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Die große Leere

von

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Der Zorn der Altvorderen

XXVIII. Der Zorn der Altvorderen
 

Craig Taylor überflog wie jeden Morgen die lokale Zeitung. Seine Geschäfte gingen gut, er war wohlhabend. Er unterstützte lediglich seine Tochter noch finanziell, seine geschiedene Ehefrau Jennifer hatte sich auf eigene Füße gestellt und weitere Unterhaltszahlungen an sie abgelehnt, wofür er ihr durchaus dankbar war. Hätte sie sich auf ein Hausfrauendasein beschieden, hätte sie ihn bis ans Ende seiner Tage schröpfen können. So war es ihm leichter gefallen, einen Schlussstrich unter sein bisheriges Leben ziehen zu können. Ein Leben, das eigentlich durchaus seinen Vorstellungen entsprochen hatte. War er glücklich gewesen? Vielleicht. Aber darauf kam es nicht an. Er hatte alles gehabt, was von einem Mann in seiner gesellschaftlichen Position erwartet wurde. Ein Haus, eine Familie, zwei wohlerzogene Kinder. Bis Justin beschlossen hatte, alles zu ruinieren.
 

Wenn er an seinen Sohn dachte, verspürte er jedes Mal ein schmerzhaftes Ziehen tief in sich drin. Er dachte an den strahlend lachenden kleinen Jungen, der so vertrauensvoll in seinen Armen gelegen hatte. Dem er abends am Bett Geschichten vorgelesen hatte. Der stundenlang über seinen Zeichenblöcken gebrütet hatte. Craig war mit ihm zum Baseball-Training gegangen, hatte Karten für Footballspiele für sie beide besorgt. Justin war ihm gefolgt, aber er hatte es ihm jede Minute ansehen können, dass er es nur ihm zuliebe tat, nicht weil er sich dafür erwärmen konnte. Justin war sportlich, flink auf den Beinen, darauf kam es beim Baseball an. Aber er hatte sich nie in das Team einfügen können, etwas Wesentliches für jede Mannschaftssportart. Ihm fehlte die Begeisterung, das Interesse, war den anderen Jungen gegenüber immer distanziert geblieben, als sprächen sie eine andere Sprache. Und Football war nun auch nicht jedermanns Sache. Oder hätte er es damals schon bemerken sollen? Dass sein Sohn nicht bloß sensibel war oder künstlerisch veranlagt, wie Jennifer es immer behauptet hatte, sondern… schwul? Er dachte an ihr letztes Zusammentreffen. Justin hatte vor seiner Hauptfiliale eine Demonstration angezettelt. Er hatte ihm nur kurz in die Augen gesehen. Sein Sohn war kein verhuschtes Weichei. Er hatte die Wut, den Durchsetzungswillen, den Kampfgeist in seinen Augen gesehen. Es war, als würde er eine ihm völlig fremde Person betrachten. Aber auch einen Teil von sich selbst. Auch er hatte immer gekämpft, hatte nicht klein bei gegeben auch in der Niederlage.
 

Justin war immer ein Außenseiter gewesen, Craig hatte nie verstanden warum. Justin sah gut aus, war klug, wortgewandt, begabt – aber der einzige Freund, den er zu Hause angeschleppt hatte, war ein kleines dunkelhäutiges Mädchen, Daphne, gewesen. Zunächst hatte Craig gedacht, na gut, hat er eben ein Mädchen, er ist schließlich in der Pubertät. Aber er hatte Justin und Daphne nie knutschend auf der Couch erwischt oder flirtend oder bei Was-auch-immer. Sie waren wirklich nur Freunde, die stundenlang ihre Teenager-Nöte und –Geheimnisse austauschten. Hätte er es da bemerken sollen? Vielleicht hätte er das tun können, aber er hatte es nicht gewollt, es war ihm gar nicht bedenkenswert vorgekommen. Unmöglich. Sowas passierte anderen, nicht ihnen.
 

Und dann war es mit einem Knall gekommen. Jennifer hatte es ihm gebeichtet, obwohl sie es schon zuvor gewusst hatte. Justin war schwul. Justin stand auf Männer. Justin wollte Sex mit Männern. Er war wie vor den Kopf geschlagen gewesen. Es passte alles zusammen. Trotzdem passte nichts. Er hatte versucht, sich trotz seines Schocks zusammen zu reißen, irgendwie zu begreifen, was da mit seinem Sohn vor sich ging. Er war in Justins Zimmer gegangen und hatte sich zum ersten Male seit Jahren ernsthaft umgeschaut. Das war kein Jungszimmer, wie er es gehabt hatte, wie die Söhne seiner Freunde es hatten, voll mit Bildern von Sportstars oder leicht bekleideter Pop-Sternchen. An Justins Wänden hingen Männer und Reproduktionen berühmter Kunstwerke. In Justins Zeichenblock gab es nur ein Thema: Männer, ihre Muskeln, ihre Genitalien, ihre Ärsche. Das war nicht bloß eine Phase. Das hatte sich über Jahre aufgebaut. Und er, sein Vater, hatte es nicht sehen wollen, nicht sehen können.
 

