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Liebeschaos! Teas Sprechstunde

von

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Dissoziative Identitätsstörung (I)

Das Lexikon sauste auf die Gardine zu, ungefähr auf der Höhe, wo Tea den Kopf des Einbrechers vermutete. Tatsächlich krachte das Buch auf einen harten Widerstand, und ein gedämpfter Schrei erklang.

Der Einbrecher wollte hinter der Gardine hervorspringen, verhedderte sich in dem Stoff, und riss ihn von den Halteringen. Das ganze Gardinen-Einbrecher-Knäul fiel über ihren Nachtschrank, und riss die kleine Leselampe zu Boden, die darauf stand. Mit einem Klirren zerbrach die Glühlbirne, und der Unbekannte landete auf dem Boden und jammerte leise vor Schmerz, der wohl nicht ganz unbeträchtlich sein durfte.

Tea hielt ihr Lexikon wieder schlagbereit, und riss dem Einbrecher die Gardine vom Kopf. „Bakura!“, rief sie erbost.

Der hob entschuldigend die Hände und sah ängstlich zu ihr auf. „Nein! Ich bin's! Ryou.“

Tea ließ das Buch ein Stück sinken und legte misstrauisch den Kopf schief. „Wenn du Ryou wärst, warum zum Teufel versteckst du dich dann hinter meiner Gardine!?“

Ryou rieb sich den schmerzenden Schädel. „Ich wollte mit dir reden. Aber ich dachte, wenn ich an der Tür klingele, und der Pharao mich sieht, schmeißt er mich gleich wieder raus, weil er mir nicht traut. Und Bakura hat gesagt, dass ich einfach durchs Fenster kommen soll. Er hat mir geholfen, es aufzumachen.“

Noch immer ließ Tea das Buch nicht vollständig sinken. „Schön und gut. Aber warum bist du dann eben nicht rausgekommen, als ich reingekommen bin? Du musst dich nicht wundern, dass dir der Pharao nicht vertraut, wenn du bei Leuten durchs Fenster einbrichst!“

Ryous große, braune Augen wurden noch größer. Er sah so hilflos aus, das Tea ihm fast nicht mehr böse sein konnte. „Tja, dass ist mir dann auch eingefallen. Und dann habe ich mich nicht mehr getraut, rauskommen.“

Ein Klopfen ließ die beiden zusammenzucken. „Tea? Alles in Ordnung bei dir?“ Es war Yami.

Ryou rollte sich, noch immer im Vorhang eingewickelt, unter Teas Bett.

Tea hastete zu ihrer Zimmertür, und öffnete sie einen winzigen spaltbreit, damit er das Chaos im Inneren nicht sehen konnte. „Ja, alles in Ordnung. Ich bin nur gestolpert, und die Lampe ist heruntergefallen.“

Yami zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen. „Ich könnte schwören, dass ich Stimmen gehört habe.“

Tea lachte nervös. „Ich habe nur über meine eigene Ungeschicklichkeit geflucht.“

Er nickte langsam. „Na, wenn das so ist. Du sagst bescheid, wenn du Hilfe brauchst?“

Tea nickte, und der Pharao verschwand wieder in seinem Zimmer.

Sie schloss ihre Zimmertür, und drehte den Schlüssel im Schloss herum. „Du kannst rauskommen“, flüsterte sie.

„Ich stecke fest“, ächzte Ryou.

