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Die große Leere

von

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Sofaverhör

V. Sofaverhör
 

Die Klingel rasselte in ihrem etwas asthmatischen Tonfall und Justins Herz begann zu klopfen. Er drückte auf den Summer und betete, dass er funktionieren möge. Er hatte dem Hausverwalter wegen der ständigen Fehlfunktion schon genug auf den Ohren liegen müssen. Nicht, dass häufig jemand zu ihm wollte. Aber zumindest theoretisch erreichbar zu sein hatte durchaus etwas für sich. Er lauschte ins Treppenhaus und hörte dann von tief unten das Geräusch leichter Schritte, die die Stufen hinauf eilten. Nach einer Weile kam ein wohl vertrauter Lockenkopf in Sicht.
 

„Bist du denn des Wahnsinns? Sechster Stock und kein Lift!“ keuchte Daphne ihm lachend entgegen. Sie ließ ihre Tragetasche auf den Boden plumpsen, und Justin machte zwei Schritte auf sie zu, schlang seine Arme um sie und drückte sie, dass sie den Boden unter den Füßen verlor und halb in der Luft hing.
 

„Hey, willst du mir deine keusche Liebe beweisen – oder mich zu Mus verarbeiten?“ kiekste Daphne.
 

„Wer weiß, wer weiß… Hier oben hört keiner dein Schrein!“ grinste Justin.
 

„Blödbacke!“ rief sie und piekste Justin in die Seiten, wo er empfindlich kitzlig war. Er quietschte, ließ sie los und lachte.
 

„Himmel, ist es gut, dich zu sehen, Daph!“ er umarmte sie erneut, diesmal vorsichtiger, nahm dann ihre Tasche auf und zog sie an der Hand in seine Wohnung.
 

Er setzte die Tasche neben der Tür ab, ohne ihre Hand los zu lassen und machte eine raumgreifende Geste: „Mein Reich! Verirr dich bloß nicht in den Weiten der Zimmerfluchten… Und rede die Kakerlaken ja mit „Sir“ an, sonst sind sie beleidigt und beißen dich, wenn du schläfst, in die Zehen.“
 

„Ich werde mich vorsehen… Ist doch cool hier. Hat den verlebten Charme, der eines wahren Künstlers würdig ist…“
 

„Du meinst, es ist eine Bruchbude, ja, ich weiß.“
 

„Es ist deine Bruchbude, und sie ist super. Wenn ich an deine letzte Bruchbude denke… die war echt eklig. Da hatte man nicht mal mehr Angst vor dem Ungeziefer, weil die Wände selbst so aussahen, als würden sie zu Leben erwachen und einen auffressen wollen…“

„Ist nicht gerade ein feudaler Landsitz, aber ich kann hier wirklich gut arbeiten.“ Justin verzog das Gesicht bei den Worten „feudaler Landsitz“.
 

„Dann führ mich doch Mal herum, großer Wohnungsmieter! Oh, die Aussicht ist klasse!“

„Und das Licht erst! Nun ja, wenn du einen Schritt nach links machst, befindest Du dich in der High Tech-Küche, nur ein Schritt zu deiner Rechten befindet sich das fürstliche Himmelbett. Man sagt, der Vorbesitzer sei Prinz Ikea von Schweden höchstpersönlich gewesen! Vor dir siehst du den Arbeitsbereich – aber Vorsicht, da ist noch feuchte Farbe auf dem Boden, tritt da nicht rein. Und dieser geheimnisvolle Durchgang da drüben führt in die museale Nasszelle. Tja, das ist es eigentlich schon.“
 

„Ich bin schwer beeindruckt, Prinz Prahlschnalle! Du kannst meine Hand übrigens jetzt auch wieder loslassen, ich bin inzwischen ein großes Mädchen und verspreche, mich nicht zu verirren oder mit dem bösen Wolf abzuhauen, solange ich in der Wohnung bin… Es sei denn er ist heiß und reich und hetero, dann bin ich sowas von weg.“
 