Er hatte versucht sich zu fassen, aber er war nicht recht dazu gekommen, da Jennifer die nächste Bombe hatte platzen lassen. Justin träumte nicht bloß von Männern, er war bereits zur Tat geschritten. Nun gut, er war siebzehn, wurde bald achtzehn, Craig war jünger gewesen bei seinem ersten Mal. Man hätte das Ganze vielleicht klären können, in geordnete Bahnen lenken können. Auch andere Männer hatten schwule Söhne, damit konnte man notfalls klarkommen, hoffte er, obgleich ihm etwas die Kehle zu schnürte. Es würde nicht einfach werden, das war ihm klar.
 

Aber damit war anscheinend immer noch nicht genug. Justin hatte sich keinesfalls mit einem Gleichaltrigen eingelassen, einem Mitschüler oder jemandem aus der Zeichenschule, mit dem er sich gemeinsam langsam vortastete. Nein, er hatte sich bereits hingegeben, nicht einem Jungen, sondern einem erwachsenen Mann, mehr als zehn Jahre älter als er. Und der hatte sich bestimmt nicht mit ein bisschen Sofa-Knutschen zufrieden gegeben. Es war Craig, als würde Eiswasser durch seine Adern fließen, als er daran dachte, was dieser wildfremde Kerl mit seinem Jungen anstellen mochte. Brian. Brian Kinney hatte Jennifer gesagt. Fickten sich Schwule nicht gegenseitig in den Arsch? Fickte dieser Kinney seinen Sohn in den Arsch? Craig kam das kalte Kotzen. Das musste doch weh tun wie die Hölle. Abgesehen davon – Justin war ein Mann oder war dabei, es zu werden. Wie konnte er die Beine breit machen wie eine Frau? Das konnte doch kein richtiger Mann ernsthaft wünschen, geschweige denn tun.
 

Aber er hatte dennoch versucht, Ruhe zu bewahren. Vielleicht ließ sich mit diesem Kinney ja ernsthaft reden, vielleicht war ihm nicht klar, wie jung Justin war. Vielleicht würde er einfach verschwinden und dieses… Problem mit ihm. Vielleicht war Justin nur verwirrt, wollte dem Älteren gefallen und hatte sich zu Dingen überreden lassen, die er nicht ernsthaft wollte. Vielleicht war Justin nur etwas orientierungslos, schließlich war er noch ein Teenager, der seine Sexualität erst entwickelte. Er hatte Kinneys Nummer nachgeschlagen und ihn angerufen, wollte ihn zur Rede stellen. Das, was er grußlos von ihm hörte, hatte beinahe sein Herz zum Stillstand gebracht. Dildo? Was tat dieser Perverse mit seinem Sohn! Wenn er gekonnt hätte, wäre er durch die Leitung gekrochen und hätte ihn postwendend erwürgt. Oder mit seinem Dreckssexspielzeug erstickt, auch eine nette Alternative. Du jagst meinem Jungen keine Gummischwänze in den Arsch, du perverse Dreckssau!
 

Er hatte sich dennoch erneut aufgerafft, er musste Justin nach Hause bringen, ihm Vernunft einflößen. Das konnte ja nicht sein Ernst sein. Er konnte sich doch nicht im klaren Bewusstsein irgendwelche abartigen Objekte ins Arschloch treiben lassen oder ficken lassen wie ein Mädchen – und das noch von einem Kerl, der an die Dreißig war. War dieser Kinney völlig degeneriert? Stand er auf kleine Jungs? Seinen würde er nicht bekommen, das schwor sich Craig, nicht mehr.
 

Er war dahin gefahren, in die Liberty Avenue, die Straße der Schwulen und der Was-auch-immer-noch. Hatte verloren in der Masse gestanden. Frauen auf Motorrädern waren an ihm vorbei geknattert, Männer in Frauenkleiden hatten ihm hinterher gepfiffen, über allem triefte eine Atmosphäre offensiver Sexualität. Wohin er auch schaute, drückten sich Körper aneinander, küssten, streichelten, reizten, Mann an Mann, Frau an Frau. Er hatte das Gefühl, auf einem fremden Planeten gelandet zu sein.
 