Tea raufte sich die Haare, und kniete sich vors Bett. Sie packte die Gardine, und zog sie mitsamt dem weißhaarigen jungen Mann unter ihrem Bett hervor. Der Stoff knarzte, aber das war nun eh egal. Der Vorhang war ohnehin ruiniert. Mit einiger Mühe schaffte sie es, Ryou zu befreien, der sich heillos verheddert hatte. Der war auch nicht gerade hilfreich, weil er andauernd unkoordinierte Bewegungen machte, die das ganze Unterfangen enorm erschwerten. Endlich hatte sie es geschafft, und Ryou lehnte sich schweratmend an Teas Bett. „Oh man. Tut mir echt leid. Ich habe wohl ein wenig Chaos verursacht. Das war nicht meine beste Idee. Ich hätte vielleicht doch einfach klingeln sollen.“

Das Schlimme war, dass es auch nicht Ryous schlechteste Idee gewesen war. Aber er sah sie so verzeihungsheischend an, dass Tea die Klappe hielt. Er hatte es ja nicht absichtlich getan. „Also. Was ist denn so dringend, dass du meinst hier einbrechen zu müssen?“

Ryou rieb mit einer Hand über seinen schmalen, blassen Oberarm. „Du studierst doch Psychologie, oder?“

Tea schürzte die Lippen. Sie begann, diese Frage zu hassen. „Jaaa...“, sagte sie gedehnt.

„Das heißt, wenn ich dich um Rat frage, dann würdest du dich strafbar machen, wenn du jemandem etwas weitererzählst, dass ich dir anvertraut habe.“

Tea knirschte mit den Zähnen. „Wenn du es mir in meiner Funktion als Psychologiestudentin erzählst, ja. Du hast Recht.“

Ryou atmete erleichtert auf. „Gut! Also...“

Sie setzte sich auf ihren Schreibtischstuhl. „Moment mal. Ich bin aber nicht dazu verpflichtet, mir anzuhören, was du sagen willst. Und um ehrlich zu sein habe ich gerade wirklich die Nase voll. Morgen, oder übermorgen, meinetwegen. Aber ich muss jetzt erst einmal schlafen.“

„Bitte, Tea!“, flehte Ryou. „Es ist wichtig!“ Sein Gesichtsausdruck war so verzweifelt, dass sie beinahe nachgegeben hätte.

„Wenn es so wichtig ist, kannst du auch zur Campuscouch gehen. Da gibt es fertig ausgebildete Psychologen, die dir zuhören.“

Er schüttelte den Kopf, und seine Haare flogen wild. „Und was soll ich denen sagen? Das ich von einem altägyptischen, rachsüchtigen Geist besessen bin? Wer glaubt mir denn das?“

Tea musste ihm Recht geben. Mit seinen speziellen Problemen war es wirklich schwierig, mit irgendjemanden zu sprechen, dem nicht klar war, dass Ryou keineswegs verrückt war. Sie schloss die vor Müdigkeit brennenden Augen und blinzelte ein paar mal. „Also schön“, sagte sie schicksalsergeben.

„Danke, Tea! Du bist die Beste!“ Wie schon der Pharao und Joey setzte Ryou sich auf ihr Bett. Tea schoss, durch den Kopf, dass sie sich besser eine Couch kaufen sollte. Ryous Dankbarkeit und Begeisterung flaute ab. Seine großen, dunklen Augen wurden melancholisch, und er schwieg eine Weile.

„Es sieht so aus, als wenn es dir schwerfällt, einen Anfang zu finden“, sagte Tea einfühlsam.

Ryou nickte langsam. „Ich glaube, ich werde wahnsinnig. Ich habe das Gefühl, dass ich mit niemandem darüber sprechen kann.“

Tea nickte, und gab ihm noch einen Moment. „Aber du hast ja schon ersten Schritt gemacht, und bist hierhergekommen. Das war bestimmt auch schon schwierig. Also schaffst du jetzt auch noch den letzten Schritt.“ Es dürfte sogar sehr schwierig gewesen sein, die Balkonbrüstung bot nämlich nur wenig Halt.

Ryou nickte, und kratzte sichtlich sein letztes bisschen Mut zusammen. „Es geht um Bakura.“

Tea nickte. „Er ist wieder da.“

Ryou zerrte an der Kette um seinen Hals, und zog den Milleniumsring hervor. „Ja“, sagte er leise.