„Oh!“ Justin wurde rot. „Tut mir leid“, murmelte er, „hatte wohl Tintenfisch zum Frühstück.“
 

„Schon gut“, sagte Daphne und schaute Justin prüfend an. Dann drehte sie sich um und drückte ihn von sich aus. Sie spürte, wie Justins Muskeln sich entspannten, als er sich an sich lehnte. Sie beschlich ein Verdacht. Wie lange war es her, dass jemand Justin berührt hatte? Er schien so… ausgehungert… nach Gesten der Zuneigung.
 

„Wofür war das denn?“ fragte Justin, als Daphne sich von ihm löste. „Einfach nur, weil es dich gibt, du Knalltüte“, sagte sie zärtlich, gab ihm einen schmatzenden Kuss auf die Wange und wuschelte sein sowieso schon zu Berge stehendes Haar. Er hatte es wieder länger wachsen lassen, was ihn deutlich jünger erscheinen ließ, als er es war. Sie erinnerte sich, wie verrückt Brian nach Justins Haaren gewesen war. Ihr Freund sah mit dieser Frisur auch immer ein wenig danach aus, als sei er gerade aus dem neusten Disney-Film gekippt.
 

„Nun, machen wir es uns doch erst mal gemütlich“, schlug Justin vor. Sie überließ ihm ihren Mantel, den er sorgsam über die Seite eines der Regale hängte. Von Kleiderhaken oder Garderobeständern schien er wohl bei seiner Inneneinrichtung nichts gehalten zu haben. Er wuchtete ihre Tasche neben das Sofa („Was hast du da drin? Deinen Lieblings-Ziegelstein?“), dann ließen sie sich aufs Sofa fallen. Daphne kickte ihre Schuhe von den Füßen und streckte alle Viere von sich. Der Flug von Chicago, wo sie inzwischen Medizin studierte, war zwar nicht lang gewesen, dennoch fühlte sie sich etwas geschlaucht.

„Willst du was trinken? Hab extra dein Lieblings-Bier besorgt. Oder möchtest du erst mal duschen?“ fragte Justin.
 

„Jetzt, wo ich meine Schuhe aus habe, fällt mir auf, dass ich wohl letzteres zunächst tun sollte. Ich muffe wahrscheinlich wie ein totes Bison – da kommt selbst dein Farb-Gestank nicht gegen an.“ Justin sagte dazu vorsichtshalber nichts. Sie raffte sich auf, wühlte in ihrer Tasche und verschwand dann im Bad.
 

Eine Viertelstunde später fühlte sie sich besser. Sie hatte einen dunkelroten Trainingsanzug aus Samt übergezogen, der bequem um sie schlabberte, und ein hellblaues Handtuch um den Kopf gewickelt, in das liebevoll in Schnörkelschrift „Justin“ gestickt war. Sie hatte es ihm vor Jahren geschenkt, als sie im Handarbeitsunterricht zu derart hausfraulichen Tätigkeiten genötigt worden war. Nun ja, beim Medizinstudium schadeten Kenntnisse mit der Nadel auch nicht, hatte sie feststellen können.
 

Justin hatte bereits das gekühlte Bier vors Sofa gestellt und einen Haufen Knabberzeug daneben aufgetürmt. Verfressen wie immer. Gott sei Dank waren sie beide ausgesprochen schlechte Futterverwerter.
 

„Mmm, hier fehlt doch was, hast du keine Glotze?“
 

„Ne, komm eh nie zum schauen, hab’s daher nicht vermisst. Nachrichten schau ich übers Internet.“
 

„Wo ist der Junge hin, der Nachmittage lang die hohlsten Seifenopern glotzen konnte?“
 

„Wo ist da Mädchen hin, das nie so rumlaufen wollte wie Paris Hilton?“ fragte Justin zurück und musterte vorwurfsvoll Daphnes modischen Anzug.
 

