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The Gravity of Life

Yami x Yugi?
von

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Mirai Selket Athem

Natürlich habe ich nicht auf ihn gewartet. Selbst wenn er abends spät nach Hause zurückkehrt, ist er erschöpft und verschwitzt, braucht eine Dusche, vielleicht etwas zu Essen und Ruhe. Für einen unangekündigten Besuch von mir mit einem langen und intensiven Gespräch wäre da sicherlich nicht der perfekte Zeitpunkt gewesen.
 

Um das gute Wetter zu nutzen, vertreibe ich mir die Zeit am Mittwoch mit einer Fahrradtour ins nahe gelegene Grüne.

Ich bin ewig nicht gefahren, somit trampele ich langsam, um meine kaum vorhandene Kondition nicht sofort zu verlieren. Und laut meinen Ärzten soll ich sogar für mein Herz-Kreislaufsystem Sport treiben – natürlich nicht zu viel.

Es tut gut, den Fahrtwind im Gesicht zu spüren und das Erwachen der Natur im Frühling zu beobachten. Dies lenkt mich gut von der Aufregung bezüglich meines morgigen Treffens mit Mirai ab und ich bekomme den Kopf ein bisschen frei. Ruck zuck ist es dann auch soweit.
 

Die Sonne knallt mit angenehmen 29°C auf unsere Region nieder. Und das im Frühjahr.

Ich habe mir ein weißes Tanktop angezogen und eine hellblaue Jeans.

Meine Haare gestylt wie immer, die dunklen Lederbänder um Hals und Handgelenke, mache ich mich auf den Weg um Mirai zu treffen.
 

Als ich im Innenhof des Cafés eintreffe, sehe ich besagte Person von Weitem bereits an einem der Tische in der Sonne sitzen. Direkt steuere ich auf sie zu. Sie trägt eine rosafarbene Bluse und einen dunkelblauen Rock und scheint tatsächlich gleich wieder zurück ins Büro zu wollen.

Mit einem Rock habe ich sie aber auch noch nie gesehen. Vorgestern zu Hause trug sie auch schon ein Kleid. Eigentlich hatte ich sie immer für etwas burschikos gehalten. Sie scheint sich wohl für ihre Dates einen neuen Look zugelegt zu haben. Das steht ihr wirklich sehr gut.
 

Ich grüße freundlich und setze mich ihr gegenüber auf den Stuhl, der zum Glück mehr im Schatten liegt. Es tut so gut, sie wieder zu sehen!

Es ist Donnerstag, am Montag werden es 3 Wochen, dass ich jeglichen Kontakt zu ihrem Bruder verloren habe.
 

„Hi Yugi! Schön dich zu sehen, du siehst toll aus!“ Sie nimmt ihre Sonnenbrille ab und faltet diese zusammen. Dann legt sie diese neben ihr großes Glas mit Latte Macchiato.

„Hi Mirai! Dankeschön, du auch!“, gebe ich direkt ehrlich zurück.

Warum habe ich mich nicht in sie verschossen? Es wäre sicherlich einfacher für mich, in eine Frau verliebt zu sein. Und für Großvater und meine Freunde wäre es auch sicher „normaler“ gewesen, wenn es Mirai geworden wäre. Sie schien auch bisher nie so verschlossen und schwer zu knacken zu sein wie Yami. Die beiden Geschwister sind sich zwar in einigen Punkten sehr ähnlich, aber in noch mehr Punkten unterscheiden sie sich wie Tag und Nacht. Wobei Yami die deutlich stillere, mysteriösere und „dunklere“ Hälfte der beiden ist – also somit eindeutig der ‚Nacht-Part‘.

Scheinbar scheine ich genau dies so viel anziehender zu finden. Nunja, warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht, denkt sich bestimmt mein Kopf.
 

