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Der Pfau

Deutschland, das sind wir selber
von

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03 - Konfrontation

Nur die Staubballen fehlten noch, als sich die vier Bundesländer mitten in der Einöde von Mecklenburg-Vorpommern trafen. Als Schiedsrichter saß Ludwig in der Mitte des kleinen Kreises. Alle vier konnten sich gegenseitig in die Augen sehen, und nur die Schreie eines Aasgeiers über ihnen durchbrach die Stille.
 

Ein klassischer High Noon. Die Frage war nur: wer würde zuerst schießen? Man beäugte sich misstrauisch. Kein Lüftchen regte sich.
 

Ludwig hob die Hand.

„Los.“
 

Synchron griffen alle vier in ihre Taschen und jeder von ihnen hob ein kleines Bild in die Höhe. Bayern hatte Neuschwanstein gewählt, es schien, als würde das Märchenschloss auf dem Polaroid geradezu strahlen. Sie war sich des Sieges schon sicher und lächelte überlegen.

Auf Badens Fotografie fand sich die Pyramide seiner ehemaligen Residenzstadt. Ein morbides Grinsen zierte sein Gesicht. Wer könnte einem Wahrzeichen widerstehen, unter dem ein Toter begraben lag?!

Hessens Züge waren ernst und ruhig, während er das Bild von Frankfurts Skyline zeigte. Damit konnte niemand konkurrieren, da war er sich sicher.

Berlin zappelte unruhig, während er das Bild seines Fernsehturms in die Höhe hielt. Sein Alex!! Wer könnte der Schönheit von Alex widerstehen?!? Das wäre absolute Blasphemie!! Er würde die alle sowas von über den Tisch ziehen!
 

Ludwig beäugte die vier Sehenswürdigkeiten eindringlich. Es ging hier schließlich um einen fundamental wichtigen Schatz, den der Gewinner erhalten würde, er musste richtig urteilen, oder eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes würde über sie alle hereinbrechen. Neuschwanstein, natürlich, das war das Symbol seines Landes, seiner Geschichte, im Ausland zelebrierte er in deutschen Themenparks und Expo-Ausstellungen dieses wunderschöne Schloss. Sein Blick glitt weiter zu der Pyramide Badens, hm, ein echter Underdog in diesem Wettbewerb, aber gar nicht mal so schlecht – es gab keine andere Stadt auf der ganzen Welt, in der ein Pyramide mitten auf dem Marktplatz stand – Deutschland war einzigartig. Frankfurts Skyline symbolisierte natürlich Deutschlands Wirtschaftskraft, auf die er so stolz war, und beim Berliner Fernsehturm dachte er an einen seiner Grundwerte – die Freiheit, alles zu sagen, was man wollte, egal, wie dumm es war, und eines konnte man Ludwig glauben: er hatte in seinem langen Leben schon viel an Dummheit ertragen müssen.
 

Nachdenklich nickte er.

Zenzie blieb weiterhin siegessicher stehen. Max sah Ludwig neugierig und ungeduldig an. Karol starrte desinteressiert ein Loch in die Luft. Paul steckte sich eine Zigarette an.
 

„Ich habe eine Entscheidung gefällt.“

Unmerklich veränderten sich die Position des vier Länder. Zenzie blinzelte kurz. Max leckte sich über die Lippen. Karol ließ seinen Blick gütigerweise zu Ludwig gleiten. Paul fing an, zu grinsen.
 

Ludwig wartete noch einen Moment und atmete angespannt Luft ein. Das würde diesen Ländern vermutlich nicht gefallen.

„Ihr seid alle vier Gewinner.“ Sofort wurde der Protest laut. Baden packte Ludwig spontan am Kragen und Berlin begann mit einer Schimpftirade; Bayern ließ ihre Handknöchel knacken und Hessen atmete beim Versuch, sich zu beruhigen, scharf Luft ein. „Man kann all diese Dinge nicht miteinander vergleichen. Sie sind alle auf ihre eigene Art wichtig für mich. Ihr könnt nicht- Baden, könntest du aufhören- nein, Berlin, ich- Bayern, verdammt- Hessen, kannst du sie nicht, oh, du-“ Diese Kinder!! Föderalismus war das schlimmste, was ihm jemals passiert war, sein großer Bruder eingeschlossen. Ludwig versuchte, sich zusammenzureißen und ging ein paar Schritte zurück. Baden holte schon ein paar alte Revolver noch von der Märzrevolution heraus und übergab sie Hessen und Berlin – Bayern schwang ihren Frankenrechen.
 

Und dann fing Ludwig an, zu rennen, und vier Bundesländer klebten ihm an den Fersen. So wie es aussah, würde wohl keiner von ihnen das von Ludwig versprochene Kilo Kartoffeln als Preis erhalten, oder alle vier würden es ihm aus seinen toten, kalten Fingern entreißen.
 

Auch, als die fünf schnell wegrannten, bemerkte niemand von ihnen Mecklenburg-Vorpommern. Er war die ganz Zeit dabei gewesen, das hier war schließlich sein Land.

Diese netten Leutchen hatten ja keine Ahnung. Sie waren hier im größten, schönsten, weitesten Denkmal ganz Deutschlands, das man sich nur vorstellen konnte. Schlösser, Pyramiden, Hochhäuser, Türme... das war ja alles schön und gut...

Fritz pflückte eine kleine Blume und roch daran. Unberührte, vom Menschen ignorierte Natur... das war das Allerbeste.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  moi_seize_ans
2010-05-10T13:16:20+00:00 10.05.2010 15:16
Oha... die Aasgeier über M-V. Sehr nett umschrieben. Und auch sehr toll, dass die ganze Sache so glimpflich ausgegangen ist und eine der wohl schönsten Moralen mit sich zieht.
Natur und die Erde an sich sind einfach am Schönsten. Hach...
^^

Ich konnte mir die ganze Sache überaus bildlich vorstellen.
Cool wär es auch, wenn die anderen BL sich dazugesellt hätten. Massenwettstreit. :D Nur, Sachsen hat wohl nach dem Bau der ollen Brücke in Dresden an dem Wettstreit gar nicht mehr teilgenommen, oder es gibt eine Runde zwei (?!)


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