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Short stories

eine kleine Sammlung von Kurzgeschichten
von

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Vollmondverrat

Solch einen anstrengenden Tag hatte er schon lange nicht mehr. Völlig erschöpft schleppte er sich in sein Haus und warf seine Sachen verstreuend irgendwo hin. Als er gerade in sein Zimmer wollte, bemerkte er die halboffene Tür seiner Schwester, wodurch ein fahles Licht hindurch schien. Es fiel ihm ein, dass sie ihre Schreibtischlampe eingeschaltet gelassen haben könnte und so eingeschlafen ist. Kurzum entschloss er sich die Lampe auszuschalten und selbst schlafen zu gehen. Um sie nicht bei ihrem Schlaf zu stören versuchte er so wenig Laute von sich zu geben wie nur möglich. Er zwang sich durch den Türspalt und bemühte sich weiterhin leise zu sein, doch zu seiner Überraschung war die Lampe gar nicht eingeschaltet, sondern der Vollmond erhellte ihr Zimmer. Komisch, er hatte nicht bemerkt, dass in dieser Nacht der Vollmond schien. Noch während er sich umdrehte, um in sein Zimmer zurückzukehren bemerkte er, dass die Schwester sich die Bettdecke nicht übergezogen hatte. Er setzte sich zu ihr hin und zog die Decke sanft über sie. Währenddessen betrachtete er ihr wunderschönes Gesicht und ihre Lippen....
 

Plötzlich kommt es ihm so vor, als ob eine schwarze Hand sein Herz packt und dieses zu rasen beginnt.
 

Nein.
 

Er muss sich wieder an das Versprechen erinnern, das er sich selbst gegeben hat. Er wollte aufhören diese verdammten, verfluchten und verruchten Gefühle zu empfinden. Er wollte sie ignorieren. In sich begraben und verschließen für immer. Es sollte sein Geheimnis bis in alle Ewigkeit sein.
 

Nein.
 

Er wollte nicht wieder Tag für Tag und Nacht für Nacht, wegen ihr verrückt werden. Diese anormalen Phantasien und ekelhaften Vorstellungen hätte er am liebsten aus seinen Gedanken gelöscht oder vergessen, aber er konnte es einfach nicht. Schon seit Monaten versuchte er es. Er hatte tausendmal versucht sich selbst zu überreden, dass alles, was er fühlte, nur Einbildung und Hirngespinste waren, die gar nichts mit der Realität zu tun haben sollten. Alles sprach gegen dieses Gefühl. Moral, Sitte, Natur, Religion. Jeder einzelne Mensch würde ihn abscheuen, ihn hassen. Der Schwesterschänder. So und nicht anders würden sie ihn nennen.
 

Nein…
 

Er konnte das seiner Schwester und seiner Familie nicht antun. Doch was wissen die anderen schon. Was wissen sie von seiner Qual, seiner Pein, seinem Schmerz, seiner Verzweiflung, seiner Trauer und seinem Kummer. Von seinen schlaflosen Nächten, von dieser blinden Wunde, die nicht heilen wollte oder vielleicht nicht heilen konnte. Er hielt es nicht mehr aus. Er wollte, dass die Dunkelheit ihn verschlingt.
 

Verschwinden und nie wieder leiden.
 

Leider ist es sicher, dass das nicht eintreffen wird. Also, was bleibt ihm noch übrig, was? Einfach so weiterleben, als ob nichts geschehen wäre, nichts gefühlt, nichts gedacht und nichts empfunden. Auch wenn er einen Wasserfall aus sich herausweinen könnte, würde es nicht ausreichen dieses wütende Flammeninferno in seinem Herzen zu löschen.

Ja, Gott und seine Engel hatten ihn längst verlassen und ihm konnte es egal sein, denn er wusste eins. Er liebte seine leibliche Schwester über alles und diese Liebe war nicht die Liebe, die er, wie ein Bruder empfinden sollte, sondern die leidenschaftliche Emotion eines Liebenden, der nur eines im Sinn hatte. Sich mit der Geliebten bis zu ihrem Tod zu vereinen und nie mehr loszulassen. Jetzt, in diesem Moment, war er entschlossener, denn je zuvor. Wenn es jemals passieren sollte, dann jetzt.

Er beugt sich immer näher und näher zu ihr hin, sieht den Glanz des Vollmonds auf ihren Lippen leuchten. Diese Lippen, ja fast zierliche Linien eines Mädchens will er mit seinen eigenen Lippen berühren. Ihm ist es egal, was seine Schwester denkt. Er kann schon ihren leichten Atem spüren. Und es geschieht, was schon längst hätte geschehen sollen.

Und doch fühlt er keinen Widerstand. War dies etwa...
 

Nein, Nein! Das konnte doch nicht wahr sein. Er war die ganze Zeit nicht der einzige gewesen, der gelitten hatte. Fassungslos löst er sich von ihr. Hatte sie gerade nicht geblinzelt oder schlief sie immer noch tief und fest?

Schließlich geht er in sein Zimmer, mit noch mehr Fragen in seinem Kopf, die ihn vielleicht noch ein Leben lang verfolgen würden. Ein Leben lang...
 

*Die Tempuswechsel in der Geschichte sind absichtlich eingebaut und ja das Thema ist sehr prekär. Eventuell könnte es sogar als Adult-Inhalt gekennzeichnet werden. Ich bin mir in dieser Hinsicht nicht sicher, deshalb überlasse ich es den Kontrolleuren/innen.*



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