Schnell hat sie die äußeren Enden der Narben auf meiner Brust, die vom Top nicht verdeckt werden, entdeckt. „Oh, die sehen ja heftig aus…. Wie geht es dir?“

„Inzwischen geht es wieder, vielen Dank! Meine Werte sind wieder im Normalbereich. Alles verheilt gut. Nächste Woche bleibe ich noch zu Hause. Dann ab übernächste Woche nehme ich die Nachschreibetermine der Abschlussprüfungen wahr.“
 

„Achja stimmt ja, du hast die Abschlussklausuren verpasst! Ohjeh, was für ein schlechtes Timing“, bedauert sie mich.

Die Kellnerin erscheint an unserem Tisch und erkundigt sich nach meiner Bestellung.

„Ein grüner Tee bitte“, bestelle ich. Nachdem sie uns wieder allein gelassen hat, rutsche ich unruhig auf meinem Stuhl herum und suche schließlich Blickkontakt in ihre grünen Augen. Es wäre eigentlich höflich von mir zu fragen, wie ihr Date neulich lief. Aber ich brenne zu sehr auf Informationen bezüglich Yami.
 

„Wie lief dein Date?“, frage ich dennoch, in der Hoffnung, dass sie nicht zu weit ausholt.

„Lieb, dass du fragst. Das lief an sich ganz in Ordnung, wir haben uns gut unterhalten können. Ein netter Kerl. Aber irgendwie… ist bei mir nichts übergesprungen. Ich habe diesen Funken nicht gespürt. Ich suche weiter.“

Leider weiß ich genau, welches Gefühl sie beschreibt. „Das ist schade. Ich wünsche dir weiterhin hin Erfolg!“

„Vielen Dank, Yugi!“
 

„Wie geht es deinem Bruder?“, sprudelt es endlich aus mir heraus.

„Nunja, den Umständen entsprechend halt. Ich hatte in letzter Zeit aber auch nicht sehr viel Kontakt zu ihm. Wieso? Ich glaube nicht, dass ich dir helfen kann, wenn ihr Streit habt…“

Den Umständen entsprechend? Was heißt das? Klingt nach alles und nichts. „Was macht er gerade so? Wie geht er mit seiner Suspendierung um?“
 

„Suspendiert? Yami? Wieso das denn? Nicht dass ich wüsste…. Von wann ist diese Information? Ich hatte wie gesagt auch nicht so viel Kommunikation mit ihm. Ich habe derzeit einige Dates und-“, geschockt schaut sie mich an und wartet mit dem Weiterreden erst einmal auf meine Antwort. Sie hält den Löffel mit dem langen Stiel erstarrt fest in der Hand mit der sie soeben noch ihren Latte Macchiato umgerührt hatte.

„Er war seit fast 3 Wochen nicht in der Schule. Es geht wohl um…“, ich schlucke, „also… dass er das Referendariat frühzeitig abbrechen muss wegen zu geringer Leistung. Und zu vielen Fehlstunden im Seminar. Das ist zumindest das Gerücht, dass sich unter den Schülern herumspricht.“
 

„So ein Unsinn! Was ist das für ein Gerücht? Das macht mich ja richtig wütend! Wer will ihm denn da so schaden?“

Erleichtert atme ich aus. Also ist es anscheinend nicht wahr? Die Kellnerin erscheint wieder und platziert den grünen Tee vor einer Nase. Vorsichtig schlürfe ich einen Schluck. Schön heiß, das tut gut. Und ganz ohne Zucker.
 

„Mich wundert wiedermal, wie so etwas entstehen kann… Nein, er ist bestimmt nicht suspendiert. Dass er 3 Wochen nicht in der Schule gesehen wurde heißt nicht, dass er seinen Job verloren hat. Ganz im Gegenteil. Er arbeitet im Moment nur… Vor einer Weile war er mehrere Tage lang auf Seminar. Dann hatte er ein paar Überstunden genommen da Kacy krank war und sein Motorrad hatte wohl auch irgendwas… Soweit ich mich erinnere, hatte er es länger in der Werkstatt… Nebenbei hat er ja noch diesen Kellner-Job. Dann ist er für 10 Tage mit irgendeiner achten Klasse als einer von 3 Lehrkräften zur Klassenfahrt aufgebrochen. Er ist erst Vorgestern Mittag total übermüdet und geschafft zurückgekommen. Ich glaube, wenn er tatsächlich zu wenig Punkte gesammelt hätte, wäre er schon längst nach Hause geschickt worden!“, sie nimmt einen Schluck Kaffee.
 

