Zum Inhalt der Seite

Far Away

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

8

„Das muss ich sofort meiner Mutter erzählen.“

Aus genau diesem Grund maschierte die wahrscheinlich seltsamste Gruppe die Nasduna je gesehen hatte durch die Straßen von Lin.

Das komische war dabei allerdings nicht die Konstellation, obwohl die mit einem königlichen Prinzen, einer Hofdame, einer Ausländerin, einem Priester, einer Anstandsdame, einem gerade beförderten Straßenkind und zwei bis an die Zähne bewaffneten Soldaten wirklich extrem gewöhnungsbedürftig war.

Das eigentlich seltsame war, dass sich die Gruppe, die sich laut Etienne den „Kija-Fanclub“ nennen könnte, schnurstracks vom Palast der Königsfamilie zum Armenviertel spazierte. Allerdings erklärte das eindeutig die Soldaten.

Seine königliche Hoheit rümpfte die Nase, als sie endlich ihr Ziel erreichten: Die heruntergekommene Hütte, in der Kijas Familie hauste. Leben konnte man das ja nicht nennen. Dagegen musste dringend etwas getan werden. Dagegen und gegen diesen widerlichen Gestank.

Siamun machte sich eine Notiz auf seinem geistigen Merkzettel, direkt unter „herausfinden, warum Etienne ihn so nervös machte“. Dieser Punkt machte ihm wirklich Sorgen. Allein schon wegen der Tatsache, dass er inzwischen nicht mehr wusste, ob er sie hassen oder mögen sollte und das er tatsächlich überlegte, ob an ihrer Geschichte von Portalen und anderen Welten etwas dran war.

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sich die Tür öffnete und sie eintreten konnten. Er sah sich einer dürren Frau Mitte dreißig gegenüber, die sich schützend vor drei Kindern im Alter von drei bis zehn Jahren aufgebaut hatte und offenbar vorhatte, die Palastwachen mit Blicken zu erdolchen. Eigentlich kein Wunder, Leute wie sie hatten meist keine guten Erfahrungen mit dieser Berufsgruppe.

Ihr Blick löste sich erst, als ihre Tochter zu ihr stürzte und sie mit einem aufgeregten Wortschwall überfiel.

„Mama, das ist Lady Etienne!“ Aufgeregt zeigte sie mit dem Finger auf die eben genannte.

„Sie ist ja so toll, so TOLL!“ Sie wollte ihre Mutter offenbar hinführen, aber die weigerte sich mit einem Blick auf die Wachen weiterhin, auch nur einen Schritt von der Stelle zu weichen.

„Könntet ihr bitte raus gehen? Wir versprechen auch zu schreien, wenn irgendwas ist.“ Etienne blickte erst die Wachen dann Siamun an, der ihnen einfach nur zunickte, woraufhin sie verschwanden.

„Wer seid ihr?“ Diese Frage war durchaus berechtigt und so gab es erst mal eine Vorstellungsrunde, die aber nicht wirklich zur Besserung der Stimmung beitrug.

„Wir werden die Unannehmlichkeiten wieder gut machen, dass schwöre ich!“ Panik lag in ihrer Stimme.

„Sie müssen doch nichts gutmachen. Ihre Tochter hat niemandem etwas getan.“ Bei diesem Worten drapierte Etienne ihren Mantel so, dass das Brandmal auf ihrer Schulter vollständig verdeckt wurde. Außerdem veränderte sich der Klang ihrer Stimme wieder, wurde süß. Offenbar versuchte sie unbewusst die Familie zu beruhigen.

Siamun wusste nicht genau ob es daran lag, oder ob Kijas Bruder einfach nur neugierig war. Auf jeden Fall schob sich der etwa dreijährige Junge hinter seiner Mutter hervor und tapste auf Etienne zu.

„Sind die echt?“ fragte die männliche Kija-Ausgabe und deutete auf ihre goldene Haarpracht, die, heute ausnahmsweise offen, in sanften Wellen über ihre Schultern bis zur Talje fiel.

„Khem!“ rief seine Mutter erschrocken.

Ohne auf die Frau zu achten ging Etienne vor dem Jungen in die Hocke.

„Ja sind sie. Willst du mal anfassen?“ Mit diesen Worten hielt sie Khem eine Haarsträhne hin.

Seine Augen wurden riesengroß und er ließ sich die Strähne durch die Finger gleiten. Dann packte er zum entsetzen aller Anwesenden zu und zog einmal kräftig.

Die Reaktionen hätten nicht unterschiedlicher sein können. Khems Mutter schlug sich entsetzt die Hand vor den Mund, offenbar sah sie ihr Ende nahen. Neriman schnalzte missbilligend mit der Zunge und das arme Opfer fing schallend an zu lachen. Siamun selbst verspürte das seltsame Verlangen, dem Jungen ordentlich eins auf die Finger zu geben.

„Und? Jetzt überzeugt dass sie echt sind?“ Dieser Satz machte den restlichen Familienmitgliedern offenbar Mut, denn die nächste halbe Stunde verbrachte Etienne damit, auf dem Boden zu knien und sich von vier Kindern bewundern zu lassen, was ihr offenbar gefiel.

