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Sarus Sastre und der Krüstal der Ehwigkeyt

von

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Die Macht des Krüstals

Sarus würde diesen Tag bestimmt nicht als einen seiner besten Schultage bezeichnen. Aber sie hatten ihn alle einigermaßen gut überstanden. Merill hatte seine Klasse die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen und sogar das Essen war ihnen in ihrem Aufenthaltsraum serviert worden. Am späten Nachmittag hatten sie dann für eine halbe Stunde nach draußen gedurft. Unter Aufsicht, versteht sich. Einmal um den Sportplatz rum und das war's. Für Sarus, der gewohnt war, sich viel an der frischen Luft zu bewegen, war das nicht genug. Kein Wunder, dass er so gereizt war. Und dann hatten die Ayden's sich den ganzen Tag nicht blicken lassen. Während er sozusagen in Haft saß, retten die vielleicht gerade die Welt. Ohne ihn! Richtig unfair war das, da konnte man doch sauer werden.
 

Sarus öffnete sein Fenster. Er braucht frische Luft. Der Mond war noch nicht aufgegangen, aber wenn, dann würde er fast immer noch ganz rund am Himmel stehen. War es wirklich erst vorgestern gewesen, dass sie sein Spiegelbild aus dem Teich gehoben hatten? Müßig ließ Sarus seinen Blick die Hauswand hinabgleiten. Eigentlich müßte man da doch ganz einfach hinunterklettern können. Der Gedanke war noch nicht ganz Zuende gedacht, da war Sarus schon halb zum Fenster hinaus. Für einen gutdurchtrainierten Wolfling war das doch ein Klacks. Wie er nachher aber wieder hinaufkommen sollte, daran verschwendete Sarus keinen Gedanken. Hauptsache, er kam ungesehen hinaus. Geschickt kletterte Sarus den Efeu hinunter und landete kurz darauf im weichen Gras. Der Wolfling blieb auf dem Rasen, wo das Geräusch seiner Schritte verschluckt wurde. Seine kleine einsame Gestalt verschwand in der Dunkelheit.
 

Sarus hatte wirklich vorgehabt, Ayden oder Leyanne in ihren Büros im Verwaltungsgebäude aufzusuchen. Der schnellste Weg dorthin führte ihn am Schulgebäude vorbei. Aber etwas bremste seinen Schritt. Etwas zog ihn ins Schulgebäude hinein. Wie schon Leyanne am Abend vor ihm, stand er vor dem großen Portal. Zögerte. Was sollte er hier? Er wollte doch ...

Sarus vergaß, was er vorhatte. Er sprach keinen Schutzzauber, wie auch, auch keinen Öffnungszauber, aber dennoch öffnete sich das große Tor, als Sarus die Hand auf den Türgriff legte.
 

Die große Aula kam ihm unheimlich vor. Gewohnt dass sich hier sonst Schüler aller Klassen und Jahrgänge tummelten, empfing ihn an diesem Abend eine gähnende Leere, eine Stille, die fast schon bedrohlich wirkte. Trotzdem ging Sarus weiter. Hinein in die dunkle Halle. Die Treppen im Hintergrund konnte man nur erahnen. Mit zögernden Schritten ging Sarus durch den dunklen Raum. Unter einem der mächtigen Kristalleuchter ging Sarus in die Knie. Er kniete da in dem leeren dunklen Raum und wartete. Sarus wußte nicht worauf. Er wußte auch nicht, dass er fast an derselben Stelle kniete, an der man Professor Seng, Kae Song und Gérom gefunden hatte. Wie still es war. Kaum zu glauben, dass sich hunderte von Lebewesen im näheren Umkreis befanden.

Einmal konnte er den triumphierenden Schrei eines Nachtvogels hören, der Beute schlug, dann war es wieder still. Wie wenn die Natur den Atem anhielt. Sarus hatte das Gefühl, sie alle würden auf etwas warten.
 

