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Kirschblütenschauer

[Sorato/Koumi/Kenyako]
von

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Epilog: Schlussakkord


 

Epilog: Schlussakkord
 


 

***
 


 

Der weiße Umschlag
 

Sie winkte Takeru vom Fenster aus zu bevor er hinter dem Häuserblock verschwand und die Haustür schwingend ins Schloss fiel. Vor ihr erstreckte sich das graue Treppenhaus schweigend. Normalerweise war irgendwo immer ein Klackern oder Murmeln zu vernehmen, ein Signal des Lebens, doch in diesem Moment blieb alles verdächtig still. Allein ihrer Schritte hallten auf den Treppenabsätzen wider, während sie Etage um Etage hinter sich ließ und den Wohnungstürschlüssel aus der Jackentasche fischte.

Die Tür gab nach und sie trat in die dunkle Wohnung. Sie vermutete, dass ihre Mutter noch einige Einkäufe zu erledigen hatte, während ihr Vater bei der Arbeit zu finden war, so dass der Wohnsitz der Familie Yagami einsam und verlassen wirkte, während sie in ihrer Hausschuhe schlüpfte und den Anrufbeantwortet abhörte.

Keine neuen Nachrichten.

Taichi war sicherlich schon heimgekehrt und gönnte sich ein Nickerchen. Bei dem Gedanken an ihren schnarchenden Bruder musste sie grinsen. Egal wie alt er sein mochte, manche Dinge würden sich einfach nie ändern, und eine beruhigende Wärme breitete sich in ihr aus.

Vorsichtig pirschte sie sich an die Zimmertür ihres Bruder heran. Ein schmaler Lichtstreifen kroch durch die Türspalte auf den dunklen Flur und malte in den Farben der Abendglut auf das Parkett.

Mit einem leisen Quietschen öffnete sie die Zimmertür, durch das Fenster auf der gegenüberliegenden Seite strömte das Abendlicht und tauchte den schmalen Raum in einen kaminroten Schimmer.

Das Bett war leer, wie sie verwundert feststelle, und die Bettdecke war sorgsam zusammen gefaltet worden, auf dem dunkeln Teppichboden war nicht eine schmutzige Socke zu sehen und der Schreibtischstuhl türmte sich nicht mit Kleidungsstücken.

Ihr Bruder hatte tatsächlich aufgeräumt. Die Regale waren sorgsam mit Büchern und Comics bestückt, die sonst ihren Platz auf dem Boden hatten und von den fragwürdigen Postern, die ihre Mutter in den Wahnsinn trieben, war an der weißen Wand nichts mehr übrig geblieben.

Sogar der Schreibtisch erstrahlte im ordentlichen Glanz. Nur noch ein weißer Umschlag lag auf der Schreibtischunterlage und hob sich vom Rest des eher dunklen Raumes merklich ab.

Eigentlich hätte Taichi bereits Zuhause sein müssen, auch wenn er noch eine Weile im Shinjuku Central Park geblieben war, um sich von Sora und Yamato zu verabschieden, so war es doch seltsam.

Ihre Finger strichen über das glatte Papier des weißen Umschlags und malten das Emblem der Universität Kyoto nach. Vorsichtig nahm sie den Umschlag in ihre Hände, der über die Zukunft ihres Bruders entschied. Er war nach wie vor ungeöffnet.

Etwas streifte ihr Bein und als sie an sich herunter blickte, sah sie ein Stück Papier, welches vom Schreibtisch geflattert sein musste, als sie den Umschlag genommen hatte.

Sie erkannte die krakelige Handschrift ihres Bruders sofort, mit der er ihren Namen auf den Zettel geschrieben hatte.

Das Papier knisterte erwartungsvoll, während sie es auseinanderfaltete und zu lesen begann.
 

Imouto-chan…
 

Ihr Bruder schrieb keine Briefe. Wenn er etwas zu sagen hatte, dann sprach er es aus.
 

Wenn du diese Zeilen ließt, werde ich schon nicht mehr hier sein. Es tut mir leid, dass ich mein Versprechen, dich immer zu beschützen, nicht halten kann, aber ich befürchte, dass ich nicht mehr der große Bruder bin, den du oder diese Welt braucht.
 

