Zum Inhalt der Seite

Schatten des Lichts

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Teil 23
 

Wie ein schwarzer Panter auf der Lauer warteten sie geduldig bis zum günstigsten Augenblick, um sich der Beute zu bemächtigen. Mit leisen, bedächtigen Schritten näherte man sich den ahnungslosen Opfern, die unter der im Winter selten gewordenen Sonne seelenruhig durch den Park schlenderten. Herumalbernd waren sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie die drohende Gefahr, der sich vorsichtig angepirschten Männer in schwarz, bemerkt hätten. Mit geübtem Griff wurden schnell mit einem von Chloroform getränkten Taschentuch die letzten gedämpften Schreie erstickt, ehe man die beiden unauffällig in ein nahe gelegenes Auto hievte.

*

"SCHEISSE!!!" Fluchend zerknüllte Kojiro den kleinen Zettel, den Misa auf sein Bett gelegt hatte und schlüpfte so schnell es ging in seine Schuhe. Es war bereits Stunden her, dass sie und wohl auch Hikari das Haus verlassen hatten und die Angst in ihm, den beiden könnte etwas zugestoßen sein, wurde inzwischen übermächtig. Besonders nachdem das Geheimnis um den Grund von Misas Verfolgung gelüftet worden war. Wie ein Wirbelwind wollte er an Frau Hinoto und Kira vorbeistürmen, als sie ihn ruckartig am Arm packte und ihn forschend musterte. "Sie kommt schon zurück. Sie wird nur etwas Zeit für sich brauchen. Oder sollte ich von etwas wissen?"

Unruhig entriss er ihr den Arm und kämpfte mit sich selbst, ob er ihr anvertrauen konnte, was er wusste, bevor er sich durch die Angst getrieben nur Sekunden später dafür entschied. "Sie hat sich seit Stunden nicht gemeldet und.....Seiji ist in der Nähe. Er weiß, wo sie ist."

Jegliches Blut aus ihrem Gesicht gewichen, fasste sie gewaltsam nach seinem Arm. "Und woher?!!!" Ihrem eindringlichen Blick nicht mehr standhaltend, senkte er den seinen beschämt zu Boden, ehe er kaum hörbar flüsterte: "...durch mich...", und ihn eine Ohrfeige hart im Gesicht traf.

"Ich schwöre, wenn ihr etwas passiert, dann bring ich dich mit meinen eigenen Händen um!" Kira der keine Ahnung hatte, worüber die beiden redeten, sah der ganzen Szene fassungslos zu. Er kannte seine Stiefmutter nur als eine geduldige und sehr gelassene Person, die durch nichts aus der Ruhe zu bringen war. Selbst bei seinen grausamen Versuchen sie aus dem Haus zu ekeln, hatte sie damals ohne weiteres darüber hinweggesehen. Doch diese Person vor ihm, war kurz davor Kojiro an die Gurgel zu gehen, bevor sie nach seinen Autoschlüsseln verlangte und sie diese Kojiro, zusammen mit etwas Geld, in die Hand drückte.

"Selbst wenn alles in Ordnung sein sollte, müsst ihr sofort untertauchen. Dir ist hoffentlich klar, dass sie versuchen werden dich zu töten, wenn sie es herausfinden? Weißt du denn überhaubt, wie du sie finden kannst?" Schwach nickte Kojiro, ehe er sich dankbar von Kira und Frau Hinoto verabschiedete. "Ich kenne hier ein paar Leute. Denen würde so etwas Auffälliges wie eine Limosine bstimmt nicht entgehen. Ich werde den Wagen sobald ich sie gefunden habe abstellen, um keine Spuren zu hinterlassen. Wir melden uns. ...und danke." Kira der langsam wieder zu sich selbst fand, fing im letzten Moment seine taumelnde Mutter auf. Stützend brachte er sie auf ihr Zimmer, wo er sogleich nach einer Erklärung verlangte, die ihm vorerst verweigert wurde.

"Nicht jetzt Kira. Sei so gut und lass mich für einen Moment allein." Die Ereignisse dieses Tages wurden immer verwirrender. So willigte er nur wenig begeistert ein und widmete sich stattdessen seinem Training, das er nun dazu benutzten würde, um sein Denken für eine Weile lahm zu legen. ,Zuerst die Sache mit Takeru und dann diese komische Szene vorhin. Oh man und der Tag hat gerade Mal angefangen. Das kann ja noch heiter werden.'

