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Leaving a Sign that I was there

私がいた証拠を残して
von

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Mitte Mai 2000 - Tokyo, Japan

Den Sonntag verbrachte Alexandra etwas ruhelos. Sie tigerte immer wieder durch's Haus, versuchte sich ein paar ihrer seltsamen Gedanken aus dem Kopf zu schreiben, legte ihre Schulsachen für den folgenden Tag bereit und machte schließlich noch einen kleinen Spaziergang in der Umgebung.

An diesem Abend ging sie früh zu Bett und sah der Sonne dabei zu, wie sie hinter den Häusern verschwand. Ihre Gedanken schweiften immer wieder zu ihrer Sitznachbarin ab und sie wusste nicht mal genau wieso. Der gestrige Tag hatte ihr sehr gut gefallen, aber sie mochte die ganze Truppe des Buchclubs gern, warum also zog sich in ihr etwas zusammen, wenn sie Akagi sah? Ihr Lächeln, wie sie über den Rand ihrer Brille sah, oder wie sie sich eine Strähne hinters Ohr strich ...

<Arg, warum denke ich das denn jetzt?!>

Vermutlich wollte sie sie einfach nur gern näher kennenlernen und mit ihr befreundet sein, befand sie, drehte sich auf die Seite und versuchte an etwas anderes zu denken.

Irgendwann übermannte sie der Schlaf, doch sie wachte immer wieder auf und sah ständig auf die Uhr. Als es schließlich sechs Uhr war, stand sie auf und ging in's Bad und schließlich nach unten um schon mal den Tisch zu decken.

"Du bist schon auf?" Alexandra zuckte zusammen, als ihre Mutter sie ansprach.

"Ja, ich konnte irgendwie nicht so gut schlafen heute Nacht. Bin dauernd aufgewacht..." murrte sie und stellte die Teller auf den Tisch. Ihre Mutter warf ihr einen fragenden Blick zu, sagte aber nichts weiter und gemeinsam deckten sie den Tisch.

Ihr Vater kam kurz darauf, begrüßte die beiden und ließ sich am Tisch nieder. Da die Schule in Japan später als in Deutschland startete, frühstückte er meistens schon mit ihrer Mutter und die Zwillinge kamen erst später dazu.

Alexandra frühstückte mit den beiden und als sie fast fertig und ihr Vater schon auf dem Weg zur Arbeit war, tauchte ihr Bruder auf.

Das Mädchen warf immer wieder einen Blick auf die Uhr und sprang schließlich vom Tisch auf, "Wir müssen los, hopp-hopp!" sagte sie zu ihrem Bruder, der sich eben ein Stück Brot in den Mund schob.

"Waff? Ef ift noch viel fu früh!" Er blickte sie verdattert an.

Seine Schwester rügte ihn mit einem Blick "Na gut, dann ich geh ich einfach schon mal vor. Ich ... muss noch was erledigen", fügte sie schnell hinzu und verschwand aus dem Haus, ihre Mutter und ihr Bruder blickten ihr verdutzt hinterher.

Alexandra wusste, dass zumindest ihr Bruder die Notlüge durchschauen würde, aber das war ihr egal. Sie rannte fast den kompletten Weg zur Schule. Warum sie sich eigentlich so beeilte, wusste sie selbst nicht, der Unterricht begann noch lange nicht und war zudem nicht besonders spannend - vor allem wenn man vieles gar nicht verstand -, aber auf den Buchclub freute sie sich wie immer, vermutlich lag ihre Eile daran.