Sie kniff die Augen zusammen und versuchte sich einen Reim aus dem Geschriebenen zu machen, doch eine Antwort ließ auf sich warten.
 

Wir haben diese Welt gerettet und der Digiwelt Frieden geschenkt. Meine Aufgabe ist erfüllt, befürchte ich.
 

Mit will pochendem Herzen hetzte sie über die Zeilen.
 

Ich hab versucht dagegen anzukämpfen, Imouto-chan, wirklich, aber all die Abenteuer, die Kämpfe und fremde Welten lassen mich nicht mehr los. Wie knüpft man ein früheres Leben an, wie macht man weiter, wenn man tief im Herzen zu verstehen beginnt, dass man nicht mehr zurück kann? Der Alltag schwebt wie ein Damokles-Schwert über meinem Kopf und ich habe das Gefühl an der Banalität zu ersticken, während mein Herz sich nach Abenteuern sehnt. Abenteuer, die ich hier nicht finden werde.
 

Zitternd streifte sie das Papier glatt.
 

Hier ist einfach kein Platz mehr für mich. Weder in Tokio, Kyoto oder sonst wo.

Deshalb verabschiede ich mich von dir und der Menschenwelt und suche mein Glück in der digitalen, wo noch so viele Geheimnisse und unentdeckte Orte auf mich warten. Ich weiß, dass du meine Entscheidung nur schwer akzeptieren kannst, aber bitte, Imouto-chan, suche nicht nach mir; Lebe dein Leben, ein normales glückliches Leben…
 

Die Wort ergaben keinen Sinn, verschwammen vor ihren Augen und sie schmeckte den salzigen Geschmack von Tränen auf ihren Lippen.
 

Okasan und Otosan sollen sich keine Sorgen machen, denn Agumon ist bei mir und wird mich immer beschützen. Ich wünschte, ich könnte sie stolz machen und mich als ihr Sohn würdig erweisen, aber der Krieger in mir hat schon vor langer Zeit die Oberhand gewonnen.
 

Ein Schluchzen durchbrach die Stille des Raumes, während das Abendrot auf das weiße Papier schien und es dauerte eine Sekunde bis sie begriff, dass es ihr Schluchzen war.
 

Nimm den weißen Umschlag und verbrenne ihn, sein Inhalt ist bedeutungslos auf dem Pfad den ich einschlage.

Pass auf dich auf, Hikari, denn du bist der kostbarste Lichtstreif an meinem Horizont.

Dein Taichi
 

Die Welt hielt für einen Moment inne. Die Zeiger der Uhr froren ein. 18.57 Uhr. Und noch bevor das weiße Blatt Papier zu Boden ging, war die Tür ins Schloss gefallen und hektische Schritte hallten durch das Treppenhaus.
 


 

***
 


 

Der Weg des Kriegers
 

Wild wehten die Kirschblüten im Abendwind und tauchten seine Welt in einen zart, rosa Schimmer. Das Digivice in seiner Hand pulsierte im Einklang mit seinem Herzschlag und er spürte Agumons Feuer, das in dem Digimon loderte, und auch ihn wärmte, während sie beide mit starren Blick auf ein Zeichen warteten und die Zeiger der Uhr über das Zifferblatt kletterten.

Und dann ertönte es über das Rauschen hinweg, ein Wispern, das sich über Raum und Zeit erhob und die Geheimnisse der Welt zu bewahren schien.

„Ich wusste, dass du kommen würdest, Taichi.“ Zwischen den strudelnden Kirschblüten, die sie vor der Außenwelt abschirmten, tauchte eine schemenhafte Gestalt auf, die sich langsam näherte. Es war die Gestalt eines Jungen, der ihm gerade einmal bis zu den Schultern reichte. Seine Hose war ausgeblichen und schien schon einige Abenteuer erlebt zu haben, während das weite Hemd ihm schlaff über die recht schmalen Jungenschultern fiel. Doch die mandelbraunen Augen täuschten nicht über sein wahres Alter hinweg. In ihnen spiegelten sich die Weisheit und Traurigkeit der Jahre wider.