*

,Ich bin so müde. Mein ganzer Körper...alles ist so unglaublich schwer.' Nur mit Mühe schaffte es Misa die Augenlieder aufzuschlagen und diese auch offen zu halten. Blinzelnd suchte sie verwirrt nach einem Anhaltspunkt was geschehen war und wo sie sich hier befand, bis ihr Blick auf eine Gestalt fiel, die durch den Schatten verdeckt, nicht mehr zu erkennen war. "Na, endlich aufgewacht?"

,Diese Stimme...woher.. sie kommt mir so bekannt vor.' Mit zusammengekniffenen Augen versuchte sie sich aufzurichten, um festzustellen mit wem sie es hier zu tun hatte, als sich die Gestalt gemächlich nach vor beugte und sich zu erkennen gab. "Lange nicht gesehen, Misa."

"SEIJI!" Ungläubig rückte sie mit entsetzt aufgerissenen Augen ein weites Stück zurück und presste sich gegen die kühle Mauer hinter sich. "Du hast doch nicht etwa Angst vor mir? Dazu hast du doch gar keinen Grund." Unwillkürlich suchte sie mit ihren Augen einen Ausgang, doch ihre Glieder waren wie Blei und so konnte sie unmöglich die Flucht vor ihm ergreifen, als er näher kam und sich zu ihr auf das Bett setzte.

"Die Grobheit mit der dich diese ungehobelten Typen angefasst haben ist natürlich nicht widergut zu machen, aber wir haben uns große Sorgen um dich gemacht, nachdem du ohne ein Wort verschwunden bist. Besonders nach diesem unliebsamen Zwischenfall. Es ist besser ich bin ehrlich. Etwas anderes hast du auch nicht verdient. Nun ja, wie soll ich sagen... Wir ließen dich zu deiner eigenen Sicherheit beschatten, damit wenn du in Schwierigkeiten kommst, du nicht völlig allein bist. Wir wollten warten, bis du dich von selbst dazu entschließt wieder zu uns zurückzukommen. Allerdings stellte sich heraus, dass wir ihm niemals hätten trauen dürfen. Es ist unverzeihlich, dass wir einem skrupellosen Gewaltverbrecher so leichtfertig unser höchstes Gut anvertraut haben. Als Vater davon erfahren hat, wen er eingestellt hatte, wurden wir halb krank vor Sorge und Schuldgefühlen. Deswegen bin ich hergekommen, um dich persönlich zu suchen und nach Hause zu holen." Aufmerksam hörte sie ihm zu, obwohl sie nicht ganz glauben konnte, was er ihr gerade eröffnet hatte.

"Du meinst, dieser Mann wollte mir etwas antun?" Bekümmert blickte er sie entschuldigend an und drückte dabei beruhigend ihre Hand.

,Kojiro...ich muss ihn warnen! Wenn er hinter mir her war, dann könnte er auch ihm etwas antun wollen. Er macht sich sicher schon Sorgen...wie lange ich wohl schon hier bin? Und Hikari!' "Wo ist Hikari?! Sie war bei mir...sie..." "Sie ist in besten Händen. Keine Sorge. Man kümmert sich bereits um das kleine Mädchen. Ich versichere dir, es geht ihr ausgezeichnet. Aber es ist vermutlich das Beste, wenn wir Adoptiveltern für sie suchen. So weit ich erfahren habe, hätte sie beinahe ein schreckliches Schicksal erlitten, wenn du sie nicht aufgenommen hättest. Aber ich denke, es ist das Beste für sie, wenn sie in eine richtige Familie zurückkehrt. Du bist im Moment noch zu jung, um dich um die Kleine richtig kümmern zu können."

Misas Blick wurde während seinen beruhigend gemeinten Worten zusehends verzweifelter. Erst ließ sie Seiji für welch noble Gründe auch immer kidnappen und dann wollte er auch noch Hikari wegschicken. Aber das schlimmste würde sein, dass wenn er sie nun mit nach Hause nehmen würde, sie Kojiro niemals wiedersehen würde und ihr Vater womöglich immer noch auf die Hochzeit mit Seiji bestand. Mit einem leichten Ruck entzog sie ihm die Hand, die er immer noch nicht losgelassen hatte und kämpfte um ihre Haltung, um sich vor ihm nicht die Blöße zu geben.

