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Träume

von

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Da bin ich wieder!! *freu* Nachdem ich den einen oder anderen dezenten Wunsch erhalten habe (geht eine Erpressung als Wunsch durch? *gg*), mich doch möglichst mit dem nächsten Kapi zu beeilen, hab ich die Finger glühen lassen und hier ist es nun! *stolzbin*

Es ist das längste bisher, weil ich meine bisherigen Kapis im Nachhinein zu kurz finde. Außerdem wollte ich alle meine angesammelten Ideen verarbeiten.

Ihr dürft auch dieses Mal die Taschentücher bereithalten *zusätzlich Milch, Decke und Kekse hinstell*

Nur als Hinweis: Hallu-Bela ist vorerst zwar nicht mehr vorgesehen, aber da der Wunsch nach seiner Anwesenheit besteht, bemühe ich mich, ihn mal wieder einzubauen ^.^
 

In diesem Sinne: viel Spaß!
 

********
 

Beschwingt ging Farin den Gang des Gebäudes entlang und war so gut drauf wie seit Tagen nicht mehr. Es hätte kaum besser laufen können. Er hatte Bela seine Gefühle für ihn offenbart, und Bela hatte ihn nicht beschimpft, zurückgewiesen oder davongelaufen. Das Gefühl der Akzeptanz und der Erleichterung machten in Farin vieles wett, was in den vergangenen Tagen beinahe zerstört worden war.
 

Ob sich ihre Freundschaft verändern würde, konnte Farin noch nicht abschätzen. Aber er wollte auch nicht darüber nachdenken. Zu viele Gedanken hatten in ihm gekreist, ihn um den Schlaf gebracht, an seinen körperlichen und seelischen Kräften gezehrt. Nun war Schluss damit. Er wollte wieder leben. Er wollte wieder unbeschwert und auf seine Arbeit konzentriert sein. Und er fand, dass er das durchaus verdient hatte.
 

Die Crew schien sich die Wartezeit auf Bela und Farin mit einem Gitarrenduell zu vertreiben. Als Farin die Tür ins Studio öffnete, versuchten sich Rod und Axel im Freestyle-Gitarrespielen. Farin brauchte ein paar Sekunden, um zu erkennen, dass der Song "Smoke on the water" nachahmen soll.
 

Aber er erkannte augenblicklich, dass Axel seine über alles geliebte "Black Hawk" umhängen hatte.
 

"AAAAAAAAAAAAAARRRRRGGGHH!!!!!"
 

Mit einem Mal war es totenstill. Yentzi erschrak sich so sehr, dass er seinen Kaffeebecher fallen ließ. Rod sog geräuschvoll die Luft ein. Axel wurde kreidebleich. Schwarwel, der an diesem Tag einige Artworks dabei hatte, warf seinen Skizzenbock durch den Raum.
 

Farin blinzelte mehrmals mit den Augen, um sich zu vergewissern, dass er doch keinen Tagtraum hatte. Das Bild vor seinen Augen verschwand aber nicht. 3...2...1...
 

"Sacht ma, ihr zigfach jestörten Dauerhirnlosrumrennenden!! Habt ihr sie noch alle?!? Det is verdammt noch ma MEINE Gitarre! Die fasst keiner außer mir an! Leg die sofort hin wo du se jefunden hast oder ick hack dir deenen Arsch ab und fahr im Winter Schlitten damit!!!"
 

Der Assistenz-Produzent staunte nicht schlecht, als er einen flüchtigen Blick auf die Dezibel-Anzeige im Aufnahmeraum warf.
 

Axel war bemüht, innerhalb von Nanosekunden die Gitarre abzunehmen und neben den Verstärker zu stellen, hatte aber die Befürchtung, dass das Farin dennoch zu lang dauern könnte. Der indes versuchte, den Schock so schnell wie möglich zu verarbeiten und sich mindestens genauso schnell zu beruhigen.
 

