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Vollkornsprudel

von

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4th lie & plea

Wassertropfen trafen auf Plastik. Ein Rauschen erfüllte das kleine Badezimmer, da der Duschstrahl gegen das milchige Plastik prasselte. Die Luft war warm und stickig, meine Haut fühlte sich klebrig an.

Ich atmete einmal tief durch, damit mein Kopf ein wenig klarer wurde.

So ungemütlich mein Platz auf den weißen Fliesen des Badezimmers auch war und mein linker Fuß eingeschlafen war, bewegte ich mich nicht, sondern lauschte nur dem Duschenden in meinem Rücken. Und seinem Gesumm.

Es klang grauenvoll.
 

Gelangweilt sah ich mir das Abflussrohr des Waschbeckens vor meiner Nase an. Einer müsste Mal wieder Staub wischen.

Mein Blick glitt hinüber zur Tür. Auf der anderen Seite hing ein Handtuch, was meinen Kommilitoninnen signalisierte, dass besetzt war.

Sofern überhaupt eine von Dreien da war. Vor einer Viertelstunde waren sie noch nicht wieder zurück gewesen.
 

„Was ist eigentlich mit deinen Eltern?“, fragte ich laut, damit man mich über das Rauschen auch verstehen konnte.
 

Ein erschreckter Laut, ein Klatschen von nasser Haut auf Fließe und das Wasser wurde abgedreht.

„Alter, was zur Hölle tust du hier?“

Die Duschkabinentür wurde einen Spalt aufgezogen und ein dunkel behaarter Kopf sah heraus, sah sich um und entdeckte mich auf dem Boden sitzen.

„Was erschreckst du mich so, verdammt noch mal?“
 

Ich sah hoch.

„Vergiss es. Ich frag dich gleich. Mach hin, du tropfst alles voll.“ Ich zeigte auf die Stelle, wo Tropfen auf den Boden vor der Dusche fielen.
 

Die Tür wurde wieder zugezogen und ich drückte mich hoch, um das kleine Badezimmer zu verlassen.

Als ich die Tür schloss, hörte ich leise Geräusche aus dem ersten Zimmer, welches am nächsten an der Haustür lag.

Mit einem lauten Hi begrüßte ich eine meiner Mitbewohnerinnen und bekam einen dumpfen Gruß zurück.
 

Alles in allem war es ruhig, so wie immer. So war es Standart. Ein Standart, den ich sehr mochte.

Meine Vernunft schaltete sich in diesem Moment ein und ich stellte mir die Frage, weshalb ich diese natürliche Ruhe selbst zerstörte.

Indem ich Jakob erneut herein gelassen hatte.
 

Seit dem letzten Mal hatte ich mir vorgenommen, wenigstens ein paar Monate verstreichen zu lassen. Das Gespräch, indem mir Jakob sein Leben erzählte, jedenfalls den Teil, den ich nicht mitbekommen hatte, war mir derart unangenehm gewesen, dass ich ihn erst einmal nicht mehr sehen wollte.

Wie hat der Kerl all seine Scham verloren, dass er einfach locker flockig erzählen kann, wie er dahinter gekommen ist, dass er auf Kerle stand?

Ich möchte mich wirklich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern, aber es war – wahrscheinlich auch dank meines Kopfkinos – sehr vulgär.

Ja, vielleicht bin ich etwas prüde, aber es ist für mich alles andere als interessant zu wissen, mit wem Jakob alles geschlafen hatte.

Aber da ich ja irgendwie immer noch das Gefühl habe, dass ich so etwas wie ein Kumpel bin, habe ich ihm natürlich zugehört.

Und genau das beschäftigte mich Tage lang. Nächte lang.
 

Darum habe ich ihn kurzerhand angerufen und eingeladen. Vielleicht würde ich ein paar Antworten auf ein paar Fragen bekommen.

Nicht, dass mich seine Sexualität großartig kratzte, es war vielmehr, weshalb er trotzdem immer noch wie früher war.

Denn mein Bild von Homosexuellen war eindeutig anders. Einige Worte, die ich mit ihnen assoziiere: Pink, tussig, tuckig, sauber, modebewusst, extravagant, aufgesetzt oder einfach nur Regenbögen. Vielleicht noch die Village People.

Irgendwie traf gar nichts davon auf Jakob zu.

Nicht einmal ‚sauber’, obwohl er sich nun duschte. Das tat er auch nur, weil ich seinen Gestank nicht ertragen konnte als er auch nur die Türschwelle überschritten hatte. Weshalb ich ihn sofort den Gang hinunter ins Bad geschickt hatte.
 

Nachdenklich saß ich auf meinem Schreibtischstuhl, die Knie angezogen, die Füße auf dem Rand der Sitzfläche und drehte mich sinnlos im Kreis herum bis die Tür aufging.
 

