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Triangel

von

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Zwei

Nachdenklich betrachtete ich mich im Spiegel über dem Waschbecken und spürte, wie ich mich plötzlich wieder eines mit mir selbst fühlte. Meine kurzen, braunen Haare und braunen Augen im Spiegel ansehend seufzte ich glücklich auf. Nach 4 Jahren hatte ich es nun endlich geschafft, mehr den Segen als den Fluch als Option meines Schicksales anzuerkennen.

Als ich das Bad des Cafés, in welchem ich mich gerade befand, verließ und mich wieder in Richtung meines Tisches begab, sah ich, dass dieser nicht mehr unbesetzt war. Dabei hatte ich meine Tageszeitung, meine dunkelblaue Strickjacke und meine halb volle Tasse Kaffee dagelassen. Ich wollte mich gerade beschweren als ich die junge Frau erblickte, welche meinen Platz belagerte. Lange, kupferblonde Haare strahlten mich an und ich war gebannt von der Anmut, welche sie während dem Sitzen ausstrahlte während sie eine - meine, wie ich sah - Zeitung las.

Ich räusperte mich laut. „Der Artikel ist gut, nicht?“, sagte ich in Richtung Zeitung nickend, als ich den Text und das Bild dazu erkannte. Sie schaute auf und so konnte ich zum ersten Mal ihre intensiven grünen Augen sehen. Jeder weitere lockere Spruch blieb mir in der Kehle stecken. Selten hatte mich eine schöne Frau dermaßen umgehauen. Und es war nicht nur ihre Erscheinung, sondern vielmehr ihre Aura, die mich mit Wärme erfüllte und ich kam mir vor, wie ein Nachtfalter, der gen Licht fliegen will.

„Sie meinen?“, fragte die Frau etwas verständnislos und legte den Kopf schräg, machte jedoch keinen unfreundlichen sondern lediglich verwirrten Eindruck.

„Ich meine, dass ich diesen Artikel meiner Zeitung bereits gelesen habe und ihn gut finde“, klärte ich die Situation auf, als ich meine Stimme wiederfand. Die Frau errötete sofort, was mir ein wenig unangenehm war. Ich hatte sie nicht tadeln wollen.

„Oh, Entschuldigung. Das ist mal wieder typisch für mich“, sie blickte sich eilig, aber lächelnd, um und legte die Zeitung auf den kleinen runden Tisch, welcher in der Mitte der zwei Sessel stand. „Sie haben hier gesessen?“, fragte sie dann, scheinbar um sich zu versichern. Sie griff nach ihrer Tasche und schien aufstehen zu wollen.

„Nein, bitte, bleiben Sie sitzen“, bat ich sie und machte mit meinen Händen eine Geste, die ausdrücken sollte, dass sie sitzen bleiben könne. Dabei setzte ich mich auf den Sessel neben ihr. Sie sah sich um, blieb aber dann kapitulierend sitzen, da es keine freien Plätze gab.

„Haben Sie gesehen ob jemand von meinem Kaffee getrunken hat?“, vergewisserte ich mich dann, nicht, weil ich dachte, dass das sehr wahrscheinlich war... aber wer trinkt schon gerne aus einer Tasse aus der ein Fremder getrunken hat?

„Nein, ich glaube, ihre Tasse ist im Gegensatz zu ihrer Zeitung unberührt geblieben“, sagte sie dann lächelnd und ihr Gesicht leuchtete umso mehr auf, was ich nicht erwartet hatte.

„Nun... da Sie jetzt an meinem Tisch sitzen, finde ich es nur fair, wenn Sie mir Ihren Namen verraten würden“, fragte ich sie dann. Zugegeben, es war ein wenig plump und sehr direkt, würde aber seinen Zweck erfüllen.

„Larsson, Lykke Larsson. Aber nennen Sie mich bitte Lykke“, antwortete sie mit ihrer angenehmen Stimme.