,Nein, du fängst hier nicht vor ihm an zu heulen. Er wird es verstehen, wenn ich es ihm erkläre. Kaori hatte Unrecht. Hier ist doch der Beweis. Sie wollten mich sogar schützen. Wenn auch auf ihre eigenwillige Art und Weise. Vater könnte mir nie etwas antun. Aber ich kann nicht wieder zurück. Ich liebe Kojiro. Niemals könnte ich ihn...nein, niemals.'

Seufzend ließ er die Schultern hängen und beobachtete sorgfältig jede Reaktion, jedes Gefühl, das sich auf ihrem Gesicht widerspiegelte, bevor er eindringlich mit seinen dunkelbraunen Augen in die ihren blickte. "War es dir denn so zuwider meine Frau zu werden, dass du gleich davon laufen musstest? Du bedeutest mir sehr viel. Auch wenn wir Bruder und Schwester sind, so sind wir doch nicht vom selben Blut. Du bist die Einzige mit der ich mir eine Ehe vorstellen könnte." Betreten rang Misa nach Worten, um ihm zu erklären, dass sie sich in einen anderen verliebt hatte, ohne ihn zu verletzten.

,Wie soll ich es ihm nur sagen? Das ist wahrscheinlich das erste Mal, das er so etwas wie Gefühl gezeigt hat. Ich kann ihn doch jetzt nicht einfach vor den Kopf stoßen. Warum gerade ich? Er hat sich doch nie für mich interessiert und plötzlich soll ich... Kojiro, wo bist du nur, wenn ich dich brauche?!' Gerade rechtzeitig, als Seiji sich gefährlich nahe zu ihr herunterbeugte, klopfte es an der Tür.

"Entschuldigen Sie Herr Wakabashi, aber wir haben ihn gefunden." "Gut, ich werde mich sofort darum kümmern. Ich werde persönlich dafür sorgen, dass dieser Verbrecher das Gefängnis nicht mehr verlässt."

Mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen drückte er Misa behutsam zurück in die Kissen, ehe sie ihm eine Antwort geben konnte, um so schnell wie möglich mit Hikari zusammen Reißaus zu nehmen und zurück zu Kojiro zu eilen.

"Schon gut. Lass dir ruhig Zeit. Ich will dich zu nichts drängen. Ich werde warten, bis zu so weit bist." Damit küsste er sie sanft auf die Stirn und noch während er leise die Tür hinter sich schloss, verdrängte dieses selbstgefällige Grinsen wieder jeden gutmütigen Zug in seinem Gesicht. ,Ich bin einfach brillant. Vielleicht hätte ich eine Schauspielkarriere anstreben sollen...'
 

Währenddessen kauerte Hikari zitternd auf dem kalten Boden in einem dunklen, verschlossenen Zimmer desselben abgelegenen Gebäudes, in das man die beiden unbemerkt gebracht hatte.

,Ich habe Angst... Misa, wo bist du? Ich will nach Hause. Ich vermisse Mama und Papa. Misa und Kojiro haben gesagt, dass ich nicht wieder zurück kann, aber hier will ich nicht bleiben. Warum lassen sie mich allein? Warum lassen mich alle immer allein? Ich habe doch gar nichts angestellt. Hat mich denn gar niemand lieb? Ich will hier weg. Ich will wieder nach Hause...Mama...'
 

Inzwischen schlich sich Misa, die früheren Nebel um ihre Gedanken vertrieben, aus dem Zimmer. ,Ich muss von hier weg. Es tut mir wirklich leid, Seiji. Aber ich gehöre zu Kojiro. Vielleicht werden Vater und du mich eines Tages verstehen können... Jetzt muss ich nur noch Hikari finden, bevor sie sie dem Jugendamt übergeben. Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät.' Gerade als sie sich sicher war den Ausgang gefunden zu haben, hielten sie bekannte Stimmen zurück. Vorsichtig auf Zehenspitzen stahl sie sich an die eine spaltbreit geöffnete Tür heran....
 

"Was denn, hast du noch immer keine Angst vor mir? Solltest du aber. Du hast meine Befehle verweigert. Ich muss dir wohl ein wenig Respekt beibringen." Damit gab Seiji einem der kräftigen Yakuza ein einfaches Zeichen, woraufhin dieser dem beinahe regungslosen, gefesselten Körper am Boden einen weiteren Tritt verpasste. Keuchend versuchte dieser sich trotz der sinnesberaubenden Schmerzen aufzurappeln, ehe er von einem weiteren Schlag niedergestreckt wurde.