„Woher willst du denn das wissen?“ wunderte sich Daphne mit roten Ohren.
 

„Nachrichten“, grinste Justin breit.
 

„Soso, Nachrichten. Wahrscheinlich noch direkt vor den Meldungen aus Afghanistan, kommt ja immer das Wichtigste zuerst.“
 

„Erwischt!“ lachte Justin.
 

Sie öffneten die Bierflaschen und prosteten sich zu. „Auf New York!“ sagte Daphne. „Auf Paris Hilton!“ sagte Justin und beide lachten.
 

„Nun erzähl schon“, drängelte Justin, „wie geht’s dir als Frau Doktor in spe?“
 

Daphne nahm einen zünftigen Schluck aus der Flasche. Für eine so kleine Person hatte sie einen ordentlichen Zug drauf.
 

„Erst mal war’s mega-stressig. Ich musste einen Platz im Wohnheim finden, umziehen, mich einschreiben, meine Kurse buchen, Bücher ranschaffen und was noch alles… und zwar alles in einer Woche. Hatte ja nicht mehr damit gerechnet, dass ich noch einen der Stipendiums-Plätze ergattern würde, aber dann hat eine Woche vor Semesterbeginn jemand anderes abgesagt, und ich bin noch reingerutscht. Ich hab gesteppt vor Freude, aber dann ging‘s auch schon richtig los! Wer hat eigentlich das Gerücht in die Welt gesetzt, Studenten würden die ganze Zeit nur Koma-Saufen, durcheinander Ficken und lustige Drogenexperimente starten? Ich war schon heilfroh, wenn ich überhaupt zum Atmen kam und selbst da bin ich mir nicht so sicher!“
 

„Gerade trittst du den Beweis an, dass du offensichtlich auch ganz gut ohne Atmung auskommst“, bemerkte Justin grinsend in Hinblick auf Daphnes Redefluss.
 

„So bin ich eben, ein Wunder der Natur“, antwortete Daphne augenrollend.
 

„Naja, inzwischen hab ich mich ganz gut eingewöhnt. Hatte Glück mit meiner Mitbewohnerin, Barbie ist echt locker drauf!“
 

„Deine Mitbewohnerin heißt Barbie? Wer bist du denn dann, Skipper?“ prustete Justin.
 

„Nun mach dich nicht lustig, für die idiotischen Ideen seiner Eltern bei der Namensgebung kann man ja nichts… Aber eigentlich war der Name recht prophetisch, sie sieht echt ein bisschen Barbie-mäßig aus, die Typen stehen echt Schlange bei ihr!“
 

„Grauenhaft! Was für eine Verschwendung!“ Justin schüttelte sich gespielt.
 

„Hab dich nicht so, kann ja nicht jeder heiße Typ schwul sein! Ich will schließlich auch keinen Troll abbekommen!“
 

„Nun, für dich könnte man ja eine Ausnahme machen. Aber wirklich nur eine!“, warf Justin gnädig ein.
 

„Sehr großherzig von dir! Nun ja, das erste Semester war alles in allem zwar irre anstrengend – aber auf der anderen Seite aber auch total genial! Jeden Tag gab’s was Neues zu sehen, zu lernen, zu erfahren – mir rauscht jetzt noch der Kopf. Es war, als würde ich die ganze Zeit unter Strom stehen!“
 

Justin nuckelte an seinem Bier und nickte verstehend. Das Gefühl kannte er.
 

„Und ich denke darüber nach, ob ich mich nicht auf Fortpflanzungsmedizin spezialisieren sollte!“
 

„Du willst dein ganzes Leben lang jeden Tag in Mösen rumstochern? Mir wird übel. Dann werd doch lieber gleich lesbisch, soll einem angeblich viel Ärger ersparen.“
 

„Sei nicht immer so vulgär! Nein, ich will nicht „in Mösen rumstochern“, wenn ich dich zitieren darf. Ich will keine Gynäkologin werden. Mir geht es, wenn du so willst, um das Wunder des Lebens. Es ist unglaublich, wie Leben entsteht, wie es sich entwickelt. Wir wissen noch so wenig darüber, wie ein neuer Mensch entsteht! Und es geht mir auch darum, Leuten zu helfen, die dieses Wunder erleben wollen, denen die Natur aber bisher einen Strich durch die Rechnung gemacht hat!“ Daphnes Wangen röteten sich vor Aufregung.
 

