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Spiegelbilder

Makato x Taro
von

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Z wie Zweifel

Hallo!
 

Hier ist das nächste Kapitel. Bin ja mal gespannt, wie lange ich den zehn Tage-Rhythmus noch beibehalten kann. ^^
 

Viel Spaß beim Lesen!
 

LG Zyra
 

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Z wie Zweifel
 

„Hey Toto!“
 

Taros Stimme reißt mich aus meinem geistigen Tiefschlaf. Mathematik. Analytische Geometrie. Das beherrsche ich schon seit Jahren. Warum also aufpassen? Ich kann es jetzt schon kaum noch erwarten, nach Hause zu kommen.
 

„Hm“, brumme ich abwesend und gähne herzhaft.
 

„Nach dem Spruch müssten wir ziemlich aufeinander abfahren!“, meint er und deutet grinsend auf die Tafel.
 

Träge drehe ich meinen Kopf in der stützenden Handfläche und richte meinen Blick auf die grüne Fläche. Keine mathematischen Formeln, fällt mir sofort auf. Anscheinend war ich nicht nur für ein paar Minuten gedanklich abwesend. Ups.
 

Liebe ist, dass Du mir das Messer bist, mit dem ich in mir wühle, lese ich und verstehe in meinem momentanen Zustand kein Wort. Von Franz Kafka. Okay. Sowieso nicht mein Interessensgebiet.
 

„Ach, und in der Realität tut ihr das nicht, oder was?“, fragt Vivian provokant. Wie so oft hat sie sich halb zu uns herumgedreht. „Ich möcht zu gern mal wissen, was nachts in eurem gemeinsamen Schlafzimmer so abgeht.“
 

„Ach, und die Nachmittage interessieren dich nicht, oder wie?“, erwidert Taro. Er lächelt lasziv und fährt sich lässig durch die schwarzen Locken. Ich komme nicht umher zu grinsen. Dieses Spiel spielt er nun schon seit einer gefühlten Ewigkeit mit ihr. „Du möchtest sicherlich nicht wissen, was wir in unsere Freizeit so treiben. Glaub mir ruhig.“
 

„Hast du etwa Angst, es könnte etwas davon in der Schülerzeitung erscheinen?“, fragt sie süffisant.
 

„Nein, warum denn?“, schießt Taro absolut ruhig und selbstsicher zurück. „Du würdest ja sowieso nicht darüber schreiben.“
 

„Och, wieso denn?“, werfe ich ein und zwinkere ihm verschwörerisch zu. „Unsere nächtlichen Kloppereien um Kopfkissen, Decken und was sich sonst noch so auf die falsche Seite des Bettes verirrt, fände ich durchaus erwähnenswert.“
 

Vivi hebt interessiert eine Augenbraue, während Taro gespielt nachdenklich einen Finger an seine Wange legt. „Meinst du?“
 

„Mhm.“
 

Gerade als Vivi den Mund öffnet, erfolgt die beinahe schon überfällige Rüge der Lehrerin. „Clark-kun, drehen Sie sich um. Da Sie es augenscheinlich nicht für nötig befinden, zuzuhören, nehme ich an, dass Sie verstanden haben, was Kafka mit diesem Satz ausdrücken möchte.“
 

„Tut mir leid. Ich verstehe es nicht“, knirscht sie, fügt nach einem Moment jedoch selbstbewusst hinzu: „Deswegen wollte ich Taro fragen, da er es anscheinend so gut verstanden hat, um sich darüber lustig machen zu können.“
 

Schlagartig richtet sich die Aufmerksamkeit der Lehrerin auf Taro.
 

„Also Tarimo-kun“, knurrt sie.
 

„Ich denke, Kafka möchte mit diesem Satz ausdrücken, dass Liebe darin besteht, sich gegenseitig Stärken und Schwächen aufzeigen und einander zu zwingen, darüber nachzudenken. Der Geliebte ist quasi ein Spiegel mit dessen Reflexion man sich ständig auseinander setzen muss. Und ich habe mich nicht darüber lustig gemacht, sondern Makato“ Er betont meinen Namen so, dass deutlich wird, dass Vivi sich eingemischt hat. „gegenüber nur eingeworfen, dass meiner Meinung nach nicht nur Liebende diese Spiegelfunktion füreinander haben können“, erklärt er souverän.
 