„Mich wundert eher…. Dass er dir das alles anscheinend gar nicht erzählt hat? Ich hatte das Gefühl, dass ihr beide…“, sie bricht ab und scheint nach der richtigen Formulierung zu suchen. Eine riesige Erleichterung macht sich in mir breit. Mit seiner Karriere scheint alles in Ordnung!

„Also dass ihr beide ein bestimmtes Band zueinander habt. Irgendwie hatte ich da etwas zwischen euch gesehen… Er war dir gegenüber doch sonst immer so flirty.“
 

Flirty? Bei mir? Yami? Sie sieht doch Geister!
 

Trotzdem spüre ich wie meine Wangen beginnen zu glühen und sicherlich eine Pinkfärbung annehmen.

Ich erinnere mich wieder an mein Gespräch mit ihr damals vor der Bank. Ihrer Bemerkung über das „Wespennest“ in dass sie gestochen hatte. Ja, sie hatte meine Gefühle für ihren Bruder schon früh erkannt. Aber umgekehrt? Ich bin es doch, der ihm dauernd hinterher rennt.
 

„Wie ist die Situation denn zwischen euch? Habt ihr euch gestritten? Ich hoffe, es ist okay, wenn ich frage? Immerhin hattest du mich um ein Gespräch gebeten. Und ich denke, du wolltest nicht mit mir über das herrliche Wetter sprechen..?“ Noch nie habe ich Mirai so ruhig und ernst erlebt. Sie hat ihre Flippigkeit komplett abgelegt und verhält sich sehr einfühlsam und bestimmt. Jetzt erinnert sie mich doch noch mehr an Yami.

Jetzt muss ich genau aufpassen, ihr nicht zu viel zu erzählen. Das könnte extrem peinlich werden.
 

„Ich ähm, ich weiß nicht…. Ich glaube, deswegen wollte ich mit dir sprechen. Irgendwie weiß ich nicht mehr, woran ich bei Yami bin. Ich bin verzweifelt, Mirai… Du hast mir damals als wir uns vor der Bank trafen gesagt, er würde mich brauchen…. Ich bin mir da gar nicht mal sicher, ob das so ist. Ich fühle mich immer von ihm davon gestoßen…. Jetzt…. Jetzt wäre ich beinahe an Herzkammerflimmern gestorben. Und er hat sich überhaupt nicht nach mir erkundigt…. Nicht mal gefragt, wie es mir geht…Überhaupt nicht gemeldet. Als wäre ich Luft für ihn…“
 

Mirai stellt mit einem Schwung und lauten Klirren ihr Kaffeeglas auf den Tisch.

„Yugi! Jetzt mach aber mal einen Punkt! Du bist schrecklich unfair! Darf ich ehrlich sein?“

„Ja…?“ Mir wird flau im Bauch. Was kommt jetzt? Aber wenigstens ist diesmal mit meinem Herzen alles gesund.

„Wie viel weißt du über Yamis Vergangenheit? Hatte er dir mal alles über sich erzählt…?“

„Ja er hat mir alles erzählt. Ich denke da nur nicht so gerne drüber nach…“

„Dann weißt du ja alles über seinen letzten Ex-Freund und über Mahad. Du weißt auch, was passiert ist, oder?“, sie wird energischer, ihre Stimme lauter.

„Mahad? Der hieß doch anders, auch mit M, ich meine M-“

„Ich spreche von beiden.“

„BEIDEN?“, entkommt es mir völlig entgeistert.

Mirai schüttelt den Kopf. „Okay, dann anders. Du weißt, ich habe all die letzten Monate Partei für dich ergriffen, Yugi. Aber jetzt gehst du zu weit! Der eine ist bei einem Unfall ums Leben gekommen! Er wurde Yami buchstäblich aus den Händen gerissen! Es hat ihm alles unter den Füßen weggezogen! Ja ich verstehe, dass du das nicht hören möchtest. Wer hört schon gerne Details über den Ex-Partner von – naja“, sie hebt den Löffel hoch, richtet ihn anklagend auf mich.
 