Vor dem Schultor angekommen blieb sie erst mal kurz stehen und schnappte nach Luft, sie hatte in ihrer Aufregung nicht gemerkt, wie sehr sie außer Puste gekommen war. Raschen Schrittes bewegte sie sich auf das Gebäude zu und stand vor ihrem Klassenzimmer im zweiten Stock. Als sie die Tür mit leichtem Herzklopfen aufschob stellte sie mit Enttäuschung fest, dass es noch leer war; niemand war bisher da, aber es war auch noch eine ganze Weile bis zum Unterrichtsbeginn. Erneut strich sie über den Rock der Uniform, als könne sie ihn damit zum Wachsen bringen - diese Geste war ein ständiger Begleiter von ihr in der Schule geworden. Die Shorts hatte sie immer noch darunter und würde sie wohl so schnell auch nicht ablegen.

Als sie da so im Eingang stand und den Blick durch das Zimmer schweifen ließ wurde sie plötzlich halblaut von hinten angesprochen "Guten Morgen, Kaiser-san. Du bist aber früh dran."

Sie fuhr herum und sah Akagi vor sich stehen, "Akagi-san! O-ohayou gozaimasu!" Stammelte sie.

"Entschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken", sagte das andere Mädchen mit einem leicht verlegenen Lächeln.

"N-nein, schon gut", gab sie zurück und ging zur Seite, so dass ihre Sitznachbarin eintreten konnte. Da war es wieder, das Gefühl, dass sich in ihr etwas zusammenzog. Es war nicht unbedingt ein schmerzhaftes Gefühl, aber auf eine gewisse Art doch unangenehm. Gleichzeitig freute sie sich wahnsinnig das andere Mädchen wieder zu sehen.

Sie folgte Akagi zu ihren Plätzen hinüber, ließ sich an ihrem Tisch nieder und ertappte sich dabei, wie sie das andere Mädchen aus dem Augenwinkel beobachtete.

Diese schien die heimlichen Blicke zu spüren, drehte sich ihr zu und meinte mit einem seichten Lächeln "Du bist eine Schuluniform nicht gewohnt, oder?"

Alexandra zuckte ertappt zusammen, "W-was? J-ja" stammelte sie, "Ich trage eigentlich nie Röcke, wenn es sich vermeiden lässt. Ich fühle mich darin nicht besonders wohl ..."

Akagi legte ihre Tasche auf dem Tisch ab, "Dann solltest du dir für das nächste Schuljahr eine Uniform mit Hose aussuchen" meinte sie verständnisvoll. Ihr war nicht entgangen, dass das deutsche Mädchen permanent mit dem Kleidungsstück beschäftigt, am Samstag in der Latzhose aber offenbar viel entspannter gewesen war.

"Geht das denn?" Alexandra spitzte die Ohren, davon hatte sie Nichts gewusst.

Akagi legte den Kopf leicht schief, "Nicht auf allen Schulen, aber hier geht es. Man muss es bloß rechtzeitig vor dem neuen Schuljahr anmelden. Man kann auch die Rocklänge bestimmen, oder im Zweifelsfall selbst kürzen, wenn man das denn mag; das machen viele."

"Hätte ich das mal früher gewusst ..." sagte Alexandra mit einem Seufzen und lehnte sich etwas missmutig zurück.

Akagi ließ sich an ihrem Tisch nieder und begann ihre Schulsachen auszupacken, beiläufig fragte sie dann, "Hat es dir am Samstag gefallen?"

Alexandra nickte, "Ja, es war toll, danke. Ich würde mich freuen, wenn wir so was bald mal wieder machen" sprudelte es aus ihr hervor.

"Das würde mich auch freuen" gab das Mädchen mit den grünen Augen zurück und lächelte wieder. In Alexandra zog sich erneut etwas zusammen. War das ein schlechtes Zeichen, oder ein Gutes? Sie fand Akagi nett und wollte sie gerne näher kennenlernen, denn obwohl sie mittlerweile seit über einem Monat auf diese Schule ging und im Buchclub schon ein fast fest integriertes Mitglied war, so hatte sie doch privat noch keine wirklichen Kontakte geknüpft. War mit Akagi und den anderen also alles rein formeller Natur? Denn obwohl sie alle nett zu ihr waren, hatte sie schon gemerkt, dass es nicht einfach war als Ausländer Zugang zu den Japanern zu bekommen, die teilweise sehr verschlossen wirkten, dabei aber trotzdem immer höflich blieben.