Anhand des Namens schloss ich, dass sie Skandinaviern sein musste, was man ihrer Aussprache oder ihrem Aussehen nicht sofort anmerkte. Die klischeehafte Bemerkung, dass dies aber ein außergewöhnlicher Name sei, verkniff ich mir guten Wissens.

„Freut mich, Lykke. Ist das ein skandinavischer Name?“, fragte ich stattdessen locker, was die Unterhaltung wesentlich mehr anfachen würde.

Sie nickte leicht, scheinbar kurz überlegend ob sie die Frage näher beantworten wollte und schaute mich ein wenig abschätzend an ob man mir vertrauen konnte. „Ich bin in Stockholm geboren, meine Eltern zogen mit mir nach Deutschland als ich 1 Jahr alt war“, erklärte sie, griff mit einer hypnotisierenden Bewegung ihres gesamten Körpers nach ihrem Kaffee, nahm einen Schluck und schaute mich durchdringend an. Die Röte war nun aus ihrem Gesicht gänzlich verschwunden und ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht lesen.

„Und mit wem habe ich das Vergnügen?“, fügte sie hinzu, als sei es ihr gerade erst eingefallen und hob die Augenbrauen.

Den Vermerk, dass ich nicht aus Skandinavien sei, verkniff ich mir, da ich wusste, dass sie es nicht gemeint hatte.

„Domenik Scholz, Domenik mit E“, erklärte ich überflüssigerweise aus Gewohnheit und reichte ihr meine Hand. Ich war es nicht gewohnt, dass mich eine Frau nervös machte. Ihre Hand war unglaublich weich und ihr Händedruck sanft. Dabei lehnte ich mich etwas mehr zu ihr und stellte fest, dass sie kaum älter als ich sein konnte. Ein wenig ziellos blickte ich umher, hoffend, sie würde weitersprechen.

„So, Domenik mit E, woher kommt das E?“, erkundigte sie sich dann amüsiert mit gehobenen Augenbrauen und nahm erneut einen Schluck. Auf den Kopf gefallen war sie keinesfalls. Das gefiel mir.

Nach einem kurzen Zögern, ob ich ehrlich antworten solle, begann ich zu sprechen. „Meine Mutter ist der Meinung, dass der Name Dominik nie deutlich ausgesprochen wird und deswegen hat sie Domenik daraus gemacht. Ansonsten gefiel ihr wohl die Bedeutung des Namens“. Ich ließ die Erklärung offen und erwartete, dass sie fragte, was er bedeutete.

„Nun, das leuchtet mir ein. Ich glaube, meiner Mutter gefiel auch die Bedeutung meines Namens. Er bedeutet Glück“, sagte sie und mein Blick wanderte auf ihrem Gesicht umher.

„Und, hast du viel davon, Lykke?“, fragte ich mutig. Es war auf eine bestimmte Weise zu indiskret für die Kürze der Bekanntschaft.

Statt zu antworten lachte sie zunächst ehrlich und schüttelte den Kopf. „Leider nein, ich lasse für gewöhnlich kein Fettnäpfchen aus. Am liebsten setze ich mich in Cafés an bereits besetzte Tische und klaue Tageszeitungen“, sagte sie dann schmunzelnd.

Selbst wenn ich noch so sehr gesucht hätte, es gab keinen Grund für mich sie nicht zu mögen. Diese leise Selbstironie beeindruckte mich. Viele Frauen taten sich schwer damit über sich selbst lachen zu können.

„Eigentlich habe ich die Zeitung auch nur jemand anderem geklaut“, behauptete ich und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.

Es war aus meiner Sicht fast eine perfekte erste Begegnung und Unterhaltung. Nun musste mir nur noch einfallen, wie ich es anstellte, dass wir in Kontakt blieben, da ich der Meinung war, dass das Interesse nicht einseitig war.

„Du bist witzig, Domenik mit E“, stellte sie fest. Der Ton ihrer Stimme und ihre Mimik waren eher neutral.

„Danke“, entgegnete ich ein wenig verblüfft und fragte mich, wie ernst es gemeint war. Das Gespräch geriet an dieser Stelle das erste Mal wirklich ins Stocken.

