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Sammelsarium

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte
von

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similiar

„Die Welt... Sie war trist. Öde und Grau.“

„Was redest du da? Führst du Selbstgespräche?“, unterbrach mich jemand von hinten. Die Stimme klang harsch und hart, befehlsgewohnt. Ungewöhnlich tief. Unheimlich spottend.

„Nein, Herr.“

Wieder ein verächtliches Schnauben. „Herr? In welchem Zeitalter lebst du denn bitte?“ Immer noch so harsch, amüsiert. Abfällig.

„In diesem“, antwortete ich ungerührt. „Leider“, fügte ich hinzu.

„Bist du ein Staatsfeind?“ Er richtete seine Waffe, voll mit komplizierter, aber einfach zu bedienender Technik, auf mich. Wie kam ich eigentlich auf die Idee, dass es ein Herr war? Es war eine unberechtigte Frage.

„Nein, Sir.“

„Sir?“ Ein Brummen. Er war definitiv männlich, aber trotzdem. Wie kam ich drauf? „Wieso starrst du mich eigentlich so an? Los, mitkommen!“ Er ließ mir keine Zeit zu antworten. Ich erhob mich seufzend.

„Voll von Flammen gespickt.“

„Was?“ Ich konnte seinen missstrauischen Blick durch seine Gasmaske hindurch spüren.

„Bekomme ich auch so eine, wenn ich rausgehe?“, wich ich aus. Mit einem Finger zeigte ich auf seine Maske. Ich klopfte mir den Schmutz von meinem weitgehend unversehrtem Kleid.

„Nein“, brummte der mein männlicher Gegenüber missmutig. „Was hast du überhaupt für einen Fummel an?“

„Der ist gerade in Mode gekommen. Gefällt es Ihnen nicht?“ Ich drehte mich einmal im Kreis, sodass die Falten des türkisblauen Kleides flatterten. Der Stoff umschmeichelte meine Beine angenehm.

Er sah immer noch skeptisch. „Ich seh nur viel flammbares Material. Was machst du hier, Mädchen?“

„So ein zartes Wesen wie ich kann eben nicht in dieser Ausrüstung herumlaufen, werter Herr!“, beklagte ich mich und appellierte an seinen wahrscheinlich nicht existenten Modegeschmack.

„Egal. Los, auf!“, erinnerte er wieder an sein eigentliches Anliegen. Ich seufzte theatralisch, ehe ich mich leichtfüßig von einem Trümmer zum nächstem hüpfend auf den Ausgang zu bewegte. „Hast du noch andere Menschen hier irgendwo gesehen?“

„Mit Wunden übersät.“

„Was?“

„Oh, Pardon.“ Ich hatte seine Frage überhört. „Nein, nur ich. Ich bin die Einzige. Die Einzige“, wiederholte ich andächtig.

„Jaja, ist gut. Draußen steht ein Panzer, warte.“ Er überholte mich mit schweren Schritten.

„Oh, Sie tragen ja einen Anzug!“, fiel mir auf. Ich folgte ihm dicht, konnte nun seine komische Aufmachung besser erkennen. Der Grund, weshalb ich ihm gehorchte, war klar. Mein Leben war mir dann doch lieber als der Tod.

„Ja, und jetzt Klappe!“, schnauzte er mich an, seine Stimme klang unruhig. Beunruhigt.

„Stimmt etwas nicht?“, flüsterte ich.

„Nein, alles bestens, wenn du endlich deine verdammte Klappe hältst!“ Er schien wirklich wütend. Er drehte seinen Gasmaskenkopf zu mir herum, ich spürte das Funkeln. Das wütende Funkeln. Es lief mir aber nicht kalt den Rücken hinunter. Stattdessen erinnerte ich mich an eine Gestalt.

Eine Person.

Eine männliche Person.

Ich schwieg über meine Erkenntnis.

„Okay, sie halten uns den Rücken frei. Nun mach schon! Und wehe du fällst über die Falten der neusten Mode, hast du verstanden?“ Der Herr besaß Humor. Genau wie er.