Alexandra fragte sich, ob sie es wagen konnte, das Mädchen mal zu fragen, ob sie auch mal ohne die Leute vom Buchclub was unternehmen wollten; immerhin waren sie ja in einer Klasse und schienen sich auch so ganz gut zu verstehen. Sie mochte die anderen ebenso, aber zu Akagi fühlte sie irgendwie eine Art Verbindung, die sie nicht näher definieren konnte.

Ohne es zu merken grübelte sie darüber nach und starrte dabei abwesend das andere Mädchen an.

"Ist alles in Ordnung?" Fragte Akagi, die merkte, dass das langhaarige Mädchen sie auf eine verträumte Art ansah, und riss Alexandra damit aus ihren Gedanken.

"Hm?" Alexandra schreckte hoch und ihr Blick fixierte das Mädchen wieder, "Entschuldige, ich war gerade in Gedanken. Hast du etwas gesagt?"

Akagi schüttelte den Kopf, "Nein, schon gut." Sie legte ihre restlichen Sachen auf den Tisch und hängt ihre Tasche dann an der Seite des Tisches an den dafür vorgesehenen Haken. Sie hatte sich kurz etwas unwohl gefühlt, als sie dachte, das andere Mädchen würde sie anstarren, aber offenbar hatte das Mädchen mit den blauen Augen nur verträumt in die Landschaft und gar nicht explizit sie angesehen.
 

Die Tage verflogen und plötzlich war es schon Ende Mai. Alexandra fühlte sich in der Gruppe sehr wohl, verspürte aber auch immer noch das Bedürfnis ihre Sitznachbarin näher kennen zu lernen. In der Klasse war das Mädchen nach wie vor recht einsam und Alexandra hatte das Gefühl, dass sie tatsächlich außerhalb vom Buchclub keine anderen Bekanntschaften pflegte. Vielleicht wollte sie sich gerade deswegen mehr mit ihr anfreunden.

An diesem Morgen hatte Alexandra ihren Bruder beim Frühstück etwas angetrieben und die beiden waren pünktlich in der Schule. Thomas fragte sich, warum seine Schwester es neuerdings immer so eilig hatte, aber ihm war auch nicht entgangen, dass sie etwas nervös wurde, wenn ihre Sitznachbarin in der Nähe war. Das war ihm schon bei dem Tag in der Eisdiele aufgefallen und seine Schwester war sonst eigentlich nicht so ein nervöser Typ Mensch.

Den Schultag überstand Alexandra mit Mühe und gemeinsam mit Akagi ging sie nach dem Unterricht zum Buchclub. Sie überlegte, ob sie es ansprechen sollte, dass sie gerne wieder was mit den anderen machen würde, aber sie wollte sich nicht aufdrängen. Sie hatte Angst, dass die anderen dann das Gefühl hätten sich mit ihr treffen zu müssen, anstelle vielleicht etwas zu unternehmen, was sie wirklich tun wollten.

"Hallo Senpai", wurden die beiden von Fuji begrüßt, als sie die Bibliothek betraten. Sie grüßten zurück und machten es sich auf den Sitzgelegenheiten bequem. Fuji und Alexandra hatten sich auf eine Ecke des Sofas gesetzt, während Akagi es sich auf einem der beiden Sessel bequem machte und ihre Brille hervor zog. Kurz darauf trafen auch Kusawa und Honda ein und die Besprechung ihres aktuellen Buches konnte beginnen.