,Verdammter Scheißkerl, wenn ich mit dir allein wäre, würde dir dein blödes Grinsen schon noch vergehen...darauf...kannst du dich verlassen.' "Na was ist, Kleiner? Genug? Du musst es nur sagen. Ich bin schließlich kein Unmensch. Außerdem... möchte ich Misa doch nicht einen blutüberströmten Anblick von dir zumuten müssen. Sie ist ein so sensibles Mädchen. Wenn du verstehst, was ich meine.'

Bei jeder Bewegung zusammenzuckend richtete er sich mit letzter Kraft auf und blickte misstrauisch und angsterfüllt zugleich in das amüsierte Gesicht seines Peinigers.

"Sie...ist hier?" "Aber natürlich. Ich würde doch nie zulassen, dass meinem Augapfel etwas geschieht. Im Übrigen war ich schon immer von der Wahrheit überzeugt. Sie ist manchmal wirkungsvoller und schmerzhafter als jede Lüge...

Wie denkst du wird sie sich fühlen, wenn sie erfährt, das du lediglich einen Auftrag zu erfüllen hattest und dir in Wirklichkeit nichts an ihr liegt? Außerdem ist es doch meine Aufgabe meine kleine Schwester vor jemandem wie dir zu schützen. Ein Verbrecher wie du ist doch bestenfalls an ihrem Geld interessiert. Immerhin gehört sie zu einer der reichsten Familien der Welt. Tja, ein bemitleidenswerter Schädling auf der Flucht vor der Polizei, weil er seinen eigenen Vater abgeschlachtet hat wie ein Tier. Nicht gerade die feine Art, findest du nicht?"

Mit zusammengebissenen Zähnen erhob sich Kojiro nun knurrend und stellte sich Seiji entgegen.

"Du hast doch keine Ahnung, wovon du sprichst! Er hatte es verdient! Hätte ich ihn nicht getötet, dann..." Mit regem Interesse verfolgte er Kojiros Verwandlung vom zweifelnden, hilflosen Opfer zum Angreifer. Seine vor Zorn bebenden Lippen, während seine Augen einen unglaublichen Hass preisgaben, den Seiji nur mit vollster Zufriedenheit dort entdeckte, als sich sein Blick entsetzt zur knarrenden Tür richtete.

"Misa!" Augenblicklich erstarrte Kojiro in seiner Bewegung, als alle Augen der Anwesenden sich hinter ihn auf die Gestalt im Türrahmen richteten. Der erste, der seine Fassung über den unerwarteten Besucher dieser wüsten Szene wieder gefunden hatte, war Seiji, der sich Misa langsam näherte und ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter legen wollte, ehe er diese durch ihren vielsagenden Blick wieder zurückzog.

"Ist es wahr, was er sagt? War es das, was du mir nicht sagen konntest?" Mit einigen Schwierigkeiten startete sie den Versuch ihrer Stimme einen ruhigen Ton zu geben, der nachdem Kojiro ihr noch immer den Rücken zugewandt hatte, mehr als fehlschlug.

"Sieh mich an und antworte mir gefälligst! Sag es mir ins Gesicht!" Die bedrückende Stille lastete schwer auf ihren Schulter. ,Es war ein Missverständnis, ein Missverständnis... sag nur, dass ich mich geirrt habe...bitte, ich kann dir doch vertrauen...du liebst mich doch...'

"Ja. Es ist wahr." Eine einfache Antwort, die mit einem Schlag alle bisherige Empfindung in ihr zu betäuben schienen. Worte, die ihr Herz in abertausend kleine Scherben zersplittern ließ und sie dabei von jedem Gefühl beraubte.

"Nimm es dir nicht so zu Herzen, Misa. Er ist es doch gar nicht wert. Morgen übergeben wir ihn der Polizei. Dann ist das alles nur noch Erinnerung.", flüsterte Seiji ihr mit einer süßlichen Stimme ins Ohr, ehe sie sich von ihm wie eine Marionette nach draußen führen ließ.