Aber nicht du.

„Hallo? Hast du verstanden, möchte ich wissen?“

„Äh“, stotterte ich. Als ich ihn wieder ansah, mein Blick war abgeschweift, sah ich hinter dem Gasmaskenkopf frech braune Haare hervorlugen. „Ja, ja“, beeilte ich mich, zu antworten.

„Gut.“ Er ging vor, sein Rücken war immer noch derselbe.

Aber war es wirklich der Freiheitsliebende, der sich niemandem unterwerfen wollte? Ich stieß ein bitteres Lachen aus. Auch ich war nicht mehr diejenige, die sie einst war.

Das sind wir alle wohl nicht mehr.

„Alle, außer du“, flüsterte ich in den Wind hinein.

„Hör mal auf, ständig unverständliches Zeug zu murmeln!“, zischte er zu mir. Sein wachsamer Blick glitt über die Trümmern einer einstigen Welt.

„Auch sie ist es nicht mehr...“

Ich sah ihm an, dass er mich am liebsten geschlagen hätte.

Mir kamen Tränen in die Augen.

Er hatte sich geändert.

Ich hatte mich geändert.

„Was war mit dir?“

„Nun komm endlich!“ Er zerrte mich gewaltsam an meinem Arm zu dem großem Panzer. Er war nicht wie früher in Militärfarben, das war aus der Mode gekommen. Nein, so etwas sollte Weiß sein, Weiß. Weiß war die Farbe des Königs.

Deine Farbe.
 

Die Fahrt im Panzer war lang. Ich konnte kaum die Stunden zählen, so unverständlich war mir das Radwerk der Zeit geworden. So unvertraut die Landschaft, die ich nicht sehen konnte. Nur seine Nähe irritierte mich. Ich versuchte nicht mehr, ein Gespräch aufzubauen. Er auch nicht.

Es war gut so.

Er erkannte mich nicht, aber das war gut so.

Ich schwieg in meinen Gedanken, fragte mich still, wo sie mich hinbringen würden. Mich, ein zartes, junges Mädchen. Es war wohl ein Wunder, dass noch niemand über mich hergefallen war.

„Sie haben die gewünschte Station erreicht“, ertönte die metallisch klingende Computerstimme des blanken, weißen Panzers. „Station: Dornen.“

Ich kannte diesen Namen. Es war einer seiner Lieblingsplätze gewesen. Und jetzt?

Ich fragte mich, ob ich das wissen wollte.

Er erhob sich, während alle anderen sitzen blieben.

„Aufstehen, du kommst mit mir.“

Ich stand auf, er reichte mir keine Hand. Ich wollte seine Hand auch nicht nehmen. Er führte mich wortlos weiter, weiter zu dem Ort, wo der Königssohn residieren sollte. Ich rief mir Bilder in das Gedächtnis.

Bilder, die ich nicht fassen konnte.

„Nicht schlapp machen!“, mahnte er mich, nur weil ich stehen geblieben war. Stehen geblieben, weil alles mir schrecklich vertraut vorkam. Ich bekam Kopfschmerzen, furchtbares Ziehen in meiner Hirngegend.

„Ja“, keuchte ich und zwang mich, trotz der schier überflutenden Anzahl an Bildern, weiterzugehen. Ich kannte diese Personen auf den Bildern nicht. Ich kannte sie nicht.

Ich hatte sie nie gesehen.

„So voller... Leid“, presste mein Verstand aus meinem Körper heraus.

„Fängst du schon wieder damit an?“ Es klang nun eher genervt als verärgert.

„Und... Un...schuld.“ Stimmte das wirklich?

Er schwieg. Trafen ihn diese Worte?

Ich wusste es nicht.

Ich keuchte. Die Bilder in meinem Kopf schienen schier übermächtig die Oberhand zu bekommen, Realität verschwamm mit Fiktion.

Wirklich fiktiv?