Dann fährt sie in Ihrem Redeschwall fort: „Ich weiß nicht viel, was zwischen euch passiert ist. Nur, dass du in unserer Wohnung plötzlich bewusstlos geworden bist. Yami hat sofort den Notruf verständigt! Er hat die lebensrettende Herzdruckmassage durchgeführt, bis die Sanitäter eingetroffen sind! Er hat wirklich ALLES in seiner Macht stehende getan, um dir das Leben zu retten, Yugi!“
 

Aufgebracht fügt sie hinzu: „Ich bin einige Stunden später bei ihm gewesen. Es lag noch alles vom Notarzteinsatz in unserem Wohnzimmer herum. Leere Spritzen, Ampullen, Verpackungen, Elektroden … Es war ein Chaos! Yami saß nur völlig fertig und zitternd auf dem Boden und hat es nicht mal geschafft, das alles aufzuräumen! Er war traumatisiert!

Was meinst du, was er für ein Déjà-vu Erlebnis hatte? Schon wieder reißt ihm das Leben jemanden aus den Händen… Hast du es auch nur für einen Moment aus seiner Perspektive gesehen?! Nur für einen winzigen Moment?!“

Ein Blitzeinschlag. Mein ganzer Mund und Hals wird trocken. Nein, hatte ich nicht.

Wie egoistisch von mir.
 

„Ich denke mir, er war überhaupt nicht in der Lage, auf dich zuzugehen. Er wusste ja auch einige Zeit überhaupt nicht sicher, ob du überhaupt überlebt hast und in welchem Krankenhaus du bist. Ich glaube, sein einziger Instinkt war es, sich zurück zu ziehen und in seine Ausbildung und Arbeit zu stürzen. Er hat dein Leben gerettet, Yugi! Als Sportlehrer hat er natürlich ein fundamentales Wissen über das Herz-Kreislaufsystem und ist in Reanimation geschult. Wirklich, du tust ihm sehr Unrecht!“
 

WUMMS. Eine schallende, mentale Ohrfeige. Das hat gesessen.

Sprachlos starre ich auf meine Hände. In meine Teetasse. Meine Kehle schnürt sich weiter zu.

„Ich… oh ich… Es tut mir so leid Mirai! Von dieser Seite hatte ich es noch gar nicht betrachtet….“

„Entschuldige dich nicht bei mir, sondern bei meinem Bruder. Habt ihr denn seitdem nicht mehr miteinander gesprochen, dass du all das nicht weißt? Oder hat Yami es dir verheimlicht?“

„Wir hatten noch nicht die Gelegenheit, miteinander zu sprechen…“, flüstere ich und zittere dabei. Von den 29°C ist nichts mehr zu spüren. Und mir wird auch noch kälter. Ein Detail fährt wie ein Schnellzug durch meinen Kopf – im Kreis.
 

„Du erwähntest den Namen Mahad. Ich wusste bisher nur von...“

„Er… er hat dir nicht von Mahad erzählt?“

Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Noch ein weiterer Vorgänger? Wieviele gab es da noch..? Warum hat Yami den bisher verschwiegen?

Naja, der Mann wird bald 27…. Da hätte es mir eigentlich klar sein müssen, dass er schon die ein oder andere kurze oder lange Beziehung oder One-Night-Stand, Bettgeschichte oder sonstwas gehabt haben müsste. Bei dem Aussehen und der Ausstrahlung kann er sicher jeden haben den er will. Ich fühle trotzdem einen schweren Stein in meinem Magen. Wahrscheinlich aus der Zeit, als er noch in Ägypten lebte.

Oder Moment, vielleicht ist es auch einfach wieder ein Verwandter von den beiden? Ein Onkel, Cousin…. Ich habe früher schon einmal voreilige Schlüsse gezogen, als ich Mirai für seine Frau hielt oder Kacy für seine Freundin.
 

„Ähm… ich glaube nicht. Klingt ägyptisch. Ist das ein Verwandter von euch?“

„Hmmm…..“, sie zögert.

