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Heilloser Romantiker

von

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Kapitel 58

Kapitel 58
 

„Das war köstlich“, kommentierte Rick, als er sich gesättigt zurück an seinen Freund lehnte.
 

Joe ließ immer mal wieder eine Hand über seinen Oberkörper streifen und drückte ihn dabei an sich. „Ich habe zu viel gegessen“, stöhnte er dann.
 

„Kein Wunder, wenn man sich die wenigen Überbleibsel betrachtet. Bedenke, dass das Tablett zum Gebrechen voll gewesen war.“
 

„War“, wiederholte der Blonde und atmete laut aus, wobei sein Atem Ricks Ohr streifte.
 

„Dann wäre es wohl besser, wenn ich nicht gerade auf deinem Bauch liege.“
 

Gerade als sich der Kleinere ein Stück zur Seite rollen wollte, hielt ihn der andere noch stärker fest.

„Du bleibst aus zwei Gründen genau da, wo du bist. Zum einen kommt es gar nicht in Frage, dass du dich auch nur einen Zentimeter von mir wegbewegst, zum anderen…“
 

Als Joe keine Anstalten machte den Satz zu beenden und stattdessen die Luft anzuhalten schien, wandte Rick seinen Kopf um und sah ihn aus dem Augenwinkel heraus an.

„Zum anderen?“
 

„Sage ich dir später.“
 

Die vielsagende Tonlage ließ Rick erst recht aufhorchen. Obgleich er sich gänzlich umdrehen wollte, ließ es sein Freund nicht zu und hielt ihn vehement durch die Kraftausübung seiner Arme davon ab. Seufzend ergab er sich und begann damit, mit einem Finger einen von Joes Armen auf- und abzufahren.

„Du willst mich schonen, aber das brauchst du nicht“, meinte er leise.
 

Für einen Moment schloss Joe die Augen. „Und was war vorhin in der Küche?“
 

„…“
 

„Tut mir leid, du hast ja Recht; aber du darfst dir gleich bitte keine Vorwürfe machen, verstanden?“ Er legte seinen Kopf auf Ricks Schulter. „Denn die mache ich mir schon zu genüge“, fügte er kaum hörbar an.
 

„Was ist passiert?“ Alarmiert versteifte sich Ricks Körper.
 

„Von Beginn an haben mir meine Eltern geholfen dich ausfindig zu machen und wir sind wirklich gut gewesen, bis…

Steven liegt im Krankenhaus.“
 

Nun wollte Rick sich aber ernsthaft umdrehen oder sich zumindest aufrichten, aber er wurde weiterhin strikt festgehalten.
 

„Entspanne dich, er ist auf dem Weg der Genesung. War nur eine Platzwunde und er hat seitdem sogar schon wieder gelächelt.“

Joe wusste, dass er Stevens Zustand mächtig herunterspielte und insbesondere beschönigte, aber er wollte seinen Freund nicht unnötig beunruhigen. Es reichte doch schon, dass er sich selbst immerzu die Schuld gab und diesbezüglich eigentlich keine ruhige Minute hatte. Die ganze Zeit war er im Unterbewusstsein bei seinem Stiefvater und obgleich er Rick etwas anderes vermitteln wollte, zehrte das ungemein an seiner Substanz.
 

„Lass’ mich doch bitte mal kurz los.“
 

Zwar wollte das der andere immer noch nicht tun, aber er lockerte dennoch seinen Griff. Sogleich setzte sich Rick auf und suchte anschließend seinen Blick auf.

„Du weißt, dass wir uns schon lange kennen?“

Eindringlich sah er ihn an.
 

Joe seufzte und bat ihn stumm, wieder etwas näher zu kommen. Alsbald legte er seine Lippen auf Ricks und hauchte ein ’Ich weiß’ auf sie. Ein zärtlicher Kuss besiegelte sein Geständnis.
 

„Nur möchte ich nicht, dass du dir den Unfall allzu sehr zu Herzen nimmst.“
 

„So wie du?“, erwiderte Rick und seine Mimik wurde sehr ernst.
 

Zunächst war Joe perplex, doch dann zuckte er mit den Schultern. „Ich hätte nicht einfach vor das Fenster laufen dürfen.“
 

Ein wenig verständnislos sah der Dunkelhaarige ihn an, doch der andere zog ihn wieder gänzlich zu sich, was er sich widerstandslos gefallen ließ, und begann dann, nach und nach zu erzählen, wie es zu Stevens Krankenhausaufenthalt gekommen war. Angefangen beim unvollständigen Kennzeichen, das er durch Sarah bekommen hatte, über vier Rätsel hinweg, in Vollendung, dass er seine neu entdeckte philosophische Ader erläuterte.
 

