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Eisjungfrau

Geschichte eines Mädchens
von

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Ankunft

Mir war kalt. So lange schon wird mir nie warm… Zitternd blickte ich mich auf der makellosen Schneedecke um. Das glitzern der Sterne brachte ihn zum funkeln und weit entfernt sah ich einige beleuchtete Fenster. Die Dorfbewohner waren also noch wach. Warum spielten die Kinder dann nicht mehr mit mir? Kaum ist die Sonne weg, gehen sie nach Hause. Mir war langweilig.

Ein Motorengeräusch ließ meine Aufmerksamkeit auf ein weit entferntes Gefährt lenken. Mitten in der Fahrt sprangen drei Personen ab und nach einer rasanten Wende wurden Koffer und Taschen hinterher geworfen. Neugierig ging ich näher heran. Neulinge kamen normalerweise am Tage an.

Ich konnte die zwei Erwachsenen als Mann und Frau identifizieren und das Kind… war ein Junge in meinem Alter. Ich freute mich und musterte ihn genauer.
 

“Warum müssen wir unbedingt hier Urlaub machen? Ich wäre lieber an den Strand oder woanders hingeflogen!”, murrte ich und blickte meine Mutter an, die seufzend ein Koffer vom Schnee befreite. Mein Vater antwortete stattdessen. “Ciel, wie oft denn noch? Im Süden liegt kein Schnee, deswegen fahren wir zu Weihnachten auch ins Gebirge, wo es massenweise Schnee gibt.” Ich seufzte entnervt. Ich ließ meinen Blick schweifen und er blieb an einem Mädchen hängen, dass ganz in der Nähe stand. Zu meinem Schock musste ich gestehen das sie nichts weiter al ein langes Hemdchen trug. Mir wurde heiß im Gesicht und drehte den Blick weg. War ihr nicht kalt? Wie konnte man nur so etwas bei diesen Wetterbedingungen tragen?

Hinter uns ging die Tür der Herberge auf und orange-gelbes Licht fiel auf den Schnee. “Ach, da sind Sie ja alle! Kommen Sie rein und wärmen Sie sich an meinem Kamin auf! Ich kann ihnen sofort heiße Schokolade oder Kaffee bringen.” Ich holte erleichtert Luft. Kamin und heiße Schokolade klang gut und ich hob meine Tasche auf und stapfte durch den kniehohen Schnee, der Frau entgegen. Ich grüßte sie und wollte mich schon in den warmen Flur schieben, als das Mädchen plötzlich neben mir stand und die Frau anblickte. Dann sah sie mir direkt in die Augen und strahlte übers ganze Gesicht. “Kommst du morgen mit den anderen und spielst mit mir?”, fragte sie mit klarer Stimme. Kein Zittern oder Gestammel, wie ich es bei der Kälte erwartet hätte. Ich brachte kein Wort heraus sondern starrte sie nur an. Sie grinste mich noch einmal an und verschwand dann einfach so vor meinen Augen. Ich blinzelte verwirrt.

Meine Eltern schubsten mich in den Flur hinein. Eine etwas alterliche Frau hielt uns die Tür auf und lächelte uns zu. “Nur nicht so schüchtern, junger Mann. Wir beißen nicht.” Sie schloss hinter uns die Tür und augenblicklich hüllte uns heimelige Wärme ein. Mir wurde sofort zu warm und ich riss die Mütze, den Schal und die Handschuhe ab. Die Frau deutete auf eine Nische, wo wir unsere Koffer und Taschen abladen konnten. “Die werden Ihnen nachher hochgebracht. Dort drüben stehen unsere Besucherpantoffeln.”

Ich schob meine Tasche in die Ecke, zog meine Schuhe aus und suchte mir Pantoffeln, die mir passten. Mein Mantel legte ich ebenfalls auf meine Tasche und schlürfte mit meinen Eltern in die Riesige Wohnstube, wo ein Kamin warmes Licht verstreute. Gemütlich aussehende Sessel und Sofas standen darum herum und wir wurden aufgefordert uns zu setzen. Kaum versank ich in den weichen Polstern wurden mir die Augen schwer. Eine jüngere Frau mit rundlichem Gesicht und roten Wangen reichte mir lächelnd einen Becher mit dampfender Schokolade. Die ältere Frau von der Tür betrat den Raum und fragte ob wir noch etwas wünschten, meine Eltern verneinten und die Frau legte den Schlüssel auf den niedrigen Stubentisch. Ich räusperte mich.