Alexandra merkte, dass Fuji sie immer wieder zu beobachten schien. Offenbar war das jüngere Mädchen, seit ihrem Treffen auf dem Spielplatz aufmerksamer und betonte ihre Aussprache extra langsam und deutlich. Die anderen gaben sich ebenfalls Mühe wenn Alexandra zugegen war, das entging ihr nicht, aber das Mädchen mit den zwei Zöpfen schien es ganz genau zu nehmen. Sie fragte zwar nie nach, ob Alexandra alles verstanden hatte - vermutlich, um ihr keine Blöße zu geben -, aber an den Blicken, die sie ihr im Gespräch zuwarf, merkte sie eindeutig, dass sie es ihr zuliebe tat. Sie lächelte sie dankbar an und Fuji nickte seicht.

Als der Buchclub fast am Ende war, überlegte Alexandra immer noch, ob sie ein weiteres Treffen vorschlagen sollte. Ohne es zu merken knetete sie dabei verkrampft ihre Hände.

"Stimmt was nicht, Kaiser-san?" sprach Fuji sie plötzlich an und Alexandra war völlig perplex, als das Mädchen ihre Hand beruhigend auf ihren Arm legte. Diese Art Körperkontakt kannte Alexandra von ihren bisherigen Begegnungen mit der japanischen Bevölkerung nicht.

Sie sah dem Mädchen in die fragenden braunen Augen und schüttelte dann leicht verlegen den Kopf, "Es ist alles in Ordnung, ich dachte nur ... ich wollte fragen, ob ..." sie suchte krampfhaft nach Worten. Ihr Japanisch war einfach noch nicht so gut, also blieb ihr nur übrig es recht direkt zu formulieren, "Der Nachmittag in der Eisdiele hat Spaß gemacht und ich wollte fragen ... hättet ihr Lust das zu wiederholen?" Rang sie sich schließlich ab.

Die anderen blickten sie an, sahen in die Runde und nickten dann lächelnd, "Ja, es hat Spaß gemacht und sicher finden wir noch mal einen Termin, an dem wir uns treffen können" meinte Kusawa schließlich und Alexandra fühlte sich erleichtert, weil ihr Vorschlag so positiv aufgenommen wurde.

"Diesen Samstag kann ich leider nicht", sagte Fuji etwas enttäuscht.

"Ich kann leider auch nicht, wir fahren am Wochenende zu meiner Großmutter auf's Land" räumte Honda ein.

"Dann müssen wir das wohl erst mal vertagen" meinte Kusawa und blickte das ausländische Mädchen etwas entschuldigend an.

"E-es muss ja auch nicht diese Woche sein", murmelte Alexandra, "jede andere Woche ist genau so gut."

Sie verabredeten sich also unverbindlich für den Samstag in der Woche darauf und alle versprachen, abzuklären, ob dieser Tag bei ihnen möglich wäre.

Als sie ihre Sachen zusammen packten war Alexandra erleichtert. Sie stieß nicht auf Ablehnung, wie sie befürchtet hatte und sie gab die Hoffnung noch nicht auf, aus diesen Bekanntschaften richtige Freundschaften machen zu können.

Als die beiden Ältesten des Clubs als letzte das Schulgebäude verließen und langsam Richtung Tor gingen, gab Alexandra sich einen Ruck.

"Ähm ... d-darf ich dich was fragen, Akagi-san?"

"Natürlich, was gibt es, Kaiser-san?" Das Mädchen blieb am Schultor stehen und lächelte Alexandra an.

Diese durchlief eine Welle und ihr Magen zog sich zusammen, als sie in die grünen Augen blickte. Schnell wendete sie den Blick ab und sammelte sich kurz.

"I-ich wollte fragen, ähm ... hä-hättest du Lust mal was ... zu unternehmen? A-also nur wenn du magst" setzte Alexandra schnell hinzu und hatte das Gefühl, dass sie rot wurde. Ihr Herz schlug vor Aufregung plötzlich schneller.

"Wir treffen uns doch demnächst wieder mit dem Buchclub" antwortete Akagi, weil sie dachte, Alexandra hätte die Unterhaltung vielleicht nicht komplett verstanden.

"D-das meinte ich nicht", murmelte Alexandra und kam sich dabei furchtbar seltsam vor.