„Wo hast du den her?“, fragte sie. „Ich dachte, Yugi würde auf ihn aufpassen.“

Ryou biss sich auf die Lippen, und sah schuldbewusst auf die Bettdecke. „Ich habe ihn geklaut“, er hatte Tränen in den Augen. „Ich kann einfach nicht mehr ohne ihn. Es fühlt sich furchtbar an, wenn ich allein bin. Aber es ist genauso schlimm, wenn Bakura da ist. Es ist ja nicht gerade so, dass er mich gut behandeln würde. Aber wenn er weg ist, habe ich das Gefühl, als ob ein schwarzes Loch mich verschlucken würde. So wie...“ Er stockte, und flüsterte das letzte Wort. „...Liebeskummer.“

Tea wusste, dass es falsch war, aber sie konnte nicht anders, als Mitleid mit Ryou zu haben. „Oh Ryou. Es tut mir so leid.“

„Nein!“, sagte er heftig. „Ich habe das nicht verdient. Das ist einfach krank und falsch. Ich sollte ihn nicht vermissen, wenn er weg ist. Ich sollte ihn überhaupt nie vermissen, ich müsste ihn doch hassen. Bei dem, was er euch angetan hat, und was er mir antut, jeden Tag! Ich höre seine Stimme in meinem Kopf, auch jetzt. Und sie sagt mir, dass ich Recht habe. Dass ich krank bin, wenn ich so für ihn empfinde. Und wenn ich nicht damit aufhören, wird er mir noch viel mehr wehtun.“ Die Tränen, die er bis eben zurückgehalten hatte brachen sich nun ungehemmt Bahn. „Ich- ich- …“ Es folgte nur noch Gestammel, als ob in seinem Hals ein dicker Knoten säße.

Tea rückte mit aufs Bett, und nahm ihn in den Arm, auch wenn er sich sträubte. „Ssssst, hey“, sagte sie beruhigend. „Doch, du hast es verdient. Du kannst doch nichts für deine Gefühle. Ich lasse dich ein paar Minuten allein, damit du dich beruhigen kannst, in Ordnung? Dann reden wir weiter. Und wehe, du haust durchs Fenster ab.“ Sie löste ihre Umarmung, und sah ihn warmherzig an.

Er nickte vorsichtig, und schluchzte.

Tea stand auf, und schloss sorgfältig die Tür hinter sich. Weder Kaiba, noch der Pharao sollten versehentlich über einen in Tränen aufgelösten Ryou stolpern. Sie ging in die Küche, und goss vier Tassen Kaffee ein. Den hatte sie beinahe vergessen. Zwei Tassen ließ sie vorerst in der Küche stehen, die anderen beiden nahm sie in die Hand und ging zu Yugis Zimmer herüber. Wahrscheinlich würde Kaiba ausflippen, dass er so lange hatte warten müssen. Wenn er überhaupt noch da war.

Tea drückte die Türklinke mit dem Ellenbogen herunter, und schob sich mit der Hüfte voran in das Zimmer ihres Mitbewohners. „Tut mir leid, ich habe-“ Sie erstarrte.

Yami lag auf dem Fußboden.

Kaiba kniete halb auf seinem Brustkorb, und nagelte seinen Oberarm mit einer Hand am Boden fest. Ihre Gesichter schwebten nur Zentimeter voneinander entfernt, und wendeten sich langsam Tea zu.

Kaiba sah ertappt aus, der Pharao lief knallrot an.

„Kaiba wollte mir die Fernbedienung wegnehmen!“ Yami zeigte mit der freien Hand auf die den kleinen, schwarzen Kasten, der eine Handbreit von seinen Fingerspitzen entfernt auf dem Fußboden lag.

Tea betrachtete stumm die Szene.

„Hast du noch nie etwas von Anklopfen gehört?!“, fuhr Kaiba sie an.

Sie konnte nicht antworten, weil die Situation zu absurd war, als dass ihr irgendetwas dazu einfiel. Ja, es war Ende Mai, da konnten die Hormone schon mal verrückt spielen. Tea aber hatte eher das Gefühl, dass die Jungs in ihrer Umgebung vom Rinderwahn befallen waren. „Ich wollte euren Kaffee bringen“, sagte sie mechanisch.