Irgendwie hatte er sich bis zum Babylon durchgekämpft. Jennifer hatte ihm verraten, dass das die Diskothek war, in die sich Justin trotz seiner Minderjährigkeit eingeschlichen hatte. Ratlos hatte er davor gestanden, die Nachtschwärmer brandeten um ihn herum. Neben der Eingangstür knutschten Pärchen. Gelegentlich verschwand eines in der dunklen Seitengasse neben dem Club. Laute der Lust drangen aus der Finsternis. Die trieben es wirklich schamlos in aller Öffentlichkeit! Dann sah er sie. Justin kam lachend inmitten einer Gruppe junger Männer, die allerdings alle deutlich älter waren als er, aus der Eingangstür. Craigs Blick ignorierte die anderen, sah nur seinen Sohn. Sie bewegten sich ein kleines Stückchen die Straße hinunter und blieben an einem Wagen stehen. Ein Jeep – aber keiner von der nutzbringenden Sorte sondern einer, der förmlich „schwul!“ schrie. Justin lachte und schlang seine Arme um einen der der Männer, der ihn fast einen Kopf überragte. Craig wurde beinahe übel, als er sah, wie der Ältere sich zu seinem Sohn hinab beugte und begann, ihn tief zu küssen. Überall um ihn herum knutschten gleichgeschlechtliche Paare, aber zu sehen, wie dieser Kerl seine Zunge in Justins Mund versenkte, versetzte Craig einen weiteren Schock. Und dann Justins Reaktion. Er schmiegte sich an den Körper des anderen, öffnete seinen Mund und schien förmlich dahin zu schmelzen. Dieser Typ, das musste Kinney sein. Craig musterte ihn. Er hatte sich einen dicken, ekligen Perversen vorgestellt, der seinen Jungen irgendwie manipuliert hatte. Aber es war viel schlimmer. Dieser Kinney war schlank und ausgesprochen gutaussehend, das konnte selbst er feststellen. Er sah überhaupt nicht… schwul aus. Genauso wenig wie Justin. Trotzdem hingen die beiden aneinander, als gäbe es kein Morgen. Er sah, wie Kinney seine Hände nach unten wandern ließ und begann, mit langen kraftvollen Fingern Justins Gesäßbacke zu kneten. Und Justin schien das sogar noch zu gefallen! Sie lächelten einander an, und der Ältere schien etwas in Justins Ohr zu flüstern.
 

Craig wusste nicht mehr, was genau danach geschah. Er erinnerte sich nur an eine kalt aufbrandende Wut, die aus ihm heraus brach. Alles, was er aufgebaut hatte, alles, woran er glaubte… sie schienen darüber zu lachen. Er erinnerte sich daran, auf den am Boden liegenden Kinney in maßlosem Toben eingetreten zu haben, an Justins Tränen, an seinen Schwur, niemals wieder nach Hause zurück zu wollen. Wie konnte er das tun? Für diesen Niemand? Craig hatte Kerle wie Kinney tausendfach gesehen, schließlich war er Geschäftsmann – sie waren hohl, nichts als Fassade, verliebt in ihr Spiegelbild, wie einst Narziss. Wie konnte Justin seine Hoffnungen auf so jemanden setzten? Der offensichtlich sein Leben mit irgendwelchen sexuellen Perversionen füllte?
 

Er war jenseits allen klaren Denkens gewesen. Er wollte Kinney weh tun, ihn am liebsten umbringen für das, was er seiner Familie angetan hatte. Er konnte sich nur noch schemenhaft daran erinnern, Kinneys dämlichen Jeep gerammt zu haben. Sollte der Dreckskerl ersticken an seinem eigenen Blut!
 

Sie hatten es noch einmal versucht. Er wollte die Normalität wiederherstellen. Justin sollte wieder Justin sein, wie er ihn kannte. Ein siebzehnjähriger Schüler, kurz vor seinem Abschluss. Kinney hatte ihn bei ihnen daheim abgeliefert. Da hatte es Justin – was sollte ein erwachsener Mann auch mit ihm anfangen? Diesen Zug musste Craig Brian zumindest zugutehalten. Er wollte Justin klar machen, dass sie das Ruder herum reißen mussten, dass er sich fügen musste und auf seine Abartigkeiten verzichten, wenn das Leben weiter funktionieren sollte. Kinney hatte sich auf einem der Sessel gelümmelt und ihn mit seinen merkwürdig braun-grünen Augen gemustert. Dann hatte er gesagt, dass das nicht Liebe sei – sondern Hass, mit einer Bitternis, die aus eigener Erfahrung zehrte. Und war gegangen. Und Justin war ihm gefolgt. Das war der Bruch gewesen.
 

Jennifer konnte es nicht verstehen. Sie konnte nicht verzeihen. All das, was seit Jahren unter dem Deckmantel der Normalität zwischen ihnen gekocht hatte, war zutage gekommen. Und sie war es gewesen, die den Schlussstrich gezogen hatte. Sie wollte ihr Leben nicht mehr. Sie wollte ihn nicht mehr. Er wollte nicht behaupten, dass es nicht früher oder später doch so gekommen wäre. Aber Justins Verhalten hatte es zum Fanal getrieben. Vielleicht hätten sie so weiterleben können. Vielleicht wäre ihnen eine andere Lösung eingefallen. Aber so – nicht mehr.
 

Jennifer war gegangen. Und mit ihr auch Molly. Er war allein gewesen. Es hatte hin und wieder Frauen gegeben aber keine, an die er sich hätte binden wollen. Er hatte Jennifer geliebt. Aber er hatte ihre Liebe auch für selbstverständlich gehalten. Und sie verloren. Sie pflegten regelmäßigen Kontakt, schon allein wegen Molly. Ihr Verhältnis war meist distanziert, obgleich alte Vertrautheit hin und wieder durchschimmerte.
 