"Oh ...", Akagi war sich nicht sicher, was das andere Mädchen ihr zu sagen versuchte und strich sich verlegen eine Haarsträhne hinters Ohr.

"Wi-wie gesagt, nur wenn du magst" murmelte das langhaarige Mädchen und wollte die Hände in die Hosentaschen stecken, doch dann merkte sie, dass sie immer noch die Schuluniform anhatte. Sie wich dem Blick von Akagi aus, was das ganze sicher noch merkwürdiger machte. "Ich dachte nur, weil wir ja in die selbe Klasse gehen, gleich alt sind und so ..." Alexandra wusste nicht, wie sie noch erklären sollte, dass sie das andere Mädchen einfach kennenlernen wollte, ohne mit der Tür in's Haus zu fallen.

Akagis Blick hellte sich auf, "Ach so meinst du das. Entschuldige, ich bin es nur nicht gewöhnt, dass Leute mit mir etwas unternehmen möchten ..." Sie klang etwas traurig, als sie das eingestehen musste, aber sofort fügte sie an, "Das ist nett von dir Kaiser-san und ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns mal treffen würden."

"J-ja?" Alexandra blickte sie leicht hoffnungsvoll an und das andere Mädchen nickte aufrichtig, "das freut mich." Sie war erleichtert, dass Akagi ihren Vorschlag so gut aufgenommen hatte, auch wenn die Situation zuerst komisch wirkte. "Dann bis morgen?" Fügte sie noch an und als Akagi die Aussage bestärkte verabschiedeten sich die beiden Mädchen voneinander und gingen nach Hause.

Alexandra war jetzt wohler um's Herz. Sie hatte sich so dämlich angestellt, dabei wollte sie mit dem Mädchen, das jeden Tag neben ihr saß, doch nur ein bisschen besser befreundet sein. Sie schob ihre Nervosität und Unsicherheit auf die mangelnden Sprachkenntnisse, dabei konnte sie diese Art Konversation inzwischen ganz gut verfolgen und auch schneller reagieren.
 

Am nächsten Tag war Alexandra wieder früh in der Schule und sah gerade aus dem Fenster, als sie von hinten leise angesprochen wurde.

"Guten Morgen, Kaiser-san", hörte sie die Stimme von Akagi sagen und als sie sich umdrehte stand das Mädchen mit den grünen Augen neben ihrem Tisch.

"Guten Morgen, Akagi-san" erwiderte sie und freute sich aufrichtig ihre Sitznachbarin zu sehen.

Das Mädchen trat neben sie und gemeinsam blickten sie aus dem Fenster. Der Himmel war strahlend blau und es würde ein wunderschöner sonniger Tag werden.

Bevor sie noch etwas sagen konnte ergriff Akagi scheu das Wort, "Was ... hattest du dir denn vorgestellt, was wir machen könnten?"

Alexandra war überrascht, dass das Mädchen die Thematik vom Vorabend so direkt aufgriff und war etwas überrumpelt, "Ähm ... ich weiß nicht ...", sie kratzte sich verlegen am Kopf, "H-hast du eine Idee?"

"Sollen wir ... vielleicht in's Schwimmbad gehen?"

"W-was?" Alexandra wandte ihr den Kopf zu und hatte das Gefühl, ihre Ohren würden heiß werden.

"Möchtest du das nicht? Ich meine ... wäre dir das unangenehm? Du magst ja die Schuluniform auch schon nicht besonders ..." Akagi bekam selbst einen leicht roten Schimmer auf den Wangen, und fügte dann hinzu, "Entschuldigung, das war eine blöde Idee. Mir fällt sicher noch was anderes ein."

