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Elementaris

die Geschichte der Elemente
von

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Das Leuchten der Nachtfalter

Das Leuchten der Nachtfalter
 

Bei ihrem zweiten Versuch schaffte sie es. Langsam, jedoch mit einem pochenden Herzen drückte sie die Tür auf. Erst einen Spalt, dann nach und nach immer weiter. Je größer die Öffnung wurde, desto mehr Licht strömte wie entfesselt in die Freiheit und in ihr Gesicht.

Dann war da dieser Raum. Ein weißer, leerer Raum, wohl eher ein Gang. Er glühte regelrecht.

Die Wände, sowie die Decke und auch der Boden bestanden scheinbar nur aus weißem Licht, zu ihren Seiten exsestierte nicht eine einzige Tür.

Am Ende des Ganges jedoch konnte sie etwas Graues, Rostiges vernehmen… vielleicht eine Treppe?

Wie aber konnte sie wissen, welcher Sinn hinter alle dem steckte?

Und woher kam nur dieses Leuchten?

Achtsam setzte sie einen Fuß vor den anderen. Wie ein Fisch vom Fischernetz, wurde sie vom Licht regelrecht gefangen und tauchte darin ein.

Ein leises brummendes Geräusch erfüllte den Raum. Sie zuckte zusammen. Nervös schaute sie sich um. Nichts weiter. Nur dieser Ton.

Sie ging weiter. Bei jedem Schritt auf den Boden ertönte ein heller, kristallklarer Klang, welcher durch den Raum hallte. Und sie war Barfuß.

Der Schnee, der noch an ihr hing, tropfte in Form von Wasser auf den Boden.

Das Licht stach ihr in die Augen und sie kniff sie zusammen.

Überall Licht.
 

Sie erreichte das Ende des Ganges. Ihre Vermutung wurde bestätigt, denn es war in der Tat eine Treppe, die sich gewunden weiter nach oben bahnte. Sie betrachtete die Treppe etwas misstrauisch, doch dann legte sie langsam ihre Hand auf das Geländer. Sie strich darüber. Dann bröckelte etwas von diesem Rost. Sie stach sich an einer Stelle in den Finger. Blut tropfte.

Sie stöhnte leise auf, denn konnte sie sich daran erinnern, wie sich Schmerzen anfühlten?

Konnte sie wissen, was Blut ist, oder die Farbe Rot?

Nein, dass konnte sie nicht.

Doch sie weinte nicht. Stattdessen setzte sie ihren linken Fuß auf die erste Stufe, erst mit wenig Druck, dann kam sie nach und nach mit ihrem ganzen Körpergewicht. Triumphiert über diese erste Leistung machte sie sich an die zweite Stufe und an die dritte und dann immer weiter nach oben, immer weiter… aber wohin…?
 

In einen schwummerigen kleinen Raum. Eine nur noch schwach leuchtende Glühbirne flackerte über alten Holzkisten, verstaubten Karten und einem braunen Holzschreibtisch mit einem Stuhl. Staubweben breiteten sich in so manchen Ecken des Raumes aus, welche vom Licht abwechselnd aufleuchteten und dann erneut wieder abschwächten.

Hätte sie nichts vergessen, wäre sie noch bei Verstand… ja, dann hätte sie ahnen können, dass dies der Raum eines Wissenschaftlers sein könnte, eines Astrologen vielleicht, eines Sternforschers.

Etwas Neues strömte in ihr Gedächtnis, ein neues Erlebnis, ein neuer Eindruck. Es gab da noch mehr, als weiß und rot, es gab Farben, es exsestierte mehr, als Leere und Hoffnung.

Dennoch, die Leere war noch da, viel Platz war noch in ihrem Gedächtnis, zu viel Platz. Und der musste ausgefüllt werden.

Fasziniert schaute sie sich im Raum um.

Plonk! Ein Geräusch. Sie hatte es selbst verursacht, sie war gegen etwas gestoßen, mit ihrem Fuß. Sie schaute darauf. Ein unförmiges Etwas mit leuchtenden Knöpfen und verzwirbelten Drähten lag vor ihr auf dem Boden. Es blinkte und spiegelte sich in ihren Augen, es war so wundersam…

Sie streckte auch hier ihre Hand danach aus. Bevor sie es jedoch berührte, hielt sie zuerst ihre Hände davor, wie eine Wahrsagerin an ihre Kugel.