"Ruh dich ein wenig aus. Wir werden morgen das erste Flugzeug nach Kurata nehmen. Freust du dich nicht endlich wieder nach Hause zu kommen?" Schweigend nickte Misa nur geistesabwesend und merkte nur am Rande, als Seiji hinter sich die Tür schloss.
 

Das Mondlicht, das letzte Nacht die Dunkelheit erhellt hatte, wurde an diesem Abend von einer dicken Wolkenschicht verschluckt. In undurchdringlicher Finsternis tastete sich Misa vorsichtig voran, als ihr ein spitzer Gegenstand, der sich auf dem Schreibtisch neben dem Bett lag, in den Finger stach und selbst im Dunkeln hell aufblitzte.
 

Die kühle Luft auf ihrer Haut, die nur durch ein leichtes Kleid, das Seiji ihr noch für den morgigen Tag bereit gelegt hatte, bedeckt war und durch das weit geöffnete Fenster drang, ließ sie schrecklich frieren. Doch schenkte sie dem keine weitere Beachtung. Der Verrat, der diese Leere in ihr hinterlassen hatte, schien ihre gesamte Seele gefangen zu halten und sie von innen heraus zu verbrennen. Ein weiteres Mal fiel ihr Blick auf den silbrig glänzenden Gegenstand in ihrer Hand. ,Mama, war es das, was du damals gefühlt hast? Wie viele Jahre habe ich dich dafür verachtet. Ich habe es nicht verstanden. Und jetzt...'
 

,Habe ich mich so getäuscht? Hab ich dir den nichts bedeutet? Hast du denn nur mit mir gespielt? Warum?!....warum Kojiro...ich habe dir vertraut. Ich habe dich geliebt. Du verdammter Mistkerl! Warum tust du mir das an?!...ich liebe dich doch.' Tränenüberströmt rutschte Misa auf die kalten Fließen und fuhr federleicht mit der Spitze des funkelnden Brieföffners ihren Unterarm entlang. ,Hat dir unsere gemeinsame Nacht überhaupt etwas bedeutet?'
 

#Sanft streichelnde Hände auf seidener Haut. Leicht geöffnete Lippen, die den erhitzten Atem aushauchen. Der betörende Geruch des Geliebten und die ineinander verschränkten Finger, die ihm nach kurzem Zögern mit sanftem Druck bestätigen den letzten Schritt zu wagen. Ein leises Flüstern zwischen den engumschlungenen Körpern, die sich umgeben von schleierhaftem, weißen Mondlicht im steten Rhythmus einander hingeben.#
 

,Ich würde auch mit meinem Blut bezahlen, wenn ich diesen ganzen Tag vergessen könnte. Nur ein kleiner Schnitt und alles wäre vorbei. Es wird nicht lange dauern. Bewusstlos und dann tot...tot und dann... nichts mehr. In der Dunkelheit versinken und alles vergessen. Auch dich? Will ich das denn wirklich?... Ich bin so erbärmlich. Ich kann die Zeit mit dir noch nicht einmal bereuen.'
 

#"Mama....ich hab einen Schmetterling gesehen, der war sooo groß, den hast du noch nie.... Mama?" Achselzuckend als sie das Zimmer ihrer Mutter betrat und keine Antwort bekam, schlich sie sich mucksmäuschenstill zu dem kleinen Schmuckkästchen auf der Kommode. Mit glänzenden Augen musterte sie die funkelnden Juwelen und nahm eine der silbernen Ketten, die sie vor ihren Hals hielt. Doch gerade als sie sich im Spiegel betrachten wollte, fiel ihr Blick auf eine dunkelrote Pfütze, die sich hinter dem Bett gebildet hatte.#
 

#Die ausgestreckte Hand blutüberströmt, das braungelockte Haar verklebt, die Kleidung in Blut getränkt. Ein bleiches starres Gesicht. Die Augen und Lippen noch leicht geöffnet, als würde sie schlafen. Einen Schlaf für die Ewigkeit. Ein zitterndes Kind mit leerem Blick, unfähig sich zu bewegen, bevor es verzweifelt am leblosen Körper rüttelt und immer wieder dieselben Worte formt.#
 

Die Erinnerung klärte Misas Blick genauso wie den verdeckten Himmel, der langsam aufbrach. Zögernd ließ sie den Brieföffner sinken und atmete die schneidend kalte Luft des Winters ein. "Nein, noch ist es nicht so weit. Mama, wir sprechen uns später. Ich habe noch etwas zu erledigen." Dabei winkte sie lächelnd den ersten Sternen die sich an diesem Abend zeigten zu, bevor sie sich entschlossen auf den Weg machte, ihren Worten Taten folgen zu lassen.
 