Ich lese das Zitat noch einmal und dieses Mal erschließt es sich mir. In wachem Zustand hätte ich es sicherlich auch irgendwann ohne Taros Erklärung begriffen. Aber bis ich geistig wieder voll anwesend bin, wird es wohl noch nen Moment dauern.
 

„Sehr gut“, sagt die Lehrerin erfreut. „Zudem ein interessanter Einwand. Bei der Betrachtung des Zitats darf man natürlich den Autor nicht außer Acht lassen. Und wie wir wissen …“
 

Ich schalte wieder ab. Kafkas Leben ist mir vage bekannt. Es ist definitiv nichts, dass ich vertiefen möchte.
 

„Und was meinst du dazu?“, fragt Taro mich. In seinen grünen Augen blitzen Neugier und Interesse auf.
 

„Wozu?“, frage ich verpeilt.
 

„Zu der These, mit der ich dich aus deiner eineinhalbstündigen gedanklichen Abwesenheit gerissen habe“, sagt er seufzend.
 

Ach ja, da war was, denke ich beinahe desinteressiert. Ich hasse es, wenn er mit mir über Literatur sprechen will. Wahrscheinlich genauso sehr, wie er es hasst, wenn ich ihn mit technischen Themen zu texte. Da das öfter vorkommt, nehme ich mir ne Minute Zeit, um darüber nachzudenken.
 

Ich muss nicht lange überlegen, um festzustellen, dass Taro diese „Spiegelwirkung“ tatsächlich auf mich hat. Niemand führt mir deutlicher vor Augen, worin ich gut bin und insbesondere, wo meine Schwächen liegen. Aber ich liebe Taro nicht. Zumindest nicht in dem Sinne, den Kafka wohl meint. Also ist die logische Schlussfolgerung daraus, dass Taro richtig liegt.
 

„Ich denke, du hast Recht“, sage ich schließlich. „Wir sind ein guter Beleg dafür. Möglicherweise ist es allerdings so, dass Liebende diese Wirkung noch ausgeprägter aufeinander haben.“
 

„Vielleicht“, antwortet Taro vage und lässt das Thema damit glücklicherweise ruhen. Ich spreche nicht gern über solche tiefschürenden Dinge. Auch mit Taro nicht. Er weiß das.
 

„So, wo und was gehen wir heute Mittag essen?“, frage ich nach einem Moment, in dem mir mein Magen endgültig klar gemacht hat, wie spät es schon ist. „Pizza? Döner? Burger? Was meinst du?“
 

„Was hältst du denn von etwas traditionell Japanischem? Etwas Gesundem“, neckt er mich.
 

„Nur wenn du kochst“, entgegne ich prompt.
 

„Hm. Dann lass uns heute Mittag nur eine Kleinigkeit in der Mensa essen. Ich koche nach dem Nachmittagsunterricht.“ Es muss gesehen haben, dass ich das Gesicht verzogen habe, denn er fügt Kopfschüttelnd hinzu: „Stell dich nicht so an! Es ist ja nur eine Doppelstunde und es ist auch nicht so, als ob du zum Mittag gar nichts bekommen würdest.“
 

„Na gut“, brumme ich widerwillig. Und auch nur, weil ich mir augenblicklich des Spiegels sehr bewusst bin, den er für mich darstellt. Der Spiegel, der in diesem Moment Ungeduld zeigt.
 


 

***

Letztendlich stellt sich die Entscheidung zu warten, als richtig heraus. Das Sushi, das Taro in kurzer Zeit gezaubert hat, ist besser, als alles, was wir hätten kaufen können. Deutlich besser.
 

Während ich noch genüsslich esse, blättert Taro in einer Zitatensammlung. Was nicht damit zusammenhängt, dass Taro besonders schnell oder wenig essen würde, sondern mit der Menge, die ich verschlinge.
 

„Was ist los?“, frage ich schließlich nach einem Moment des stillen Genusses, als ich seinen nachdenklich besorgten Blick bemerke.
 

„Ach, ich überlege nur, was ich später machen sollte“, antwortet er und wirkt ein wenig bekümmert. Sein Anblick löst irgendetwas in mir aus. Ich kann nicht sagen, was es ist, geschweige denn ob es mir gefällt.
 