Schlag! Sie wurde zurückgestoßen. Ein heftiger Schmerz strömte durch ihren Körper. Sie krümmte sich und stöhnte auf. Was war das, wer hatte das getan?

Das Gerät dampfte und der Schmerz schwächte nur langsam ab. Mit geweiteten Augen betrachtete sie es. Sie hatte nicht vor, es noch einmal zu berühren, so groß war ihr Interesse dann doch nicht, aber ihr Verstand.
 

Die Glühbirne begann auf einmal zu zirpen und flackerte stärker denn je.

Klack. Das Licht war aus. Völlige Dunkelheit, bis auf das Sternenleuchten von draußen. Sie konnte sich nicht rühren vor Schreck, sie hatte keine Ahnung, was sie machen sollte, wie sie jetzt den Weg wieder zurück finden sollte.

Plötzlich konnte man Schritte vernehmen, Schritte, welche von der Treppe kamen, es war ein metallenes Geräusch, wie auch sie es ähnlich mit ihren nackten Füßen verursacht hatte. Ein dumpfes Fluchen war zu hören, es kam von einer männlichen Person.

Wie konnte sie wissen, was ein Mann war und was eine Frau?

Wie konnte sie wissen, was noch alles auf sie zu kommen würde?
 

Jetzt war die Stimme direkt hinter ihr, nicht mehr dumpf, sonder hell, klar und deutlich.

„…dieses verdammte Ding! Hätte ich nur 1836 mich nicht von dem alten Scheißkerl überreden lassen! Umweltfreundliche Energie, pah! Als ob damals sonst wer darauf geachtete hätte…“

Der Unbekannte ging nur knapp neben ihr vorbei, sie hielt die Luft an. Ihr Herz pochte erneut bis zum Hals, sie verspürte jetzt wirkliche Angst.

„…Na dann, will ich’s mal anpacken!“, fuhr er fort und ein raschelndes Geräusch erfüllte die Dunkelheit. Dann ein Schieben. Vermutlich eine Leiter, sie konnte es aber nicht wissen, woher auch?

Er stieg scheinbar auf die Leiter und drehte die alte aus dem Gewinde, welches einen quietschenden Ton hervorbrachte.

Da sich ihre Augen bereits ein bisschen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie eine feine Silhouette der Person ausmachen, zumal er direkt im Vordergrund des Fensters stand und Sterne ihn umgaben. Der Unbekannte war enorm klein, zu klein für einen normalen Menschen.

Was sollte sie tun?

Sich verstecken?

Wohin?

Die neue Birne hatte er schon zur Hand. Sie wurde nervös. Und dann: Licht!

Wie erstarrt hockte sie am Boden, sie wusste nicht, was sie tun sollte. Da war auch der Unbekannte. Es musste sich um einen Zwerg handeln. Aber was für einer: Elegant gekleidet, wie ein Zauberer, mit Sternenumhang und einem Hut, auf dessen Spitze ein Halbmond schwebte.

Auch der Zwerg war völlig aus der Fassung. Das war der Moment. Der Schreck, der beiden ins Gesicht geschrieben war.

Beide Augen schauten sie sich verblüfft an.

Dann eine Stille.

„Ähm… hallo!“, hauchte das Mädchen nach einer Weile leise, ohne sich darüber bewusst zu werden.

Der Zwerg kam die Leiter hinab gestiegen.

„Beim allmächtigen Wassermann!“, sagte dieser. „Das ist doch nicht etwa...“

Sie zitterte immer mehr; er kam langsam näher auf sie zu. Dann blieb er stehen.

„Ich habe ja schon viel in meiner Zeit hier erlebt, Sonnenwinde, Polarlichter, ja sogar eine Supernova habe ich gesehen, aber so etwas!“, fuhr der Zwerg fort. Sein Gesicht war halb im Schatten und halb im Licht der neu ausgewechselten Glühbirne.

Sie schaute ängstlich mit großen Augen zu ihrem Gegenüber. Was war das für ein Wesen?

Der Zwerg schaute sie auf einmal mitleidig an.

„Woher kommst du?“, fragte er sie.

„Ich…ich…weiß nicht“, stotterte sie und musste erneute Tränen unterdrücken. Unwissenheit war es, was sie wieder verzweifelte, was sie bedrückte.