"N-nein ..." stammelte Alexandra. Sie war von dem Vorschlag überrascht, denn sie hatte nicht gedacht, dass Akagi ausgerechnet so was vorschlagen würde. Und sie war sich nicht sicher, wie sie es finden sollte. Tatsächlich war sie kein Schwimmbad-Mensch, weil ihr der Badeanzug auch immer etwas unangenehm war, aber sie wollte das andere Mädchen nicht vor den Kopf stoßen, also rang sie sich zu einer Antwort durch, "A-also, wenn das für dich okay ist, dann klar, warum nicht?"

Akagi lächelte etwas verlegen, "Tut mir leid, dass ich so einfallslos bin."

Alexandra schüttelte den Kopf, "Es muss dir nicht leid tun, der Vorschlag ist gut. Ich hab ja selber auch keine Ideen."

Wieder lächelte Akagi sie an und Alexandras Magen schien eine Drehung zu vollführen. Was war nur los mit ihr? Wurde sie etwa krank, jetzt wo sie sich gerade begann mit dem anderen Mädchen anzufreunden?

Da der Samstag mit dem Buchclub ja leider flach gefallen war, verabredeten sie sich für diesen Tag im nahegelegenen Schwimmbad. Sie wollten sich wieder am Nachmittag treffen und Akagi beschrieb Alexandra so gut es ging, wo das Schwimmbad sich befand.

"Im Zweifelsfall können wir uns auch an einem Ort treffen, den du kennst", schlug das Mädchen noch vor und Alexandra nickte die Idee dankbar ab, wollte sich aber zuerst selber schlau machen. Dank ihrem Vater besaßen sie inzwischen Zuhause einen Internetanschluss und zur Not täte es vermutlich auch ein Telefonbuch um die genaue Adresse des Schwimmbads in Erfahrung zu bringen.

Eine seltsame Stille trat zwischen die beiden Mädchen, die jetzt wieder aus dem Fenster sahen, und wurde erst unterbrochen, als mehr Schüler in den Klassenraum strömten und den Lärmpegel hinauftrieben.

Da an diesem Tag kein Buchclub anstand verabschiedeten die beiden Mädchen sich nach dem Unterricht vor dem Schultor und Alexandra ging, in Gedanken versunken, nach Hause.

Sie war bei der Schwimmbad-Sache immer noch Unsicher - war es eine gute Idee? Sie würde sich vermutlich neben dem anderen Mädchen in Grund und Boden schämen, außerdem fand sie es auch etwas unangenehm schon im Schulsport alle so knapp bekleidet zu sehen, wie würde das dann erst in einem Schwimmbad werden?

Zuhause angekommen ging sie erst mal ihren Badeanzug suchen und hoffte, dass er noch passen würde.

Als sie gerade in den noch nicht ausgeräumten Umzugskartons mit den Klamotten kramte, steckte ihre Mutter den Kopf zur Tür herein.

"Was suchst du denn?" Wollte sie wissen.

"Hm, meinen Badeanzug ..." murmelte Alexandra eine Antwort und zog sommerliche Kleidung aus dem Karton.

"Wozu das denn? Du gehst doch gar nicht gern in's Schwimmbad." Ihre Mutter konnte ihre Überraschung nicht verbergen und trat neben ihre Tochter, um ihr über die Schulter zu schauen.

"Jaaa, tu ich auch nicht, aber ... ich habe mich für Samstag mit meiner Klassenkameradin spontan zum Schwimmen verabredet", antwortete sie etwas abwesend, "Sofern ich das blöde Teil überhaupt finde ..." grummelte sie.

"Warte mal, ich glaube die Schwimmsachen habe ich bei mir im Schrank, weil du ja eh nie schwimmen gehen wolltest." Ihre Mutter verließ das Zimmer und kam nach kurzer Zeit wieder. In der einen Hand hielt sie Alexandras Badeanzug, in der anderen eine Badekappe. "Die solltest du vielleicht in Betracht ziehen, damit du deine Haare hinterher nicht stundenlang föhnen musst."

"Ach, es ist doch warm", winkte Alexandra ab, nahm sie jedoch trotzdem an, "Aber vielleicht hast du recht, ich weiß ja nicht wie streng die in Japan mit so was wie Haaren sind."

