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Mnemonic Abyss

She is calling my Name
von

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No More

Seufzend setzte er sich zurück ins Auto. Er war völlig durchnässt, außer Atem wegen der Rufe, die allesamt fehlgeschlagen waren. Von Rin gab es keine Spur. Wo war sie nur? Und wieso hatte sie ihre Wertgegenstände hier gelassen? Take warf einen erneuten Blick auf den Sitz neben sich, dort, wo ihre Sachen verteilt lagen. Aber nicht nur das: Er konnte in dem Gewühl sein eigenes Handy ausmachen. Zusätzlich stärkte dieser Anblick seine Erinnerungen, denn bevor er diesen Unfall verursacht hatte, hatte das mobile Telefon der Studentin geklingelt, sie war dran gegangen… ihr musste es aus der Hand gefallen sein. Tatsächlich! Es lag auf dem Boden, mühsam griff er danach. Das Display war zerbrochen, vermutlich war das komplette Gerät beim Sturz kaputt gegangen. Take lehnte sich zurück, seufzte mehrmals. Aber dann fiel es ihm wie Schuppen vor den Augen: Warum lag sein Handy dort? Er hatte es doch sicher in seiner Hosentasche verstaut, selbst bei diesem verursachten Tumult konnte es ihm unmöglich aus der Tasche gefallen sein.

Seufzend nahm er es zur Hand, klappte es auf. Er wollte die Polizei rufen, er brauchte Hilfe. Stattdessen bemerkte er, wie vor wenigen Minuten eine andere Nummer gewählt wurde; sie kam ihm zwar bekannt vor, aber sie hatte nichts mit seinen Kontakten zutun. Als er sie bestätigte, wissen wollte, wer am Apparat gehen würde, nahm er nur die besetzte Leitung zur Kenntnis. Es brachte alles nicht, er musste hier und jetzt diesen Unfall der Polizei melden – und das Verschwinden von Rin Kagura.
 

Mit dröhnenden Kopfschmerzen wachte sie auf, sah alles verschwommen, benebelt, unscharf. Eine Person beugte sich über sie, schaute Rin mit einem wehleidigen Blick an, dass sie das Gefühl hatte, ihr Herz würde augenblicklich erstarren. Jetzt war ihr auch klar, wieso sie alles unscharf sah! Diese Frau hatte keinen menschlichen Körper, ein Geist auf der mnemonischen Seite – ein ihr sehr bekannter Geist, vor dem sie sich nicht fürchten musste.

Die Krankenschwester Kyoko wandte sich von ihr ab, ging auf die Nachtkommode zu, wo sie eine Geste imitierte, als wolle sie frische Blumen dekorieren. Erst dann machte sie auf dem Absatz kehrt, schlenderte zum Fenster und zog die Vorhänge auf: Aus dem Fenster konnte man keine gewöhnliche Stadt sehen, keine Sonne, die den neuen Tag ankündigte. Nur die staubartige Masse des mnemonischen Abgrunds. Wie war sie nur hierher gekommen?

Seufzend ließ sich ihr Körper in den verdreckten, alten Bezug des Bettes sinken. Ihr Kopf schmerzte, ein Verband bekleidete ihre Stirn. Sie versuchte, sich zu erinnern, aber es fiel ihr so schwer, da jede Konzentration nur weitere Schmerzen verursachen würde.

Kyoko trat an das Bett heran, beäugte die Krankenakte von Rin Kagura. „Die Patientin hat ein Schädeltrauma erlitten…“ Die Worte zu sagen fiel ihr so schwer, dass sie den Rest in sich hinein murmelte; damals hatte sie nur zwei Sätze gesprochen und es wäre ironisch gewesen, sie in solch einem Moment zu wiederholen.

Rin schloss ihre Augen, wollte sich entspannen, beruhigen. Sie war in der Geisterwelt, so, das wusste sie schon mal. Take hatte einen Unfall verursacht, aber was war davor gewesen? Vielleicht würde ihr Schlaf helfen, denn die Kopfschmerzen waren so gewaltig, dass sie sogar hoffte, ihr Kopf würde augenblicklich implodieren und all diese Erscheinungen dabei verschlingen.

Ihr wurde Ruhe vergönnt, sie schlief ein. Makoto hatte sie angerufen… ein Mädchen in einem roten Kleid stand auf der Straße… wieso hatte Makoto angerufen? Er wollte den Namen dieser Frau wissen - an den sie sich nicht mehr erinnern konnte.

Seufzend schlug sie die Augen auf, Schritte erklangen auf der anderen Seite des Raumes. Rin setzte sich auf, stierte auf das gegenüberliegende Bett, das mit Vorhängen zugezogen war. Die Schritte kamen tatsächlich aus dieser Richtung. Mit einem zitternden Körper kroch sie heran, wollte, dass dieser Albtraum endlich endete. Füße gingen auf und ab, verließen aber nicht den Bereich, der mit diesem Vorhang eben zugezogen war.

„Hallo?“ fragte sie leise, fast schon flüsternd. Jedoch kam wie erwartet keine Antwort, nur das regelmäßige auf und ab Laufen dieser Füße.

Sie konnte und wollte nicht mehr. Sie verkroch sich unter die Decke, wollte das alles nicht mehr sehen. Warum musste man ihr das antun? Hatte sie damals nicht genug gelitten? Sie flehte, sie betete, möge doch jemand diesem Spuk beenden.
 