„Oder auch noch ein Ex-Freund?!“

„Am ehesten trifft es wohl Verwandter“, entkommt es ihr knapp. Sie seufzt und zieht sich eine Packung Zigaretten aus ihrer Handtasche. Sie gibt sich beschäftigt, indem sie die Schachtel aufzieht und eine heraussucht.

Puh, Glück gehabt. Also doch keine verflossene Liebschaft von ihm? Aber irgendwie ahne ich trotzdem, dass jetzt irgendwas Schlechtes kommt. Meine Körperhaltung verkrampft sich. Ein Verwandter, dem entweder etwas Schlimmes zugestoßen ist oder der Yami etwas Schlimmes angetan hat. Etwas, was ihn anscheinend traumatisiert hat?
 

„Was ist mit ihm?“

Mirai ignoriert mich zunächst, widmet sich nur ihrem Glimmstängel, den sie anzündet und erstmal zwei Züge nimmt.

„Mirai?“

„Ich denke, das muss Yami dir selbst erzählen. Ich wusste nicht, dass er Mahad dir gegenüber noch nicht erwähnt hatte.“

„Aber du kannst doch nicht erst anfangen und dann zurückziehen! Mirai bitte, mir ist Yami so wichtig! Es würde mir sicher noch besser helfen, sein Verhalten zu verstehen. Ich könnte mich besser auf ihn einstellen.“

„Nein, besser nicht. Yami würde mir den Kopf abschlagen, wenn ich über seinen Kopf hinweg entscheide, es dir zu erzählen. Das kann ich meinem Bruder nicht antun. Schlimm genug, dass du den Namen jetzt von mir hast!“

„Mirai bitte sag es mir! Ich mache mir solche Sorgen!“
 

„Nein, Yugi“, jetzt wird sie wieder energisch. „Yami ist mein großer Bruder. Er hat mich seit meiner Geburt beschützt, mir geholfen, war für mich da. Er lief ein Leben lang vor mir her. Ich brauchte ihm nur hinter seinem schützenden Rücken zu folgen, in seinem sicheren Schatten. Er hat alles für mich abgefangen“, sie pausiert kurz. Dann setzt sie wieder an: „Bis heute strenge ich mich Tag für Tag an, ihn einzuholen. Und egal, wie hart ich mich auch vorwärts strecke, ich sehe ihn immer nur von hinten, ohne an seinen Rücken heranzureichen. (*)“

Sie schluckt, starrt in ihr inzwischen leeres Glas. „Er ist mein Vorbild. Wir haben ein unzertrennliches Band. Ich kann ihn nicht hintergehen und so etwas ausplaudern ohne sein Wissen und ohne seine Erlaubnis.“
 

Ich nicke. „Na gut, das verstehe ich. Bei Ra, ich würde es so gerne wissen. Aber nunja, ich respektiere das. Du hast Recht, ich werde ihn selbst fragen müssen.“

Wenn ich ihn denn irgendwann mal wieder sehe. Jetzt wo ich weiß, dass er noch ein Geheimnis vor mir hat, fällt es mir noch schwerer, das Gespräch mit ihm zu suchen. Mahad…
 

Ich pikse gedankenverloren meinen benutzten Teebeutel neben der Tasse mit dem Zeigefinger an.

„Erwischt“, erwidert sie geheimnisvoll. Ihre Stimmung wird schnell wieder ruhiger. Sie ist genauso begabt darin wie Yami, im Handumdrehen die Laune zu ändern.

„Hm?“

„Er hat schon ganz schön auf dich abgefärbt“, grinst sie nun.

Schnell prüfe ich meinen Zeigefinger.

„Doch nicht der Teebeutel…“, kommentiert sie kopfschüttelnd.
 

Achso, ja klar. Jetzt fällt mir wieder ein, dass Jou auch schon vor Monaten genau diese Formulierung genutzt hatte, als ich mit einem blauen Marker eine Präsentation vorbereitete.

Ich sollte wirklich aufhören, seine Redewendungen zu übernehmen. Irgendwie passiert das schon so automatisch.
 