Flugs schlüpfte sie aus ihrer Schuluniform und probierte, ob der Badeanzug noch passte; und das tat er. Sie war ein wenig erleichtert, weil sie sich dann nicht noch um einen neuen kümmern musste, trotzdem blieb das leichte Unwohlsein in ihrer Magengrube.

Sie nutzte die Gelegenheit und suchte im Telefonbuch nach dem Schwimmbad, aber da sie nicht wusste wie man den Namen des Schwimmbads schrieb fing sie nicht viel damit an; sie beschloss Akagi am nächsten Tag nach der genauen Adresse zu fragen.

Beim Abendessen erzählte wieder jeder etwas von seinem Tag und Alexandra kam nicht umhin die Sache mit dem Schwimmbad zu erwähnen.

Ihr Vater sah sie mit einer Mischung aus Verwunderung und Freude an, "Du gehst also mit Dr. Akagis Tochter schwimmen? Du? Die sonst nie in ein Schwimmbad wollte?"

Seine Frau kicherte, "Das hab ich mir auch gedacht", doch als sie sah, dass ihre Tochter etwas beschämt dreinschaute fügte sie hinzu, "aber es ist doch schön, so findet sie hier wenigstens Freunde." An ihre Tochter gewandt meinte sie noch, "Ich freu mich für dich Schätzchen. Das wird dir sicher Spaß machen und auch mal gut tun."

Alexandra biss sich verlegen auf die Lippe und antwortete dann schroffer, als sie es meinte, "Ja und? Menschen ändern sich" und an ihren Bruder gewandt fügte sie hinzu, "Und nein, diesmal brauche ich keinen, der mich bringt oder abholt." Damit legte sie ihr Besteck weg und sah ihre Eltern an, "Ich bin fertig, darf ich aufstehen?"

"Natürlich" sagte ihre Mutter nur und tauschte mit ihrem Mann einen schuldbewussten Blick aus.

Alexandra hatte kaum was gegessen, aber irgendwie hatte sie sich durch dieses Gespräch in die Ecke gedrängt gefühlt und darauf hatte sie gereizt reagiert. Dadurch war ihr der Appetit vergangen. Aber da ihr Magen zur Zeit eh etwas zu spinnen schien, machte ihr das wenig aus.

Sie freute sich natürlich auf das Treffen mit dem anderen Mädchen, aber sie war auf so vielen Ebenen super nervös, dass sie es nicht aushielt von ihrer Familie auch noch aufgezogen zu werden.

Sie ging in ihr Zimmer und ließ sich auf's Bett fallen.

<Die anderen haben keine Vorstellung davon wie viel Überwindung mich das kostet ...>, seufzte sie in sich hinein und rollte sich zum Fenster, <Ich wollte Akagis Vorschlag aber auch nicht direkt ablehnen, nur weil ich mich damit nicht wohl fühle ... Sie schien es zwar bemerkt zu haben, aber jetzt kann ich doch keinen Rückzieher mehr machen; das wäre irgendwie doof ...>

Nach ein paar Minuten klopfte es vorsichtig an ihre Zimmertür und die Stimme ihres Vaters drang dumpf von der anderen Seite herüber, "Darf ich reinkommen?"

Alexandra richtete sich auf, "Ja" antwortete sie ihm und setzte sich im Schneidersitz auf's Bett.

Ihr Vater trat herein und auf seinem Gesicht lag ein schuldbewusster Ausdruck. Er schloss die Tür hinter sich und setze sich neben ihr auf das Bett.

"Es tut mir leid, wenn ich dir das Abendessen verdorben habe. Ich wollte dich nicht verärgern" sagte er schließlich.

Alexandra schüttelte seicht den Kopf, "Nein, schon gut, ich hatte eh nicht so wirklich Hunger." Antwortete sie und fügte dann hinzu, "Du hast ja recht, ich gehe tatsächlich nicht gerne in's Schwimmbad, deswegen bin ich vermutlich auch so nervös." Sie blickte ihn verlegen an.

