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Erinnerungen an ein Palastleben

von

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Der Kaiser und der Kirschbaum

„Ich bitte vielmals um Verzeihung!“

Aufgeregt sprang Rin auf, als Michihito vor ihr niederkniete und sein Haupt in den Staub drückte.

„Michihito! Nicht doch… Bitte, erhebt euch wieder.“, stammelte Rin verlegen.

„Es gibt absolut nichts zu verzeihen. Wirklich. Es war nicht eure Schuld.“

Michihito hob langsam den Kopf und seine graugrünen Augen begegneten ihren.

„Es gibt sehr wohl etwas zu verzeihen: Meine Unwissenheit und mein Unvermögen zu sehen, was in meinem eigenen Palast vor sich ging. Ein solcher Fehler wird nicht noch einmal vorkommen. Das schwöre ich dir.“

Die Ernsthaftigkeit in seiner Stimme ließ Rin wieder auf ihren Platz unter dem Kirschbaum zurückkehren.

In den letzten Monaten hatten sie alle hart daran gearbeitet zurück in ihre altes Leben zu finden. Michihito hatte seine Soldaten überprüft und alle entlassen, die in Verbindung mit dem Daimyō gestanden hatten. Tetsuo und Reiji hatten beide Posten als Hauptmänner erhalten und waren mit der Aufgabe betraut worden neue Soldaten für den Palast auszubilden.

Alle Spuren der Kokuryū waren beseitigt und die Midori Yakubarai aus dem Kaierreich verband worden. Mit dem Kampf auf dem Vorhof hatten die Übergriffe auf Yōkai aufgehört und es war Frieden im Land eingezogen. In dieser Ruhe war es Keiji möglich gewesen, seine Verletzung vollständig auszuheilen und zu alter Stärke zurückzukehren. Genauso wie Rin selbst.

Weshalb sie sich auch jetzt erst trafen. Hier an diesem Ort, wo für Rin alles mit Michihito begonnen hatte. Unter Konoes Kirschbaum. Mit den goldgelben Blättern des Spätherbstes.

„Ich weiß, dass ihr sehr hart daran arbeitet, jedes Unrecht ungeschehen zu machen. Allein dieses Wissen genügt mir um die Schrecken des Taishōs zu vergessen.“, erklärte sich Rin.

Bei ihren Worten ging ihr Blick unwillkürlich zu Sesshōmaru, der einige Schritte hinter ihr stand und die ganze Runde im Blick behielt. Denn Michihito hatte nicht nur sie beide heute hier her geladen, sondern auch ihre Brüder.

Es waren genau diese Männer, die es Rin ermöglichten, in die Zukunft zu sehen und vor allem Sesshōmaru ließ sie all die Qualen vergessen, die sie durchgestanden hatten. So wie sie versuchte ihn seine Qualen vergessen zu lassen.

Als er ihrem Blick begegnete, schenkte sie ihm ein kleines Lächeln. Das Zucken seines Mundwinkels sagte ihr, dass er die Geste erwiderte. Was ein warmes Gefühl in ihrem Inneren entfachte.

„Und genau deshalb habe ich euch heute hier her gebeten. Ich weiß, dass ihr aktuell im Osten in eurem Sommerpalast lebt und bisher noch keine Anstalten gemacht habt, euren Palast hier wieder aufzubauen. Aus diesem Grund würde ich euch gerne etwas anbieten.“, begann Michihito.

Er zog eine Karte der Stadt hervor und breitet diese zwischen ihnen aus.

„Lord Sesshōmaru. Den Standort eures letzten Palastes hattet ihr aufgrund diverser Umweltgegebenheiten gewählt. Ich habe das Land besucht und konnte das genau erkennen. Ihr wähltet einen Ort, abseits großer Menschenmassen und so, dass man die Stellung schwer angreifen aber dennoch gut verlassen konnte. Ihr traft diese Entscheidung mit Sicherheit Aufgrund diverser Umstände und dennoch bot euer Palast nicht so viel Schutz, wie Ihr gehofft hatte. Ich kann mir nur vorstellen, wie schwer es euch fallen muss, an gleicher Stelle ein neues Heim zu errichten… Aus diesem Grund möchte ich euch ein Angebot unterbreiten:

Ich wünsche mir einen Pakt zwischen Menschen und Yōkai. Frieden, zwischen den Geistern der Welt und den Menschen, die oft allzu vorschnell urteilen. Ich möchte gerne mit euch den Grundstein legen und das Versprechen von Generation zu Generation weitervererben. So dass es hier für immer einen Ort der Zuflucht und des Schutzes für die Yōkai geben wird.“

Michihito wies auf einen noch unbebauten Teil der Stadt. In unmittelbarer Nähe zu dem Tempel, bei dem sich Fuyu um die verletzte Yōkai kümmerte und sie gerade residierten.

„Errichtet hier euren neuen Palast. Belegt mit Zaubern, die die Yōkai vor den Menschen schützen. Zieht in den Schutzkreis der Stadt und seht uns als neue Verbündete, nicht mehr als Feinde. Wir werden euch vor menschlichen Bedrohungen bewahren und ihr uns vielleicht vor den Übernatürlichen?!“

Bei diesem Vorschlag begann Rins Herz zu rasen. Alles was sie sich je gewünscht hatte, Frieden, zwischen den Menschen und den Yōkai, konnte mit diesem Angebot vielleicht wahr werden. Sie könnten ein Refugium aufbauen. Einen Ort, an den man sich in der Not wenden konnte und der die Seinen beschützte. Ein Zuhause, für diejenigen, die keines mehr hatten.

Sie sah zu Sesshōmaru auf, der inzwischen neben sie getreten war und die Karte vor sich betrachtete. Er schwieg lange. So lange, dass sich Michihito genötigt sah, noch hinzuzufügen:

„Das Ganze ist natürlich nur ein Vorschlag. Ich kann verstehen, wenn ihr keinen Kontakt mehr mit uns wünscht…“

Michihito fuhr nicht fort. Weil er es ungern aussprechen wollte. Er wollte diesen Frieden und er wollte seine neu gewonnene Freundin in seiner Nähe wissen. Wenn sie sich gegen dieses Angebot entschieden, wäre das eine wirkliche Schande…

Sesshōmaru sah von der Karte zu Rin und hielt einen Augenblick ihren Blick, bevor er Michihito ansah.

„Ich stelle einige Bedingungen, an dieses Angebot.“

Bei diesen Worten begannen Michihitos Augen vor Freude zu leuchten. Auch wenn er noch nicht wusste, was diese Bedingungen waren, schien er die ganze Angelegenheit bereits als besiegelt anzusehen.

Rin sah Sesshōmaru mit gerunzelter Stirn an. Sie konnte sich nicht vorstellen, was für Bedingungen er stellen könnte. Doch sie war froh, dass er dieses Angebot nicht einfach so ablehnte.

„Die Details können wir gerne noch ausarbeiten. Ich bin nur froh, dass wir gemeinsam in eine friedlichere Zukunft sehen können.“, erklärte sich Michihito und neigte respektvoll seinen Kopf vor Sesshōmaru.

Dieser erwiderte die Geste und Rin kam es so vor, als könnten die Beiden irgendwann vielleicht so etwas wie Freunde werden. Auch wenn Sesshōmaru Menschen, aufgrund ihrer Schwäche, eher ignorierte wie lästige Insekten, begann er doch langsam sie wie lebende Wesen zu begreifen. Das freute Rin ungemein und sie lächelte unwillkürlich.

„Ich habe auch noch etwas für dich, Rin.“

Zufrieden, dass sein größtes Vorhaben geklappt hatte, griff Michihito voller Elan in die Innentasche seines Kimonos. Er zog etwas hervor, das in ein rotes Tuch eingeschlagen war und reichte es Rin. Diese nahm das handgroße Paket neugierig entgegen. Es war schwerer als erwartet und sie begann es vorsichtig auszupacken. Zum Vorschein kam eine goldene Scheibe.

„Michihito!“

Überrascht sah Rin auf. Sie wusste nicht was sie sagen sollte. In ihren Händen hielt sie ein Kaiserliches Siegel. Etwas, was nur dem Kaiser selbst und seiner engsten Familie vorbehalten war.