Sie nahm einen Schluck von ihrem Kaffee, welcher mit Sahne-Topping versehen war, und über ihrer Lippe blieb ein wenig Sahne hängen. Flüchtig lächelte sie mich an und ich wollte ihr gerade mit einer diskreten Geste einen Hinweis geben, als sie die Sahne selbst bemerkte und sich verlegen über die Lippe leckte.

„Ich liebe Sahne“, gestand sie und rollte lächelnd mit den Augen.

„Und ich glaube, die Sahne liebt deine Lippen“, sagte ich lachend und nahm selbst einen Schluck meines Kaffees. Er war schon kalt und hatte dadurch seinen guten Geschmack verloren, aber wahrscheinlich hätte ich mit Vergnügen Milch mit Senf und Tomatensaft getrunken um neben Lykke sitzen zu können.

Sie nahm erneut einen Schluck und ich vermutete, dass ihre Tasse bald leer war.„Nun gut, ich fürchte, ich muss los“, kündigte sie gleich darauf an und erhob sich plötzlich.

In der Kürze der Zeit fiel mir nicht ein, wie ich sie um ihre Nummer fragen könnte und so brachte ich nur den Satz „Vielleicht sitzt du ja irgendwann wieder auf meinem Platz, ich würde mich jedenfalls freuen“ mit einem Lächeln hervor.

Ihre Antwort war ein ehrliches Lächeln, welches sich auf ihrem gesamten Gesicht abzeichnete und mich mich selbst innerlich verfluchen ließ, sie einfach so gehen lassen zu müssen.

„Dann auf Wiedersehen“, sagte sie und betonte letzteres Wort.

Als sie das Café verlassen hatte, blieb eine seltsame Leere übrig und ein Gefühl des Glückes zugleich. Es gab doch noch Menschen welche mich begeistern konnten.

Ich ließ meinen Blick kurz schweifen und stellte fest, dass sie ihre Kreditkarte vergessen hatte. Sie lag neben ihrer leeren Tasse auf dem Tisch, welchen ich bis dahin kaum beachtet hatte. Scheinbar hatte sie kurz vor dem Betreten des Cafés etwas gekauft und sie weg stecken wollen. Es war eines der Cafés in dem man sich selbst bediente, daher konnte ich gedankenlos meinen Platz verlassen. Noch bevor ich wusste, was ich tat, hatte ich die Verfolgung aufgenommen und rannte zur Tür hinaus. Sie war rechts entlang gelaufen, wie ich durch das Schaufenster beobachtet hatte, und in diese Richtung folgte ich ihr. Wenige Meter später bildete ich mir ein, ihr Haar in der Menschenmenge auf der anderen Straßenseite schimmern zu sehen. Zwischen mir und ihr war nun eine Füßgängerampel und eine zweispurige Straße. Gedankenlos rief ich nach ihr und sie drehte sich um. Die Ampel war bereits rot gewesen als sie auf mich zusteuerte. Ein erbamungsloser Taxifahrer trat auf das Gaspedal, scheinbar vertieft in ein Gespräch mit seinem Passagier. Innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde raste ich auf Lykke zu und schubste sie, wenn auch unsaft, in die Sicherheit und verlor dann das Bewusstsein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Gurgi
2011-06-07T21:22:31+00:00 07.06.2011 23:22
Hallo!

Sehr interessant, auf jeden Fall bis jetzt! Mir gefällt die Idee mit den drei Leben, und die im ersten Kapitel erwähnte Unsicherheit, was dies bedeutet, wie man damit umgeht, oder was man damit anstellt. Im zweiten Kapitel hat mir besonders die Interaktion zwischen den beiden gefallen, sehr leicht, nicht irgendwie gekünstelt oder überladen. Außerdem ein wirklich mieser Cliffhanger am Ende, alleine deswegen würde ich mich freuen, wenn es noch ein Kapitel geben würde, aber auch weil mich das zu Ende denken deiner Idee sehr interesst.

Grüße


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