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Und dann kam dieser Brief

Das erste Schuljahr der Emily Dursley
von

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Vorsichtsmaßnahmen

„Wir hätten Holly fragen sollen“, sagte Emily und seufzte.

„Ja. Wäre 'ne Idee gewesen.“ Oli kratzte sich am Hinterkopf.

Dann schwiegen sie. Bis Dexter das Wort erhob.

„Ich glaube, Bradley und ich haben vorhin ältere Schüler gesehen, die weiter nach oben gegangen sind. Also von der Halle aus. Und sie sagten, dass sie jetzt Zauberkunst hätten. Sicher bin ich mir aber nicht. Und wo genau sie hinwollten, weiß ich auch nicht. War doch so, oder?“

„Das ja, aber wir wissen nicht wo sie lang sind“, sagte Bradley ein wenig unsicher.

Er sah in die Runde.

„Schaden kann es nicht. Hier unten ist keiner mehr“, sagte Joshua.

„Einfach so?“ Abigal sah Joshua skeptisch an.

„Bleibt uns was anderes übrig?“

„Nun“, sagte sie und schaute den Gang entlang. Niemand war zu sehen. „Das ist eine gute Frage.“

„Siehst du? Wir finden schon jemanden, den wir notfalls fragen können.“

„Wenn du meinst.“ Sie zuckte mit den Schultern.
 

Bis auf ein Bild, das sie nicht verstanden (es stellte einen Zauberer da, der mit etwas kämpfte, was an einen regenbogenfarbenen Riesenkalmar erinnerte, und allem Anschein nach verlor), fanden sie niemanden. Im Grunde irrten sie einfach im Schloss umher. Wahllos liefen sie Gänge entlang, nur um festzustellen, dass sie entweder in einer Sackgasse gelandet oder im Kreis gelaufen waren. Zwar lagen sie noch gut in der Zeit, solange sich der Saal nicht am anderen Ende des Schlosses befand, würden sie es auf jeden Fall noch rechtzeitig schaffen. Trotzdem wurden sie zusehends nervös. Nur Matthew sah ruhig aus.

„Wie kannst du eigentlich ruhig bleiben?“, wollte Emily wissen, nach dem sie in eine weitere Sackgasse geraten waren.

„Was würde es mir bringen in Panik zu verfallen?“ War seine Gegenfrage.

Emily stutzte. Damit hatte er Recht, aber …

„Ich kann es trotzdem nicht. Auch wenn's stimmt. Wenn Professor Cloudhand wirklich so streng ist, wie Holly sagte, dann habe ich keine Lust, Ärger zu bekommen. Hat mir schon an meiner alten Schule gelangt.“ Sie verzog das Gesicht. „Ätzend. Gerade bei meinem Mathelehrer. Hat mir mal beinahe die ganze Stunde lang einen Vortrag über Pünktlichkeit gehalten und mich dann angemeckert, dass ich den Unterricht gestört habe.“

Plötzlich lachte Matthew.

„Was ist?“ Sie legte ihren Kopf schief und sah ihn irritiert an.

„Ich musste nur an meinen Mathelehrer denken. Der war auch so.“

„Du hast also auch Muggeleltern?“ Ha! Also hatte sie richtig geraten.

„Naja, so genau weiß ich das nicht. Ich wurde adoptiert. Aber meine Adoptiveltern sind Muggel und bis ich den Brief bekommen habe, wusste ich nicht mal, dass es Zauberei wirklich gibt. Ich kannte sie nur aus Büchern und Filmen.“

„Oh“, sagte Emily. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Mitleid, weil er seine Eltern nicht kannte? Oder nicht? Immerhin wirkte er nicht bedrückt oder traurig darüber. Wahrscheinlich fand man sich damit ab und seine Eltern konnte man ja trotzdem lieben. Egal ob es die leiblichen waren oder nicht. Dass die Adoptiveltern Monster waren, war sowieso in den meisten Fällen nur ein Märchen. Wenn sie so recht überlegte, hatte Emily auch noch nie von einem Fall gehört, bei denen die Adoptiveltern ihren Kindern geschadet hätten. Von leiblichen Eltern jedoch schon.

„Ich komm damit klar, das ist nichts Besonderes, finde ich. Auch wenn ich natürlich nichts dagegen hätte, meine leiblichen Eltern kennen zu lernen. Ich würde gerne wissen, ob sie zaubern konnten.“

Emily wurde schlagartig rot. Sie hasste es, wenn jemand sie so leicht durchschaute. Idiotischerweise passierte ihr das ziemlich häufig. Um sich nicht noch mehr zu blamieren, sagte sie nichts weiter, lächelte ihn aber an. Matthew lächelte zurück.