Makoto hatte keine Ahnung, was mit Rin geschehen war. Woher denn auch? Sie war in dem Haus der Kishibes gewesen oder wartete sie noch dort? Immer wieder hatte er die Nummer angerufen, zumindest versucht. Jeder Ansatz ein Fehlschlag und damit wurde wertvolle Zeit vergeudet. So würde er nicht weiterkommen, außerdem musste er diesen Bereich verlassen, bevor die drei Schülerinnen sich auf die Suche nach ihm machen würden. Er hatte etwas geplant, er wollte in die Wohnung von Sadao. Solange er keine Möglichkeit hatte, mit Rin Kontakt aufzunehmen, würde er vorerst seinen Teil der Arbeit fortsetzen.

Die Wohnung von Sadao war genauso dreckig wie an dem Tag, wo er hier elendig gestorben war; und das noch durch die Hand eines Mannes, eines Freundes, dem er mehr oder weniger sein eigenes Leben anvertraut hätte. Von diesem war bislang ohnehin keine Spur zu finden, dabei hatte der Journalist noch gepredigt, sie beide würden nie wieder voneinander getrennt werden. Anderseits kam es Makoto sehr gelegen, den Menschen nicht mehr sehen zu müssen, der ihn kaltblütig ermordet hatte. Und warum? Nur weil er der Meinung war, Verleger und Journalisten können die Welt nicht ändern, nichts, rein gar nichts hätte sich geändert, wenn sie das Geheimnis um Reiko Asagiri aufgedeckt hätten. Oder war es reine Eifersucht gewesen? Makoto war so kurz davor gewesen, dieses Rätsel zu lösen, hatte sogar den letzten, entscheiden Hinweis gefunden. Aber jetzt war sowieso alles zu spät, sie waren beide tot, gefangen auf der mnemonischen Seite.

Aber es war nicht die Zeit, in Erinnerungen zu graben. Er war nun hier, um eine Sache zu überprüfen, vielleicht eine Theorie, an die er sich bis heute geklammert hatte, zu widerlegen. Waren Geister auf der mnemonischen Seite in der Lage für sie fremde Orte aufzusuchen oder bestand möglicherweise eine Verbindung zwischen Sadao und dem Mädchen in Rot? Außerdem sprachen manchmal die Gesten eines Geistes für etwas, wie sie gestorben waren, welche Routine sie im Alltag gemacht hatten.

Makoto sah zu der Toilettentür. Dort hatte er sie zum letzten Mal gesehen, er war in dem kleinen Raum eingesperrt gewesen, Blut tropfte in die Toilette. Der Lüftungsschacht wurde aufgerissen und sie blickte ihn mit gemischten Gefühlen von oben herab an. Er hatte bei dieser Begegnung es mit der Angst zutun gehabt, wollte sie aus dem Gedächtnis löschen. Aber um für diese Geste Verständnis bringen zu können, musste er sich erst einmal fragen, warum dieser Geist ihm auf diese Art erschienen war. Entweder, ihr bereitete es vergnügen, in fremden Luftschächten Menschen zu erschrecken oder… konnte es tatsächlich sein? War sie hier gestorben und imitierte ihre Todesart? Das würde dann natürlich erklären, warum Rin sie im Fahrstuhl gesehen hatte, als diese Kopfüber hing. Da oben musste etwas sein, er konnte es geradezu spüren.

Eilig schritt er zur Toilette, öffnete die Tür. Im Innenraum befand sich nichts Verdächtiges, aber das war auch nicht sein Ziel gewesen, er musste hinauf in den Lüftungsschacht. Selbst wenn er ein Geist war, tat er die Schritte so, wie er sie als lebender Mensch getan hätte. Er stieg auf den Deckel der Toilette, streckte sich zum Lüftungsschacht, zog die Klappe weg, welche er achtlos fallen ließ und kletterte anschließend hinauf. So hatte er sich das Leben als Toter nicht vorgestellt, und schon wieder rauschte das imaginäre Blut in seinen Ohren, so viel Anstrengung hätte ihn zu Lebzeiten sicherlich umgebracht. Oben angekommen robbte er sich seinen Weg frei, der nach wenigen Sekunden ein Ende fand: Ein großes Etwas, in Müllsäcken eingehüllt, blockierte den Weg. Ein müdes Lächeln umspielte seine Lippen, aber es war keine Freude, die sich darauf abzeichnete. Sondern die pure Unverständlichkeit, dass es sich hierbei um einen Leichnam handeln konnte – er musste sich nur noch davon überzeugen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dabi
2010-08-19T13:37:42+00:00 19.08.2010 15:37
- "...als wolle sie frische Blumen auftischen." ich weiß nicht, könntest du statt auftischen kein anderes Wort nehmen? Es klingt doch sehr nach Essen finde ich, nur leider fällt mir kein Beispiel ein.
- "...so schwer, dass jede Konzentration nur..." Ich glaube dieses "dass" sollte durch ein "da" ersetzt werden.
- "...großes Etwas, in Müllsacken..." in "Müllsäcken" heißt es.

Take ist sehr verantwortungsvoll, das meine ich mit Ehrenmann, er wirkt sehr Ehrenhaft.
Ich finde es gut das Makoto Sadao nicht sehen will, ist auch irgendwie verständlich, als ob sie danach Best Friends sein würden.
Und ich wusste immer schon das Sadao ein Mensch mit Problemen ist, und ich mag es irgendwie wie das bei ihm wohl endet, dieses Kranke.
Also ich mag es immer noch lesen und hoffe es geht wieder zügig weiter >///<


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