Er schritt an Axel vorbei, wobei er ruckartig den rechten Arm zur Brust anwinkelte, um einen Schlag anzudeuten (Axel zuckte tatsächlich leicht zusammen), lehnte sich neben seinem Instrument an die Wand, atmete entnervt aus, warf Axel noch einen letzten warnenden Blick zu und fragte, was heute anliege.
 

"Also erst mal Guten Morgen und zweitens: Wo is´ Bela?" wollte Rod González wissen.
 

"Ähm, der muss noch irgendwie telefonieren oder so", war Farins knappe Antwort. Insgeheim wusste er wirklich nicht, ob er das glauben sollte. Bela wirkte in diesem Moment ... er wich Farin aus, zumindest hatte dieser das Gefühl. Trotz der Tatsachen, dass sie sich ausgesprochen hatten und es weitergehen sollte wie bisher. Farin hoffte, dass er sich irrte.
 

Nur kurze Zeit später stand Bela auch schon im Raum. Er lächelte hier und da jemandem zu, doch als er Farin erblickte, fror sein Lächeln ein. Er musste sich zwingen, es wieder aufzutauen. Langsam setzte sich der Drummer in Bewegung und ging auf Farin zu.
 

Dieser war sich nicht ganz sicher, was das sollte. Der Ältere wirkte anders als während ihres offenen Gesprächs ein paar Minuten zuvor. Sicher war Bela nur aufgeregt, nicht nur wegen der Arbeit an ihrem neuen Werk, sondern auch, weil er nicht zu wissen schien, wie er Farin gegenüber reagieren sollte. Doch Farin hielt es für unklug, darüber zu viele Gedanken zu machen. Seine Professionalität durfte nicht unter seiner privaten Situation leiden.
 

Bela schlug Farin freundschaftlich die Hand auf die Schulter. Farin musste sich beherrschen, nicht zu sagen, dass Bela nicht übertrieben loyal tun soll.
 

"Also, Freunde", verkündete der Schlagzeuger gut gelaunt, "ich spiele mal die nächsten zwei, drei Songs ein, und dann sehen wir mal wie´s weitergeht! Womit fangen wir an?"
 

Sie diskutierten noch eine Weile, und Farin war sehr bemüht, seine geistige Anwesenheit zu demonstrieren. Je mehr Zeit verstrich, desto mehr zweifelte er an der Realität seines Gesprächs mit seinem besten Freund. Es kam ihm auf einmal so unwirklich vor. Sie standen hier, redeten ganz normal über die Arbeit, und Bela ging völlig in seinem Gespräch mit Rod und den anderen auf. Farin hingegen stand relativ abseits und hörte nur hin und wieder zu. Er fühlte sich plötzlich wie das fünfte Rad am Wagen, fühlte sich fehl am Platze. Hatte er Bela wirklich gesagt, dass er ihn liebte? Und wenn ja, wieso tat dieser dann alles Menschen mögliche, um diesen Umstand zu ignorieren? Mied er Farin tatsächlich ein wenig oder war es nur die Notwendigkeit eines Arbeitsgesprächs?
 

Farin wünschte sich, er wäre ganz allein mit Bela. Irgendwo. Vor seinem inneren Auge tauchte das Bild eines grasbewachsenen Hangs auf. Sie waren unter einem Baum, der Sommerwind wehte leicht. Es war strahlend schön und angenehm warm. Bela saß aufrecht, die Arme um die angewinkelten Beine geschlungen, und erzählte eine Geschichte, eine Anekdote, egal was. Und Farin lag neben ihm und hörte ihm einfach nur zu. Lauschte der angenehmen, sanften Stimme des Schlagzeugers, sog seine Worte ein, die Wärme, die ihn ihnen war. Farin konnte nicht aufhören, den dunkelhaarigen zu betrachten. Die Konturen seines Gesichts, das Haar, das ihm der Wind immer wieder in die Stirn wehte, die strahlenden, leuchtenden, lebendigen Augen, seine warmen, weichen Lippen. Bela wandte den Kopf zu ihm und fragte ihn, ob er ihm überhaupt noch zuhörte. Farin antwortete nicht, sondern sah ihn einfach an. Bela beugte sich zu ihm hinunter, um ihn zu fragen, ob er denn zumindest noch lebte, und Farin konnte der Versuchung nicht widerstehen, legte seine Hand um Belas Nacken, zog ihn näher zu sich und...
 