Und dann ging der Mond auf. Auch wenn seine Strahlen noch nicht ganz die hohen Fenster der Aula erreichten, so erfüllte er doch mit seinem silbernen Licht den Raum. Und dann plötzlich war es da. Zuerst hörte er ein Summen und dann leuchtete der Leuchter über ihm auf. Nicht silbern im Licht des Mondes, auch nicht golden im Licht der Kerzen. Nein, es war eine Farbe, die Sarus später nie richtig würde beschreiben können. Es war ein warmes Orange mit einem Hauch von Rosa. Mit einem leisen Klirren löste sich das Licht vom Kronleuchter und schwebte auf Sarus zu. Dieser hielt den Atem an. Das, was immer es war, war einfach wunderschön. Es war ein Stein, ein Kristall, ungefähr so groß wie eine Männerfaust. Von innen heraus leuchtet der Stein in einem kräftigen Orange, dass zu den Rändern hin heller wurde und schließlich zu einem zarten Roséton verblaßte. Ohne lange nachzudenken streckte Sarus die Hand aus und sanft wie ein Schmetterling ließ sich der Stein auf seiner ausgestreckten Handfläche nieder. Fasziniert betrachtete Sarus den leuchtenden Stein in seiner Hand. War das der Krüstal der Ehwigkeyt? Welche Kraft von ihm ausging. Und eben diese Kraft durchströmte ihn, er fühlte sich unbesiegbar. Instinktiv wußte Sarus, dass er in diesem Moment das mächtigste Wesen der Welt war. Er war plötzlich der mächtigste Magier des Universums.
 

Ein boshaftes Lächeln schlich sich in seine sonst so liebenswerten Züge. Er würde es allen zeigen. All denen, die hinter seinem Rücken gelästert hatten, nur weil er ein einfacher Wolfling war. Ein Wolfling und dann noch ohne magische Fähigkeiten! Ha, die würden schön gucken, er würde sie alle vernichten, die Welt von den Magis befreien. Er würde ein Held sein, sie würden Bücher über ihn schreiben, sein Leben verfilmen und man würde Sarus-Plüschis kaufen können und ...
 

"Und was hast du jetzt vor?" ertönte es plötzlich hinter ihm. Erschrocken drehte Sarus sich um und konnte im Licht des Krüstals eine Gestalt auf der Treppe sitzen sehen. Sie trug einen weißen Umhang, deren Kapuze das Gesicht verhüllte. Aber eine kurze Kopfbewegung, die Kapuze rutschte herunter und es war Leyanne, die da auf der Treppe saß. Ihr sonst so drolliges Gesicht hatte diesmal einen sehr ernsten Ausdruck und ihre bunten Haarsträhnen, Zeichen ihrer magischen Fähigkeiten, waren wieder sehr gut zu sehen. Sie saß da, barfuß, balancierte ein großes Gefäß, in dem eine grünliche Flüssigkeit geheimnisvoll leuchtete, auf den Knien und schaute ihn ernst an.

"Was hast du jetzt vor?" wiederholte sie ihre Frage.
 

Sarus preßte sich den Stein gegen die Brust und starrte Leyanne wild mit flackernden Augen an.

"Das ist meiner," knurrte er. "Ich habe ihn gefunden, er gehört jetzt mir!"
 

Leyanne nickte. "Es ist wohl so, dass er dich gesucht hat und ihr habt euch gefunden und was jetzt, was wollt ihr tun?"
 

"Wir sind jetzt der mächtigste Magier aller Zeiten, niemand kann uns noch aufhalten. Wir werden all diejenigen vernichten, die uns betrogen und verraten und über uns gelästert haben. Endlich können wir die Welt von den magischen Wesen säubern, den Überbleibseln einer längst vergangenen und überholten Zeit." Sarus Stimme hallte in dem großen Raum und sie klang, wie wenn sie selbst aus alter Zeit kam. War das überhaupt noch Sarus, der da sprach?
 

Und nicht nur seine Stimme hatte sich verändert, auch sein Aussehen. Seine Züge hatten eindeutig wölfische Formen angenommen und die Augen schimmerten in dem gleichen orangerosé wie der Krüstal. Die Pupillen waren nur noch stecknadelgroß, kaum noch zu sehen. Gerade und aufrecht stand Sarus da, er strahlte etwas aus, einen eiskalten Haß der bedrohlicher wirkte als heiße, wütende Raserei.

Er meinte ernst was er sagte, jedes einzelne Wort. Er würde alle Magie auf der Welt auslöschen, er hatte jetzt die Macht dazu.
 

Leyanne tat es weh, ihn so zu sehen. War Sarus wirklich die ganze Zeit neidisch gewesen? War er wegen seiner mangelnden Fähigkeiten gehänselt worden? Verachtet? Vermutlich von jedem etwas. Deshalb war er auch anfällig für die Einflüsterungen des Steines.

Leyanne senkte den Kopf und betrachtete die geheimnisvoll schimmernde Flüssigkeit in der Schale auf ihren Knien. Bevor sie die letzte Waffe einsetze, wollte sie noch einmal versuchen, Sarus zum Sprechen zu bringen. Denn im Moment war es der Stein, der aus ihm sprach.
 

