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Dragonhack

Zeig mir die Wahrheit
von

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15. Tokio

Am nächsten Morgen stand ich gequält auf. Das nächste Treffen – und somit die Planung der Vorgehensweise in nächster Zeit – stand erst für heute Abend an. Gezwungenermaßen machte ich mich also auf den Weg zur Schule. Da ich aber alles andere als Lust hatte mit dem Bus zu fahren ging ich lieber zu Fuß. Ich hasste Linienbusse. Aus jeder Ecke roch es nach einem anderen Deo, Parfum oder Rasierwasser... da wurde einem schon am frühen Morgen schlecht davon. Und dann immer diese Kleinkinder mit ihren Pokémon Karten... Dieses wilde Geschrei fand ich einfach nur nervtötend. Ausserdem starrten sie mich jedesmal an im Bus als wäre ich ein Attentäter. Nun ja... ich gebe zu das mir dieser Aspekt doch sehr gefiel. Ich war stolz anders zu sein. Alle die was gegen mich hatten konnten mich mal kreuzweise. Sollten sie ihr Spießerleben doch so führen wie sie wollten. Die gingen mir alle herzlich am Arsch vorbei. Für solche Leute hatte ich stets nur ein höhnisches Lächeln übrig.
 

Als ich durchs Stadtzentrum ging viel mir auf das die LED Bildschirme gar nicht liefen. Normalerweise flimmerte rund um die Uhr Werbung auf ihnen... Sehr seltsam. Auch einige Straßenbahnen standen still... Hatte es etwa wieder eine Erdbeben-Warnung gegeben? Das würde wenigstens die Sache mit der Straßenbahn erklären... Über mein Handy rief ich die aktuellen Unwetter- und Umweltwarnungen auf, doch dort war nichts von einem Erdbeben vermerkt. Ein wenig grübelnd ging ich einfach weiter. War wohl ein kleiner Fehler im Stromnetz... Konnte ja mal vorkommen.
 

Auf halber Strecke entschied ich mich einen kleinen Umweg zu machen... Also kämpfte ich mich durch all die schwarz gekleideten Anzugträger mit ihren heißen „Coffee to go“ Bechern. Mein Gott. Die Straßen waren brechend voll von solchen Menschen. Konsumgesteuerte Marionetten. Ihnen ging es doch nur noch um Erfolg, man sah doch längst die Dollar-Zeichen in ihren Augen glänzen. Tja, so war Tokio. Industriestadt. Ja, Industriestadt voller Computergenies. Eigentlich sollte ich mich hier wohl fühlen sollte man meinen... Aber ich fand es grässlich hier. Es hatte einen ganz bestimmten Grund... den ich allein für mich behielt.
 

Endlich war ich da. Der Umweg hatte sich gelohnt. Vor mir thronten hunderte Jahre alte Marmorstufen. Er erhob sich wie ein glorreicher Sieger zwischen den grauen Bauten der Großstadt... Ein Fleckchen grüne Erde, heile Welt... Das bedeutete mir der kleine Tempel auf dem Hügel. Schon als ich die ersten paar Stufen hochstieg durchfloss mich ein Gefühl von tiefer Ruhe. Und dann stand er vor mir, genauso wie er schon vor hunderten Jahren dort stand... Dieser wunderschöne, blutrote Buddhistentempel. Wieder etwas das man mir, rein äusserlich, nicht zutrauen würde. Ich liebte solche Tempel und Schreine. Schnell überkam mich die Erinnerung an Shanghai... Ich war oft bei Meister Ling gewesen... Er war mir wie ein Großvater... Ich war lieber bei ihm (er war Hohepriester) im Tempel als Zuhause bei meinem Vater, schon damals. Ich liebte es am kleinen Bach zu spielen der neben dem Tempelgebäude floss... Auch Ruka und Kijin kamen oft vorbei, sie durften natürlich nicht fehlen. Bald bekam ich dann meine eigene, kleine Priestertracht. Ich vertiefte mich mit Leib und Seele in die alten Legenden die von Monstern und Göttern berichteten. Für mich waren sie damals bei weitem interessanter als irgendein Videospiel. Am Neujahrsfest durfte ich dem Meister sogar beim Feuerwerk helfen, was für mich damals mehr als eine Ehre war. Als über mir die Funken in allen Farben glänzten wusste ich das ich hier nie wieder weg wollte. Doch da hatte ich die Rechnung ohne meinen Vater gemacht...
 

Ein paar Monate später waren wir auf Hokkaido angekommen. Ich hasste ihn so dafür. Er hatte mir wieder einmal alles genommen. Mein Gott, wie hasste ich ihn. Mit aller Kraft klammerte ich mich an das was mir blieb... Meine kleine Priesterkutte und der Kontakt zu meinen Freunden. Aus Frust lernte ich die japanische Teezeremonie. Für mich hatte sie auch etwas meditatives... fast wie die Arbeit im Tempel. Genau aus diesem Grunde vertiefte ich mich auch die Kunst des No-Schauspiels. Aber nichts konnte mir das Gefühl dieser inneren Ruhe zurückgeben.
 

