestalt auftauchte. Ein Geist?! Die Japanerin keuchte erstaunt. Dann fühlte sie wieder ein Drängen, dass von dieser Kamera ausging und machte abermals ein Foto von dem Geist, der sich - zugegeben, todesmutig war das falsche Wort - dem Seelenfresser entgegenstellte. Ein Foto fiel zu Boden und Mi bückte sich. "Mann, der gefressen wird" las sie auf dem Foto. Es zeigte, wie der Zadru den armen Geist verschlang. Als sie sich hektisch wieder aufrichtete, war es, als wäre das alles nie geschehen. Miyako stand ganz alleine auf dem bepflasterten Weg mitten im Nebel...
 

Trotz des Nebels glitten immer wieder kleine Wölkchen Atems durch die Luft, während das reguläre Geräusch von schnellen Schritten auf dem steinernen Boden von den Überresten der Häuser zurückgeworfen wurde und einen unheimlichen Wiederhall erzeugte.

Rasch lief Jin um eine Ecke und kam zu einem abrupten Halt. Vor ihr tat sich plötzlich eine Wand aus Geröll auf - Überreste eines zerfallenen Hauses.

Sie wollte gerade herumwirbeln und in die andere Richtung laufen, als der Zadru um die Ecke kroch. "Scheiße!", fluchte sie und tat ein paar Schritte zurück um Anlauf zu nehmen bevor sie gerade noch rechtzeitig absprang und es schaffte auf einem Vorsprung zu laden.

Gerade als sie erleichternd lächelte, begann der Boden unter ihren Füßen zu rutschen. Gerade noch rechtzeitig konnte die Chinesin abspringen, jedoch nicht so koordiniert wie sie das gewollt hätte. Sie landete nicht gut auf ihren Füßen und spürte kurz einen Schmerz durch ihr linkes Bein zucken, während ihr Herz ihr bis zum Hals klopfte.

Mit ein paar weiteren raschen Schritten schaffte sie es die Spitze zu erklimmen, doch bei einem panischen Blick hinter sich verlor sie das Gleichgewicht und rutschte auf der anderen Seite hinunter. Doch das rettete sie vor dem Seelenjäger, der kaum, dass sie den Boden erreicht hatte, über die Spitze lugte.
 

Ihr Haargummi war gerissen und ihr nun offenes schwarzes Haar nahm ihr kurz die Sicht. Fluchend rappelte sie sich auf und stolperte weiter. Sie musste einen dunklen Ort finden!

Blut rauschte in ihren Ohren als sie eine hervorstehende Fliese am Boden übersah und mit einem überraschten Aufschrei der Länge nach hinfiel.

"Au...", murrte sie, während sie sich wieder aufrichtete und Luft in ihre Lungen sog. Sie erstarrte einen Moment lang als sie das schleimige Geräusch erneut hinter sich hörte. Erschrocken drehte sie sich auf den Rücken und begann auf Händen und Füßen rückwärts zu krabbeln. Weg, nur weg von diesem Ding!

Der Zadru richtete sich auf und entblößte eine Art Maul, in dem mehrere Reihen Zähne eingebettet waren. Jin kniff die Augen zusammen, als könnte sie so dieses wiederliche Wesen aus ihren Gedanken verbannen. Gerade, als das violett-schwarze Monster nach Jins Knöchel schnappen wollte, fühlte die Chinesin hinter sich einen Luftzug und hörte kurz darauf einen dumpfen Knall.
 

"Mi!!!" Sie riss die Augen auf und schrie gleich darauf entsetzt, denn selbst wenn Miyako dieses Pudding-Monster mit einem schweren Stein niedergeschlagen hatte, es war zäher als gedacht und schoss erneut nach vorne, wieder die Knöchel der Chinesin im Visier.

Miyako zog Jin mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, hoch und stemmte sich gegen sie, um sie zu stützen. Jin stöhnte, ihr Bein war mittlerweile angeschwollen und schmerzte.

"Weg hier... schnell!", keuchte sie und humpelte, von ihrer Freundin gestützt, so schnell es ging weiter den Weg entlang. Das Zadru-Monster hinterließ eine schleimige Spur auf dem gekachelten Boden und kroch erneut den Mädchen nach.
 

Miyako drehte sich um. "Es... Jin!! Es ist hinter uns!", kreischte sie panisch. Jin stieß sich bei ihrer Freundin ab. Dann drehte sie sich um und hinkte dem Wesen entgegen.
 

"So, JETZT hab ich aber GENUG!!!", brüllte sie und ihre grünen Augen glühten vor Wut. Jin wusste nicht, wie ihr geschah. Die Angst, sie verspürt hatte, seit dieses Ding erschienen war. Die Hilflosigkeit, die sie verspürte über die Tatsache, dass sie absolut keine Ahnung hatte, wie sie den Zadru besiegen konnte. All diese Gefühle ballten sich nun zusammen in ein weitaus stärkeres, aber für sie beruhigenderes: grenzenlose Wut. So schnell war das noch nie gegangen. Doch, so erinnerte sich die Chinesin, wenn ein Mensch große Angst verspürt, ist er manchmal zu Unglaublichem fähig.