Sie sah mich lächelnd an und ich schämte mich fast, die Frage laut auszusprechen. “Dieses Mädchen vorhin… können Sie mir sagen, wer das ist oder ob sie immer so herum läuft?” Meine Eltern sahen mich mit verwunderten Gesichtern an, aber die alte Frau sah mir bestürzt und bleich entgegen. Sie ließ sich auf den Sessel mir gegenüber sinken und verschränkte ihre Hände ineinander. “Du hast sie also gesehen. Du siehst gar nicht mehr so jung aus, kleiner Mann, denn nur Kinder bemerken sie.” Meine Eltern blickten die Frau nun verständnislos an. “Aber da war doch kein Mädchen, Ciel. Nur wir drei und die gute Frau.” Die Frau schüttelte betrübt den Kopf. “Wenn er sie gesehen hat, dann waren wir nicht allein. Was ich dir nun erzähle, Junge, wissen nur die einheimischen Erwachsenen. Den Kindern wird etwas anderes erzählt um sie nicht zu ängstigen.

Vor langer, langer Zeit, als ich noch ganz klein war gab es schon die Legenden von den Schneejungfrauen. Sie retten Verirrte oder führen sie in den Tod. Eines Tages verschwanden immer wieder mal junge Mädchen. Erst zwei Besucher und dann allmählich auch Einheimische. Es war ein Riesentrubel als sie gesucht wurden. Mit Hunden und vielen Freiwilligen. Jedoch wurde keines Gefunden. Erst einige Jahre später, nach weiteren verschwundenen Mädchen, fasste die Polizei einen alten verbitterten Mann. Er gestand die Tat, junge Mädchen hinaus in den Schnee gelockt zu haben und sagte; Seine Kunstwerke könne nun jeder bewundern.” Die Frau musste schlucken. Ihre Augen waren glasig und sie lächele kläglich.

“Eines der Mädchen, war meine große Schwester.” Meine Eltern holten tief Luft. “Das tut uns Leid.”, sagte meine Mutter und nahm die Hand von Vater. Die Frau nickte dankbar und sah mich nun eindringlich an.

“Man fand eine Gletscherspalte, die zu einer kleinen Höhle führte. Was die Polizisten dort fanden, wurde uns erst erzählt als wir alt genug dafür waren. Die Mädchen waren Statuen und von dickem Eis umschlossen. Ihre Gesichter waren leer, doch die Körper zu anmutigen Gesten geformt. Sie hatten nichts weiter als Hemdchen oder Sommerkleider an. Die Polizei ließ den Mann lebenslänglich einsperren. Es hieß er sei kurz darauf mit einem Lächeln auf dem Gesicht gestorben.

Aber ein Mädchen, meine Schwester, wurde nicht gefunden. Man munkelte, er habe noch ein anderes Versteck gehabt, aber sie blieb verschollen.

Seit dem berichteten viele Kinder davon mit einem Mädchen, das nur im dünnen Kleidchen bekleidet war im Schnee zu spielen. Aus Angst die Kinder könnten von einem Rachegeist oder einer Schneejungfrau weggeführt werden, mahnten die Eltern, dass die Kinder sofort nach Hause kommen müssten, sobald die Sonne unterging. Sonst würde sie die Schneejungfrau hohlen.”

Sie endete und eine Träne rann über ihre runzelige Wange. “Ich glaube das ist meine Schwester.”, murmelte sie und nur ich schien sie zu verstehen.

Meine Eltern hielten Händchen und sahen traurig aus. “So! Nun nicht so trüb, meine Gäste! Schlafen sie sich richtig aus und verbringen Sie einen schönen Tag.” Sagte Frau fröhlich und verabschiedete sich für die Nacht. Ich grübelte noch eine Weile über diese Geschichte nach, doch schließlich fielen mir die Augen zu.



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