„Hey!“ Ich spürte, wie Arme mich festhielten. „Was machst du da?“

Ich kam wieder zu Sinnen. Was war passiert?

„Dieser Flur ist tabu, hast du verstanden? Und nun komm.“

Welcher Flur? Da war nur weiß. Makelloses Weiß...

Die Farbe des Königs.

„Ich... muss...“, zwang ich mich, zu erwidern. Ich strampelte schwach, doch die Bilder raubten mir immer noch die Besinnung. Flimmern. „Da...hin.“

„Nein, du hast hier lang zu gehen!“ Er verstummte mitten in seiner zerrenden Bewegung. Ich sah eine Maske fallen. Ein entsetztes Gesicht. Ein erstauntes Gesicht. Ein verstehendes Gesicht. Ein leidendes Gesicht.

Ein loslassendes Gesicht.

Ich stolperte aufgrund meiner plötzlichen Freiheit. Lange hielt ich mich nicht auf. Ich torkelte zu deiner Farbe, die mich bald verschluckte.
 

Anders als gedacht ruhtest du auf einem Bett aus Korn. Jedenfalls wirkten die Spitzen wie Korn und flammenden Lilien. Gelb und Orange in ihrer Farbe, so wenig von den Farben, die du liebtest.

Aber ich.

„Du hast dich wirklich nicht verändert.“ Ich näherte mich der Stätte, auf der du ruhtest. Ich atmete immer noch schwer, die Folgen des krampfhaften Erinnerns hafteten an mir wie ein zweites, hässliches Kleid. „Zum Glück.“

Nachdenklich betrachtete ich das Gesicht, das dir gehören sollte.

Und dir gehörte.

Es lächelte nicht, wirkte müde. Müde und kraftlos. So hattest du auch ausgesehen, als ich dich das letzte Mal gesehen hatte. Entkräftet. Schwach.

Ich lachte bitter.

„Wieso passt diese Farbe nicht?“ Ich fuhr durch deine Haare, die so blau waren wie die Farben einer Stadt, die es nicht gab. „Deshalb dieses Korn? Warum hast du dein Herz bloß daran verloren?“, seufzte ich, während ich deine Haarspitzen auf meine Finger zwirbelte. Ein kurzweiliges Vergnügen.

„Zeit, aus deinem Schlaf zu erwachen.“

„Wer war das?“ Ich drehte mich nach rechts um, der Stimme, aus der die Stimme gekommen war. Da war niemand.

„Ich bin es.“

Ich starrte dein Gesicht an. Es sah aus wie zuvor.

Aber ich halluzinierte nicht.

„Aha.“ Ich klang nicht sonderlich überrascht. „Du hast mir eine Menge zu erzählen, wenn wir wiederkehren, mein Lieber.“

„Ich weiß.“

„Erinnerst du dich denn noch?“ Ich nahm neben dir Platz, lehnte meinen Rücken an den Rand deiner Grabstäte. Sah dein Gesicht nicht.

„Aber natürlich. Die Stadt, nicht wahr?“ Ich hörte ein Lächeln heraus. Ein Nostalgisches.

„Natürlich, was sonst.“ Ich klang ironisch, obwohl ich es nicht wollte. Ich seufzte leise. Schien, als hätte sich selbst unsere Beziehung geändert.

„Hat sie nicht.“

„Huh?“ Ich drehte mich zu dir um, dessen Lippen sich trotz der Worte nicht bewegten. Du ruhtest wie eh und je dort, friedlich.

„Sie hat sich nicht geändert.“

Ich schwieg, wusste keine weitere Antwort mehr. Auf diesen Satz nicht. „Die Stadt... hat sich geändert.“

„Ich weiß.“

„Was weißt du nicht?“

„Ich weiß nicht.“ Ich hörte dein Lachen, obwohl du dich nicht bewegtest. „Aber es ist so langsam Zeit, oder?“

„Vielleicht.“ Ich schmunzelte. „Vielleicht.“



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