Justin war fort. Er hatte seine Entscheidung getroffen. Er wollte ein Mann sein – nun bitte. Aber er würde ihn nicht mehr unterstützen. Er hatte alles gegeben, was er hatte. Aber das war Justin nicht genug gewesen. Er hatte es ihm nicht gedankt. Manchmal vermisste er ihn schrecklich, sah den kleinen Jungen vor sich, der ihm mit strahlenden Augen gefolgt war. Aber es passte einfach nicht überein mit diesem erwachsenen Justin, der in Kinneys Kuss versunken war.
 

Jennifer hatte ihn angerufen, als Justin im Koma gelegen hatte. Sein Herz hatte sich zusammen gekrampft. Aber er konnte dennoch nicht zu ihm gehen. Sein Sohn war ein Fremder für ihn. Er hatte gewählt. Aber dennoch hatte er dieses Schicksal nicht verdient gehabt. Craig war nicht so dumm, die Schuld einfach auf Brian zu schieben. Justin war willensstark, er war Teil der Sache gewesen. Den Baseballschläger hatte ein anderer geschwungen. Chris Hobbs. Das Gericht hatte ihm eine lachhafte Strafe aufgebrummt. Hobbs Vater war Geschäftsführer einer Firma, die als Zulieferer von Craigs Geschäftskette abhängig war. Craig hatte die Verträge gekündigt. Es hatte sie nicht in den Ruin getrieben – aber ordentlich weh getan hatte es schon.
 

Dann und wann hatte er über Jennifer und Molly von Justin gehört. Er hatte einen der raren Studienplätze an der Kunstakademie ergattert, was seit Andy Warhol kaum einem gebürtigen Pittsburgher gelungen war. Eine pornographische Comicserie. Angebote aus Hollywood. Besprechungen in renommierten Kunstzeitschriften. Justin machte seinen Weg, wie auch immer. Und Brian. Immer wieder Brian. Er hatte damit gerechnet, dass der ältere Mann recht schnell aus dem Leben seines Sohnes verschwinden würde. Aber er blieb. Molly verplapperte sich irgendwann, dass Justin jetzt mit irgendeinem Wundergeiger zusammen sei. Sie mochte ihn nicht. Er verschwand tonlos von der Bildfläche. Und wieder Brian.
 

Dann war Justin nach New York gezogen. Sie hatten seit Jahren kaum ein Wort miteinander gewechselt. Das letzte Mal war es, als Justin irgendwelche Eherechte für seine geschlechtsverirrten Freunde durchsetzten wollte. Craig konnte das nicht akzeptieren. Justin hatte nicht locker gelassen. Er hatte ihn verhaften lassen. Was hätte er sonst tun können?
 

Und jetzt das. Craig starrte auf den Anzeigenteil des Pittburgher Lokalteiles der Zeitung. Fast hätte er es übersehen. Aber studierte immer die Anzeigen aus alter Gewohnheit, um über die Familienangelegenheiten seiner Kunden informiert zu sein. Inzwischen besaß er eine Kette und hatte das eigentlich nicht mehr nötig. Er erinnerte sich Jack und Joan Kinney. Waren das Brians Eltern? Sie hatten früher ihren Fernseher von ihm richten lassen. Diffus erinnerte sich an zwei Kinder. Brian und seine Schwester? Der Kinney’sche Haushalt hatte immer nach Alkohol und Abneigung gestunken. Sich selbst und einander gegenüber. Wenn das Brians Kindheit war, dann war er wirklich nicht zu beneiden. Milder stimmte das Craig jedoch nicht. Das gab ihm noch lange nicht das Recht, Justin in seinen Sumpf hinein zu ziehen.
 

Craig starrte die Anzeige an. Er zwinkerte und las noch einmal. Kein Zweifel. Es war eine Hochzeitsanzeige, schlicht, zu groß, um übersehen zu werden, zu klein, um protzig zu wirken. Brian Aidan Kinney und Justin Taylor, 23. August, Toronto stand da. Mehr nicht. Er las es noch einmal durch. Eine Lähmung machte sich in ihm breit. Sie waren noch immer zusammen. Mehr noch, sie hatten geheiratet. Natürlich war eine solche Verbindung in diesem Bundesstaat nicht legal. Aber er zweifelte daran, dass die beiden es genauso sehen würden. Er schluckte. Kinney war sein… Schwiegersohn?
 

Ein Teil von ihm lehnte das schaudernd ab. Wie abartig und widernatürlich er eine solche Verbindung fand. Ein anderer Teil von ihm flüsterte ihm zu, wie sehr er seinen Sohn vermisste. Wie gerne er ihn wiedersehen, mit ihm sprechen wollte.
 

Er schloss die Augen. Er musste nachdenken.
 

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Joan Kinney hatte ihr Morgengebet bereits hinter sich. Ebenso wie ihren ersten Whiskey. Sie war Irin, etwas anderes kam ihr nicht ins Haus. Sie bat Gott um Vergebung. Sie war schwach. Sie war einsam. Alle hatten sie verlassen.
 