„Wie konntest du dir so sicher sein, Ryo?!“, antwortete er schließlich und musterte seinen Gegenüber. Viele Jahre war es her, dass der Junge ihn und seine Freunde aus Milleniummons Gefangenschaft befreit hatte. Damals hatten sie geglaubt Vamdemon endgültig besiegt zu haben, doch Milleniummon, der ultimative Feind der Digiritter, hatte einen Weg finden können, sie zu besiegen. Allein Agumon hatte es seiner Zeit geschafft, dem Digimon zu entkommen und einen Hilferuf zu senden. Nur einer war diesem Ruf damals gefolgt: Akiyama Ryo.

Und auch wenn diese Erinnerung nur noch blass und schemenhaft wirkte, so hatte er nie ganz vergessen können, wie ein einzelner Junge sich aufmachte und sie aus ihrer Gefangenschaft befreite.

Warum Ryo daraufhin nie ein Teil ihres Teams wurde, vermochte er nicht zu sagen. Vielleicht war es diese unheimliche Macht, die von dem Jungen ausgegangen war oder die Tatsache, dass er eine schicksalhafte Verbindung zu Milleniummon hatte, wie sich später zeigen sollte, als Milleniummon ihnen – wie all ihre Gegner – ein weiteres Mal den Kampf ansagte.

Möglicherweise hatte Ryo ihnen aber auch nie verzeihen können, dass sie ihn letztendlich benutzt hatten. Doch damals hatte er keine andere Wal gehabt, als die Fähigkeiten des Jungen für seine Zwecke zu nutzen. Denn schlussendlich war er ein Krieger, ein Feldherr, der seine Soldaten effizient einsetzen musste.

Doch der letzte von all den Kämpfen, die er gegen Milleniummon ausgetragen hatte, hatte Ryo alles abverlangt, das konnte er in den Augen des Jungen ablesen, der nun ein Gefangener in seinem Körper war, nachdem er Milleniummon endgültig besiegt hatte und zusammen mit dem Digimon verschwunden war.

Er hatte Ryo für tot gehalten, bis dieser plötzlich vor einigen Wochen vor ihm aufgetaucht war, keinen Tag älter als bei ihrem letzten Aufeinandertreffen.

Er hatte nicht genau verstanden, was mit dem Jungen geschehen war, aber dass Ryo sich über die Grenzen der digitalen Welt hinweg setzen konnte, sie bereiste, unabhängig von Zeit und Raum, so viel hatte er begriffen.

Genug um seine eigene Sehnsucht zu wecken.

„Wie ich mir so sicher sein kann, fragst du?“ Ryo lächelte, doch in seinen Mandelaugen leuchtete auch ein Funken Bedauern auf. „Du brauchst die Digiwelt so sehr, wie sie dich einmal gebraucht hat, Taichi. Du bist zu einem Teil von ihr geworden und hast dich in ihren Irrungen und Wirrungen verloren. Wie könntest du da noch ein normales Leben führen?“

Er schwieg und schloss für einen Moment die Augen. Noch konnte er umkehren. Vielleicht hatte Hikari seinen Brief noch nicht gelesen. Bis seine Nachricht Sora in Paris erreichte, würde es ebenfalls noch einige Tage dauern und auch die anderen würden von seiner Entscheidung erst erfahren, wenn er bereits verschwunden war. Dafür hatte er gesorgt.

Ein stechender Schmerz fuhr durch sein Herz, während er an seine Freunde dachte und den gemeinsamen Nachmittag, bei dem er sich still und leise von ihnen verabschiedet hatte. Sie brauchten ihn nicht mehr. Jeder von ihnen musste nun sein eigenes Leben in die Hand nehmen. Es gab genügend Digiritter um den Frieden zu wahren. Seine Aufgabe als Krieger war jedoch erfüllt.

Die Sehnsucht hatte ihn über all die Jahre nicht losgelassen, und als ihm Ryo, Wanderer durch Zeit und Raum, erschien, war seine Zukunft plötzlich so einleuchtend gewesen.

Sein Weg erstreckte sich klar und deutlich vor ihm, ein Weg, der ihn zu neuen Orten führen würde, neuen Abenteuern und neuen Kämpfen.

„Es wird Zeit“, stellte Ryo schlicht fest und fuhr sich durch das stachelige braune Haar.

Sein Blick fand Agumon.

„Davon haben wir schon so lange geträumt“, flüsterte es. „Abenteuer, Geheimnisse, Schätze…“ Er tätschelte seinem Partner den Kopf und lächelte, sie waren auf Ewig miteinander verbunden.