"Rühr dich nicht von der Stelle! Sonst muss ich dir leider alle Knochen brechen. Anweisung vom Boss. Das verstehst du doch, oder?" Als jedoch keine zufriedenstellende Antwort zu hören war, riss er grob den hängenden Kopf an den Haaren in den Nacken und zwang Kojiro somit ihn anzusehen. Doch die blicklosen Augen seines Gegenübers zeigten sich völlig unbeeindruckt von den Schmerzen, die er mit dieser ruckartigen Bewegung verursachte und so ließ er bereits nach kurzer Zeit von dem Gefangenen ab und kehrte ihm den Rücken zu, bevor er ihn im Dunklen einschloss.
 

,Es ist vorbei. Ich sollte erleichtert sein. Keine Geheimnisse, keine Lügen...nichts. Ich vermisse dich. Hasst du mich, weil ich am Anfang beauftragt wurde in deiner Nähe zu bleiben, oder weil du die Wahrheit über mich erfahren hast? Es ist egal. Du wirst mich nie wieder so ansehen wie letzte Nacht.'
 

,Wie hätte ich es wagen können, dir noch einmal in die Augen zu sehen. Nachdem du jetzt erfahren hast, wer ich bin...' Die Erinnerung an jenem Septembermorgen schlich sich erbarmungslos in sein Gedächtnis und spiegelte jene Ereignisse und Gefühle glasklar wieder.
 

#Im dämmernden Licht schleichen Schatten umher. Schwarze Schatten, so dunkel wie die Nacht. Eine Dunkelheit zieht herauf, um zu verbergen, sich zu verstecken und doch kein Schutz vor der kriechenden Angst bietet, die sich leise und unaufhaltsam in das tiefste innere Selbst schleicht. Jeder Atemzug, jede noch so kleine Bewegung lässt den Schatten näher kommen, um zu zerstören, wonach er sucht. Wie jedes andere Mal zuvor, scheint Flucht zwecklos und das Unvermeidliche nur aufzuschieben.#
 

#,Ich höre seine Schritte, seinen Atem. Tief und rau, wie der eines Tieres auf der Jagd, um die erhaschte Beute zu zerreißen. So wird es auch sein, sobald er mich gefunden hat. Ich kann es spüren. Es dauert nicht mehr lange. Aber vielleicht....vielleicht verliert er die Lust daran mich zu quälen, wenn ich nicht schreie...aber ich werde schreien. So wie immer, bis ich bewusstlos bin. Dann ist es vorbei. Wenigstens bis die Jagd von vorne beginnt. Doch irgendetwas ist heute anders. Dieses Mal wird er sich nicht zurückhalten. Vielleicht habe ich Glück und es ist das letzte Mal. Einer von uns beiden wird dem ganzen ein Ende bereiten.'#
 

#,Meine Hände...Blut.....Blut! Überall!!!! Nein, das kann nicht sein.....Was ist das? Was ist das?! Glas....ich habe.....mein Gott.....Mörder....MÖRDER!!!! Was habe ich getan?! Die zerbrochene Flasche in meiner Hand... alles rot...es geht nicht ab... Aber ich...ich wollte doch nur mein Gesicht schützen! Ich wollte... wollte.......... doch nicht....... Bitte Mutter, sieh mich nicht so an...bitte.......... Ich kann dein Mitleid nicht ertragen... Verstehst du denn nicht, was ich gerade getan habe?! Ich habe meinen eigenen Vater getötet!!! Du musst mich hassen!!! Geh, fass mich nicht an! Ich bin das Letzte! Lass mich....lass mich........bitte.... Ich werde dich vermissen.'#
 

"Ich werde dich vermissen...." ,Wie oft hatte ich gehofft diese Worte nicht noch einmal sagen zu müssen. All die Jahre habe ich niemanden mehr an mich herangelassen. Und dann... dann kamst du. Du warst der erste Mensch bei dem ich so etwas wie Glück empfunden habe, Misa. Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals jemanden so lieben würde. Wie egoistisch von mir. Was wird jetzt aus dir und Hikari? Die Kleine wird wohl in einem der überfüllten Heime aufwachsen. Wenigstens wird sie nicht auf der Straße leben müssen. Aber was geschieht mit dir, wenn sie von deiner Kraft erfahren? Tzt... jetzt bin ich schon so weit, dass ich selbst daran glaube... Was werden sie mit dir tun? Verdammt! Schon allein der Gedanke daran, dass Seiji... Verdammt! Komm zurück, Misa! Du darfst ihm nicht vertrauen! Bitte, ich werde auch alles tun... Wenn du mir nur verzeihst.'
 

