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Trink das Leben in vollen Zügen

von

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Der Fortlauf des Lebens

Der Frühling ging in den Sommer über, und Jako fuhr inzwischen nur noch einmal im Monat übers Wochenende zu den Eltern. Beide hatten ihm ins Gewissen geredet. Dem Vater ging es wieder recht gut, und sie wollten nicht, dass sein Studium unter all dem leiden würde. Und sie wollten nicht, dass er auf Dauer so gestresst wäre.

Also hatten sie sich auf einen Besuch im Monat geeinigt, und damit waren alle zufrieden.
 

Als die heißesten Tage des Hochsommers über Deutschland brüteten, saß er wieder im Zug und dachte zurück an den letzten Sommer, wo er Marti kennengelernt hatte.

Er sah die blauen Augen und die süßen Grübchen vor sich, als würde der kleinere vor ihm stehen.

Sein Herz zog schmerzhaft vor Sehnsucht und er schloss die Augen, um die Tränen zurückzudrängen.
 

Jedes mal, wenn er sein Ticket für die nächste Fahr buchte, dachte er an Marti.

Jedes mal, wenn er sich einen Kaffee to go an diesem kleinen Bäckerstand vorn am Bahnhof holte, dachte er an Marti.

Jedes mal, wenn er sich seufzend auf der Bank am Bahnsteig niederließ und seine Tasche auf dem Boden abstellte, dachte er an Marti.

Jedes mal, wenn der Zug in Braunschweig hielt, dachte er an Marti.
 

Das Leben ging weiter.

Jako steckte alle Kraft in sein Studium, um versäumtes aufzuholen.

Sein Bandprojekt mit Felix nahm Fahrt auf, sie arbeiteten intensiv an ihrem Album.

Und sie bauten ihren YouTube Kanal aus, ihre stetig wachsende Fangemeinde dankte es ihnen.

Es ging voran, sein Leben lief in aufstrebenden Bahnen.

Nur sein Herz, das tat ihm immer noch weh.
 

Der Sommer ging unmerklich in den Herbst über, und seine Gedanken an Marti wurden seltener.

Schließlich muss man ja nach vorne blicken, nicht?

Sein Herz igelte sich ein und ließ nicht zu, dass jemand ihm zu nahe kam. Es gab da durchaus Menschen, die seinen Weg kreuzten, die dieses Herz näher hätten kennenlernen mögen ...

Es gab Augen, die ihn verliebt anschauten...

Aber sein Herz hatte dafür keinen Platz, und so gingen diese Begegnungen vorüber, ohne bleibende Eindrücke zu hinterlassen.
 

Der Herbst brachte Stürme und viel Regen, ja geradezu Unwetter mit sich.

Wenn er nun auf dem zugigen Bahnhof stand, die Hände nach Wärme heischend um den Kaffeebecher geschlungen, wartend auf den Zug, dann dachte er an Marti.

Wenn er seinen Platz im Zug eingenommen hatte und sein Gepäck verstaut hatte, dachte er an Marti.

Wenn er aus dem Fenster sah und draußen sich die Bäume im Wind bogen, dann dachte er an Marti.

Wenn der Regen laut prasselnd gegen die Fenster des Abteils peitschte, dann dachte er an Marti.

Denn auch wenn er es in seinem Alltag schaffte, die blauen Augen und die bezaubernden Grübchen auszublenden; bei jenen Zugfahren waren sie vor seinem inneren Auge allgegenwärtig.

Und er musste sich der Tatsache stellen, dass der Verlust eines Menschen, der gerade begonnen hatte, ihm etwas zu bedeuten, noch lange in seiner Seele nachklingen und wehtun würde.
 

Der überaus stürmische Herbst ging in den Winter über.
 

Jako und Felix begannen, für das nächste Jahr ihre erste Tour zu planen.

Das brachte eine neue Menge an Arbeit mit sich, aber es tat gut, denn wenn er beschäftigt war, hatte er keine Zeit, trüben Gedanken nachzuhängen.

Es gab soviel zu durchdenken und zu organisieren. Gleichzeitig musste das Album zum Abschluss gebracht werden.

Arbeit über Arbeit, genau das, was er brauchte.
 

Und so kam es, dass nach und nach die Gedanken an Marti immer weniger wurden und aus seinem Alltag beinahe ganz verschwanden.
 

An einem frostigen, klaren Dezembertag stand er wieder am Bahnsteig, und es war wie ein umgelegter Schalter:

Sobald er am Bahnhofseingang stand, waren die blauen Augen und die Grübchen wieder präsent.
 

Er holte Kaffee, denn um eine Thermoskanne Tee mitzubringen, fehlte ihm die Motivation – er hatte ihn doch immer für Marti gemacht.
 

Es war der Freitag vor dem zweiten Advent.

Seine letzte Fahrt in diesem Jahr, denn Weihnachten wollte er diesmal in Berlin verbringen.

Ein Freitag, nicht anders als all die Freitage in den letzten Monaten hier am Bahnhof.
 

Doch ... heute geschah etwas, was seinem Leben eine neue Wendung geben sollte.



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