„Ich glaube, das habe ich von dir gelernt“, fügte er letztlich trotz seiner nun leicht depressiven Stimmung grinsend an.
 

Eine ganze Weile lang sagte der Kleinere nichts, spielte stattdessen abwesend mit den Fingern von Joes rechter Hand.
 

„Und ich dachte, hier draußen wäre die Welt nicht so grausam…“
 

„Uns geht es doch gut und Steven erholt sich auch wieder.“

Es war an Joe, etwas Positives von sich zu geben, doch er merkte selbst, dass er wenig überzeugend klang.
 

„Und gerade nanntest du das noch Unfall. Dabei handelt es sich um versuchten Mord, das ist dir schon klar?“
 

Heftigst schluckte Joe, würgte den Kloß hinunter, der sich mit einem Mal in seiner Kehle breit gemacht hatte. Natürlich war er sich darüber im Klaren; umsonst hatte er nicht ein derart schlechtes Gewissen und machte sich andauernd Vorwürfe.
 

„Joe?“ Besorgt drückte Rick einen Kuss auf Joes Arm.
 

„Irgendwie sind wir heute beide ganz schön unsensibel“, meinte er seufzend.
 

/Immerzu werde ich daran erinnert, dass ich Stevens Verletzung zu verantworten habe, ob durch mein eigenes Denken veranlasst oder nun durch dich. Ich brauche nur einmal kurz meine Lockerheit abzulegen und schon verfange ich mich in einem Wust aus ungestümen Anschuldigungen mir selbst gegenüber.

Wenngleich ich dachte, du bräuchtest meine ungeteilte Aufmerksamkeit und insbesondere mein Einfühlvermögen, schaffe ich es nicht, dich mit Samthandschuhen anzufassen. Etwaigen habe ich selbst in den vergangenen Tagen zu viel erlebt, als dass ich dich nun bedingungslos schonen könnte… Wenn das überhaupt das Richtige wäre… Wie kann ich mit dir umgehen ohne dir zu schaden?

Ich weiß gar nicht, ob ich dir auch nur annähernd das geben kann, was du gerade brauchst…/
 

„Manchmal, so wie jetzt, weiß ich einfach nicht, wie ich mich ausdrücken soll.“
 

Ricks Gesichtsausdruck wurde völlig ungläubig. „Du?“, meinte er sarkastisch. „Bisher warst doch du immer derjenige von uns beiden, der immer die richtigen Worte fand und mich jedes Mal aufmuntern konnte, egal wie schlecht es mir ging.“

Nach einer Pause, in der er sich kurz in sich zurückzog, fuhr er fort: „Und der Fakt, dass du mir berichtet hast, was alles geschehen ist, zeigt mir auch jetzt wieder, dass du immer hinter mir stehst.“

Geistesabwesend horchte er auf das Schlagen des Herzens unter der Brust, auf der er lag.
 

„Dabei renne ich manchmal mit dem Kopf durch die Wand…

Was ich meine,… ich bin oft einfach völlig unbedacht, sonst würde mein Vater nun nicht im Krankenhaus liegen.“
 

Innerlich schalt sich Joe sofort, aber er konnte seine Gefühle, die er momentan hegte, einfach nicht verbergen, so sehr er sich darum bemühte. Eigentlich wollte er Rick wie die letzten Monate ein wenig aufheitern, mit ein wenig Humor zum Lachen bringen, doch er fühlte sich, als ob ihm selbst jedwede Facette der Unbeschwertheit genommen worden war.

Solch eine Unbeholfenheit kannte er von sich selbst gar nicht und es behagte ihm auch nicht, dass er nicht in der Lage war, Rick die Worte zukommen zu lassen, die dieser unweigerlich brauchte. Seine eigenen Gefühle machten ihm eindeutig einen Strich durch die Rechnung; eine Tatsache, an die er sich wohl erst noch gewöhnen musste. Er wusste, dass er manchmal zur Unbeherrschtheit neigte, da musste man sich lediglich an seine Unfairness bezüglich Steven erinnern, aber dass er keine rechte Ahnung hatte, wie er Rick dieses Mal unter die Arme greifen konnte, verunsicherte ihn.