Jin war ruhig... völlig ruhig. Ihre Augen glühten immer noch, sie durchbohrten das Monster mit Blicken, als wollten sie es aufspießen. Was die junge Frau jedoch nicht merkte, war, dass es auch um sie herum plötzlich völlig ruhig wurde. Kein Lüftchen wehte, kein Vogel zwitscherte und auch sonst war absolut nichts zu hören. Als würde die Welt den Atem anhalten.

Dann legte die Chinesin den Kopf schief. Ein dämonisch teuflisches Lächeln huschte über ihre blassen Lippen und dann begannen ihre schwarzen langen Haare, sich plötzlich selbstständig zu machen. Sie schwebten und wiegten sich hin und her, als wären sie ein eigenes Lebewesen. Sekundenbruchteile später formten sich die Schatten von Jin und Miyako zu tödlichen Geschossen, Speeren gleich und rasten auf den Zadru zu, der ebenfalls erstarrt war.

Ein herzloser Schrei hallte durch die Luft gefolgt von einem scharfen Geräusch und einem plötzlichen Lichtblitz. Nach einem kurzen Moment der Stille kamen die normalen Geräusche wieder, die durch die vorhergegangene Ruhe beinahe betäubend laut wirkten.

Dort, wo zuvor der Zadru gewesen war, konnte man jetzt nur noch eine merkwürdig schleimige Pfütze sehen, die langsam in den Boden einsickerte und von einer kleinen blau-violetten Flamme replatziert wurde.

Jin's grüne Augen weiteten sich noch mehr, als diese schwebende Flamme plötzlich auf sie zuschoss, dann verschwamm die Umgebung vor ihren Augen...
 

"Jin?" Miyako rieb sich ungläubig die Augen, nachdem sie dieses Schauspiel mitangesehen hatte. "Jin??!" Ihre Freundin begann, sich vor ihren Augen aufzulösen. Langsam wurde ihre Silhouette immer schwächer, bis sie ganz verschwand. Alles ging so schnell... viel zu schnell. Miyako saß auf dem dreckigen, mit Steinen gepflasterten Weg, neben ihr noch ein Überbleibsel des Kampfes, eine schleimige Pfütze. Und sie verbarg ihr Gesicht in ihren Händen... und weinte. Ich bin alleine... ganz alleine hier! Oh, Jin! Kin! Tante Michiko! Was soll ich nur tun? Nach einer Weile erhob sich die Japanerin tapfer und fand in einiger Entfernung den zerrissenen Haargummi ihrer Freundin. Sie bückte sich danach und steckte ihn ein...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Ulysses
2005-06-30T19:39:41+00:00 30.06.2005 21:39
>Ich fühle mich seit zwei Tagen beobachtet. Wenn ich mich >aber umdrehe, ist da nichts. Langsam glaube ich, ich werde >senil. Kein Mensch würde es wagen, hierher zu kommen, also >bin ich alleine hier.

DAS IST KLASSE!!!
Diese Ganze Sache mit dem tagebuchaufbau ist eine wundervolle Idee, die mich angenehm an Shadow Hearts erinnert ^^ Man liest es und es läuft einem kalt den Rücken, das wirkt voll bedrohlich ^^

>Seit etwa 4 Tagen bin ich in diesem Dorf und ich kann den >Ausgang nicht mehr finden. Dort wo ich ihn in meinen >Unterlagen verzeichnet hatte, steht nun ein altes, >zerfallenes Haus, dahinter ein Abgrund, so tief, dass ich >es nicht wage, daran hinunterzuklettern. Ich bin >verzweifelt. Wo kann dieser Ausgang nur hingekommen sein? >Vielleicht habe ich mich im Nebel verirrt?

Das wird immer genialer *___* Man kann sich das total vorstellen, das ist super gruselig, ihr habt den Horror echt drauf *beneid* Und den Perspektivwechsel finde ich immer noch genial *g*

Das wird wirklich immer besser, ihr solltet das einschicken und als Stoff für ein neues Fatal Frame verwenden lassen ^^ Ihr mischt alle guten Horrorelemente mit wunderbaren Ideen, lebendigen Dialogen und vor allem sympathischen Charas ^^ Man erwartet ständig, dass etwas passiert *schauder*

Auch wenn es so klingt, das soll keine Schleimerei sein: So eine gute Gruselgeschichte habe ich schon lange nicht mehr gelesen *grusel*

*ganz dickes thumbs up* Hier sollen endlich mehr Leute herkommen, die verpassen echt was *grummel*

PS: Fehlersuche... ich hab nichts entdeckt, aber ich bin auch etwas müde *lol* Ich bin wirlich ein erbärmlicher Fehlerleser *arg*
Von: abgemeldet
2005-06-23T17:12:31+00:00 23.06.2005 19:12
Wow Klasse. Wie ihr das wieder hingekriegt mit der Spannung XD. Einfach Super Cool. Es hört imemr dort auf wo es am spannensten ist ;).

Hinweis: Bei meinem allerersten Posting wollte ich euch meinen. Das Wort "su" sollte "du" sein war falsch, weil es ja 2 leute sind die diese Fanfic schreibt. Also bitte entschuldigt nochmal *gg*


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