Sein Blick kreuzte Ryos und sein Herz schlug aufgeregt in seiner Brust, wie an diesem verhängnisvollen ersten August vor vielen, vielen Jahren…

„Bist du bereit?“
 


 

***

To live would be an awfully big adventure.

(James M. Barrie – Peter Pan)

***
 


 

Author’s Note:

Hier sind wir nun, am Ende des Frühlings. Ich befürchte, einige von euch durch Ryos Auftreten gehörig zu verwirren. Deshalb erst mal eine kleine Erklärung. Es gibt den Tamer-Ryo und den Adventure-Ryo. Der zweite taucht hier auf.

Tatsächlich hat er auch einen Cameo-Auftritt in der zweiten Staffel in Kens Erinnerungen, sowie im Film „Our Wargame“.

Aber hauptsächlich ist Ryo die Figur aus den Digimongames, die sich allesamt im Adentureverse bewegen und eine Erweiterung der Handlung sind, bei denen Milleniummon in diversen Formen Ryos Endgegner ist. Insgesamt gibt es vier Spiele, aus Ryos Sicht. Ich habe keins davon gespielt, mich aber mit der Handlung beschäftigt und tierisch geärgert, dass ich davon nichts wusste, als ich FoD geschrieben habe. (das hätte einen erheblichen Einfluss auf die Handlung gehabt…) Falls ihr mehr über ihn erfahren wollt: http://en.wikipedia.org/wiki/Ryo_Akiyama und auf deutsch noch einmal hier: http://animexx.onlinewelten.com/weblog/504395/?tag=122845

So und nun zur Handlung selbst. Taichi ist für mich immer und immer ein Anführer, Krieger, Held. So sehr, dass er wahrscheinlich niemals ein Anzugträger, rechtschaffener Bürger oder sonst etwas sein kann. Kirschblütenschauer beschäftigt sich genau damit: Was bleibt nachdem der Kampf beendet ist und man so langsam erwachsen wird?

Um Taichis Situation zu beschreiben, habe ich auf Frodos Worte aus Lord of the Rings zurück gegriffen: How do you pick up the threads of an old life? How do you go on, when in your heart you begin to understand there is no going back. There are some things that time can not mend. Some hurts that go too deep... that have taken hold...

Natürlich ändert es nichts daran, dass es ein Abschied ist, und Hikari wird das sicherlich nicht so einfach hinnehmen. Aber es ist eben auch eine Konsequenz des Kämpfens. Vielleicht findet Taichi eine andere Digiwelt, vielleicht landen er und Ryo plötzlich in einem Paralleluniversum, in dem Menschen zu Digimon werden, Digimon ungehemmt miteinander fusionieren, oder Tamer ihren Digimon mit Karten beistehen, wer weiß, wer weiß.

Letztendlich steckt in jedem Ende auch immer ein Neuanfang.

Vielen Dank für euer Interesse und die lieben Kommentare,

wir sehen uns im Sommer,

bis dahin

PenAmour



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  darkfiredragon
2011-04-17T19:37:17+00:00 17.04.2011 21:37
Wow, einfach nur wow. Ich bin zutiefst beeindruckt. Es hat zwar etwas gedauert bis ich angefangen habe deine FF zu lesen (als Taiora-Fan mit Leib und Seele blutet mir immer das Herz wenn Sora und Matt zusammen sind), aber es ist auf jeden Fall eine Geschichte die ich um keinen Preis missen möchte! Du beschreibst die Personen und Gefühle so wunderbar - ich find da gerade einfach keine Worte für. Auch deine Kommentare am Ende jedes Kapitels sind große Klasse.
Ich hoffe der Sommer lässt nicht zu lange auf sich warten, ich bin gespannt wie es weitergeht und vor allem wie die anderen Digiritter Tais Fortgehen verkraften.

lg, darkfiredragon

Von:  aki_ayatoru
2011-04-17T18:07:09+00:00 17.04.2011 20:07
Schon das Ende? q_q
Es ist so toll! Ich kann mir Tai in der Situation perfekt vorstellen!
Du hast einen wahnsinnig tollen Schreibstil.
Würd' gern mehr von dir lesen (:
Gefällt mir total gut (:


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