"Ey, Großer! Lebst du noch?"
 

In seiner Vision klang die Frage irgendwie liebevoller.
 

Farin brauchte einen Augenblick, um den Weg zurück in die Realität zu finden. Als er den Kopf so weit drehte, bis er die Quelle der eben vernommenen Stimme erblickte, sah er genau in ebenjene Augen, in denen er am liebsten versinken würde wie einem Ozean. Bela stand schräg neben ihm und sah ihn erwartungsvoll an.
 

"Hmm, was? Tschuldige, ich war grad woanders..."
 

Ich war an einem wundervollen Ort. Du hättest ihn sehen müssen. Sicher hätte er dir gefallen. Es war traumhaft schön. Vögel haben gezwitschert, und der Wind hatte mit den Blättern und Ästen des Baumes gespielt, hatte sie gefangen und wieder losgelassen, sie geküsst und von sich gestoßen, nur um sie wieder einzufangen... Du bist wie der Wind, Bela. Du scheinst kalt und unangenehm, doch du bist immer da. Du bist wild und ungestüm, und doch sanft und wohltuend. Du fängst mich, stößt mich weg und doch verschwindest du nicht... und ich bin ganz und gar gefangen in deinem Zauber, möchte dich nie wieder loslassen... selbst wenn du wie ein Orkan über mich hinwegfegst, bleibe ich dein... du musst nur lernen, dass auch der Wind einmal still stehen und an einem Ort verweilen kann. Das konntest du bisher nie. Vielleicht sollte ich versuchen, dich zu fangen, dich zu zähmen. Nur um mich dann von dir an bisher unerreichte, unbekannte Orte tragen zu lassen. Ich kann es kaum erwarten, bis wir endlich da sind.
 

Farin richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen kleinen Wildfang und versuchte, die Gedanken beiseite zu schieben.
 

Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum! Wie wahr dieser Spruch doch ist!
 

"Ich fände es gut, wenn wir mit Himmelblau anfangen würden, um ein Feeling für die Platte zu kriegen. Die Übergänge sollten diesmal flüssiger und leichter sein als bei der letzten Platte. Was meinst du?"
 

"Worauf warten wir dann noch?" gab Farin zurück und experimentierte mit dem Klang der Gitarrenspur herum.
 

Das Lied ging Farin mit einer Leichtigkeit und Unbeschwertheit von der Hand, wie er es selbst nicht geglaubt hätte. Neuer Mut war ihn ihm erwacht, und er wollte seine gesamte Energie in das neue Album stecken. Es sollte nicht mehr so chaotisch und zermürbend werden wie bei der "Geräusch", wo sie sich dermaßen in den Haaren hatten, dass sie sich beinahe aufgelöst hätten. Farin war immer wieder dankbar, dass er sich bei dem anschließenden Bandgespräch nach Fertigstellung des Albums nicht zuerst ausgekotzt hatte. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass sie nun gar nicht mehr hier sitzen würden und ein neues Album aufnahmen. Farin hätte die Band damals aufgelöst. Und das hatte er auch klar und deutlich gesagt. Bela war zutiefst geschockt, und Farin musste ihm sehr lang und ausführlich versichern, dass er durch das Gespräch seine Entscheidung zurückgenommen hatte. Farin wusste damals nicht, wovor Bela genau Angst hatte. Touren war sein Leben, das hätte er wahrscheinlich am meisten vermisst. Und erst hinterher stellte sich Farin die Frage, ob der Kontakt zwischen ihm und Bela dann erneut einfach abgebrochen wäre. So wie damals, 1989. Farin hätte sich gewünscht, er wäre es gewesen, was Bela dann am meisten vermisst hätte.
 