„Es gehört dir. Nimm es und solltest du jemals wieder Probleme mit einem Menschen haben, kann dir das hoffentlich von Nutzen sein.“, erklärte sich Michihito.

„Außerdem soll das auch ein kleiner Anreiz für mich sein. Denn ich will, dass mein Name und mein Titel wieder etwas bedeutet und nicht von machthungrigen Menschen in die Bedeutungslosigkeit gedrängt wird.“

Rin hatte das Siegel nicht annehmen wollen. Das wäre viel zu viel der Ehre gewesen. Dafür, dass sie gar nichts getan hatte… Doch nachdem sie seine Erklärung gehört hatte, zögerte sie. Wenn Michihito mit dieser Geste auch an sich selbst arbeiten wollte. Wenn dieses Siegel eigentlich eine Art Arbeit für ihn bedeutete, konnte sie es unmöglich ablehnen. Denn dann würde sie seine Mühen nicht wertschätzen.

Mit einem resignierenden Seufzen nickte Rin. Wahrscheinlich war das genau Michihitos Absicht gewesen.

„Wenn das so ist, kann ich es natürlich nicht ablehnen. Ich danke dir, Michihito.“

Offenbar zufrieden mit ihrer Antwort schenkte er ihr ein breites Lächeln.

„Ausgezeichnet. Dann habe ich jetzt nur noch einen weiteren Punkt, der zu klären ist. Taii Maeda, Gunsō Benjiro und Berater Kazuma bitte tretet vor.“

Keiji, Benjiro und Kazuma hatten ihre Plätze schräg hinter Rin zugewiesen bekommen. Nun sahen sich alle drei kurz an, bevor sie sich erhoben, vor traten und sich vor Michihito knieten.

„Soweit ich korrekt informiert bin, habt ihr drei einen großen Teil zum Sieg über Maeda Toshiie beigetragen. Aus diesem Grund möchte ich euch gebührend danken. Taii Maeda, da die Position des Taishōs seit einiger Zeit unbesetzt ist, will ich euch diese Aufgabe anvertrauen. Ich denke, dass ihr dem durchaus gerecht werdet.“

Keiji zuckte merklich zusammen, als er das hörte. Er drückte seinen rechten Arm fester an seine Brust und neigte seinen Kopf bis zum Boden.

„Es ist mir eine Ehre, mein Tennō… Aber seid ihr euch damit wirklich sicher?“

Normalerweise widersprach man seinem Kaiser niemals. Doch sie waren hier in einer privateren Umgebung und selbst vor ganz Japan hätte Keiji diese Frage gestellt.

Als Rin das hörte zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen. Sie hatte mit Kazuma und Benjiro gesprochen. Über Keiji und wie er den Verlust seiner Hand verkraftete. Und auch wenn er versuchte alles mit einem Lächeln zu überspielen, hatte dieser Verlust doch ein Stück seiner selbst zerstört. Sein Selbstvertrauen war erheblich angeschlagen, weshalb er sich offenbar nicht mehr allzu viel zutraute.

„Das bin ich durchaus und darüber gibt es nichts mehr zu diskutieren. Es ist bereits entschieden und die Siegel sind bereits in Arbeit. Schon heute Abend werdet ihr eure neue Position antreten, Taishō Maeda.“

Michihito sprach wie der Kaiser, der er war und Keiji konnte nur noch nicken und sein Haupt noch etwas tiefer senken.

„Dann danke ich euch, für diese Chance…“

„Sehr gut. Da die Stelle des Taii somit gerade frei geworden ist, werdet ihr diese Position übernehmen, Benjiro. Wenn wir mehr von eurer Sorte in der kaiserlichen Armee begrüßen können, kann das sicher nicht schaden. Deshalb betraue ich euch zusätzlich mit einem Sonderposten. Stellt mir eine Truppe zusammen, in der auch Yōkai einen Platz finden. Vielleicht gelingt uns das in Zusammenarbeit mit dem Mōri-Clan und der Herrin von Yamaguchi.“

„Wie ihr Wünscht, mein Tennō.“, war Benjiros demütige Antwort und auch er neigte seinen Kopf auf den Boden.