"Ich habe Hunger und mir ist kalt! Hallo, ist da jemand? Hört mich denn niemand?! Ich will zu meiner Mama..." Schluchzend vergrub sich Hikari in ihren Armen und weinte bitterlich, als sich plötzlich die Tür vor ihr öffnete.
 

"Wer...wer bist du?" Das Licht warf tiefe Schatten über das Gesicht des gewaltigen Mannes, der ihr den Weg nach draußen wies. "Na komm schon, meine Kleine. Du wirst mich doch nicht etwa vergessen haben? Dabei habe ich mich schon so darauf gefreut dich wiederzusehen."
 

"Komm her, ich tu dir auch nichts." Zögernd trat Hikari ins Licht, als sie sich schnell die letzten Tränen wegwischte, die über ihre Wangen rollten. "Komm her. Du trägst ein hübsches Kleid." Dabei beugte er sich näher zu dem kleinen Mädchen herunter, das etwas verwirrt seinen Bewegungen folgte. "Ich kenne dich nicht. Ich will...zu Misa."
 

"Du bist doch ein großes Mädchen. Du hast doch keine Angst vor mir?" Dabei setzte er sich auf einen der Lehnstühle, des schäbig eingerichteten Zimmers. "Du riechst sehr gut." Instinktiv wich Hikari ein paar Schritte zurück, als er nach ihr griff, bevor er sie mit sanfter Gewalt zu sich auf seinen Schoß zog und an ihr schnupperte. "Schhhh....es wird dir nichts passieren. Ich muss doch auf dich aufpassen. Das habe ich doch deiner Misa versprochen. Sie wollte nicht, dass du dich allein fühlst, solange sie weg ist."
 

Als er Misa erwähnte entspannte sich Hikari zusehends. Auch wenn er ihr fremd und ein wenig unheimlich war, so würde sie ihm doch vertrauen können. Schließlich hatte ihn Misa darum gebeten sich um sie zu kümmern. "Du bist ein braves Mädchen. Habe ich Recht? Und für brave Mädchen habe ich auch immer eine Überraschung. Du magst doch Überraschungen, oder?" Neugierig geworden nickte Hikari, als er unmerklich mit seinen Fingern ihr Knie berührte.
 

Zufrieden ließ er seine Hand höher wandern und beugte sich nahe an ihr Ohr. "Weißt du, mir ist ein wenig langweilig. Wenn du ein bisschen mit mir spielst, bekommst du deine Überraschung. Einverstanden?" Zögernd nickte Hikari ein weiteres Mal. "Bei den Erwachsenen gibt es so eine Art Spiel. Eigentlich ist es ein Geheimnis, aber dir werde ich es zeigen. Würdest du nicht gerne wissen, was die so machen, wenn sie sich ein wenig amüsieren wollen? Soll ich es dir zeigen?" Durch die ungewohnten Berührungen verunsichert schüttelte Hikari nur den Kopf und versuchte sich dabei klammheimlich dem unangenehmen Körperkontakte zu entziehen.
 

"Ich sagte doch, du brauchst keine Angst haben. Es ist nichts Verbotenes. Es ist sogar etwas sehr schönes, das sie machen, wenn sie sich ganz lieb haben. Deine Mama wäre bestimmt stolz auf dich, wenn du schon so ein großes Mädchen bist... Komm her." Das stetig liebevolle Lächeln auf seinem Gesicht, als er sie wieder an sich zog, nachdem sie sich vorsichtig gelöst hatte, ließ nichts Böses erahnen. Doch die Augen dieses Mannes glitten unruhig über Hikaris zierliche Form, während sein Atem schneller wurde, als er den nun zappelnden Leib an sich drückte und eine Hand zwischen ihre Beine gleiten ließ. ,Warum sieht er mich so komisch an? Ich will nicht, dass er mich da unten anfasst. Ich will doch nur nach Hause.'
 

