Bewältigung
Die letzten Zeilen waren geschrieben und bedächtig legte Molly die Feder zur Seite. Ihre dunklen Augen lagen auf der dunkelgrünen Tinte.
Zum ersten Mal seit langer Zeit spürte sie, wie schwer ihre Lieder waren und wie stark ihre Augen brannten. Langsam gab sie dem Verlangen nach, sie zu schließen. Das Brennen blieb noch einen Moment, dann löste es sich in die kommenden Tränen.
Ein Schluchzen entwich ihr. Es tat immer noch weh, aber es war nicht mehr dieser schreckliche Schmerz. Es war lindernd. Die Tränen bahnten sich ihren Weg über Mollys Wangen und hinterließen kalte Spuren. Molly ließ sie, wo sie waren. Es wäre nicht richtig gewesen, sie weiter zu verstecken.
Mit verschwommenem Blick sah sie zu dem Spiegel, der seitlich zu ihrem Schreibtisch stand. Erstickt lachte Molly. Ihre Lippen zitterten, doch hielten sie tapfer das Lächeln.
„Mama?“
Durch den Spiegel hindurch sah Molly ihre Tochter versteckt hinterm Türrahmen stehen. Ihre blauen Augen blickten ihr unsicher entgegen. „Komm her, Spatz.“
Dies ließ sich das kleine Mädchen nicht zwei Mal sagen und lief direkt in die Arme ihrer Mutter.
Fest zog sie Charlotte in ihre Arme, drückte sie und machte kein Geheimnis um die Tränen.
Unbeholfen strich das Mädchen über den schwarzen Stoff des Kleides, das ihrer Mutter trug, ohne zu wissen, wie beruhigend dies war. „Tut es dir immer noch weh, Mama?“
„Nein, Spatz. Jetzt nicht mehr.“ Molly hauchte ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn. „Ich bin nur ein bisschen traurig, weil ich zu spät bin.“
„Bist du fertig?“
„Ja – aber sie kann es nicht mehr lesen.“
Charlotte löste sich von ihrer Mutter und sah sie mit leuchtenden Augen an. „Dann fahren wir zu ihr und du liest vor. Oma hat sich so darauf gefreut!“ Mit wehendem Rock lief Charlotte aus dem Zimmer. „Onkel Jamie! Wir müssen zu Oma!“