„Was glaubst du, wie lange wir auf dich warten? Wir haben schon Kaffee!“

Teas Blick fiel auf zwei Tassen, die auf dem Schreibtisch standen. Direkt neben dem Milleniumspuzzle. Es wurde wirklich Zeit, den Pharao mal wieder an die Kette zu legen, im wahrsten Sinne des Wortes.

„Jetzt lass schon endlich los“, zischte Yami Kaiba zu. Der auch tatsächlich von ihm abrückte.

„Du kannst gehen!“, sagte Kaiba wütend, und Tea ging ein paar Schritte rückwärts. Die Tür knallte vor ihrer Nase zu.

Ein paar Sekunden blieb sie noch unschlüssig vor der Zimmertür stehen, aus der leises Getuschel kam. Yami hatte keine Probleme, sich mit Kaiba über den Boden zu wälzen, und für sie blieb nur ein braves Händetätscheln übrig. Und wie genau stellte der es sich vor, dass sie Kaiba von Joey vorschwärmte, wenn er selbst sich zu dessen größter Konkurrenz aufschwang. Und überhaupt – konnte man so einfach den Körper eines anderen missbrauchen. Ihr Griff um die Henkel der Kaffeetassen wurde fester.

Entschlossen drehte sie sich zu ihrer Zimmertür herum, trat ein, und schloss von innen ab.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Mimmy-chan
2014-09-25T00:52:00+00:00 25.09.2014 02:52
Ryou? Das hätte ich nun nicht erwartet. War nicht irgendwo die Rede von Lila?
Aber YAY! Tendershipping! ♥
Naja so halb, denn Bakura scheint gar nicht begeistert zu sein.

Wüsste ja nur zu gern, ob Yami Yugi nun Gefühle für Seto hat oder nicht. Bisher war ich der Meinung, dass es nciht so ist. Aber das widerspricht sich mit der Tatsache, dass Yami Yugi rot wird. Strangeeee

chuchu Mimmy-chan
Antwort von:  Dornentanz
08.10.2014 12:07
Na komm schon - Bakura, unser Sensibelchen! Wie sollte er davon begeistert sein? :D Aber naja... Dazu in einer anderen Geschichte. Lila? Ich glaub, die Vorhänge waren lila. Ich hoffe, Yamis Gefühlswelten haben sich im Laufe des späteren Lesens dann aufgeklärt? Der alte Aufreißer.
Von:  Glennstar
2014-01-12T11:12:29+00:00 12.01.2014 12:12
Eigentlich müsste ich ja Mitleid mit Ryou haben, aber irgendwie...
warum klettert er auch durch's Fenster? Hätte ihm klar sein müssen, dass das schief geht :D
Na da bin ich ja mal gespannt, wie Tea ihm da helfen will und was mit Kaiba und dem Pharao so geht.
Schön fand ich auch wie Kaiba in einer fremden Wohnung meinte, kannst du nicht anklopfen?
So was kann auch nur von ihm kommen ;)

Ich hatte gestern gesehen, dass dieses Kapitel schon da ist, nur leider keine Zeit mehr das auch noch zu lesen ;) Deshalb kommt der Kommi erst heute
Antwort von:  Dornentanz
14.01.2014 22:54
Ach, mir tut er trotzdem leid. Er ist nun mal schon ein armes Häschen, dass nichts dafür kann, oder? Ganz unabhängig, ob er sich von Bakura den Blödsinn einreden lässt, durch das Fenster zu klettern. Und das war mal wieder Kaibalogik, wenn er in einen Raum kommt gehört er ihm automatisch, oder?
Von:  Vipera0502
2014-01-08T08:13:59+00:00 08.01.2014 09:13
Oh, ich bin gespannt wie es mit Yami und Kaiba weiter geht *_*


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