Justin betrachtete sie nachdenklich. Daphne zeigte bei diesem Thema ein Feuer, das er so bei ihr noch nie gesehen hatte. Klar, sie hatte sich bisher für die eine oder andere Sache begeistern können – aber dieser heillose Enthusiasmus war neu.
 

„Das ist wirklich dein Ding, Daph“, sagte er ruhig.
 

Sie lächelte und strahlte dabei. „Ja, das ist.“
 

Justin stand auf und holte zwei neue Flaschen Bier aus dem Kühlschrank. Er weckte seinen Laptop aus dem Standby-Modus und schaltete eine Jazz-Kompilation an, die er vor ein paar Tagen hochgeladen hatte. Er war auf den Geschmack gekommen, die Musik entspannte ihn, störte ihn aber auch nicht beim Malen, half ihm vielmehr, sich zu versenken. Er reichte Daphne, die sich in der Sofaecke zusammengekuschelt hatte, eine der Flaschen und setzte sich wieder neben sie.
 

Daphne lächelte. „Jetzt hab ich dich aber die ganze Zeit mit meinem Kram voll gequasselt. Los, zeig mir deine neusten Geniestreiche!“
 

„Du bist doch das ganze Wochenende hier, lass uns mein bescheidenes Gekleckse doch lieber Morgen bei Licht anschauen…“
 

„Kommt nicht in Frage! Her damit, ich will was sehen! Vor mir wird nichts versteckt!“ Sie boxte ihm auffordernd in die Rippen.
 

„Aua, ich beuge mich deiner brutalen Art. Wie finanzierst du eigentlich noch mal genau dein Studium? Stipendium? Von wegen! So wie du um dich haust, machst du bestimmt gerade Karriere als Luxus-Domina!“
 

„Genau, Kleiner“, schniefte Daphne und setzte eine strenge Miene auf, „und jetzt sei gefälligst ein braver Junge, oder ich zeige Dir, wozu man deine Pinsel noch so alles benutzen kann…“ Sie zog drohend die Augenbrauen zusammen.
 

Justin brachte sich mit einem Sprung in Sicherheit. Er grinste und sagte mit gespielter Furcht: „Alles, was meine Herrin befielt! - Und da behaupte einer, ich hätte eine dreckige Fantasie…“
 

„Stille Wasser sind tief“, erwiderte Daphne uns setzte eine Unschuldsmine auf.
 

Justin suchte nach einer der kleineren Leinwände, die er für die kommende Ausstellung bereits fertig gestellt hatte. Obwohl klein relativ war, sie maß ebenfalls mindesten eineinhalb Meter in der Höhe und zwei Meter in der Breite. Er wuchtete sie vorsichtig auf einen der Tapeziertische, die er als Arbeitsunterlage nutzte und richtete die Lampe auf sie aus.
 

Daphne war neben ihn getreten. Sie starrte auf das Bild.
 

„Jesus… Justin…“ flüsterte sie.
 

Justins Herz klopfte. Daphnes Reaktion ließ eine Welle des Glücks durch ihn strömen.
 

„Oh Gott, wirklich, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll… Ich hatte ja etwas Tolles erwartet, aber das…“ Sie wandte sich ernst blickend ihrem alten Freund zu. Er hielt den Kopf gesenkt, fast, als würde er sich schämen. Aber das Leuchten seines Gesichtes verriet zugleich, wie stolz er auf seine Arbeit war.
 