„Wir sollten uns beeilen, sonst verlieren wir die anderen noch aus den Augen und dann wäre Panik vielleicht doch angebracht.“ Er zwinkerte ihr zu und Emily grinste.
 

Ebenso wie das Bild des Zauberers und Riesenkalmars waren die Treppen alles andere als hilfreich. Sobald sie auf eine der Treppen des Treppenhauses getreten waren, gab es einen Ruck und sie bewegte sich in eine völlig andere Richtung. Emily schrie erschrocken auf und klammerte sich an Oli, welche sich wiederum am Geländer fest hielt. Joshua fluchte.

„Was passiert hier?“ Georgias Stimme klang ungewöhnlich hoch und dünn.

„Das ist normal“, schaltete sich Bradley ein. „Mein Bruder hat mir schon davon erzählt. Die Treppen hier ändern ständig ihre Position.“

„Geniale Idee“, schnaufte Joshua. „Und was sollen wir tun?“

„Naja.“ Bradley zuckte mit den Schultern. „Das hat er mir nicht gesagt. Könnte ihn aber nachher mal fragen.“

„Das bringt uns jetzt aber nichts.“

„Das weiß ich auch.“

Die Treppe stoppte.

„Was meint ihr? Gehen wir da lang?“ Joshua sah sie an.

„Schaden kann's nicht“, meinte Oli schulterzuckend. „Wir haben so oder so keine Ahnung, wo wir hin sollen.“

Auch in diesem Stockwerk schienen sie kein Glück zu haben. Die ersten Gänge waren alle ein Reinfall gewesen und so langsam wurde die Zeit doch knapp.
 

Doch dann hatten sie Glück. Gerade als sie den Gang entlang liefen, schwebte der fette Mönch um eine Ecke. Noch bevor einer der anderen reagieren konnte, rief Emily ihm zu.

„Bruder Henry!“

„Ja, Emily?“, er sah sie lächelnd an.

„Wir brauchen Ihre Hilfe“, erklärte sie schnell. „Wir haben jetzt Zauberkunst und können den Saal nicht finden. Wir wollen nicht zu spät kommen. Holly hat erzählt, wie streng Professor Cloudhand sein kann.“

„Ah, ich verstehe“, sagte der fette Mönch. „Das ist kein Problem. Geht einfach den Gang entlang und wenn er sich gabelt links. Die Tür ist die dritte links.“

„Vielen Dank!“

Auch die anderen bedankten sich. Bruder Henry strahlte.

„Es ist mir immer eine Freude, neuen Schülern zu helfen... natürlich auch älteren.“

Sie verabschiedeten sich und liefen los. Tatsächlich fanden sie den Klassensaal nun ziemlich schnell. Die Ravenclaws standen noch davor, also hatte der Unterricht noch nicht angefangen.

„Zum Glück haben wir Bruder Henry gefunden. Hätte sonst knapp werden können“, sagte Joshua erleichtert.

Matthew trat neben Emily. „Siehst du? Sind auch ohne Panik hier angekommen, oder?“

„Naja, du vielleicht. Ich war schon ein wenig gestresst“, gab Emily zu.

„Das nächste Mal wirst du ruhiger bleiben, denk einfach daran.“ Er grinste und sie erwiderte es.

Dann wandte sie sich zu Oli.

„Fragen wir sie?“

„Klar.“
 

Grinsend traten sie zu Felicitas.

„Warum hast du nichts gesagt?“

„Oh“, sagte diese nur und biss sich auf die Lippe. „Ihr hattet Zaubertränke, nicht wahr?“

„Jap, hatten wir“, sagte Oli mit freundlicher Stimme. „Wir hätten dir schon nicht den Kopf abgerissen, weil dein Dad Lehrer ist.“

„Das dachte ich auch gar nicht“, sie sah zu Boden, „es ist nur so, dass ich Angst hatte, mich würden die Leute nur ausnutzen, damit sie gute Noten bekommen, versteht ihr?“

„Ja“, sagte Emily.

„Nein“, sagte Oli.

Sie sahen sich verdutzt an.

„Naja“, sagte Emily. „Ich hab's auch nicht gerade jedem auf die Nase gebunden, dass mein Dad der Direktor von Grunnings ist. Am Anfang war's ja schon cool, dass das viele wussten, aber das Geschleime war furchtbar.“

„Was ist Grunnings?“ Oli sah sie furchtbar verwirrt an.