"Warum überlegt ihr euch dann nicht was anderes? Sicher versteht sie das" versuchte er einen Vorschlag zu machen.

"Ich hab schon zugesagt und möchte das ungern umwerfen, außerdem ... vielleicht hilft es mir auch, mich zu überwinden."

Er wuschelte ihr aufmunternd durch's Haar, "So ist's recht. Ich versteh das, aber vielleicht ist es manchmal gut, sich seinen Ängsten zu stellen." Alexandra nickte unter seiner Hand nur. Sie wusste, dass ihre Eltern es nicht böse gemeint hatten, aber es hatte sie doch irgendwie geärgert, dass sie sich auf Gunsten ihrer Ablehnung gegen Schwimmbäder amüsiert hatten.

"Und du bist mir oder deiner Mutter wirklich nicht böse?" Hakte er nochmal nach.

"Nein", sie gab sich Mühe ihn anzulächeln. Innerlich kämpfte sie gegen das Unwohlsein an, das sich in ihr ausbreitete, wenn sie an den Schwimmbadbesuch dachte, aber wirklich böse war sie ihren Eltern nicht gewesen.

"Dann bin ich beruhigt. Ich dachte schon, ich hätte dich jetzt vergrault", er grinste sie an, "Zur Entschuldigung gebe ich dir und deiner Freundin ein Eis aus, oder was auch immer japanische Kids gerne im Schwimmbad essen."

Alexandra lachte, "Das weiß ich nicht, aber danke Papa."

Mit einem erneuten Wuscheln durch ihren Schopf erhob er sich vom Bett und verließ das Zimmer seiner Tochter wieder. Alexandra fühlte sich besser und versuchte erst mal nicht mehr über das Thema nachzudenken.
 

Am nächsten Morgen sprach sie Akagi auf die Adresse des Schwimmbads an. Diese schrieb sie ihr auf einen Zettel - extra mit Furigana darüber -, damit auch Leute, die den Kanji noch nicht so mächtig waren, alles lesen konnten.

"Danke, das hilft mir sehr", sagte Alexandra, faltete den Zettel sorgsam zusammen und steckte ihn in ihren Geldbeutel, "Im Telefonbuch konnte ich nicht alles lesen und war mir dann unsicher wegen der Adresse."

"Kein Problem", antwortete Akagi lächelnd und fügte dann hinzu, "Wie gesagt, wir können uns auch gerne irgendwo treffen, wo du dich auskennst und gemeinsam hingehen."

Das Angebot löste in Alexandra eine kleine Welle an Freude aus und sie beschloss kurzer Hand, es anzunehmen. Sie nickte dankbar, "Das würde ich gerne."

Akagi überlegte kurz und sagte dann, "Wie wäre der Einkaufsladen, in dem wir uns mal begegnet sind? Von dort aus ist es nicht mehr so weit bis zum Schwimmbad."

Das langhaarige Mädchen nickte erneut, "Ja, dort finde ich hin, das wäre super."

"Dann machen wir es so" entschied Akagi und die beiden machten noch eine Uhrzeit aus.

Mit einem Mal wurde Alexandra klar, dass das ja bereits der morgige Tag wäre und eine Mischung aus Freude und Aufregung regte sich in ihrer Magengegend. Sie konnte sich kaum auf den Unterricht konzentrieren und auch im Buchclub schweifte sie immer öfter mit ihren Gedanken ab. Die Aufregung überwog und sie hatte Angst, dass sie sich in Grund und Boden schämen würde.

Als sie sich am Ende des Buchclubs verabschiedeten war das langhaarige Mädchen schon recht hibbelig geworden und machte sich schleunigst auf den Heimweg, in der Hoffnung, dass sie sich wieder etwas beruhigen würde vor dem morgigen Tag.



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