Lange sah er einfach stur geradeaus auf seinen Kleiderschrank, den er als solchen dabei gar nicht wahrnahm. Vielmehr war dieser zu einer verschwommenen Gestalt geworden, durch die es galt hindurchzusehen. Er spürte den warmen Körper auf sich, den er überaus vermisst hatte, er genoss es, dass sich dieser im selben Rhythmus wie er auf und ab bewegte, aber er hatte das Gefühl, dass er immerzu die falschen Worte gewählt und sich verkehrt verhalten, seitdem er Rick da rausgeholt hatte. Vielleicht mochte der Dunkelhaarige denken, dass er alles verkraften konnte, aber was war, wenn sich das im Endeffekt zu seinem Nachteil auswirkte?
 

/Ich hätte dich mit der Wahrheit nicht belasten dürfen, zumindest nicht schon jetzt. Aber bevor ich dir alles erzählte, dachte ich noch, ich muss es tun, aber nun weiß ich nicht, ob es wirklich angebracht war…

Denn ich kann mir noch keine Vorstellung davon machen, was du alles über dich ergehen lassen musstest, zu was dich Alexandros gezwungen hat… Schon allein der eine Kuss, den ich live gesehen habe, war genug, um zu erkennen, dass er keine Gnade zeigen würde…/
 

Nur vage bekam er mit, wie er sich zu versteifen begann. Sein Puls beschleunigte sich zunehmend und er fühlte mit einem Mal eine schier hassgeprägte Wut in sich aufkeimen.
 

„Steven sieht das bestimmt anders als du“, hörte er den Dunkelhaarigen sprechen.
 

Dabei reagierte sein Körper doch auf etwas ganz anderes. Bisher hatte er sich nicht detailgetreu ausgemalt gehabt, was dieser Kerl Rick alles angetan haben konnte respektive wirklich angetan hatte. Immerzu war er darauf aus gewesen, diese verdammten Rätsel zu lösen und ihn so schnell wie möglich zu befreien, doch was war in der Zwischenzeit alles, von dem er noch keine Ahnung hatte, geschehen?

Obwohl er unentwegt Angst um ihn gehabt hatte, hatte er jedwede Gedanken an eine Vergewaltigung verdrängt gehabt, und nun kam sie ihm überhaupt nicht mehr abwegig vor. Rick schien nach außen hin viel zu gelassen und seine Reaktion vorhin, als er ihn intim berührt hatte, deutete zweifelsohne darauf hin, dass sich Alexandros an ihn rangemacht hatte.

Die Wut wuchs fast schon ins Unermessliche; zum einen durch diesen widerwärtigen Kerl veranlasst, zum anderen aber, weil er noch nicht wirklich auf Rick eingegangen war. Er fühlte sich mehr als nur unsensibel gerade. Da hatte er von seinen eigenen Erlebnissen geredet und Ricks Zustand währenddessen völlig außen vor gelassen.
 

/Schon wieder entpuppe ich mich als Vollidiot. Das kann doch gar nicht wahr sein!/
 

„Wir können ihn ja nachher zusammen ins Krankenhaus.“
 

„Bitte Rick!“, entfuhr es ihm nun, angeheizt durch seine Erkenntnis. „Hör auf, mir gut zureden zu wollen. Du solltest selbst erst einmal verarbeiten, was war, und nicht deine letzte Kraft auf mich verwenden. Diese Kerle haben dich… sie haben dich… grrr, das will mir gar nicht über die Lippen gehen!“ Ein wenig grob rappelte er sich im Bett auf und bemerkte gar nicht, dass er Rick dabei halb von sich stieß.

„Warum wirkst du so gelassen? So weiß ich gar nicht, was ich tun kann, um dir zu zeigen, dass ich für dich da bin, und dass ich jeden verabscheue, der sich an dir vergreift. Ich könnte Alexandros meine Fäuste um die Ohren hauen, wenn ich mir vorstelle, wie er dich angefasst hat. Das macht mich alles so fahrig, ich-“
 

Als er sah, dass Rick ihn völlig leblos anblickte, verstummte er abrupt. Und als er realisierte, dass er erneut all das laut ausgesprochen hatte, was der andere mit Bestimmtheit nicht hören wollte, legte er sich eine Hand an die Stirn und ließ sie vorher ein paar Mal gegen sie stoßen. Alsbald schüttelte er einfach nur noch mit dem Kopf.
 

