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Far Away

von

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7

Hölle? Na gut, das war vielleicht ein bisschen übertrieben.

Ich machte zwar im Bereich Magie keine wirklichen Fortschritte, dafür stellte ich mich im Benimmunterricht gar nicht mal so schlecht an. Zumindest nachdem ich das „Malika nachahmen und sich dabei die Beine brechen“ Stadium hinter mir hatte.

Es hatte relativ genau drei Tage gedauert bis ich erkannt hatte, dass ich ihren „Ich schwebe einen halben Meter über den Boden Gang“ wohl nie draufhaben würde. Obwohl: Eigentlich hatte ja eher Lady Neriman drei Tage gebraucht um mir diese Tatsache verständlich zu machen.

Dann ging es allerdings steil Bergauf. Ich lernte wie ich mich gegenüber dem Adel zu verhalten hatte, wann und wie tief ich mich zu verneigen hatte und alles, was eine Prinzessin sonst so können musste.

Als Bürgerliche aus gutem Hause, die in eine Familie von niedrigem Adel eingeheiratet hatte, wusste Neriman sehr gut, mit welchen Problemen ich zu kämpfen hatte. Und was noch besser war: Sie wusste für vieles die Lösung. Selbstsicher auftreten und so tun als wäre nichts. Frei nach dem Motto: „Wenn Leute klug wirken wollen reden sie laut!“

Wie auch immer, nach einem Monat waren Neriman und ich recht gute Freundinnen geworden und sie hatte mich soweit gebracht, dass ich den Abend durchstehen würde, ohne den Prinzen dabei bis auf die Knochen zu blamieren. Außerdem kam ich nicht mehr jedes mal zu spät, weil ich den Weg nicht fand, was das Unterrichtsklima wesentlich verbessert hatte.

Dann kam der große Tag. Eigentlich hatte ich ja ausschlafen wollen, aber ich wurde schon früh morgens von zwei äußerst euphorischen Hof- beziehungsweise Anstandsdamen geweckt, die jede einen riesigen Stapel Kleider überm Arm hatten.

Bevor ich in irgendeiner Weise reagieren konnte wurde mir die Decke weggezogen und keine zwei Minuten später stand ich mitten im Zimmer und probierte sage und schreibe dreißig verschiedene Kleider an. An sich wäre das ja nicht weiter schlimm gewesen, aber Neriman und Rhia beratschlagten bei jedem gefühlte drei Stunden, sodass die Anprobe bis zum Mittag dauerte. Das dass erste Kleid der glückliche Sieger war besserte meine Laune nicht wirklich.

Ebenso wenig wie der Berg Schmuck, bei dem sie sich Gott sei Dank für eine der letzteren Kombinationen entschieden, und die Diskussion über Frisuren gleich im Anschluss.

Alles in allem dauerte die gesamte Prozedur bis irgendwann nachmittags!

Ich atmete erleichtert auf und wollte mich elegant aus dem Staub machen, kam aber nicht mal bis zur Tür, bevor ich an beiden Armen gepackt und ins Badezimmer geschleift wurde. Geschleift wohlgemerkt! Ich wurde nicht gebracht, gelotst oder geschoben, nein sie zerrten mich regelrecht hinter sich her.

„Hey ihr beiden, ich kann mich alleine waschen!“ Mein Protest stieß wieder mal auf taube Ohren. Diese Diskussion führten Rhia und ich schon seit sie zu meiner Hofdame ernannt worden war.

„Wir sind für euer Aussehen und euer Wohlergehen verantwortlich. Und außerdem ist heute das Bankett. Würdet ihr also bitte kooperieren?“

„Natürlich, das Bankett! Wie hatte ich das nur vergessen können?“ Darf ich vorstellen: Meine Ironische Seite.

„Und ich dachte schon ich hätte die ganzen Kleider anprobiert, weil ich plötzlich zur Monoequin mutiert bin.“

„Was ist eine Monekin?“

„Könnte man mit Modepüppchen übersetzen.“ Rhia hatte in den letzten Monaten eine beeindruckende Anzahl von deutschen Wörtern gelernt, das meiste davon Sprüche wie „leck mich doch am A...llerwertesten“, oder Redewendungen wie „wer einmal lügt dem glaubt man nicht, auch wenn er gleich die Wahrheit spricht“.

„Wie auch immer, jetzt werden wir euch von Kopf bis Fuß abschrubben!“ Mit diesen Worten wurde ich mit einem lauten Platschen in das, glücklicherweise warme, Badewasser geworfen.

Das aufwärmen des Wassers erfolgte nach dem Prinzip der Fußbodenheizung der Römer. Unter und an den Seitenwänden der im Boden eingelassenen Wanne befanden sich Holräume, in die heiße Luft geleitet wurde. Man durfte nur nicht vergessen, rechtzeitig einzuheizen.

Wie auch immer, Rhia und Neriman machten ihre Drohung war und schrubbten mich von Kopf bis Fuß, bis sich vermutlich eine Woche lang kein Schmutz auch nur in meine Nähe wagen würde.