Farins Laune sollte drei Stunden später merklich schlechter werden, als die Arbeitsgemeinschaft sich zum Mittagessen schon wieder Pizza bestellen wollte. Als Vegetarier hat man beim Pizzalieferanten ja so unglaublich viel Auswahl! Nicht, dass er Pizza nicht mochte. Aber jeden Tag das fette, schwere Zeug in sich hineinstopfen? Auf der anderen Seite würden ihm nach Tagen der kulinarischen Entbehrung ein paar Kalorien zu viel aber auch nicht schaden. Also Pizza.
 

Die Themen beim Essen waren auch diesmal die wichtigen 3 F´s bei Männern: Fußball, Ficken, Fernsehen. Zu allen drei konnte Farin nicht sonderlich viel beitragen. Er nutzte seinen Fernseher nur dazu, gelegentlich eine DVD anzusehen, der megagroße Fußballfan war er auch nicht gerade und das dritte... Farin konnte es sich nicht verkneifen, Bela anzusehen. Wie weit er bereit war mit dem Schlagzeuger zu gehen, wusste er eigentlich selbst nicht. Dafür waren seine Empfindungen noch zu neu und noch nicht ausgereift genug, und abgesehen davon hatte er bisher auch nicht den Wunsch, intime Erfahrungen mit dem selben Geschlecht machen zu wollen. Während er Bela betrachtete, versuchte er sich vorzustellen, was sie wohl miteinander täten, würde Bela so für Farin empfinden wie umgekehrt, wären sie nur zu zweit in einem Raum und wären sie nicht abhängig von Terminen, Arbeit, der Zeit. Vielleicht würden sie zuerst einfach nur nebeneinander sitzen, sich tief in die Augen schauen und versuchen, in den anderen so tief hineinzusehen wie es nur irgendwie ging. Dann würden sich vielleicht ihre Gesichter einander nähern, und sachte, ganz sachte, würden sich ihre Lippen berühren, hauchzart und wie ein Seidentuch, das eine glatte Fläche hinab glitt. Wenn sie durch dieses zärtliche Spiel genug angeheizt wären, würden sie wohl etwas forscher werden, und ihre Zungen in dieses intime, vertraute, erotische Spiel einweihen, bis ihre Hände endgültig nicht mehr voreinander Halt machen könnten und den Körper des anderen erkunden wollten, in zunächst zaghaften, dann mutigeren Bewegungen, und nicht allzu lang würde es dauern, bis der Stoff über den Leibern störend und lästig würde und die Handinnenflächen danach trachteten, die angenehm warme und weiche Haut des anderen Oberkörper zu spüren, gierig und verlangend über Brust, Bauch und Rücken streichelnd, und nun wollten auch ihre Münder Kontakt zu ihren anziehenden Körpern herstellen, indem sie von ihren Lippen abließen und sanft, doch bestimmt Hals und Nacken hinab wanderten, um lange, ausgiebig und hungrig den Körper des anderen zu erforschen, und vielleicht würden sie sich schlussendlich ihrer Ekstase hingeben und dem Verlangen, einander näher und intimer zu sein, als es je ein Mensch zuvor gewesen war...
 

Farins Gedankenkarussell hielt plötzlich inne, vermutlich war die Zeit abgelaufen. Als er wieder ausstieg, bemerkte er, dass sein Gesicht glühend heiß war. Niemand schien bemerkt zu haben, was sich soeben in ihm abspielte, dass er ganz andere Gedanken hatte, die nicht im geringsten ihre Arbeit oder das aktuelle Gespräch betrafen. Er murmelte leise, dass er mal eben auf Klo ginge, und verließ den Raum. Durch die verspiegelte Glastür konnte er wahrnehmen, dass Bela ihm nachsah. Naja, niemand außer einem.
 