Erst Claire – war mit irgendeinem arbeitslosem Tagträumer durchgebrannt, als sie siebzehn war. Sie hatte ihn geheiratet. Sie war ein gutes katholisches Mädchen, das sein Sünden wettmachte. Sie hatte keine Berufsausbildung. Bald war sie schwanger, brachte erst John zur Welt, dann Jack, benannt nach seinem Großvater. Claires Ehemann machte sich – ebenfalls in guter alter irischer Tradition – bald aus dem Staube und verzog unbekannt. Claire schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch. Die Jungen tanzten ihr auf der Nase herum. Jeder war schuld an ihrer Misere – nur sie selbst nicht. Joan verachtete sie dafür.
 

Jack. War einfach an Krebs krepiert.
 

Irgendwann hatte sie ihn wohl mal geliebt. Die Erinnerung daran war nur verschwommen. Vielleicht auch nicht. Sie war behütet aufgewachsen. Jacks Familie gehörte zu derselben Kirchengemeinde wie die ihre. Er hatte sie mit Aufmerksamkeiten überschüttet, ihr das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein. Niemand hatte ihr zuvor dieses Gefühl gegeben. Ihre Eltern hatten immer darauf gepocht, dass Demut und Bescheidenheit die Dinge seien, die ein junges Mädchen zierten. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie sich schön gefühlt, begehrt. Alle Mädchen hatten von Jack geschwärmt. Wie gut er aussah. Was für ein Draufgänger er war. Eine fremde Welt für Joan. Aber er hatte sie gewollt. Schließlich hatte sie ihm nachgegeben, sich kurz frei gefühlt von allen Regeln, nur sie selbst.
 

Das Ergebnis war Claire gewesen. Es hatte keine Diskussion darüber gegeben, ihre und Jacks Eltern hatten die Hochzeit ausgerichtet, bevor die Schande allzu offensichtlich wurde. Sie hatte eine Sondergenehmigung gebraucht, weil sie erst siebzehn gewesen war.
 

Kurze Zeit war sie glücklich gewesen. Sie hatte jetzt ihre eigene Familie. Sie fühlte sich erwachsen. Jack hatte gesagt, dass er sich auf das Baby freue. Immer häufiger war er abends fort geblieben. Sie blieb allein, kümmerte sich um den Haushalt und das Baby. Jack kam immer später, immer betrunkener nach Hause, er roch nach fremden Frauen. Sie stellte ihn nicht zur Rede. Als sie bei ihrer Mutter um Rat fragte, hatte diese ihr gesagt, dass das das Los von Ehefrauen sei. Sie solle es in Demut tragen als Gottes Prüfung. Wenn sie ausging, dann zu den Treffen der Kirchengemeinde. Gott konnte sie trösten. Ihre Jugendfreundinnen heirateten nach und nach. Die meisten jammerten über ihre Gatten. Joan sagte kein Wort. Sie war nicht so wie die anderen. Nicht schwach. Sie konnte ertragen, welche Prüfung auch immer ihr aufgeladen wurde.
 

Sie stellte fest, dass sie wieder schwanger war. So war es eben. Aber ein Teil in ihr freute sich auf das neue Baby. Als sie Jack davon erzählte, bat er sie, es abzutreiben. Das war der Moment, in dem der letzte Funken Zuneigung, den Joan für ihren Mann je gespürt hatte, starb. Sie würde sich nicht scheiden lassen. Er war ihr Ehegatte vor Gottes Angesicht. Aber der Herr mochte ihr verzeihen, dass es ihr so schwer fiel, ihn zu lieben. Sie würde ertragen. In ihr wurde es leer. Wenn sie nicht hassen durfte, dann gelang es ihr auch nicht mehr, wirklich zu lieben. Sie achtete darauf, dass Clair aß, schlief, lernte. Aber die Nähe, die sie am Anfang zu ihrer Tochter verspürt hatte, wurde ihr unerträglich.
 

Und dann hielt sie das neue Baby in den Armen. Jack war nicht ins Krankenhaus gekommen. Er hatte es ja nicht gewollt, außerdem waren Kinder Frauensache. Es war ein Junge. Er würde einmal ein Mann werden wie Jack. Sie hielt das kleine Bündel und starrte ihren kleinen Sohn an. Sie würde sich um ihn kümmern, ihn aufziehen, dafür sorgen, dass er ein Zuhause hatte. Niemand würde sie schief auf der Straße ansehen. Aber dort, wo bei Claires Geburt Freude und überschäumende Liebe gewesen waren, war nichts mehr übrig.
 

Sie nannte ihren Sohn Brian Aidan nach ihren beiden Großvätern. Als sie mit dem Baby nach Hause kam, machte Jack plötzlich viel Aufhebens um seinen kleinen Sohn, prahlte mit seinem Stammhalter. Dann überließ er ihn wieder ihr. So ging es auch die folgenden Jahre. Er hob Brian in den Himmel, wenn er Lust darauf hatte, dann übersah er ihn wieder völlig.
 