Dann wurde ich mit meinem Lieblingshauöl, mit Pfirsichduft, eingerieben und mein noch feuchtes Haar gekämmt und geflochten.

Anschließend steckten mich die beiden in das ausgesuchte Kleid und begannen mich mit Schmuck zu behängen, sodass ich mir bald vorkam wie ein Weihnachtsbaum. Obwohl ich eigentlich wusste, dass die beiden sich auf meine Bitte hin noch zurückgehalten hatten. Die meisten Adeligen trugen wesentlich dicker auf, zumindest wenn man Selda und Sitre glauben durfte. Gegen die beiden wirkte ich richtig bescheiden.

Wie auch immer, jetzt fehlte nur noch der letzte Schliff in Form des schwarzen Kajals, den ich noch von meiner Ankunft im Palast kannte. Anschließend wurden meine getrockneten Haare aufgeflochten und gebürstet. Als Rhia und Neriman mit dem Ergebnis zufrieden waren wurde ich zum Saal geführt, in dem das Bankett stattfinden sollte.

Jetzt hieß es warten bis ich reingerufen wurde. Die Zeit, die mit dem Tempo einer Schnecke mit Rheuma oder Gicht dahin schlich, vertrieb ich mir damit, am einer meiner Haarsträhnen herumzuspielen und unruhig von einem Fuß auf den anderen zu treten.

Als die Tür dann endlich geöffnet wurde wusste ich nicht, ob ich erleichtert jubeln oder panisch davonrennen sollte. Ich entschied mich für eine Zwischenlösung: Ich bekam Panik, versuchte aber das in den Griff zu bekommen und betrat mit ruhigem Gesicht den riesigen Saal. Zumindest hoffte ich das es ruhig und gefasst war, denn ich sah mich meinem schlimmsten Albtraum gegenüber: Einem riesigen Saal voll fremder Menschen.

Ich gab mir gedanklich eine schallende Ohrfeige, holte tief Luft und lief die Treppe hinunter, wobei ich versuchte darauf zu achten, meinen Rücken gerade zu halten und nicht auf den Saum meines langen Rocks zu treten.
 

Prinzessin Malika sonnte sich in der Bewunderung der männlichen und im Neid der weiblichen Besucher des Banketts.

Eigentlich wurde es ja abgehalten weil alle neugierig auf sie neuste Eroberung ihres Cousins waren. Die Frau, die es geschafft hatte das Herz, oder besser gesagt: die Gemächer, des Prinzen zu erobern.

Angeblich war sie eine Schönheit mit goldenem Haar... So ein Blödsinn.

Sie hatte sie damals ja relativ gut gesehen und daher wusste sie, dass an diesen Gerüchten nichts dran war. Das kleine Miststück war blass wie eine Leiche, ihre Augen hatten irgendeine wässrige Farbe gehabt, an die sie sich schon gar nicht mehr richtig erinnerte, und was die Haare anging, wer versteckte denn bitte goldenes Haar unter einem Kopftuch?

In Gedanken schüttelte sie den Kopf über diese Dummheit und wandte sich wieder ihrem Gesprächspartner zu.

Er war zwar mehr als doppelt so alt wie sie, aber er war einflussreich und deswegen genau die Art von Mann, den sie gerne als Verbündeten hatte. Außerdem starrte er sie mit diesem bewunderndem Blick an, den sie so oft bei Männern bemerkte.

Davon war im Moment allerdings nichts zu sehen, stattdessen blickte er mit einer Mischung aus Verwunderung und Verzückung zur Tür. Genau wie jeder andere auch wohlgemerkt.

Neugierig darauf was die Aufmerksamkeit aller Personen auf sich zog, drehte Malika den Kopf und erstarrte.

Da war dieses kleine ausländische Gör. Ihre Haut war inzwischen etwas dunkler geworden, aber noch immer deutlich heller als die ihre. Und ihre Haare hatten tatsächlich... einen Gelbton! Gold. Von wegen!

Beinahe hätte sie mit den Zähnen geknirscht als sie sah, das Siamun sie begrüßte und offenbar vorhatte, den Rest des Abends an ihrer Seite zu verbringen.

Und als ob das nicht schon genug wäre, hatte sich offenbar der gesamte Saal auf einmal beschlossen, mal eben schnell guten Tag zu sagen. Allen voran ihr ehemaliger Gesprächspartner, der sich gerade mit Hilfe seiner Ellenbogen durch die Menge arbeitete.

Innerhalb von Sekunden war Malika außen vor. Ein Gefühl, das sie bisher nicht gekannt hatte und das ihr auch überhaupt nicht gefiel. Schließlich war sie ihr ganzes Leben lang als eine der größten Schönheiten im ganzen Land gerühmt worden.

Allerdings fiel ihr nach einiger Zeit etwas auf, dass ihre Laune etwas besserte. Die Blicke von Siamuns ehemaligen Geliebten. Vielleicht würde sich dieses Problem bald von selbst lösen.
 

„Man bin ich froh, dass das vorbei ist.“ Mit diesen Worten lies Etienne zahlreiche Armreifen klirrend auf einen Tisch fallen und wandte sich zu Siamun um.