Farin betrat die Toilette und wusch sich ausgiebig das Gesicht. Etwas peinlich berührt stellte er fest, dass nicht nur sein Gesicht auf sein Kopfkino reagiert hatte. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen das Waschbecken, verschränkte die Arme vor der Brust und atmete einige Male tief ein und aus. Es ging nicht. Es ging einfach nicht. Nur mit Bela im selben Raum zu sein, löste Gedanken und Gefühle in ihm aus, die er sich nicht einmal zu träumen wagte. Zu groß war die Liebe, zu hartnäckig das Verlangen. So funktionierte es nicht. Er konnte sich nicht konzentrieren, keinen klaren Gedanken fassen. Immerzu dachte er an Bela, und an die Dinge, die er am liebsten mit ihm anstellen würde.
 

Sie würden es wohl nicht hinbekommen, ganz normal miteinander umzugehen. Und wenn Farin es sich ehrlich eingestand, wollte er das auch gar nicht. So ganz die Finger von diesem anziehenden Mann lassen. Bisschen spielen war ja wohl nicht verboten.
 

Ach, Scheiße.
 

War ja klar, dass gerade in diesem Augenblick die Tür aufging und - natürlich - Bela drin stand. Farin konnte sich das schiefe Grinsen nicht verkneifen, als er ihn erblickte.
 

Du hast mir gerade noch gefehlt.
 

Bela musterte Farin etwas verlegen, und Farin stellte mit Entsetzen fest, dass der Blick des Älteren ausgerechnet an seiner Leistengegend hängen blieb.
 

Apropos hängen - da gab´s doch gar nichts mehr zu sehen! Hör auf mir da hinzukucken, du alter Bock! Ist mir eh schon unangenehm genug, dass du das vorhin anscheinend bemerkt hast...
 

Bela hörte ihn offenbar und sah ihm wieder in die Augen.
 

Ein unangenehmes, erdrückendes Schweigen legte sich über die beiden. Farin wusste nicht was er sagen sollte, und allem Anschein nach ging es Bela nicht anders.
 

Doch dieser ergriff schließlich das Wort.
 

"Du scheinst dich mit der Situation schwerer zu tun als ich dachte..." stellte Bela fest, wirkte aber recht betreten und schien sich unwohl zu fühlen. Farin war, als ob mehr dahintersteckte. Und er vermutete, dass, wenn er selbst nicht danach fragte, er es niemals erfahren würde. Daher packte ihn die Ungeduld.
 

"Komm schon, Alter, genug um den heißen Brei herumgeredet. Rück endlich raus mit der Sprache. Irgendwas ist doch." Farin hatte gehofft, dass mit ihrem Gespräch alle Missverständnisse beseitigt wären. Und er bedauerte es, dass Bela nicht genauso offen zu ihm war, wie Farin Bela gegenüber.
 

Er konnte spüren, dass Bela mit dieser direkten Konfrontation überfordert war. Die Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben, als sei sie mit Tätowierfarbe eingeprägt worden. In diesem Moment verlor er jegliche Selbstbeherrschung, konnte seine wahren Gefühle nicht vor Farin verbergen. Und wieder stellte der Blonde fest, dass sein Herz schneller schlug, dass die Aufregung in ihm hochkochte, die Angst vor dem, was gesagt würde. Die Angst vor dem Unbekannten, Ungewissen. Nun würde er hoffentlich erfahren, was in Bela, seinem besten Freund, tatsächlich vorging. Und er hatte die dunkle Vorahnung, dass es ihm nicht gefallen würde.
 

Bela trat unsicher und nervös von einem Fuß auf den anderen, blickte Hilfe suchend um sich, öffnete und schloss den Mund mehrere Male, um seine Gedanken wieder zu verwerfen, und jene, die ihm richtig erschienen, wollten ihm nicht über die Lippen kommen. Er nahm all seinen Mut zusammen, wusste, dass ihm nichts anderes übrig blieb. Noch einige Male atmete er tief ein, und bereitete sich innerlich darauf vor, Jan die Wahrheit zu sagen.
 

"Jan, es... ich...scheiße, wie soll ich dir das erklären..."
 

Wieder ein Seufzer.
 