„Danke, dass ich duschen durfte.“
 

„Hast du eigentlich keine eigene?“
 

Jakob lachte und warf sich auf mein Bett als wäre er zuhause. „Doch, klar. Aber manchmal vergesse ich grundlegende Dinge, wenn ich viel um die Ohren habe. Manchmal auch das Essen.“
 

Darüber konnte ich nur den Kopf schütteln.

Wie konnte man nur so mit sich selbst umgehen?
 

„Was wolltest du denn nun eigentlich? Ich glaube nicht, dass du spannen wolltest“, grinste Jakob.
 

So ein selbstgefälliger…

„Nein, ganz sicher nicht“, meinte ich trocken. „Ich habe mir das Gespräch neulich einmal durch den Kopf gehen lassen und… nun ja, es ist für mich alles immer noch seltsam. Was sagen deine Eltern dazu?“
 

„Wozu?“
 

Da ich bemerkte, dass Jakob nur so tat als würde er nicht verstehen und mich dazu bringen wollte, über mir unangenehme Themen zu sprechen, warf ich ihm einen bösen Blick zu. Solche Spielchen konnte ich wirklich nicht leiden.
 

Jakob runzelte die Stirn und sah ins leere, ehe er seine Lage erklärte.

„Du weißt ja, dass ich nie ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern hatte.“

Ich nickte schweigend, damit ich ihn nicht unterbrach. Damals hatte er auch schon allein gewohnt, in einer Wohnung vom Jugendamt.

„Es gab nur sporadischen Kontakt über Anrufe zu den wichtigen Festtagen, eben nur leere Floskeln. Ab und zu wurde ich auch gefragt, ob alles bei mir in Ordnung sei. Mir war das auch völlig Recht, dass sie nicht viel mit mir zu tun haben wollten, wirklich. Es gibt kaum etwas Besseres.

Darum wäre es mir auch niemals im Traum eingefallen, dass eines Tages meine Mutter bei mir auf der Matte stehen würde.

Dass das peinlich gewesen war, muss ich dir nicht erzählen. Jedenfalls war sie völlig aufgelöst, weil mein Vater sie verlassen hatte…“ Jakob kratzte sich um Hinterkopf. „Sie dachte, ihre Verzweiflung und Trauer gäben ihr das Recht, bei ihrem Sohn einfach so herein zu spazieren. Und so fand sie eben alles raus.

Ihre Schimpftirade war völlig unnötig gewesen. Ich mein’, sie ist selbst Schuld, ich habe sie nicht gebeten, mich zu besuchen!“
 

Die arme Frau.

Skeptisch verzog ich das Gesicht.

„Ich kenn da noch jemanden, der einen mehr oder weniger überrumpelt mit seinem unerwarteten Auftauchen.“
 

„Hey, du hast mich angerufen“, verteidigte sich Jakob empört, doch dann lächelte er leicht. „Das fand ich echt cool. Hätte nicht gedacht, dass du dazu den Mumm gehabt hättest.“
 

Sollten mich seine Worte jetzt berühren oder was? …Trotzdem hatte es mich ein wenig aus dem Konzept gebracht. Die anderen Fragen, die mir auf der Zunge brannten, waren vergessen.

Ich brummte nur und streckte meine Beine aus.
 

„Du hast dich verändert, Till.“
 

„Das sagt der Richtige.“ Seit wann war die Stimmung denn so ernst?
 

Doch Jakob lächelte nur still vor sich hin und ignorierte gekonnt meinen bösen Blick, der ihn eigentlich dazu bringen sollte, endlich etwas zu sagen.
 

Plötzlich kam mein kleiner Schutzengel, der mich vor einer seltsam spannungsgeladenen Stille rettete, durch die Tür. Na ja, meine Mitbewohnerin steckte nur ihrem Kopf zur Tür rein. „Mara ist am Telefon.“

Ohne ein weiteres Wort hielt sie mir den Hörer hin.

Ich rollte mitsamt meinem Stuhl zu ihr, nahm das Telefon und versuchte munter zu klingen.

„Hey Schatz, alles klar bei dir?“

Ich mochte ihre offene Art, mit der sie immer unverfänglich rüber kam. Vielleicht hatte ich mich deshalb vor einem Jahr in sie verguckt. Und wie das manchmal so ist – geht das alles mit der Beziehung recht schnell.
 

Irgendwie war ich dermaßen in mein Gespräch über Nonsens vertieft, dass ich die Arme, die sich von hinten um mich legten, nicht wirklich realisierte. Erst als mir das Telefon aus der Hand genommen wurde, ich mich nach hinten drehte um empört etwas zu sagen, spürte ich Jakobs Lippen auf meinen und etwas in mir setzte aus. Wahrscheinlich mein Herz.

Doch ich fing mich schnell und drückte ihn fluchend von mir.