Er musste zugeben, dass sie ihn positiv überrascht hatte. Er hätte nicht gedacht, dass sie sich so gut schlagen würde.

„Ich würde euch gerne um etwas bitten.“ Aha. Deswegen waren neben Debah und Rhiannon auch noch Neriman, Moses und Kija im Zimmer. Offenbar hatte sie sich Verstärkung geholt.

„Es geht um Kija. Sie braucht dringend Arbeit und ich wollte euch bitten, ihr arbeit im Palast zu geben.“ Ungläubig starrte er sie an. Ein Straßenkind? Im Palast?

„Kommt nicht in Frage!“

„Aber wenn sie kein Geld verdient muss sie wieder stehlen!“ Etienne machte ein Gesicht, als wollt sie in Tränen ausbrechen.

„Und sie hat ja auch nur gestohlen, um sich zu ernähren.“ mischte Rhiannon sich ein, während Moses und Debah zustimmend nickten. Das war ja die reinste Verschwörung.

„Nein!“

„Bitte! Bitte, bitte, bitte!“ Offenbar hatte Etienne die Taktik gewechselt. Vom logischen Überzeugen zum betteln.

„Ich bitte euch!“ Ihre Stimme schien sich plötzlich zu verändern. Sie wurde süßer, wie Honig und genauso dickflüssig. Sie schien ihm in den Gehörgang zu fliesen, bis er kaum noch etwas anderes wahrnahm.

„Bitte“ Sprach sie immer noch, oder hallte ihre Stimme nur in seinem Kopf nach? Wie auch immer, er hatte plötzlich das dringende Bedürfnis einfach Ja und Amen zu sagen, egal was sie wollte.

„Unglaublich!“ Moses Stimme war das einzige, das ihn daran hinderte genau das zu tun. Er klammerte sich beinahe an diesem Klang fest und versuchte, den Kopf frei zu bekommen.

„Sie beeinflusst seinen Willen.“

„Was soll ich tun?“ Etienne klang, als hätte Moses bestritten, dass der Mond am Himmel stand.

„Ihr habt offenbar die Fähigkeit, den Willen anderer Leute zu beeinflussen.“

„Ich kann noch nicht mal ein paar Funken erzeugen. Wie soll ich da den Willen dieses Dickschädels beeinflussen können?“ Siamun beschloss, diese Beleidigung zu überhören.

„Das ist etwas anderes. Funken erzeugen ist eine aktive Fähigkeit, Willensbeeinflussung eine passive.“

„Aktiv und Passiv?“

„Aktiv bedeutet, dass ihr aktiv etwas tut. Zum Beispiel einen Dolch erschaffen und werfen oder Funken bilden. Bei passiven Fähigkeiten wird eher etwas beeinflusst. Beispiele dafür wären eure eben demonstrierte Fähigkeit andere zu beeinflussen oder das herstellen von Gift und Medizin.“

„Warum hast du sie nicht auf passive Fähigkeiten getestet?“ fragte Rhia ihren Onkel.

„Weil sie bei Scoahpriestern sehr selten sind. Sie kommen eher bei Peroka- oder Tegispriestern vor.“

„Okay, dieses spannende Thema wäre geklärt. Was ist jetzt mit Kija?“ Damit kamen sie wieder auf das eigentliche Thema zurück.

„Meinetwegen. Soll sie halt hier bleiben. Irgendwas finden wir schon für sie.“ Das strahlende Lächeln, das Etienne ihm daraufhin schenkte, machte ihm bewusst, dass sie wahrscheinlich alle Register gezogen hätte um ihren Willen durchzusetzen. Und wenn sie ihn dazu hätte zwingen müssen.

„Das muss ich sofort meiner Mutter erzählen.“ Das Kind hüpfte, total überdreht, wie ein Ball auf ihn zu. Allerdings verbeugte es sich nicht wie vorgegeben, was er eigentlich gedacht hatte, sondern klammerte sich an einem seiner Beine fest, hob den Kopf und strahlte ihn an.

Und in diesem Moment fragte er sich, warum er dieses süße kleine Ding jemals auf die Straße hatte werfen wollen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  shinichi_san
2011-08-24T13:56:18+00:00 24.08.2011 15:56
Hach, es geht ja schon weiter, wie toll^^
Ui! Benimmunterricht, krass! Und ja, schweben muss man ja nicht wirklich^^ Und der Spruch ist auch toll hihihi
Und hey, sie lernt sich im Labyrinth auszukennen, wie geil^^
BOAH! 30 Kleider? zum Kotzen! und dann noch sooooo lange BÄÄÄHHH!!!
Hahahahaha die schrubben sie echt ab? Wie irrwitzig^^ Nein, das wöllte ich nicht mit machen, viel zu grob^^
UND AUF ZUM FEST!!!
Du schaffst das, etienne!!! (bestimmt falsch geschrieben, gell?)
UWAHH!!! Ich bin so geflasht von der niedlichkeit in diesem Kapitel. Unglaublich^^ Ich könnt heulen^^
LG und viel Spaß im Urlaub


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