Als Brian fünf oder sechs Jahre alt war, kam Jack mal wieder betrunken nach Hause. Er hatte beim Spiel viel Geld verloren. Er beschimpfte Joan, dass sie sein hart verdientes Geld verschwende. Er sagte ihr, dass es ja ihre Idee gewesen war, dieses überflüssige Balg in die Welt zu setzten, das nur Geld kostete, und zeigte dabei auf Brian. Dann schlug er sie. Ihm war schon vorher ab und an die Hand ausgerutscht. Hatte sie als kalt beschimpft. Hinterher, wenn er wieder nüchtern war, tat es ihm jedes Mal schrecklich leid. Er brachte ihr Blumen mit. Er schwor, dass es nie wieder vorkommen würde. Schob die Schuld auf den Alkohol, schwor nie wieder einen Tropfen anzurühren. Bis zu seinem nächsten Besäufnis. Aber dieses Mal war es das erste Mal gewesen, dass er sie vor den Kindern schlug. Brians Augen waren weit aufgerissen gewesen, er war erstarrt. Etwas in ihr sagte ihr, dass sie ihn in den Arm nehmen sollte, ihn trösten, ihm sagen, dass es sein Vater nicht so gemeint habe. Aber sie konnte nicht.
 

Sie sah zu, wie Brian verzweifelt versuchte, ihr und seinem Vater zu gefallen. Er strengte sich in der Schule an, war fast immer der Klassenbeste. Nur im Handwerksunterricht versagte er kläglich. Jack sagte ihm, dass ein richtiger Mann in der Lage sein müsse, mit Hammer, Säge, Hobel umzugehen. Das zähle, schöne Aufsätze zu schreiben sei etwas für Mädchen und Schwächlinge. Brian versuchte es. Er rutschte ab und zerschnitt sich die Handfläche so sehr, dass mehrere Sehnen genäht werden mussten und er wochenlang einen Gips tragen musste. Jack fuhr ihn zum Krankenhaus und fluchte darüber, dass er mit einem derartig ungeschickten Sohn gestraft sei.
 

Das Einzige, was Jack an Brian fast immer lobte, war sein sportlicher Erfolg. Brian wuchs rasend schnell, war schon mit acht Jahren größer als all seine Schulkameraden. Jack und sie waren eher von mittlerem Wuchs, aber ihr Vater, der im Vorjahr bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, war um die ein Meter neunzig groß gewesen. Er war betrunken gewesen, als er von der Straße abkam und gegen einen Baum prallte. Ihre Mutter trug schwarz. Jack ging mit Brian zum Fußball. Nicht zum amerikanischen Football, sondern zum guten alten europäischen, wie es in der Familie Tradition war. Und Brian war gut. Er versäumte nie das Training. Vernachlässigte niemals seine Hausarbeiten darüber. Die anderen Kinder respektierten ihn. Seine Lehrer und sein Trainer schwärmten von ihm. Joan beobachtete, wie aus ihrem zu Hause so schweigsamen Sohn in Gegenwart Fremder eine völlig andere Person zu werden schien. Er war zuvorkommend. Er lächelte. Die anderen Mütter beneideten sie um ihren wohlerzogenen, charmanten und begabten Jungen.
 

Brian brachte nie andere Kinder mit nach Hause. Und er besuchte auch niemanden. Er war der Mittelpunkt, solange er in der Schule oder beim Sport war. Aber danach kam er zurück nach Hause, lernte, aß und ging schlafen. Er machte nie Ärger, bis er in die Pubertät kam. Zum ersten Mal blieb er von zuhause weg, weil er bei einem Freund sein wollte. Michael Novotny, Sohn einer italienisch stämmigen alleinerziehenden Mutter. Eine indiskrete, geschmacklose, laute Person, fand Joan. Sie fragte Brian, was er ständig bei diesen Leuten daheim wolle. Immerhin sei es ein daheim, hatte Brian ihr geantwortet und den Mund zu gepresst. Joan spürte Wut auf ihren Sohn. Hatte sie nicht alles gegeben, damit er ein Heim haben konnte?
 

Brian entfloh ihr, wann immer er konnte. Als er vierzehn war, erwischte sie ihn, wie er sich spät abends schwankend versuchte in sein Zimmer zu schleichen. Er hatte getrunken. Wie sein Vater. Sie gab ihm eine schallende Ohrfeige.
 

Brian blieb weiterhin gut in der Schule und war beim Fußball der beste Spieler. Was man ihm auftrug, erledigte er gewissenhaft. Sie bekam ihn kaum zu Gesicht. Sie bekam den Verdacht, dass er sich mit Mädchen rumtreibe. Vielleicht kam er in dieser Hinsicht ja auch nach seinem Vater. Aber wann immer sie bei den Novotnys auf der Suche nach ihm anrief, war er auch da.
 