„Ich bin so ein Idiot.“
 

„Wenn er doch nur der Initiator gewesen wäre…“ Ricks Stimme klang völlig ermattet.
 

Joe sah ihn an und hätte ihn am liebsten in die Arme genommen und all das, was er erlebt hatte, in sich aufgesogen, um es ins Nichts zu verbannen. Doch er vermochte es nicht einmal ihn mit einer Hand zu berühren, geschweige denn ihm einmal durchs Haar zu streifen. Nicht einmal diese vertraute Bewegung konnte er ausführen; er fühlte sich dazu verdammt, ihn lediglich anzustarren und darauf zu warten, was folgen würde.
 

„Mein Vater“, fuhr Rick plötzlich lachend fort, nur dass sich sein Gelächter keineswegs glücklich anhörte, „hat ihn beauftragt! Und Serrat hat das alles in die Wege geleitet.“
 

Noch immer konnte man höhnisches, verletztes und gleichzeitig klägliches Lachen vernehmen. Zunehmend schnürte sich Joes Herz zusammen und Ricks Erscheinung gab ihm den Rest. Der Dunkelhaarige saß da und verzerrte sein Gesicht allmählich zu einer Grimasse, die am Ende reinste Bestürzung ausdrückte. Und dann folgten Tränen. Salziges Nass, das sich seinen Weg über seine Wangen bahnte.
 

Ohnmächtig irgendwelcher anderen Mittel legte er nun doch seine Hände auf Ricks Schultern und zog ihn wieder zu sich. Vielleicht sollte er auch einfach seinen Mund halten und ihm einfach seine Nähe geben. Das war wohl momentan wirklich das Einzige, zu was er fähig war und was sein Freund vermutlich brauchte. Einen Körper zum Anlehnen, einen Menschen, bei dem man sich nicht verstecken musste. Der ihm zärtlich über den Rücken strich und seinen Tränen freien Lauf ließ.
 

Erst nach und nach sickerte die Information zu ihm durch, die ihm Rick gerade gegeben hatte. Fast wollte er schon widersprechen, doch diesmal konnte er sich zurückhalten. Schließlich wusste er nicht, ob Damon nun wirklich in alles verwickelt war oder nicht, wenngleich sie das Rick scheinbar eingetrichtert hatten.
 

/Das muss ich unbedingt bald in Erfahrung bringen, denn wenn es sich tatsächlich bewahrheitet, dann kann ich nicht mehr dafür garantieren, dich zukünftig aufheitern zu können… Verdammt, er hatte dir verziehen! Da wirst du doch nicht die Entführung deines eigenen Sohnes in die Wege geleitet haben!?

Wenn du doch wenigstens mal an dein Handy gegangen wärst… Dann könnte ich Rick vielleicht nun sagen, dass sein Vater kein vollkommen kaltherziges Arschloch ist, das sogar bei seinem eigen Fleisch und Blut nicht Halt macht…

Aber ich kann mir das immer noch nicht vorstellen, dazu wäre er nicht fähig! Selbstverständlich belastet ihn der unvermittelte Rausschmiss, die ganzen vergangenen zwei Jahre, doch Entführung und… ungewollte Küsse eines so schmierigen Kerls wie Alexandros…?

Das darf nicht wahr sein!

Das darf es einfach nicht…

Egal, ob sie derartiges zu Rick sagten oder nicht, er es glaubt oder nicht. Ich darf es erst dann glauben, wenn ich die Bestätigung dafür habe!/
 

Doch die eigene Bestürzung wuchs allmählich und er spürte, wie sein Herz anfangen wollte zu glauben, dass es Damon gewesen war, der diese Untat veranlasst hatte. Er verfluchte innerlich diesen Gedanken, denn der bedeutete nichts außer noch mehr Leid. Davon hatten sie wahrlich genug und der bebende Leib in seinen Armen war doch Beweis genug.

Immer wieder kämpfte er gegen sich selbst an, um nicht letztlich auf das Spiel reinzufallen, das immer noch mit ihnen gespielt wurde.
 

/Wir befinden uns noch immer mitten in diesem abartigen Spiel…

Verdammt, wir sind ihnen wirklich noch nicht entkommen!