Dann wurde das Geschäftliche geregelt. Kija würde als Botenjunge, na ja, eher Botenmädchen, im Palast arbeiten, was der finanziellen Situation, die sich seit dem Tod des Familienvaters extrem verschlechtert hatte, wirklich helfen würde.

Und so machte sich der Kija-Fanclub nach verrichteter Arbeit wieder auf den Heimweg.

Allerdings sollte es noch lange dauern, bis sie dort ankamen, denn unterwegs trat der Zustand ein, wegen dem die Wachen mit von der Partie waren.

Sieben große, muskulöse Kerle stellten sich ihnen in den Weg.

„Rückt die Kleine raus, dann wird niemand verletzt!“ Niemand musste fragen, wer mit der Kleinen gemeint war. An Kija hatten die bestimmt kein Interesse.

Die Soldaten reagierten sofort und bezogen Stellung, aber spätestens als die Männer weiße Dolche herraufbeschworen war klar, dass diese beiden keine Change hatten. Nicht gegen Ronugpriester, die aus der Entfernung angreifen konnten. Moses war zwar Scoahpriester, hatte alleine allerdings keine Change und Malika hatte bestimmt keine Schwächlinge geschickt.

Es kam wie es kommen musste: Die Wachen waren relativ schnell ausgeschaltet und trotz aller Bemühungen von Moses kamen die Kerle immer näher, was ihn schließlich dazu brachte, tief in die Trickkiste zu greifen und ihnen den Boden unter den Füßen wegzuziehen.

Das würde sie zwar nur kurz aufhalten, gab Siamun und den andren wenigstens die Zeit davonzulaufen. Die Männer ignorierten die bewusstlosen Soldaten und stürmten hinterher. Leider schmolz der Vorsprung wie Butter in der Sonne, da Etienne nicht schnell genug rennen konnte. Als sie dann auch noch stolperte und hinfiel begann einer von ihnen weiße Nadeln zu beschwören, die er auf das Mädchen niederprasseln lies.

Moses Versuch einen Schutzschild aufzubauen scheiterte kläglich. Er war schon viel zu erschöpft und die Nadeln drangen einfach durch den Schild, wurden nicht einmal langsamer.

„NEIN!“ Der helle Schrei eines Kindes durchschnitt die Stille. Kurz darauf folgte ein zweiter, diesmal von Etienne.

Kija hatte sich zwischen die auf dem Boden sitzende Frau und die Nadeln geworfen, sie mit ihrem Körper geschützt. Über und über damit gespickt ging das Kind zu Boden.

„Kija? Kija! Wach auf! SOFORT!“ Etienne rüttelte an ihrer Schulter als wolle sie sie aufwecken.

„Kija, bitte!“ Ihre Stimme, inzwischen nur noch ein Flüstern, zitterte. Niemand sonst wagte es etwas zu sagen. Noch nicht einmal die Angreifer.

„...es wagen?“ ihre Stimme, die eben noch voller Verzweiflung gewesen war, bebte jetzt vor Zorn. Siamun hätte sich bei diesem Klang spontan am liebsten irgendwo versteckt, den anderen ging es offenbar nicht wirklich anders. Währenddessen stand das hellhaarige Mädchen auf, den Kopf immer noch gesenkt, sodass ihr Haar ihr Gesicht verdeckte.

„Wie könnt ihr es wagen?“ Bei diesen Worten hob sie den Kopf und im nächsten Moment kam man in den Genuss zu sehen, wie sieben riesige Kerle entsetzt zurücksprangen.

Zu spät! Einen Augenblick später gingen drei in Flamen auf. Innerhalb von Sekunden hatte das schwarze Feuer sie zu Asche verarbeitet.

Die übrigen vier nahmen die Beine in die Hand und liefen was das Zeug hielt, kamen aber nicht mal bis zur nächsten Ecke. Schon ein paar Meter vorher wurden Nummer vier, fünf und sechs von schwarzen Dolchen, ähnlich denen die Moses benutzt hatte, richtiggehend aufgespießt. Seltsamerweise waren die Schutzschilde, an denen er fast verzweifelt wäre, überhaupt kein Hindernis. Die Dolche flogen hindurch als wären sie nicht vorhanden.

„Wer bist du?“ Nummer sieben schlotterte am ganzen Körper und der größer werdende dunkle Fleck unter seinen Füßen lies darauf schließen, dass es sich... na ja, nicht mehr ganz unter Kontrolle hatte.

„Dein schlimmster Albtraum!“ Die junge Frau, die alle bis vor ein paar Augenblicken als sanftmütig und harmlos bezeichnet hätten, machte eine Handbewegung als wolle sie etwas zu sich herziehen und Sekunden später hatte sie ihn über die Straße zu sich geschleift und ihn auf Augenhöhe gebracht, was bedeutete, dass der gut dreißig Zentimeter größere Kerl vor ihr auf dem Boden kniete.

„Wer hat dich geschickt?“ Ihre Stimme war so kalt, dass ein Feuer wahrscheinlich Gänsehaut bekommen und ausgegangen wäre.