„Und was willst du machen?“, frage ich, weil mir das „sollte“ aufgefallen ist. Diese Formulierung ist mit Sicherheit kein Zufall. „Wie kommst du überhaupt gerade jetzt darauf? Wegen des Buches?“
 

„Ich würde gerne Koch werden“, sagte er und sieht bei dem Gedanken wesentlich glücklicher aus. „Ich merke, dass ich ein Talent dafür habe, zum Beispiel an deinem Gesichtsausdruck gerade eben. Aber ich denke, ich sollte lieber etwas anderes machen. Das Buch erinnert mich daran, dass ich auch im Umgang mit Sprachen talentiert bin. Dolmetschen könnte ich mir durchaus vorstellen, obwohl mir der Gedanke, das Kochen zu meinem Beruf zu machen, besser gefällt. Nur weiß ich, dass dieses Gewerbe ebenso stressig ist, die Bezahlung aber um einiges mieser.“
 

Taro lächelt leicht. Worüber kann ich nicht sagen, aber seiner Antwort nach zu urteilen, darüber dass ich verstanden habe, dass er zwischen Wunsch und Sinnvollem differenziert.
 

Ich kann seine Argumentation nachvollziehen. Und so gern ich normalerweise für mein Handeln eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufstelle, in diesem Moment scheint sie mir nicht zu passen. Dass Taro sein Kochhobby zum Beruf macht, empfinde ich als richtiger, als wenn ich ihn mir als Dolmetscher vorstelle. Es ist nicht so, dass ich daran zweifele, dass er letzteres schaffen könnte. Er hat wirklich eine Begabung, was Sprachen betrifft. Er wäre gut darin. Und mit den Sprachen, die er beherrscht, könnte er relativ schnell einen guten Job finden. Nur fühlt es sich nicht richtig an.
 

„Du solltest Koch werden“, entgegne ich schließlich. „Du kochst jetzt schon spitze. Ich bin sicher, dass du auch in höhere Einkommensklassen kommen kannst.“
 

Ich sage nicht, dass er sich dabei nie um seine Finanzen große Sorgen machen müsse, weil schließlich ich da sei, um ihn zu unterstützen. Ich weiß, dass er das nicht hören will. Ebenso wenig, wie die Tatsache, dass er es mit seinem Können und meinen Beziehungen sehr schnell schaffen würde, eine gut bezahlte Stellung zu bekommen. Ich muss es nicht aussprechen, es ist uns beiden klar.
 

Er will auf eigenen Beinen stehen. Sich selbst das erarbeiten, was er haben möchte. Ich akzeptiere das, auch wenn ich es nicht immer verstehe. Es wäre sehr leicht für ihn, den einfacheren Weg zu wählen. Zumindest ab und an. Bei Kleinigkeiten. Aber er sträubt sich jedes Mal dagegen, grundlos etwas von mir anzunehmen.
 

„Ich will es allein schaffen“, informiert er mich und es ist beinahe so, als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich lächele unweigerlich.
 

„Ich weiß“, erwidere ich. Was nicht heißt, dass ich mich nicht einmischen werde, falls er sich für diesen Weg entscheidet. „Du solltest nicht so viel zweifeln“, füge ich hinzu, „sondern einfach das tun, was du willst. Du bist gut darin.“
 

Taro seufzt und schüttelt, wie mir scheint, über sich selbst den Kopf. „Du hast Recht. Zu viele Gedanken machen bewegungsunfähig.“
 

„Das Stadium hast du noch nicht erreicht!“, prognostiziere ich.
 

„Du musst es ja wissen“, erwidert er und lächelt leicht. Er wirkt glücklich. In diesem Moment wird mir klar, dass er sich meiner Spiegelwirkung wirklich sehr bewusst ist. Die Aussage, dass wir nach Kafkas Definition von „Liebe“, ineinander vernarrt sein müssten, ist anscheinend gut durchdacht gewesen.
 

Ich esse auf und während Taro den Abwasch macht, beginne ich, ohne viel darüber nachzudenken, in der Zitatensammlung zu blättern. Plötzlich lese ich wieder Kafkas Zitat.
 

Liebe ist, dass Du mir das Messer bist, mit dem ich in mir wühle.
 

Und nun regen sich Zweifel in mir. Nicht etwa, ob Kafka sich geirrt hat, sondern ob ich mich vielleicht in meinen Gefühlen für Taro versehe. Der Gedanke resultiert aus einem Gefühl. Ich weiß nicht, wo es herkommt, aber es ist da und nagt an mir.
 

Es kommt mir vor, als hätte ich bisher etwas Wichtiges übersehen.



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