Solange ich noch mit meinem Verstand und nicht nur mit meinem Herzen denken kann, werde ich euch überlisten…

Ich muss alles aufklären,… irgendwie…/
 

Joe war es leid, ständig nach neuen Antworten zu suchen ohne mehr als vage Anhaltspunkte zu haben. Umsonst kroch nicht immerzu Wut in seinen Körper, die immer neue Schübe pures Adrenalin mit sich brachte. Allmählich hatte er wirklich genug von bruchstückhaften Informationen und Vermutungen, die allesamt einfach nur nervenaufreibend und wenig Effizienz hatten. Nur durch Zusammenfügen, Ergänzen und logischem Denken hatte er Rick befreien können und nun hatte er ihn bei sich.

Er spürte die nassen Perlen auf seiner Haut, die sich noch immer ab und an aus Ricks Augen lösten. Gänzlich hatte sich der junge Mann in seinen Armen noch nicht beruhigt und das war keineswegs verwunderlich. Ihm war offenbart worden, dass er alles wegen seines Vaters durchleben musste, und Joe wusste, dass das für Rick das Schlimmste an der ganzen Situation war.

Er würde zukünftig wirklich alles daran setzen müssen, Damon daraufhin auszukundschaften, wenngleich sein Maß an Abenteuerlust bisweilen völlig erschöpft war. Aber jegliche Gegenwehr oder gar Jammerei half nichts, schließlich würde er dennoch keine Ruhe haben, ehe sein Freund nicht wieder aufrichtig lachen konnte.
 

„Gehen wir ins Krankenhaus?“

Ricks Stimme trug ein regelrechtes Flehen in sich, was Joe stutzen ließ.
 

„Ungg… Gerne, zumal… sie bisher nur eine kurze und bündige SMS bekommen haben, die ich ihnen, als du schliefst geschrieben habe.“
 

„Ich möchte deinem Vater danken“, erklang es leise.
 

„Er wird sich sicherlich schon darüber freuen, dich zu sehen.“

Eigentlich wollte Joe noch anfügen, dass er sich bei keinem zu bedanken hatte, doch während er mit einer Hand den Rücken des Kleineren auf- und abfuhr und dabei die Verspanntheit spürte, ließ er es bleiben. Er wollte es ihm gewiss nicht verbieten und wenn er sich danach besser fühlen sollte, dann sollte es eben so geschehen.

„Wollen wir gleich gehen?“
 

Bereits während sich Rick die letzten Tränen aus dem Gesicht wischte und langsam aufstand, suchte er Joes Blick auf.

„Deine Eltern sind was Besonderes, allein schon aus diesem Grund möchte ich sie sehen und mich bei ihnen für alles bedanken, was sie für mich getan haben.“
 

Nachdem sich Joe ebenfalls aus dem Bett erhoben hatte, forderte er einen langwährigen Kuss ein. Schwer atmend drückte er ihn noch einmal kurz fest an sich, bevor er zum Schrank lief und ihnen frische Kleidung herausholte.

„Eine gemeinsame Dusche?“, fragte er mehr in den Schrank hinein, doch selbst das konnte den leicht ruchigen Unterton nicht verbergen.

Als er sich umdrehte, da er keine Antwort bekam, sah er nur noch, wie die Tür restlich aufging und Rick hinter ihr verschwand.

Mit einem Grinsen und einem Stapel Kleidung unterm Arm folgte er ihm und konnte nicht umhin zu lächeln, selbst wenn er gerade eben noch die Tränen des anderen gesehen hatte. Mit einem Fuß schob er die Badezimmertür auf, die nur angelehnt war und spürte sogleich beim Anblick, der sich ihm bot, die Lust, die er vor dem Frühstück schon einmal verspürt hatte. Nackt wartete Rick unter der Dusche und sah ihn mit Augen voller Trauer und Leidenschaft getränkt an. Achtlos ließ Joe die Kleidung zu Boden fallen, streifte sich behände den Stoff von seinem Leib und stieg zu ihm unter den Wasserstrahl, der mittlerweile zügig gen Erde stob. Heiß legte sich rauschender Nebel auf ihre Haut, die ohnehin bereits erhitzt war. Ihre Münder trafen sich sofort zu einem heißhungrigen Kuss und Rick begann als erster damit, den anderen Körper mit den Händen zu erkunden. Anfangs gab er sich damit zufrieden, über den Rücken des Blonden zu streichen, doch alsbald glitt er tiefer und bettete sie auf einen Hintern, der sich ihm wohlig entgegenstreckte. Leises Stöhnen drang durch den Raum und paarte sich mit dem steten Brausen der klaren Flüssigkeit. Anschließend ging er dazu über, sein Becken an das Gegenstück zu schmiegen und in sanften kreisenden Bewegungen an ihm zu reiben.