"Was ich da vorhin gesagt hab... stimmt nicht ganz..."
 

Farin fühlte, wie ihm leicht schlecht wurde.
 

"Dass ich dich trotz deiner... Gefühle für mich... weiterhin so behandeln kann wie früher..."
 

Der Kloß in Farins Hals drohte seine Luftröhre zu zerfetzen.
 

"...wird wohl... nicht gehen..."
 

Farin hielt sich sicherheitshalber am Waschbecken fest, um zu verhindern, dass er stürzte, sollten seine Knie tatsächlich nachgeben. Er fühlte sich elend, so hundeelend. Mehr wollte er nicht hören, er wusste genug. Seine Emotionen fuhren Achterbahn mit ihm, trugen ihn hinauf und hinab, immer und immer wieder, bestimmten die Richtung und die Geschwindigkeit und gaben einen Scheiß darauf, wie er sich dabei fühlte. Er war traurig, aufgebracht, enttäuscht, niedergeschlagen, wütend, könnte gleichzeitig schreien und heulen. Doch er versuchte die Maske aufrechtzuerhalten, er wollte nicht, dass Bela ihn so sah. Am liebsten hätte er ihn gepackt und auf ihn eingeschlagen, so lang, bis er nicht mehr konnte. Er wusste zwar, dass er sich besser zusammenreißen sollte, aber langsam und stetig gewann der Zorn die Oberhand. Er fühlte sich nicht ernst genommen, verarscht, wie ein Spielball. Zuerst so, dann so. Ja, gottverdammt noch mal, Bela war wie der Wind!!!
 

"Ich könnte dich jetzt fragen, warum du mir das nicht vorher schon erzählt hast. Aber ich glaub das spar ich mir, wer weiß ob du mir diesmal nicht schon wieder was vom Pferd erzählst", knurrte Farin hörbar sauer, vermied es aber Bela anzusehen. Dieser Arsch. Glaubt wohl, er kann mit mir machen was er will!
 

"Jetzt hör mir doch mal zu!" protestierte Bela und lief eine Schritt auf Farin zu, und jener schnellte zu ihm herum wie ein Tier, plötzlich und aggressiv. Bela erschrak, als er bemerkte, wie Farins Augen regelrechte Funken sprühten. Oh Fuck, warum war der Kerl nur immer so unberechenbar?!
 

"ICH soll DIR zuhören?!! Nenn mir auch nur EINEN vernünftigen Grund, warum ich weiterhin zulassen sollte, dass du weiterhin auf meinen Gefühlen rumtrampelst!!" schrie Farin, völlig in Rage.
 

Jetzt war es an Bela, sauer zu werden . Er konnte viel nicht leiden, aber ganz oben auf der Hitliste stand bei ihm "unberechtigterweise von Farin Urlaub angeschrien werden".
 

"Verdammt noch mal, jetzt halt doch endlich mal den Mund!!" schrie Bela noch lauter zurück. Außer Atem standen sie da, keuchten, und Bela hatte sich Zeit verschaffen können, da Farin über seinen plötzlichen Wutausbruch so verwundert war, dass er Bela einige schweigsame Sekunden verblüfft ansah.
 

"Ich hab dich nicht angelogen, Jan! Ich will wirklich weiter mit dir befreundet sein! Nur... ich habe es nicht übers Herz gebracht, dir zu sagen, dass... ach, so´ ne Scheiße..."
 

Bela wurde wieder leise, aber wieder fehlten ihm die Worte, und er wandte sich von Farin ab, ging ein paar Schritte von ihm weg, drehte sich wieder leicht zu ihm hin und durchforstete seinen Wortschatz nach Worten, die genau das wiedergeben würden, was er empfand.
 

Farin fühlte sich ziemlich auf die Folter gespannt, und sowas hasste er. Seine Neugier war nicht stärker ausgeprägt als bei anderen Menschen, doch er kam nicht damit zurecht, wenn etwas in der Schwebe stand.
 