„Eine Firma, die Bohrmaschinen herstellt“

„Was sind Bohrmaschinen?“

„Geräte, mit denen Muggel Löcher in die Wand bohren, damit sie Schrauben rein drehen können.“

Oli grinste. „Verrückte Sache.“

„Jedenfalls“, sagte Emily, um das Gespräch wieder auf das eigentlich Thema zu lenken, „war es schrecklich, dass alle nur mit mir befreundet sein wollten, weil meine Eltern viel Geld haben.“

„Oh... ja, das leuchtet ein.“

„Also ist es nicht schlimm, dass ich euch nichts gesagt habe?“; wollte Felicitas wissen. Sie biss sich erneut auf ihre Lippen.

„Natürlich nicht“, sagte Oli. „Ich verstehe es nicht so ganz, aber wütend war ich nie. Nur neugierig.“

„Und ich natürlich auch nicht.“

„Dann ist ja gut...“

„Guten Morgen, Klasse.“

Die Mädchen wirbelten herum.

Eine Hexe, vermutlich Professor Cloudhand, kam um die Ecke. Sie war klein, ein wenig mollig und hatte haselnussbraune Haare, die von Grau durchzogen waren. Sie sah eigentlich gar nicht so streng aus, doch der riesige Stapel von Pergamentrollen und Taschen ließen auf etwas anderes schließen.

Die Klasse grüßte sie zurück.

„Nimmt mir bitte jemand etwas ab? Sonst kann ich die Tür nicht öffnen.“

Da sie ihr am nächsten standen, waren es Emily, Oli und Felicitas, die die Taschen und Blätter in die Hand gedrückt bekamen.

„Uff“, sagte Oli. Die Taschen waren um einiges schwerer, als sie dachten. Emily sah sie an und musste grinsen.
 

Professor Cloudhand begann den Unterricht mit Theorie, die Emily kaum verstand. Allerdings schaffte sie es, den Inhalt interessant darzustellen. Selten hatte Emily ein Thema, das sie nicht verstand, so zum Nachdenken angeregt. Meistens hatte sie ziemlich schnell aufgegeben, etwas zu kapieren.

Auch die Praxis machte Spaß, selbst wenn sie nicht wirklich etwas machten. Jeder von ihnen bekam einen Stock zum Üben wichtiger Zauberstabbewegungen (Professor Cloudhand erklärte dies als Vorsichtsmaßnahme; sie wollte nicht, dass noch einmal einem Schüler Ranken aus den Ohren wuchsen. Emily verstand das, hätte aber trotzdem lieber mit ihrem Zauberstab geübt).

Hier entpuppte sich auch ihre Strenge. Sie duldete nicht, dass jemand Unsinn anstellte.

„Aber es sind doch nur Stöcke, da kann doch nichts passieren.“

„Wenn Sie jetzt Unsinn machen, werden Sie es auch mit Zauberstäben tun, Mister Silver.“

„Ja schon, aber...“

„Kein 'aber'. Ich habe genug Erfahrung um darüber zu urteilen, glauben Sie mir das ruhig.“

Auch die Korrektheit wurde jetzt schon überprüft. An beinahe jedem Schüler hatte sie etwas zu bemängeln, lobte aber auch, sobald es jemand richtig machte.

Felicitas und Abigal hatten jeweils zehn Punkte für ihre Häuser gebracht. Und auch, wenn sie nicht alles verstanden hatten, gingen die Schüler glücklich aus der Stunde hinaus.
 

„Also ich denke, ich kann damit leben“, sagte Oli grinsend, nachdem sie sich von Felicitas verabschiedet hatten (sie hatten beschlossen nicht weiter über ihren Vater zu reden – es wäre sinnlos gewesen) und in den Gemeinschaftsraum gegangen waren. Nun saßen sie in den gemütlichen Sesseln des Gemeinschaftsraum, während Abigal, Sandy und Georgia die Pflanzen betrachteten.

„Nicht nur du“, sagte Emily. „Aber wünschen würde ich mir trotzdem, mehr zu verstehen.“

„Das wird schon noch.“ Sie grinste zuversichtlich.

Noch bevor Emily etwas erwidern konnte, öffnete sich die Tür zum Gemeinschaftsraum und eine Frau mit kirschroten Haaren trat hinein.

„Hallo“, sagte die Frau. „Ich bin Professor Djarfurson, eure Hauslehrerin.“ Sie lächelte die Schüler an und Emily musste grinsen.
 

Djarfur – so hieß ein Charakter aus 'Lipurtá'.



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