Als ich 14 war zogen wir wieder zurück nach Shanghai. Ich fand den Tempel verlassen und verkommen vor. Mein Meister war tot. Nach ihm hatte sich niemand um die heiligen Hallen gekümmert. Der Bach war versiegt. Kein flackerndes Feuerwerk glühte mehr an Neujahr. An diesem Tag änderte sich alles. Ich lies mich tätowieren und machte eine neue Person aus mir. Aber ich habe nie vergessen... „Ich habe nie vergessen, Meister...“, hauchte ich als ich an den vielen qualmenden Räucherstäbchen vorbeiging.
 

Vor mir taten sich vier steinerne Statuen auf. Ich kannte sie sehr wohl... Es waren die vier Götter aus meiner liebsten Legende. Jeder von ihnen bewachte eine Himmelrichtung: Suzaku, der Phönix, den Süden. Byakko, der weiße Tiger, den Westen. Genbu, die Schildkröte den Norden und zu guter letzt: Seiryo, der blaue Drache, den Osten. Andächtig schritt ich in die Mitte ihres Kreises. Lächelnd musterte ich jede einzelne Statue. Irgendwie fühlte ich mich jedes mal wieder wie ein Kind wenn ich dies tat... Ich ging hinüber zu der Tigerstatue und streichte ihr vorsichtig über die Nase... Der Stein war bereits am Bröckeln... aber das tat der Schönheit und Ästhetik der Figur bei weitem keinen Abbruch. Der Wind rauschte durch die Bäume als der alte Hohepriester des Tempels auf mich zukam:
 

„Sieh einer an! Schön dich wieder einmal zu sehen, Junge!“, meinte der Alte und zupfte an seinem langen, weißen Bart. „Es gibt nicht viele Menschen in deinem Alter die hier herkommen... ich bin froh dich hier zu sehen, Junge!“ Als er lächelte kniff er die Augen zu... genau wie mein Meister es damals auch tat. „Ich bin gern hier... Es ist so schön ruhig... Aber leider muss ich nun gehen“, erwiderte ich freundlich. „Natürlich Junge. Ich wollte dich nicht aufhalten!“, meinte der Hohepriester verständnisvoll. „Ich wollte dir nur etwas sagen: Am Samstag in drei Wochen feiern wir hier das letzte Sommerfest des Jahres. Es wäre schon wenn du kommen würdest!“, lächelte der gutmütige Alte. Auch wenn es schwer fällt es zuzugeben: Ich war ein bischen gerührt. „Ich werde sehen was sich machen lässt, ehrwürdiger Priester!“, sagte ich noch bevor ich ging. Als ich die Stufen hinabstieg fühlte ich noch den Blick des Alten auf meinem Rücken. Es musste schwer für ihn sein... Er musste mit zu sehen wie sein Glauben langsam aus der Stadt verschwindet. Die Jugend interessierte sich längst für andere Dinge... Überhaupt kamen die Städter nur dann zum beten in den Tempel wenn sie ein Anliegen hatten... So beteten sie um Glück bei einer Prüfung, um Reichtum und anderes Oberflächliches. Es war unvorstellbar für mich wie sich der nette, alte Priester fühlen musste wenn er die Gebete hörte... Denn aus ihnen war kein Funken Glauben zu hören. Armer Priester. Armer alter Mann.
 

Als ich den Schulhof betrat wartete ich extra ein wenig im Pausenhof auf Kato´s morgendlichen „Anschiss“ wenn man das so nennen darf. Wie jeden anderen Morgen sollte er mich ermahnen meine Schuluniform zu tragen. Und wie jeden Morgen würde ich ihn zur Schnecke machen und mir danach ins Fäustchen lachen. Voller Vorfreude starrte ich auf die Eingangstür der Schule. Doch Kato kam und kam nicht. „Seltsam...“, murmelte ich. Ich wollte schon hineingehen als mir einer von seinen Handlangern entgegen kam. Doch nicht einmal dieser machte Anstalten mich zu ermahnen! Als er an mir vorbeilief packte ich ihn am Arm. „Hey! Du bleibst gefälligst hier!“, fauchte ich. „Was willst du?!“, stammelte der hagere Typ erbärmlich. „Sag mir wo Kato ist!“, fuhr ich ihn an. Vielleicht hätte ich nicht fragen sollen. Aber es war zu spät... Denn seine Antwort kam sofort: „Kato liegt im Koma! Dieses Spiel... „Dragoon“ hat das getan!“



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