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Trink das Leben in vollen Zügen

von

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Das Schließen der Zugtür

Ihre Augen trafen sich. Sie versanken ineinander.
 

Nun endlich also, nach all der langen Zeit, hatten sie den Mut gefunden, auszusprechen, was sie beide bewegte. Jako konnte es kaum fassen, dass all seine Ängste umsonst gewesen waren. Dass Marti ihn genau so mochte wie er ihn ... wow, das war überwältigend.
 

Martis Daumen streichelte immer noch über Jakos Hand.

Er schien nicht zu wissen, was er jetzt tun oder sagen sollte. Jako wusste es auch nicht ... obwohl ... zwei Verliebte, die sich zu ersten Male ihre Gefühle gestanden hatten ... da gab es doch eigentlich nur eines, oder?

Er stand auf, beugte sich nach vorn, stützte sich mit den Händen auf die Seitenteile des Rollstuhls und legte seine Lippen sanft auf die von Marti.
 

Sie fühlten sich weich an und schmeckten ein ganz kleines bisschen nach Erdbeeren. Er bewegte sich sanft, und dann, nach einem ersten verblüfften Schreck, erwiderte Marti den Kuss.

Es blieb ein sanfter, fast unschuldiger Kuss, aber der erste Schritt war getan.

Jako löste sich wieder und setzte sich zurück auf seinen Sitz. Er lächelte glücklich, Marti grinste verschmitzt.
 

„Ich glaube“, sagte er, „jetzt haben wir zumindest mal geklärt, wie wir zueinander stehen ...“

„Ja“, sagte Jako, „das haben wir wohl.“

Es war ein wunderbares Gefühl, zu wissen, dass das Warten, das Leiden, das Suchen nicht umsonst gewesen war.
 

„Jako, als mir klar wurde, dass ich wohl nie wieder laufen kann, da war ich kurz davor, aus meinem Bett zu steigen und aus dem Fenster zu springen. Und weißt du, was mich daran gehindert hat? Also abgesehen von der Tatsache ...,“ er schaute grinsend auf seine Beine, „dass ich es nicht konnte?“

Jako hatte schon immer eine Schwäche gehabt für Galgenhumor. Und als er jetzt sah, wie Marti grinste und seine Mundwinkel zuckten, da konnte er nicht anders und begann zu kichern.

Marti kicherte ebenfalls, und kurz darauf waren sie beide in ein wohltuendes, befreiendes Lachen ausgebrochen.
 

„Nein, aber mal ernsthaft“, sagte Marti und wischte sich ein Lachtränchen aus den Augen, „was mich abgehalten hat, Dummheiten zu machen, war der Gedanke an dich. Und dass ich dich vielleicht irgendwann doch noch wiedersehe.“

Jakos Herz schlug wild und er konnte nicht anders, er küsste Marti erneut.
 

So verbrachten sie den Rest der Fahrt mit reden, schweigen, und küssen.

Das Reden war etwas durcheinander, weil sie beide ebenfalls durcheinander waren.

Das Schweigen war ein gutes Schweigen ohne jegliche Verlegenheit. Es war ein Schweigen, das einfach eine Menge Gemeinsamkeit beinhaltete.

Und das Küssen war, nun ja, erst noch schüchtern. Aber sie genossen es. Es war etwas, von dem sie beide so lange geträumt hatten.
 

Der Zug kam voran.

Bäume, Häuser, Menschen, einsame Rehe auf den winterkalten Feldern ... und dann kam der Moment, wo die Ansage des Zuges kam:

„In wenigen Augenblicken erreichen wir Braunschweig Hauptbahnhof! Sie erreichen alle Anschlusszüge ...“
 

Jako hörte nicht mehr zu, er packte hektisch in seine Jackentasche und holte sein Handy heraus.

„Ich weiß immerhin schon, dass du Fischer heißt, das habe ich vorhin belauscht. Aber ich lass dich nicht aus diesem Zug aussteigen, ohne dass wir unsere Nummern ausgetauscht haben!“

Marti lachte und holte sein Handy aus seiner Bauchtasche.

Dann diktierte er Jako seine Nummer und fragte, während der ihm eine SMS sandte, damit er seine Nummer ebenfalls speichern konnte:

„Wie heißt du eigentlich? Ich muss doch wissen, unter was ich dich speichern kann.“
 

Jako sprang auf, dann machte er eine formvollendete Verbeugung und sagte mit arrogant näselnder Stimme:

„Gestatten, Joiko. Jannik Konstantin Joiko, Agent 0815 mit der Lizenz zum Dusselig anstellen.“

Marti grinste.

„Jannik Konstantin? Dein Ernst?“

Jako nickte.

„Aber wehe du nennst mich jemals so! Dann solltest du so schnell und so weit du kannst rennen!“

Er merkte erst im nächsten Augenblick, was er da gesagt hatte und hielt erschrocken inne.

Marti jedoch kicherte wieder. Ihm tat es gut, das Jako so unkompliziert und locker mit ihm und seiner Situation umging. Mitleid bekam er nämlich schon genug, davon hatte er gediegen die Nase voll.

Er brach wieder in Lachen aus und da konnte Jako nicht anders, als mit zu lachen.
 

Der Zug wurde langsamer.

„Ich werde gleich von meiner Schwester abgeholt“, sagte Marti. „Sie bringt mich mit dem Bulli der Eltern nach Salzgitter. Mama und Papa haben sich extra meinetwegen das Auto angeschafft, mit Rampe und Platz für den Rolli.“

Er seufzte.

„Ich musste Mutter versprechen, dass ich einmal im Monat wenigstens nach Hause komme. Sie hätte am liebsten gesehen, wenn ich bei ihnen geblieben wäre, aber so sehr ich meine Eltern liebe- dabei wäre ich verrückt geworden. Ich will mein Leben selber in die Hände nehmen. Und auch wenn im Moment noch vieles ungewohnt und schwierig ist und noch nicht rund läuft, irgendwann kriege ich alles hin. Ganz sicher.“

Jako nickte.

„Außerdem bist du ja jetzt nicht mehr alleine. Du hast einen Freund.“

Er wurde knallrot. War er damit zu schnell gewesen?

Aber Marti strahlte.

„Ja, ich habe jetzt einen Freund.“
 

Der Zug hielt. Diesmal waren es zwei Damen mittleren Alters, die in den Jacken der Bahnhofsmission daherkamen und Marti aus dem Zug halfen.

Die junge Frau, die Jako inzwischen als Martis Schwester kannte, stand auf dem Bahnsteig und umarmte ihren Bruder.

Marti winkte ihm noch einmal zu und rief:

„Bis bald! Wir telefonieren!“
 

Dann ertönte die Ansage:

„Achtung, die Türen schließen! Vorsicht am Bahnsteig!“
 

In diesem Augenblick sprang Jako auf, er schnappte seine Tasche und sprang, gerade als die Türen tatsächlich zu gingen, auf den Bahnsteig. Er hörte Martis erschrockenen Aufschrei, er kam ins stolpern, fing sich wieder und lief dann zu Marti und seiner Schwester.

„Bist du irre!?“, schimpfte Marti. „Du hättest dich verletzen können!“

„Ich hab dich einmal ziehen lassen“, sagte Jako entschlossen, „und das werde ich nicht noch einmal zulassen!“



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