"Du hast wirklich vor, alle zu vernichten," fragte sie ihn. "Deine Klassenkameraden, deine Freunde, meine Familie, alle, die immer freundlich und gut zu dir waren?"
 

JAAAAA!!! dröhnte es in Sarus Kopf. Er konnte es schon richtig vor sich sehen. Die entsetzen Gesichter von Talana, Kenia, Niall und all den anderen, wenn er das Wasser des Sees über ihre Insel hereinbrechen ließ. Seine Lehrer und Schulkameraden, die überall reglos auf dem Schulgelände lagen, darunter auch Ayden, Chrysler und Leyanne. Und Professor Seng, Kae Song und Gérom würden für immer in tiefem Schlaf liegen, niemals aufwachen und nie erfahren, dass es allein in seiner Macht lag, was mit ihnen geschah. Sarus sah es genau vor sich. Gérom, wie er lächelte, während er schlief. Talana, die Hohepriesterin, die ihn so freundlich zum Bleiben einlud, Merill, der ihn an seinem ersten Schultag begrüßte, Ayden, der ihn anlächelte, Niall, wie er den Arm um ihn legte und ihm die Hirsche zeigte, Ca 'Arina, die ihm erlaubte, sich zu Gérom zu setzen, Chrysler, wie er schwungvoll die Haare zurückwarf, Daleth, der Tzaphirion herumscheuchte, Leyanne, die ihn über den Rand ihres Kneifers hinweg zuzwinkerte, Gérom, Keami, Choko, Merill, Kae Song, der Direktor, Ayden, Niall, Daleth, Kenia....
 

Sarus Gedanken drehten sich im Kreis, immer schneller, immer wilder, ihm wurde schwindelig, alles drehte sich und dann schrie es in ihm
 

NEIN!!
 

"Nein!" Sarus krümmte sich zusammen, er kämpfte gegen diese Stimme an, die in ihm flüsterte und wisperte, wie mächtig er sein würde, wie weise und wie wunderbar die Welt wäre ohne all die, die ihn verachteten und verhöhnten.

Sarus kämpfte dagegen an und der Glaube an seine Freunde und der Gedanke an ihr gemeinsames Lachen half ihm, dem verführerischen Wispern in seinem Inneren zu widerstehen.
 

Er hielt den Stein immer noch in der Hand, als er sich endlich aufrichtete und der Stein funkelte und leuchtete stärker als zuvor, aber das unnatürliche Leuchten in Sarus Augen war weg. Sie blickten klar wie eh und jeh,. Er stand jetzt genauso stolz und aufrecht da wie vorher, aber diesmal war es nicht der Stein, der aus ihm sprach, sondern die Würde eines Wolflings, der weiß, dass er den ärgsten Feind von allen bezwungen hatte, sich selbst!
 

Vorsichtig drehte er sich zu Leyanne um, die immer noch auf der Treppe saß. Würde sie arg böse auf ihn sein? Aber Leyanne lächelte ihn an. Es war ihr sehr schwergefallen, zuzusehen, wie Sarus sich quälte, dagegen ankämpfte, nie hatte sie sich hilfloser gefühlt. Und die Erleichterung, als er es geschafft hatte! Zaghaft lächelte Sarus zurück. Wie auf Kommando blickten beide auf den Stein in seiner Hand. Dieser funkelte immer noch in leuchtendem Orange. Zornig, wütend, weil ihm das perfekte Medium entgangen war.
 

"Was machen wir jetzt damit?" fragte Sarus leise.

"Wir müssen ihn vernichten!"

Sarus nickte zustimmend, holte weit aus und warf den Krüstal mit voller Wucht auf den Boden, aber ...

"Er löst sich nicht," Sarus starrte den Stein an, der in seiner Hand wie festgeklebt festsaß. Hilfe suchend wandte er sich Leyanne zu. Diese stand leise seufzend auf.

"Ich hatte wirklich gehofft, das hier nicht tun zu müssen." Vorsichtig hob Leyanne die Schale hoch über ihren Kopf. "Halt die Luft an," riet sie dem Wolfling. Gehorsam holte Sarus tief Luft, während Leyanne leise einige Beschwörungen murmelte.

Die grünliche schimmernde Flüssigkeit löste sich aus dem Gefäß, schwebte empor, breitete sich aus und -
 

platschte auf Sarus und den Stein herab.



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