„Sind die anderen auch … so?“ Sie wies auf das abstrakte Gemälde, auf dem sich Farben und Formen in einer wilden ewigen Explosion zu umklammern schienen. Nichts Gegenständliches war zu sehen, dennoch zeigte es… alles.
 

Justin schüttelte den Kopf. „Nein, jedes Bild ist anders.“ Er schien sie nicht zu verstehen. Vielleicht war es nur Bescheidenheit.
 

„Wann ist die Ausstellungseröffnung?“
 

„Bald schon, am 6. August. Mel und Linds wollen mit Gus kommen.“
 

„Das ist schön! Was ist mit Brian?“ fragte sie vorsichtig.
 

Justin senkte nur erneut den Kopf und schüttelte ihn leicht verneinend.
 

„Es muss so sein. Bitte frag nicht Daph.“
 

Ihr brannten tausend Fragen auf der Seele. Über die Jahre war sie immer Zeugin Justins turbulenter Beziehung zu dem älteren Mann gewesen. Sie wusste, dass die beiden, allen anderen Behauptungen zum Trotz, in ihrem Inneren eng verbunden waren und dies wahrscheinlich auch immer bleiben würden. Sie wusste nicht ganz, was es war, denn sie hatte etwas Derartiges bisher nicht selber erlebt. Sie war auch nicht sicher, ob sie das wollte, angesichts des Leids, das Justin deswegen hatte ertragen müssen. Aber sie erinnerte sich auch daran, wie unglaublich glücklich ihr Freund andererseits auch immer wieder gewesen war. Zwei Seiten einer Medaille. Was auch immer da gerade vor sich ging – Justin würde mit ihr darüber sprechen, wenn er sie brauchte, weil er ihr vertraute wie sie ihm. Wenn er nicht darüber sprechen wollte – so würde sie das geduldig akzeptieren und ihn zu nichts zwingen.
 

Justin hob das Bild wieder zur Seite und deckte es vorsichtig ab. „Die anderen zeige ich dir Morgen, okay?“ Er wirkte plötzlich müde.
 

„Klar“, sagte Daphne nur. Sie setzten sich zurück aufs Sofa. „Und sonst so?“ versuchte sie ihn auf andere Gedanken zu bringen. „Schon die Christopher Street unsicher gemacht?“ Sie grinste ihm verschwörerisch zu.
 

Er sah sie an, als wisse er gar nicht, von was sie rede, oder als sei ihr gerade ein drittes Auge gewachsen. „Was? Äh, nein, wozu?“ kam es aus ihm heraus gepurzelt.
 

„Wozu? Muss ich dir jetzt die Geschichte von den Bienchen und den Blümchen – oder vielmehr die von den Bienchen und den Bienchen erzählen? Glaub mir, in Hinsicht auf meine Karriereziele bin ich da schon recht gut drin!“ Justin wurde jetzt endgültig rot. Hatte sie es sich doch gedacht. „Gehst du überhaupt aus dem Haus, außer um zu arbeiten oder einzukaufen und machst mal so etwas Abartiges, wie – ich weiß nicht – mit anderen Menschen zu reden?“ „Daph…“, wich er aus, „ich stecke wirklich bis zum Scheitel in Arbeit, die Ausstellung ist schon so bald…“ „Und davor? Und danach? Oder willst du dir lieber eines Tages ein Ohr absäbeln, um dann als irres Genie in die Annalen der Kunstgeschichte einzugehen? Ach ja, das gab’s ja schon! Wie wär‘s dann mit deinem Schwanz, den scheinst du neuerdings wohl dann auch nicht mehr zu benutzten.“
 