„Was zum Geier soll das?“

Aber Jakob ignorierte mich und nahm den Hörer ans Ohr. „Sorry Kleine, aber Till ist gerade beschäftigt.“ Und legte auf.
 

Mit einer schlechten Laune, die langsam ins Wütende wechselte, stellte ich mich vor ihn und fragte betont ruhig, was er damit bezwecken wollte.
 

„Ihr klar machen, was Sache ist“, antwortete Jakob salopp.
 

„Aha. Und was ist Sache? Vielleicht habe ich da etwas nicht mitbekommen, klär mich bitte auf.“ Wie kann dieser Mistkerl so gelassen bleiben?
 

Mein Gegenüber lächelte selbstgefällig. „Das war der erste Stoß, den Stein ins Rollen zu bringen. Oder, um es ohne umständliche Metaphern auszudrücken: Ich werde dich nicht so leicht aufgeben.“
 

Der Kerl hatte doch nicht mehr alle Tassen im Schrank. „Pft, in welcher Traumwelt lebst du denn? Ich mag dich als Freund, schließlich bin ich –“

Dummerweise kam ich gar nicht dazu, Jakob klar zu machen, dass ich auf Kurven stand, denn er war mir viel zu nah gekommen und hatte die Hände um meine Taille gelegte, den Kopf in meiner Halsbeuge.

Mir bleib nicht einmal Zeit für einen beißenden gedanklichen Kommentar darüber, wie abstrus diese Situation war.
 

„Schlaf’ mit mir.“
 

Dieser simple, geflüsterte Befehl war irgendwie das Letzte, womit ich gerechnet hatte. Deshalb bekam ich noch nicht einmal ein verdammtes Wort der Ablehnung zustande. Man wurde nicht jeden Tag von seinem ehemals besten Freund, der mit der Zeit wie ein Fremder geworden war, dem man sich wieder annäherte, gefragt, ob man mit ihm schlafen wollte. Obwohl von ‚fragen’ gar nicht die Rede war.
 

„Bist du immer so gerade heraus?“, murmelte ich in Gedanken versunken und versuchte Blickkontakt zu meiden bis Jakob den meinigen suchte. Es lag ein amüsiertes Funkeln darin, oder bildete ich mir das nur ein?

Halt, stopp, was hatte ich denn da gesagt? „Ähm, ich meine: Lass mich in Ruhe, klar?“

Doch wem machte ich hier etwas vor.

Ich schaffte es nicht, mich gegen Jakob aufzulehnen, weiß der Teufel warum.

Vielleicht war es die Verwirrung, vielleicht das ungewohnte Gefühl von Nähe. Da wurde es mir wirklich erst bewusst: Ich hatte noch nie mit irgendwem…
 

„Jemand zuhause?“, fragte Jakob spöttisch und riss mich aus meinen Gedanken. „Habe ich dich dermaßen überrumpelt, dass du Bedenkzeit brauchst?“
 

„Tu dich nicht so nett“, brummte ich und entwand mich seinen Armen. „Ich hab’ nur überlegt, was ich essen soll um meinen unglaublichen Hunger zu bändigen.“

Ohne ein weiteres Wort verließ ich mein Zimmer und holte mir in der Küche einen Joghurt.

Nachdenklich holte ich einen Löffel und riss den Aludeckel ab.

Was wäre, wenn ich wieder mein Zimmer betreten würde? Würde es genau ort weitergehen, wo ich raus geflüchtet war? Würde alles unter den Teppich gekehrt werden und ich würde ihn weiter beäugen wie vorher?

Ach, Grübeln bringt einen ja auch nicht weiter.

Ich warf den leeren Joghurtbecher in den Eimer und ging wieder in mein Zimmer.
 

Doch Jakob war nicht mehr da. Dafür mein Fenster speerangelweit offen.

Das einzige Fazit was ich darauf ziehen konnte, war, dass wir dringend einbruchssichere Fenster brauchten. Wieso war uns das nicht schon beim Einzug ins Erdgeschoss aufgefallen?
 

Was lernte ich an diesem Tag:

Jakob war ein Feigling, ich ebenfalls.

Wir brauchten einbruchssichere Fenster oder wenigstens eine Alarmanlage.

Und ich sollte mir einen Notizzettel an jeden Joghurt und jede Milch heften, dass ich nie vergessen durfte, dass ich laktoseintolerant war. Egal wie wichtig und kompliziert meine Gedanken auch waren. Diese verfluchten Magenschmerzen waren es nicht wert.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Khaosprinzessin
2011-03-04T20:12:40+00:00 04.03.2011 21:12
hihi die geschichte gefällt mir wirklich super!
freut mich das es noch weitergeht und nich nach dem dritten kappi aufhört. die beiden sind es wert, eine riiiieeeesen geschichte zu bekommen^^
jakobs art sind ich klasse. trägt sein herz auf der zunge. bin schon aufs nächste kapitel gespannt

see ya in hell, beast


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