„Gut. Berater Kazuma, ich denke es ist die klügste Lösung, wenn ihr den neuen Taishō und den neuen Taii weiterhin als Berater zur Seite steht… Um den Ärger auf ein Minimum zu reduzieren.“

Michihito konnte sich ein Lächeln bei seinen Worten nicht verkneifen und auch Rin konnte nicht um hin zu Lächeln. Sie verbarg ihres jedoch hinter ihrer Hand und sah schnell weg, als Keiji ihr einen schockierten Blick zuwarf.

Es war durchaus möglich, dass Rin Michihito die eine oder andere Geschichte über ihre Brüder erzählt hatte. Dass er sich diese tatsächlich zu Herzen nehmen würde, war unerwartet aber wohl kein Fehler.

„Das werde ich mit Freuden tun, mein Tennō.“, antwortete Kazuma mit einem Grinsen.

Nachdem sich alle Drei verbeugt hatten, erhoben sie sich wieder um sich zurückzuziehen, doch da hielt Michihito Keiji noch einmal zurück.

„Taishō Maeda. Da ist noch eine Sache, mit der ich euch beauftragen will.“

Keiji wand sich wieder Michihito zu und kniete sich erneut vor diesen.

„Dem Maeda-Clan fehlt im Moment ein Clan-Oberhaupt. Ich habe kürzlich erfahren, dass Maeda Toshiie sich diesen Titel widerrechtlich angeeignet hat… Aus diesem Grund ernenne ich euch hiermit zum rechtmäßigen Oberhaupt des Maeda-Clans. Mit der Bedingung, dass dieser Titel nur an eins eurer Kinder vererbt werden kann. Ob leiblich oder angenommen steht euch dabei frei.“

Rin konnte den Schock in Keijis Gesicht sehen, als sich Michihito, zufrieden mit sich selbst, zurücklehnte und einen Schluck Tee genehmigte. So lange hatte Keiji dafür gekämpft seinen Onkel zu besiegen und die Kontrolle über seinen Clan zurückzuerlangen. Dass er es jetzt geschafft hatte, musste ihm die Welt bedeuten.

Weshalb Rin aufstand und Keiji um den Hals fiel. Alle Etikette ignorieren umarmte sie ihren Bruder und drückte ihn fest an sich.

„Herzlichen Glückwunsch, Nii-san. Das hast du wirklich verdient.“

Vor lauter Freude stiegen Rin die Tränen in die Augen. Doch das war ihr egal. Sie freute sich für Keiji und an seiner statt. Da ihn der Schock offensichtlich sprachlos gemacht hatte. Auch Benjiro und Kazuma kamen zu ihm und klopften ihm brüderlich auf die Schulter. Bis sich Keiji langsam wieder erholte und zu Michihito sah.

„Ich danke euch, mein Tennō. Ich werde euch nicht enttäuschen.“

„Davon gehe ich aus.“, war Michihitos einfache Antwort.

„Und jetzt lasst uns feiern!“, fügte er mit einem Lächeln hinzu.

„Für eine bessere, friedlichere Zukunft. In der jeder akzeptiert werden kann, wie er ist.“

Daraufhin wurden Tabletts mit Essen und Trinken gebracht und sie alle saßen in ungezwungener Atmosphäre unter Konoes Kirschbaum und genossen den Frieden und die neuen Chancen, die ihr eingeschlagener Weg bringen konnte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen,

Kapitel 40 o.O
Als ich angefangen habe, hätte ich nicht gedacht, dass mein FF mal so lange sein wird. Was Kapitelzahl und Dauer betrifft, die das Ganze schon läuft. Das hier ist, glaube ich, das erste meiner Projekte, dass ich über so lange Zeit (ganze 2 ½ Jahre) durchgezogen und auch vollendet habe. Es freut mich ungemein, dass ich mit einer runden Zahl „abschließen“ kann (Den noch fehlenden Epilog zähle ich jetzt mal nicht dazu).

Ich hoffe ihr hattet wieder Spaß beim lesen und wir lesen uns wieder im Epilog.

Gruß
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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kandy2015
2019-10-03T20:05:34+00:00 03.10.2019 22:05
Ein wunderschöner Abschluss. Er hätte nicht besser sein können ☺️🤗


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