Justin starrte sie entgeistert an. Seine Nasenflügel bebten. „Also, falls du damit andeuten willst, dass ich lebe wie ein Eunuch…!“ „Ach“, unterbrach sie ihn, „ich glaub dir gerne, dass ihr viel Spaß habt, du und Mr. Buttplug und Mr. Dildo und Mr. – so genau kenn ich mich da nun auch wieder nicht aus.“ Justin sah aus, als würde er gleich im Boden versinken. Das war wohl ein Volltreffer gewesen. „Natürlich habe ich… Bedürfnisse. Aber meine Kunst zehrt aus derselben Quelle wie… meine Lust…“, würgte er hervor. „Da bleibt einfach nicht viel übrig. Und ob ich mit irgendeinem namenlosen Arsch im Darkroom rummache oder mit Mr. Buttplug, da sehe ich keinen Unterschied. Außer vielleicht den, dass ich Mr. Buttplug mehr Vertrauen entgegen bringen kann und er nicht versucht, mir die Ohren voll zu quatschen oder mich mit Filzläusen anzustecken.“
 

Unwillkürlich musste Daphne kichern. „Aber was ist mit deinem Abenteuergeist? Raus gehen, die Welt entdecken – deswegen bist du doch nach New York gegangen, oder?“ „Aber das tue ich doch“, er zeigte auf die an der Wand lehnenden Leinwände. „Das tue ich doch“, wiederholte er ruhig und atmete tiefdurch. „Das, was du vorhin gesehen hast, das kann ich nur hier, nur… so. Das ist meine Welt. Und ich weiß die Vorteile der Stadt durchaus zu nutzen. Ich gehe in Museen, wenn Geld übrig ist, auch ins Kino oder ins Theater oder in ein Konzert. Ich genieße das wirklich sehr. Es ist, als könnte ich so meinen Akku wieder aufladen, bis es beim Malen wieder aus mir herausströmt. Das ist wohl… Inspiration, wenn du so willst. Nichts Rationales.“
 

„Wann hat dich das letzte Mal jemand umarmt?“ fragte Daphne und blickte Justin direkt in die Augen. Er zwinkerte, sah aber nicht weg.
 

„Vorhin, du, das weißt du doch.“
 

„Und davor?“
 

Justin schwieg.
 

„Komm her, du Trottel“, sagte sie und streckte ihre Arme aus. Zunächst war er

angespannt, dann lockerte er sich und lehnte gegen sie. Sein Kopf lag auf ihrem Bauch, während sie ruhig seine Haare streichelte. „Justin“, sagte sie zärtlich, „das geht so nicht, du gehst mir hier ein wie eine Topfpflanze, die kein Wasser bekommt. Inmitten von Abermillionen Leuten vereinsamst du. Du musst raus, Leute finden…“ „Ich habe Leute, ich muss niemanden finden“, murmelte er mit geschlossenen Augen. „Ja, du hast Leute. Aber nicht hier. Wenn du keine neuen kennenlernen möchtest, dann musst du dich wohl an die alten halten. Fahr doch mal wieder nach Pittsburgh und besuche deine Mutter, triff dich mit Debbie und Emmet…“ „Nein, nicht Pittsburgh, ich kann da jetzt noch nicht wieder hin“, wehrte er ab. „Na gut, dann lad sie ein. Was ist mit Lindsay und Melanie? Wollten die dich nicht besuchen kommen? Besuch sie doch auch, komm mal raus aus deinem Trott für ein paar Tage. Ich bin mir sicher, sie würden dich gerne bei sich haben.“ „Mmmhh…“, stimmte er ihr zu. Sie lagen da, eng beieinander, vertraut, nah. Irgendwann wurde Justins Atmung tiefer, er war eingeschlafen. Daphne betrachtete ihn noch lange nachdenklich und hörte nicht auf, beruhigend durch die weichen blonden Strähnen zu fahren.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  brandzess
2011-08-14T18:40:44+00:00 14.08.2011 20:40
Daphne hat ganz recht! Justin muss unbedingt mal wieder unter leute! am besten unter Brian *girns* :D
Von:  chaos-kao
2011-08-10T19:25:03+00:00 10.08.2011 21:25
Ha Ha, so kann es gehen xD Armer Brian ... du lässt ihn wirklich ganz schön leiden! ^^


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