„P...P...Prinzessin Malika.“

„Braver Junge.“ Beinahe sanft strich eine zierliche Hand über seine Wange.

„Ich werde dich jetzt laufen lassen. Und du wirst zu deiner Auftraggeberin gehen und ihr folgendes sagen: Wenn sie das noch einmal, ich wiederhole, ein einziges mal macht, dann passiert mit ihr das gleiche wie mit deinen Freunden, klar?“ Mit diesen Worten machte sie eine wegwerfende Handbewegung, woraufhin er ein ganzes Stück nach hinten flog und über den Boden rutschte. Unsicher versuchte er sich aufzurappeln, was ihm nach dem zweiten Versuch auch gelang.

„Etienne?“ fragte Rhiannon vorsichtig als der Kerl außer Hörweite war.

„Ist sie...?“

„Ja.“ Etienne drehte sich um, sank neben Kija auf die Knie und zog den leblosen Körper, die Nadeln hatten sich mittlerweile aufgelöst, in ihre Arme. Dann begann sie zu schluchzen.

„Es tut mir so Leid! Es tut mir so Leid. Vergib mir!“ Sie vergrub ihr Gesicht in den schwarzen Locken und begann sich nach vorne und hinten zu wiegen.

Siamun legte ihr die Hand auf die Schulter.

„Komm, wir müssen hier weg! Wer weiß, ob Verstärkung kommt.“ Er glaubte zwar nicht wirklich daran, aber seiner werten Cousine war grundsätzlich alles zuzutrauen.

„Kommt, gebt sie mir!“ Moses kniete sich vor Etienne hin und streckte die Arme aus. Zur allgemeinen Verwunderung gehorchte sie widerstandslos.

„Du darfst dir keine Vorwürfe machen!“ Aus irgendeinem Grund konnte der Prinz es nicht ertragen, sie so verzweifelt zu sehen. Er packte leicht sie an den Oberarmen.

„Hast du gehört? Dich trifft keine Schuld.“

Sie sah ihn an, Tränen liefen über ihre Wangen, ihr Gesicht war gerötet und verquollen.

„Es ist meine Schuld! Ganz allein meine!“ Sie trommelte bei jedem Wort mit den Fäusten gegen seine Brust.

„Wenn ich nicht wäre würde sie jetzt noch leben. Ich“ Ein Schlag. „Dürfte.“ Ein weiterer. “Eigentlich. Nicht. Hier. Sein.“ Nach jedem Wort ein weiterer Schlag, der aber mit jedem mal schwächer wurde. Schließlich krallte sie die Hände in sein Oberteil und fing wieder hemmungslos an zu schluchzen.

Seine Hoheit war kurz vorm Verzweifeln. Er hatte in seinem Leben viel mit Frauen zu tun gehabt, aber noch nie war er in dieser Situation gewesen. Er hatte schlicht und ergreifend keine Ahnung was er tun sollte.

Schlussendlich tat er das einzige, das ihm einfiel: Er löste ihre verkrampften Hände von seiner Kleidung, nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie. Zu seiner Erleichterung funktionierte es. Sie wurde ruhiger, ihre Augen schlossen sich flatternd und sie schlang die Arme um seinen Hals, klammerte sich fest.

Als er sicher war, dass sie sich so weit beruhigt hatte, löste er sich von ihr. Ihre himmelblauen Augen blinzelten ihn verwirrt an, dann kippte sie plötzlich um, dass sie beinahe zusammen zu Boden gegangen wären.

„War wohl etwas zu viel für sie.“ sagte Moses in die peinlich berührte Stille hinein.

Siamun widerstand dem Drang, seinen Kopf gegen die nächste Hauswand zu knallen. Welcher Teufel hatte ihn denn da geritten? Er hatte sie geküsst, vor versammelter Mannschaft. Ganz große Klasse!

„Wenn irgendjemand etwas davon rumerzählt...“ er lies den Satz unbeendet. Er bezog sich allerdings nicht auf den Kuss, dazu hatte er schließlich jedes Recht, sondern auf den Angriff. „Wer weiß was Malika macht, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlt.“ Mit diesen Worten hob er Etienne hoch und marschierte in Richtung Palast.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  shinichi_san
2011-08-28T14:18:16+00:00 28.08.2011 16:18
Oh man, du bist echt zu schnell-.-
Und ich komm einfach nicht weiter.
Okay, fang ich mal mit lesen an...
eine gewöhnungsbedürftige Reisegruppe, find ich ja mal sehr interessant, wer da alles dabei ist^^
Und hey... Siamun ist nervös XD' TOLLIG!!!
oi und so süß, dass etienne so auf die kleinen Kinder reagiert, so knuddelig
Oh mann!!! War ja klar, das sowas passiert! Kind ist tot, Angreifwer auch (Was mich echt beeindruckt hat, wie sie umgekommen sind, echt klasse*grusselig lach*) Und dann noch eine Bewusstlosigkeit Etiennes... (Gut, den Kuss fand ich auch ganz süß (ZUcker pur))
Und ich freu mich wieder auf das nächste Kapitel!!!
LG


Zurück