Sie drückt ihre Zigarette im Aschenbecher aus, lächelt mich aufmunternd an: „Du musst mit ihm sprechen, Yugi. Unbedingt. Moment – “, sie hebt ihre Handtasche auf den Schoß, die bis jetzt an ihrer Stuhllehne gehangen hatte und wühlt darin rum.

Anscheinend um besser finden zu können was sie sucht, legt sie den Inhalt aus ihrer Tasche auf unseren kleinen Tisch. Ein paar Schminkutensilien, ihr Portemonnaie, ihren Dienstausweis. Neugierig strecke ich meine Hand danach aus. „Darf ich mal sehen?“, frage ich zuvor. Sie schaut kurz irritiert, was ich meine, stimmt dann aber zu.

Ich schnappe mir ihren Dienstausweis, der in einer entsprechenden Plastikhülle mit Clip steckt.

Neben dem Logo des Verlags, bei dem sie angestellt ist, befindet sich ein etwas älteres Foto von ihr, aber sie ist deutlich zu erkennen.
 

Mirai S. Athem
 

„Du hast auch einen zweiten Vornamen?“, frage ich sie.

„Ja, das „S“ steht für Selket. Mirai Selket Athem“

Als Enkel eines früheren Ägyptologen habe ich genügend Backround-Wissen. Selket, die Schutzgöttin der Heilkundigen. „Ein sehr schöner Name“, lächele ich. „Dann habt ihr beide eine altägyptische Gottheit mit im Namen. Mirai Selket und Yami Amun Athem.“
 

Endlich hat sie gefunden, wonach sie gesucht hatte. Einen Kugelschreiber und ihr Notizbuch. Sie reißt eine Seite aus ihrem Buch, schaut dann kurz etwas in ihrem Handy nach und beginnt zu schreiben. Mit der rechten Hand, nicht mit Links wie Yami, wie mir auffällt. „Genauso ist es. Ein japanischer Name und einer aus der altägyptischen Mythologie. Da unsere Eltern schon damals wussten, dass wir abwechselnd in beiden Ländern leben werden.
 

Yami – die Dunkelheit und Mirai – die Zukunft. Mit uns im Doppelpack hat man eine ganz schön dunkle Zukunft! Also sei gewarnt!“, zwinkert sie mir zu. „Auch wenn du nur die Dunkelheit möchtest – mich wirst du nicht ganz los!“ sie hebt mahnend einen Finger. „Und wenn man eure Namen kombiniert? ‚Yami no Yugi‘ das ‚Spiel der Dunkelheit‘. Hm, ich hoffe, du spielst nicht nur mit Yami!“
 

Peinlich berührt und zugleich erschrocken winke ich ab. „Natürlich nicht! Das sind doch alles nur Namen!“ Auf was für Ideen kommt sie?!

Dann schiebt sie mir das Stück Papier herüber. Es ist eine Handynummer darauf notiert.

„Das ist Yamis Nummer. Da erreichst du ihn am besten. Er ist oft unterwegs und auf dem Telefon zu Hause nicht erreichbar. Rufe ihn an und klär mit ihm, was da auch immer zwischen euch steht. Ihr passt zusammen, macht euch das nicht selbst kaputt.“
 

„Danke“, stammele ich. „Vielen, vielen Dank für die Nummer und all deine Hilfe, Mirai! Ich wünschte, das wäre so einfach durch einen Anruf getan…. Irgendwie ist es so kompliziert zwischen uns… Ich habe schon so oft mit Yami gesprochen. Ich habe ihm alles gesagt, weißt du. Wirklich alles über mich. Ich weiß nicht mehr weiter. Er ist so unnahbar. Vielleicht könntest du-“ Ich breche ab. Worum möchte ich sie überhaupt bitten? Was soll sie für mich bei Yami tun? Ich weiß es nicht.
 

„Tut mir leid, das müsst ihr unter euch klären. Ich mische mich wahrscheinlich schon mehr ein, als gut für mich wäre.“ Sie seufzt. „Ich muss jetzt auch los, wieder zur Arbeit.