"Ich möchte endlich Gewissheit, nicht immer nur dieses furchtbare Vielleicht". Er schaffte es immer wieder, in passenden Momenten an seine Songs zu denken.
 

Bela sah ihn wieder an. Diesmal lag der Ausdruck der Trauer und des Schuldbewusstseins deutlich in seinen Augen. Farin musste unweigerlich schlucken. Er spürte, dass dieser Ausdruck Belas nichts Gutes verhieß. Und er spürte, dass er das, was Bela in wenigen Lidschlägen sagen würde, überhaupt nicht hören wollen würde.
 

Doch wiedermal schlug das Leben unbarmherzig zu, wie eine Naturkatastrophe, die unkontrollierbar wütete und keine Rücksicht auf diejenigen nahm, die sie traf. Sie würde Zerstörung und Leid hinterlassen, das Leben ihrer Opfer zerstören und dann auf Nimmerwiedersehen einfach verschwinden. Farin konnte sich innerlich zumindest darauf vorbereiten, da er sie herannahen sehen konnte. Die Katastrophe, die den Namen Bela trug.
 

"Jan."
 

Farin bemerkte, wie Tränen in ihm hochstiegen. Wie Bela seinen Namen aussprach, so traurig, so wehmütig, so endgültig. Wie ein Abschied für immer. Der Blick in seinen Augen noch trauriger als zuvor. Farin wünschte sich, das alles sei nur ein Traum, aus dem er endlich erwachen würde.
 

Wenn dies der Traum sein sollte, der es ihm bestimmt war zu leben, wollte er lieber nie wieder träumen.
 

"Es geht nicht. Ich kann das nicht. Ich kann nicht so tun, als sei alles wie gehabt. Ich hab´s vorhin gemerkt. Und ich will es auch nicht. Das ist dir gegenüber beschissen und außerdem... ich will meinen Freund zurück, verstehst du? Meinen Freund, mit dem ich stets über alles reden konnte, der immer zur Stelle war, wenn ich etwas brauchte. Du bist nicht mehr dieser Freund. Du bist jemand anderes geworden... jemand, den ich nicht kenne und der mich nicht so akzeptieren kann, wie ich bin. Weil ich anders denke, anders empfinde. Ich fürchte, wir müssen uns eingestehen, dass es nicht mehr passt. Und so sehr mich dies auch schmerzt, und so sehr ich mir auch wünsche, dass wir es vermeiden können... aber es ist wohl besser, wenn wir nur noch rein professionell miteinander verkehren. Zumindest so lange bis das Album fertig ist. Und danach... Verstehst du denn nicht, ich kann das nicht! Ich kann das einfach nicht! Mit dir zusammen sein, versuchen den Schein zu wahren, und dir jeden einzelnen verfluchten Tag aufs Neue das Herz brechen, weil ich deine Gefühle nicht teile..."
 

Während Farin damit beschäftigt war, keinen Nervenzusammenbruch zu kriegen, Belas Worte zu verarbeiten, weiter zu atmen, obwohl am liebsten sofort damit aufhören würde, das Zittern seines Leibes so gering wie möglich zu halten, Bela in die Augen zu sehen, ohne zu weinen, bemerkte er, wie der Unterkiefer des Ältere heftig zitterte, seine Lippen bebten, und noch bevor er realisieren konnte, was geschah, stürzte Bela ihm entgegen und fiel in seine Arme, hielt ihn so fest an sich gedrückt wie er nur konnte. Farin wusste nicht, ob er die Umarmung erwidern sollte, denn eigentlich wollte er es nicht. Nicht nach dem, was Bela gesagt hatte. Sein Leben stürzte in sich zusammen wie ein Kartenhaus, und derjenige, der es umgeworfen hatte, lag nun in seinen Armen. Irgendwie war im zum Lachen zumute, obwohl es der Situation alles andere als angemessen war. Bela hatte sich an ihn geklammert und schluchzte, nicht wegen irgendeiner Frau, sondern wegen ihm. Er schluchzte, weil er ihn verloren hatte.
 