Als er sechzehn war, wurden sie und Jack von der Schule angerufen. Brian hatte einem der Spieler des Football-Teams mutwillig die Finger im Spind zerquetscht, dass dieser für die ganze Saison ausfiel. Der Direktor fragte ihn, warum er das getan habe. Brian zog nur die Schultern hoch, starrte aus dem Fenster und sagte kein Wort. Klaglos nahm er die Strafe an, den Rest des Schuljahres den Umkleideraum des Football-Teams zu putzen. Jeden Tag. Die anderen Jungen würden ihm die Aufgabe nicht leicht machen. Brian zuckte nur mit den Schultern. Zu Hause schlug Jack Brian mit der Faust ins Gesicht. Aus Brians Nase tropfte Blut. Er starrte seinen Vater nur an und ließ es laufen. „Bist du fertig?“ fragte er ihn, „oder muss ich mir jetzt auch noch eine Ausrede einfallen lassen, warum ich morgen im Unterricht ein blaues Auge habe?“ Jack stoppte und beschimpfte ihn als Feigling, einen anderen Jungen so unfair zu verletzten. Wenn, dann solle Brian gefälligst Mann gegen Mann kämpfen. Brian starrte ihn nur an. Dann begann er zu lachen. Es war ein freudloses Lachen, dass da aus ihm herausbrach. Jack zuckte zusammen, als habe Brian ihn nun ebenfalls geschlagen. Doch dieser stand nur auf, ging an seinem in ohnmächtiger Wut zitternden Vater vorbei und verschwand im Garten. Joan blieb erstarrt, dann bewegten sich ihre Beine wie von selbst und sie lief hinter ihrem Sohn her. Sie fand ihn unter dem Baumhaus sitzen, das Jack einst in einem Anfall von Zuwendung für ihn gebaut hatte. Als Brian damals versucht hatte zu helfen, hatte er sich den Hammer derartig auf den Zeigefinger geschlagen, dass der Nagel hatte entfernt werden müssen. Brian saß zusammen gesunken da. Er rauchte. Sie setzte sich wortlos neben ihn. Sie sah, dass er weinte. Vorsichtig legte sie ihren Arm um ihn. Brian ließ es geschehen, bewegte sich aber nicht.
 

Sie fuhren fort, wie immer. Brian war fast jeden Tag bei den Novotnys. Seine Leistungen blieben ungebrochen gut. Sie aßen zusammen, wenn er da war, sahen gemeinsam fern. Sie sprachen wenig. Jack fuhr mit Brian zu seinen Fußballspielen.
 

Brian legte einen ausgezeichneten Schulabschluss hin. Sie wussten, dass sie kein Geld für das College aufbringen konnten. Claire war zum zweiten Mal schwanger.
 

An seinem achtzehnten Geburtstag kam Brian morgens die Treppe ins Wohnzimmer hinunter. Jack saß vor dem Fernseher und sah sich die Wiederholung eines Baseballspieles an. Sie bügelte. Brian hielt die Reisetasche in der Hand, die ihm seine Großmutter einmal zu Weihnachten geschenkt hatte. Sowas hält ein Leben lang, hatte sie zu dem damals Siebenjährigen gesagt. Brian trat zu ihnen, sah sich aufmerksam um, dann sagte er: „Ich gehe.“
 

So hatte auch Brian sie verlassen. Er hatte ein Sportstipendium bekommen, das es ihm nun doch ermöglichte, zu studieren. Er hatte ihnen nichts davon gesagt. Jack brüstete sich mit seinem erfolgreichen Sohn, zugleich verfluchte er ihn als undankbar. Brian zog ins Studentenwohnheim. Er besuchte sie hin und wieder. Manchmal ging Joan auch zu ihm, brachte ihm von der Schokoladentorte mit, die er immer so gerne gemocht hatte. Sie gingen auf dem Campusgelände spazieren. Sie sah, wie die Mädchen sich nach Brian umschauten. Er zeigte ihnen jenes Lächeln, das er schon als Kind für Fremde reserviert gehabt hatte. Neben dem Studium arbeitete Brian, in den Semesterferien absolvierte er Praktika. Er machte einen hervorragenden Abschluss und fand Arbeit in einer renommierten Werbeagentur. Sie verfolgte, wie er aufstieg. Er zog in eine neue Wohnung, eine riesige Einraumwohnung, ein Loft, erklärte er ihr. Jedes seiner Möbelstücke sah aus, als habe es ein Vermögen gekostet. Alles stand mit absoluter Akkuratesse an seinem fest bestimmten Platz. Joan fand, dass es aussah wie eine Ausstellung. Schön aber irgendwie tot. Er hatte ein riesiges Bett auf einem Podest installieren lassen. Aber er sprach nie von einem Mädchen, stellte ihnen nie eine Freundin vor. Die Söhne ihrer alten Freundinnen heirateten. Brian blieb allein. Vielleicht war es besser so, dachte sie. Brian wurde immer wohlhabender. Er steckte heimlich Jack Geld zu, und Jack lobte ihn vor seinen Saufkumpanen als sei Brians Erfolg sein Verdienst. Und dann war Jack vom Krebs dahin gerafft worden. Sie saß allein in ihrem Haus. Zunächst genehmigte sie sich hin und wieder einen Schluck aus Jacks alten Beständen. Dann wurde es zur Gewohnheit. Manchmal schämte sie sich schrecklich und bat Gott um Vergebung. Manchmal war ihr alles egal. Brian kam sie selten besuchen. Sie fühlte sich vernachlässigt. Claire zog bei ihr ein. Ihre Enkel fand sie schrecklich unerzogen. Ab und an fuhr sie mit dem Bus zu Brians Loft. Sie brachte ihm immer noch Kuchen mit.
 