Ich muss heute pünktlich Feierabend machen, ich habe nachher noch ein Date“, lässt sie mich wissen. Oh man, sie und ihre 1000 Dates, das nervt langsam. Da scheinen sich die zwei wieder recht ähnlich zu sein. Yamis Liste wird erschreckenderweise gefühlt auch ständig länger. Nun Mahad…? Verwandter oder nicht?
 

„Dann wünsche ich dir viel Erfolg dabei!“, ich stecke mir den Zettel mit der Nummer sicher ins Portemonnaie.
 

„Danke…. Ich merke so langsam, dass ich Mamoru nicht so einfach ersetzen kann. Er war – nein ist – etwas Besonderes für mich. Ich vermisse ihn“, ihr Blick wird traurig. Was war eigentlich zwischen den beiden passiert? Ich weiß es gar nicht so genau. Hatte es wegen meinen eigenen Problemen mit Yami nicht weiter verfolgt. Irgendwie bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Mirai hilft mir dauernd – aber wann mal ich ihr?
 

„Das kann ich gut nachvollziehen. Ihr wart ja eine ganze lange Zeit zusammen und auch verlobt. Ihr wolltet heiraten. Natürlich vermisst du ihn. Ich hatte auch das Gefühl, dass ihr ein schönes Paar wart. Mirai und Mamoru – schon die Namen klingen gut zusammen, beide mit M. Das war doch schon ein Zeichen. Was auch immer bei euch passiert ist was so schlimm war, dass es zur Trennung kam....“
 

„Ach, das ist kompliziert!“, murmelt sie. Kenne ich irgendwo her.

„Aber das mit dem Namen kann ich auch zu euch sagen, wenn wir nochmal zu dem Thema zurückkehren. Bei euch ist es ja sogar noch stärker. Ihr habt beide 4 Buchstaben, am Anfang und Ende sogar den Gleichen. Nur die 2 in der Mitte sind verschieden.“

Stimmt. Das war mir auch schon aufgefallen. Lächelnd nicke ich. „Wenn du Mamoru so vermisst, dann er dich wahrscheinlich auch. Vielleicht könntet ihr auch nochmal über alles reden? Nochmal von vorne beginnen?“

„Ich befürchte, dafür ist schon zu viel Wasser den Nil herabgeflossen, Yugi. Wir können nicht so einfach aufeinander zugehen und reden...“
 

Diesmal bin ich es, der amüsiert lachen muss. „Ja, das Problem mit der Person des Herzens Klartext zu sprechen ist immer das Größte, das man gefühlt je hatte, nicht wahr? Das so schlimm ist, dass ein Gespräch bestimmt nicht hilft. Besser, man lässt es lieber und verkriecht sich…“
 

„Soso, jetzt schlägst du mich mit meinen eigenen Waffen.“
 

„Nein, ich schlage nicht. Ich spiegele nur meine eigenen Gedanken wider…“, erkläre ich ihr ruhig.

„Aber da du mir schon so oft Ratschläge gegeben hast, würde ich mich auch gerne einmal revanchieren. In mir weckt das den Eindruck, dass du gar nicht offen bist, jemand Neues kennen zu lernen. Du hängst noch zu sehr an Mamoru. Also bringen dir alle deine Dates nichts.“

„…“

Wir schweigen einen Moment.
 

„Weißt du eigentlich…“, ich verstumme. Ich zögere. Will ich das wirklich wissen?

„Ja?“, fragt sie, packt nach einer Weile der Starre wieder alles vom Tisch wieder zurück in ihre Handtasche.

„Trifft Yami sich mit Irgendwem? Hat er auch Dates oder hat er-“
 

Nun lacht sie auf. Aber es ist kein bösartiges Lachen, eher ein belustigtes.

„SO viel verraten wir uns nun gegenseitig auch nicht über unser Liebesleben. Also ich erzähle meinem Bruder ja auch nicht ausführlich von jedem Date, das ich so hatte und was dabei ablief oder auch nicht, wenn du verstehst. Aber die Frage zielt wahrscheinlich eher darauf ab, ob du Konkurrenz hast?“
 

Ich nicke beschämt.
 