Unbeweglich, starr vor Angst. Keine Zeit für Tränen. Keine Zeit!!! Kalter, harter Boden. So kalt und hart wie der Körper über ihr. Zu spät... Erstickte Hoffnung. Unbeantwortete Fragen. Verzweiflung, Wut, Schmerz. Kein Raum und keine Zeit für Gefühle... Sei ganz ruhig, sei still und bewege dich nicht!... Ein unbändiger Schmerz, der die Seele vergiftet, den Körper zerreißt. Keine Zeit für Gefühle und doch...es tut noch immer weh.
 

,...nein, ich will das nicht...geh weg...es tut so weh...er soll aufhören....warum hört er nicht auf? Ich will dieses Spiel nicht spielen! .....ich habe doch nichts Böses getan! Mama, ich will nach Hause...ich will doch nur nach Hause.......warum hat mich Papa weggeschickt? Hattet ihr mich nicht mehr lieb?...bitte, Mama,.....ich will doch nur, dass du mich wieder lieb hast...ich will doch nur wieder nach Hause...es tut so weh....es tut so weh, Mama...ich bin auch nie wieder böse, Mama..........'
 


 

Tja, vielleicht hätte ich vorher eine Warnung schreiben sollen, aber ich dachte allein von der Wirkung her ist es besser, wenn ich den Leser unvorbereitet wie die Protagnonisten selbst in diese Situation stoße.

Besonders der letzte Teil mit Hikari war schwer zu schreiben. Ich weiß zumindest noch, dass ich tagelang um den Computer geschlichen bin, weil ich die Szene NICHT schreiben wollte.

Ich hoffe inständig, dass ich damit niemanden verletzte. Aber diese und die nächsten Geschehnisse sind entscheidend für den späteren Verlauf der Handlung.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  BabyG2005
2005-11-17T17:14:19+00:00 17.11.2005 18:14
Nun wurde misa also entführt. Und das dann auch noch hikari mit reingezogen wurde. Nich schön. Geschieht kojiro irgendwie recht mit der ohrfeige. Hat er meiner meinung nach mal verdient *grins*
Irgendwie is die naivität von misa süß. Seiji redet da von einem mann, der auf sie aufpassen sollte. Sie kommt aba nich auf die idee, dass es kojiro sein könnte. Wie schafft es kojiro eigentlich sich ständig verprügeln zu lassen? Seiji is echt ein schleimer und ein arsch. Und jetzt weiß misa auch noch über das bescheid, worüber korjiro nicht mir ihr reden wollte. Damit hat er misa ja praktisch in die arme von seiji gespielt. Er hätte es ihr einfach früher erzählen sollen.
Mir tun die beiden leid. Für misa bricht eine welt zusammen und kojiro hat seine traumfrau verloren (!)
Aba das mit hikari war wirklich heftig. Ich finde echt das du hier mit rape hättest vorwarnen sollen. Dat tat richtig weh das ganze kapitel zu lesen. Und ich kann mir gut vorstellen wie du mit dir selbst gerungen hast, dass mit hikari zu schreiben. Ich hätte das wahrscheinlich nicht übers herz gebracht. Trotz alledem hat mir das kapitel gut gefallen. Mach weiter so!
Von:  Bettyna
2005-05-06T13:07:49+00:00 06.05.2005 15:07
Traurig und erschreckend. Nicht, dass ich jetzt abgestoßen bin, aber es ist echt erschütternd, einfach alles. Dass Misa jetzt etwas falsches von Kojiro glaubt und auch das mit Hikari. Ich habe gehofft, dass ihr das nie wieder zustößen würde. Ich finde die Darstellung dessen trotz allem sehr sensibel. Du bist eher passiv darauf eingegangen und das ist auch sehr gut geworden! U d jetzt geh ich heulen! =____= *snief*
Eins noch. Ich weiß nicht, ob ich es nur nicht verstanden hab, oder ob du das noch gar nicht aufgeführt hast: Ich verstehe nicht, WIE diese Kraft, die Misa und auch ihre Mutter innehat(te), genutzt werden kann. Auch wie das mit der Jungfräulichkeit zusammenhängt ist mir noch nicht ganz klar!
Aber ansonsten, einsame Spitze! ^-^
LG Bettyna


Zurück