Farin wusste insgeheim schon immer, dass die Evolution die Liebe nur deshalb in den Menschen entfachte, um sich einen Spaß daraus zu machen, um mit ihrer am weitesten entwickelten Schöpfung zu spielen und sich zu amüsieren, wenn die Menschen versuchten, sie zu begreifen oder sie gar zu beeinflussen oder zu kontrollieren. Um eine Art vor dem Aussterben zu bewahren, bedarf es keiner "Liebe". Liebe ist nur eine Illusion, eine Fata Morgana in der Wüste der Einsamkeit. Scheiß auf die Liebe.
 

Schweren Herzens legte er seine Hände auf Belas Schultern und löste ihn von sich. Der irritierte Schlagzeuger sah Farin an, doch dessen Miene blieb kalt.

Stattdessen begann Farin zu singen.
 

"Ich wünsch mir, dass ich dich vergessen kann,

Ich würd dich gerne einfach ignorieren,

Ich bin mir sicher, irgendwann wird das auch einfach über Nacht passieren

Bis dahin wird einige Zeit vergehen,

Bis dahin muss ich noch geduldig warten,

Ich werd versuchen dich nicht anzusehen, weil meine Blicke mich verraten.
 

Den Rest kennst du ja."
 

Atemlos stand Bela da und sah Farin in die Augen. Farin musste lächeln, als er feststellte, wie unglaublich gut das für Bela geschriebene Lied zu der Situation passte. Muss wohl in weiser Voraussicht passiert sein. Er wandte sich um und steuerte auf die Tür zu.
 

Hinter sich hörte er Bela nach Luft schnappen.
 

Wahrscheinlich will er mir sagen, dass ich nicht gehen soll. Wahrscheinlich will er mir sagen, dass es ihm unendlich leid tut. Dass er mich nicht als Freund verlieren will. Dann würde ich gekünstelt lachen und sagen, tja Felse, wärste mal als Frau zur Welt gekommen... Vielleicht würde ich ihn aber auch erwürgen. Keine Ahnung. Besser, wenn er die Klappe hält.
 

Bela schwieg.
 

Farin öffnete die Tür und verließ die Toilette. Sein Kopf war leer, frei von Gedanken. Er war dabei, alles zu verlieren, was er jemals im Leben besaß. Sein Herz war bereits fort.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2010-01-26T17:55:58+00:00 26.01.2010 18:55
och menno, ich will/möchte/erhoffe auch ein happy end!!! bitte, bitte =)
wäre voll toll, wenns wieder nicht sooo lange dauern würde =)
bin auf jeden fall auch schon sehr gespannt, wies weiter gehen wird!
lg
Von: abgemeldet
2010-01-26T15:51:25+00:00 26.01.2010 16:51
*heul*
Wie kannst du mir das antun, erst meine wünsche aka erpressung erfüllen und dann sowas!! Das ist so traurig...
Wie kann bela nur, so war das alles nicht geplant!!! >.<
*schluchz*
Der arme fu *ihn in arm nehmen tu*
Ich dachte ja echt 12 seiten lang, seine intuition täuscht ihn und dann das!! >.<
OH mein rod...
geschrieben ist es wunderbar -du bringst mich zum Heulen!! Aber muss die geschichte denn SO ihren lauf nehmen? Gibts kein happy ending?

Ich erpresse wieder!
Schreib schnell weiter, ich will wissen, ob die beiden sich doch ncoh vertragen oder so^^
Ich warte gespannt auf die fortsetzung^^
Von: abgemeldet
2010-01-25T11:23:38+00:00 25.01.2010 12:23
oh nein..... das darf doch nicht... das kann nicht...
es ist so furchtbar traurig!!!!!
bitte sag mir, dass deise geschichte irgendwann ein happy end haben wird!!
:( wie furchtbar...
aber wie immer ganz wundervoll geschrieben<3
ich geh jetzt mal ne runde the cure hören und weinen. wie ungerecht die liebe doch sein kann...
hoffentlich wird alles wieder gut!

liebste grüße


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