Sie grinst, steht auf und sortiert ihre Kleidung. „Ich kann dir sagen… Sein Terminkalender ist übervoll. Er hat im Moment kaum Zeit. Ich habe ja vorhin schon aufgezählt, um was er sich so alles kümmern muss. Wenn da wer ist, der Yamis Aufmerksamkeit und Interesse stark einnimmt, dann merke ich das. Er weist schon recht auffällige Symptome auf, wenn er jemandem zugetan ist. Zumindest für mich. Für andere ist das wahrlich eher unsichtbar. Ich gehe schließlich nicht mit jedem Kaffee trinken – außer mit meinen Dates“, sie zwinkert mir zu.

„Also dann, vielen Dank für das Date, Yugi! Ich muss dir aber leider sagen, dass der Funke bei mir mal wieder nicht übergesprungen ist. Sorry!

Bis bald, ich bin mir sicher, wir sehen uns!“
 

Sie winkt mir zu und verschwindet ins Café hinein, um ihr Getränk zu zahlen, verlässt es dann durch den anderen Ausgang.
 

~~~~~~~~~
 

(*) Das ist übrigens ein Original Zitat von Yugi aus dem Ceremonial Battle zwischen ihm und Atemu, dass ich hier Mirai in den Mund gelegt habe, da es hier zu ihr besser passt:
 

„Up until now, I’ve always worked hard, chasing after you.

And no matter how hard I pushed myself, I just couldn‘t reach you.

Your back was always too far away.“
 

Polarstern



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Nala
2023-11-02T10:38:17+00:00 02.11.2023 11:38
Das war ein wunderschönes Kapitel. Alles aus der Sicht von Yugi zu lesen, hat natürlich den Vor- und Nachteil, nur seine Sicht der Dinge zu sehen und das war eine dramaturgisch sehr schöne Gelegenheit, dem Leser auf eine spannende Art und Weise zu erklären, was eigentlich passiert ist. Mirai ist eine tolle Schwester. Es war, finde ich, genau die richtige Mischung von ihr aus Information und Zurückhaltung, um ihnen zu helfen und gleichzeitig die Interessen von ihrem Bruder zu wahren. Wer weiß, ob sich die beiden ohne dieses Gespräch überhaupt wieder angenähert hätten. Ein tolles Kapitel, vielen Dank. ♥
Antwort von:  Polarstern
04.11.2023 18:04
Oh wow, du hast direkt alle 4 neuen Kapitel hintereinander weg "gezockt" und für jedes Einzelne einen Kommi dagelassen! DANKE! =D
Von:  Nanbi
2023-10-08T06:30:16+00:00 08.10.2023 08:30
ahhh so schön, dass so schnell das nächste Kapitel kommt. ^^
Phu das hat es echt in sich. Ich habs mir doch gedacht, dass Yami ihm die lebensrettende Herzdruckmassage gegeben hat.
Ich hatte es so im Gefühl, weil so hätte ich es von der Idee her geschrieben. Ich find das richtig gut. Das gibt dem ganzem eine ganz neue Dramatik zwischen den beiden.
Aber Yami tut mir auch Leid, dass er Yugi in so einem Zustand sehen musste. Mit seiner Vergangenheit.
Ich verstehe Mirais Ausraster, fand das aber auch krass, weil ich mir so denke, ja Yami hatte es sehr schlimm. Und dennoch auch für Yugi ist dieser Vorfall nicht ohne. Ich meine wie würde ich mich fühlen, wenn ich wüsste ich wäre beinahe gestorben? Ich hätte Verständnis für Yami, aber dennoch hätte ich auch das Recht dazu verletzt zu sein.
Dafür das Yugi fast umgekommen wäre, tut er mir richtig Leid wie Mirai ihn so angefahren hat. Auch wenn sie nur ihren Bruder schützen wollte. Alles sehr emotional wie es scheint. Es haben beide Seite es absolut nicht leicht!
Nun hoffe ich , dass Yugi versucht mit Yami sich auszusprechen. Ich bin richtig gespannt.
Das Kapitel hast du wieder sehr schön geschrieben.
Ich freue mich schon sehr auf das Nächste von dir. ^^

LG Nanbi


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