„Du weißt es nicht?“, fragte er erstaunt und bekam noch mehr Mitleid. „Aber wo warst du denn, bevor du hier warst?“

Ihre feuchten Augen bündelten sich auf den Zwerg und sie stockte.

Wo war ihr altes Zuhause?

Woher kam sie wirklich?

„Ich war im Schnee“, sagte sie mit zitternder Stimme.

„Im Schnee? Nun ja, offenbar musst du im Schnee gewesen sein, wie sonst solltest du hierher gekommen sein?“

Der Zwerg bemerkte ihre leichte Bekleidung.

„Oh, du musst ja völlig unterkühlt sein!“, bemerkte er überrascht, ehe er in eine Ecke des Raumes schritt und aus einer alten Truhe einen Wolldeckenartige Oberbekleidung hervorzog.

„Hier, nimm dass!“, sagte er und er reichte ihr eine Decke. Sie fühlte daran. Leicht kratzig und doch flauschig und warm. Sie war positiv.

Woher sollte sie auch wissen, was Wolle ist, zumal ihre ersten Eindrücke doch so kalt und schmerzhaft waren?

„Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt!“, bemerkte der Zwerg. „Mein Name ist Pumilio Astro. Hast du auch einen Namen?“

Für einen gewöhnlichen Menschen käme diese Frage etwas merkwürdig gestellt vor, zumal ein Name selbstverständlich ist. Sie aber blickte ihm wieder voller Hoffnung in die Augen, ein Zeichen ihrer Unwissenheit, ihr verloren gegangenes Ich.

Der Zwerg nickte verständnisvoll.

„So ist das also“, sagte er und schaute aus dem Fenster zu den Sternen.

„Das tut mir sehr Leid für dich. Wirklich.“

Dann entstand eine Stille. Keiner von Beiden sprach ein weiteres Wort. Doch dann schaute Pumilio in Richtung eines Regals und hatte scheinbar eine Idee.

„Ich denke ich hätte da etwas, was dich aufmuntern wird!“, erklärte er begeistert und ging auf diesen zu. „Nichts hilft besser, es ist das Einzigwahre und das Hilfreichste, was einem passieren kann.“

Er zog aus dem Regal, in welchem unter anderem auch Bücher, Sternkarten und sonstige Papiere verstaut waren, eine kleine Pfeife hervor. Er betrachtete sie kurz mit leuchtenden Augen wie die, ein kleines Kindes. Dann holte er Luft und blies hinein.

Stille.

Da war plötzlich dieses Knistern. Dann das flatternde Geräusch.

„Meine Freunde…“ sagte er, „…du wirst sie mögen!“

Das Wort verklang und mit einem Mal flatternden scheinbar hunderte, nein tausende von leuchtenden Nachtfaltern aus allen Ecken des Raumes. Ein Feuerwerk des Lichts, ein Wunder der Vollkommenheit.

Das Mädchen stand vor Begeisterung auf.

Alle vorherigen leeren und hoffnungslosen Gefühle des Mädchens schienen wie weggeblasen. Der Glanz des Glückes spiegelte sich in ihren Augen, die Falter flatterten um sie, sie schienen sie schweben zu lassen. Wie in Zeitlupe sah sie jeden Lichtpunkt, jeden Flügelschlag eines Nachtfalters als neues Erlebnis, als neues Wunder. Sie konnte nach ihnen greifen, sie konnte sie fühlen, wie das Glück in ihre Zarte, samtige Haut eindrang und ihr neue Hoffnung gab. Das war der Moment, das Neue, das Einzigartige. Sie konnte von nun an die Welt fühlen, sie konnte spüren, dass sie ein Teil von alledem war, ein Mitglied der großen Gemeinschaft.

Ihr kam es vor, als ob die Zeit stehen bleiben würde. Eine kleine Ewigkeit stand sie da und griff nach ihnen, als wollte sie das lebendige Glück einfangen.

Dann, nach und nach, verschwanden die Falter wieder in ihren Verstecken. Der Glanz in ihren Augen verblasste und sie schloss die Augen, um den Moment zu behalten.
 

Feuer brennt.

Wasser floss.

Erde lebt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2008-07-20T16:43:47+00:00 20.07.2008 18:43
Der Zwerg scheint ja echt nett zu sein... hoffentlich kann er ihr irgendwie helfen...
ich will auch Nachtfalter als haustiere haben!


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