Dann war der Tag gekommen, als Brian ihr fast nackt die Tür geöffnet hatte. Es irritierte sie ein wenig, aber er war schließlich ihr Sohn. Er wirkte merkwürdig angespannt und unruhig. Kurz flackerte in ihr der Gedanke auf, dass er vielleicht gerade ein Techtelmechtel mit einem Mädchen hatte. Nicht dass sie das gutheißen konnte, so in Sünde – aber immerhin wäre dann Mal ein Mensch in Brians Leben. Außer Michael erwähnte er nie jemanden. Sie wusste nicht, ob er Freunde hatte, mit denen er sein Leben teilen konnte. Sie bezweifelte es.
 

Die Situation war eindeutig gewesen. Plötzlich gab vieles einen Sinn. War das der Dank dafür, dass sie ihr Schicksal getragen hatte, dass sie ihn geboren und aufgezogen hatte? Der Mann in Brians Bett war fast noch ein Junge gewesen. Ein niedlicher kleiner Junge. Was für eine Perversion. Brian leugnete nichts. Er habe es Jack vor seinem Tod gesagt. Sie konnte es kaum glauben. Sie suchte Zuflucht in der Bibel, der vertrauten Kirchengemeinde, im Whiskey.
 

Dann kam John nach Hause und sagte, dass Brian ihn unsittlich berührt habe. Sie glaubte ihm. Sie kannte ihren Sohn nicht mehr, hatte das Gefühl, ihn nie gekannt zu haben. Er hatte gelogen, all die Jahre, während er mit allem gebrochen hatte, was sie ihn gelehrt hatte. Er hatte auf alles gespuckt, was ihr lieb und teuer war. Auf ihr ganzes Leben. Wie konnte Gott ihm verzeihen? Diese schreckliche Sünde? Er würde sich vor seinem Schöpfer verantworten müssen. Aber hier auf Erden gab es auch Gerechtigkeit.
 

Dann war dieser blonde Junge bei ihnen aufgetaucht, Brians… Liebhaber, zusammen mit dieser geschmacklosen Person, die Michaels Mutter war, und einem Polizeibeamten. John hatte gelogen. Dieses Mal. Aber was änderte das schon?
 

Sie konnte Brian nicht mehr ertragen. Er besuchte sie nie wieder.
 

Dann hatte sie erfahren, dass ihr Sohn an Krebs erkrankt war. Wie Jack. Vielleicht hatte Gott doch ein Einsehen. Vielleicht gab er Brian eine zweite Chance. Zu bereuen. Abbitte zu leisten. Seinen Seelenheil zu retten. Sie ging zu ihm. Brian hatte sich inzwischen selbständig gemacht. Seine Firma sah aus wie das Loft. Aber hier bewegten sich Menschen. Brian trug einen Anzug, der wahrscheinlich mehr gekostet hatte als ihr Hochzeitskleid. Er saß hinter einem gläsernen Schreibtisch. Er wollte nichts davon wissen, dass Gott durch seine Krankheit mit ihm sprach. Er schrie sie an.
 

Zu Hause hatte sie fast geweint. Warum tat er ihr das an? Der Schöpfer, Brian, wer auch immer. Warum konnte er nicht erkennen, wie falsch der Weg war, den er gewählt hatte? Wie sollte Gott ihm das vergeben? Sie wollte nicht, dass Brian zur Hölle fuhr. Sie wollte ihm helfen, trotz allem. Warum konnte er das nicht begreifen? Sie betete für ihn. Bitte vergib.
 

Nun saß sie da, die Morgenzeitung in der Hand. Ihr war, als habe ihr Herz aufgehört zu schlagen. Brian Aidan Kinney. Justin Taylor. 23. August. Toronto. Ein Hohn auf die Ehe. Ein Hohn auf sie. Jeder würde es wissen. Sie wusste nicht, was sie schlimmer fand: die Blasphemie oder die Demütigung.
 

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Justin verschluckte sich fast an seinem Kaffee, als er die Anzeige entdeckte. „Du bist einfach unglaublich!“ sagte er zu Brian, der vorsichtig an seinem Toast knabberte.
 

Brian schaute ihn erst harmlos an, dann lächelte er: „Das fällt dir jetzt erst auf?“
 

Justin strahlte zurück: „Es fällt mir immer auf. Immer und immer wieder.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  brandzess
2011-08-16T21:25:41+00:00 16.08.2011 23:25
ich erinnere mich an Brians mutter -.- sie ist schon immer sehr engstirnig, verbohrt und pseude christlich gewesen
Von:  chaos-kao
2011-08-11T16:11:14+00:00 11.08.2011 18:11
xDDDD Okay, damit ist klar, wen Brian im letzten Kapitel angerufen hat xD Ich find's toll, dass du die Sichtweise der beiden ungeliebten Elternteile mit eingebracht hast ... auch wenn ich sie immer noch nicht leiden kann xD Aber vielleicht denkt wenigstens Justins Vater über sein Verhalten nach ... bei Brians Mutter ist Hopfen und Malz verloren.


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