Beide spürten das Verlangen, das sich zunehmend nach Befriedigung sehnte und durch ihre tagelange Distanz kontinuierlich gewachsen war. Kaum hatte ihre Liebe angefangen zu erwachen und zu gedeihen, hatten sie sich gegenseitig nicht mehr berühren können. In diesem Moment konnten sie sich aber fühlen und den anderen erregen; sie konnten jede einzelne Faser des anderen neu entdecken und ihrer Zuneigung freien Lauf lassen.
 

Mit seiner Zunge fuhr der Kleinere seinem Gegenüber den Hals entlang, schmeckte wie sich das Wasser mit Joes Eigengeruch vermengte und schloss dabei besinnlich die Augen. Alsbald bahnte er sich einen Weg zu seiner Brust hinab und neckte sie mit seinen Zähnen, biss sachte in die errötete Haut hinein und hauchte anschließend federleichte Küsse auf sie. Immer wieder stupste er Joes Oberkörper mit seinen Lippen an und verfing sich irgendwann unterhalb des Bauchnabels, wo er zu saugen begann. Das laute Stöhnen, das er damit seinem Freund entlockte, ließ ihn fester an der Haut ziehen und seine Hand noch ein wenig tiefer gleiten. Mit seiner Rechten umgriff er die Männlichkeit, die sich ihm bereitwillig entgegenstreckte und neckte ihre Spitze kurz mit dem Daumen, ehe er sie durch seinen Mund ersetzte.
 

Heftig schluckend würgte Joe ein ’Wow’ hervor und fuhr immer wieder durch Ricks Haare hindurch. Er liebte das Haselnussbraun, ob trocken oder nass, und ließ es immerzu durch seine Hände gleiten. Allmählich warf er dabei seinen Kopf in den Nacken und seufzte wiederholt rau auf.

„Das ist…“

Mehr Worte bekam er nicht über die Lippen, denn Rick versetzte ihn zunehmend in einen Zustand, in dem alles um ihn herum zu verschwinden schien und ein einziges Meer voller funkelnder Sterne zurückließ. Er spürte seine Zunge immer wieder an seinem Glied entlang streifen und den Rhythmus unentwegt beschleunigen.
 

„Ich…“, hauchte Rick in Joes Ohr und schluckte einmal kräftig. „… habe dich so vermisst…“
 

Joe legte seine Hände an Ricks Hinterkopf und verwickelte ihn in einen Kuss, der durch das harmonische Spiel ihrer beiden Zungen geprägt war. Dabei schmeckte er ein wenig von sich selbst, was seiner Gier nach seinem Freund keinen Abbruch tat, sondern ihn noch mehr darin bestärkte, jenen mit all seiner Verführungskunst, die ihm innewohnte, zu verwöhnen. Während er seine Finger nun dazu verwandte, an den Seiten seines Geliebten hinabzufahren, umkreiste er weiterhin in stillem Einvernehmen seine Zunge. Schon nach wenigen Augenblicken konnte er Ricks Erregung deutlich fühlen und fing an, ihn ebenso in den exstatischen Rausch zu treiben, den er gerade selbst erleben durfte. Der Kleinere dankte es ihm durch ein genießerisches Seufzen direkt in seine Mundhöhle hinein. Immer wieder forderte er ihn mit seinen Lippen heraus, die ihn wild umwarben. Stück für Stück versetzte er ihn in ein immer lauteres und genussfreudiges Stöhnen, das bald in einem erstickten Schrei endete.

Noch eine ganze Weile lang küssten sie sich und ließen dem jeweils anderen Streicheleinheiten zukommen. Mit geschlossenen Lidern konzentrierten sie sich auf die sachten Berührungen, die einstweilen etwas bestimmter und neckischer wurden.
 

„Wollen wir heute noch gehen?“, hauchte der Blonde auf Ricks Lippen, wohlweislich seine Stimme mit genug Lüsternheit versetzend.

Zwar wollte auch er nach seinem Vater sehen, aber diese Vertrautheit, die gerade zwischen ihnen herrschte, verringerte den Wunsch in ihm deutlich. Er hatte endlich wieder den Menschen bei sich, für den er all die Strapazen auf sich und sogar in Kauf genommen hatte, selbst von Serrat oder Alexandros mehr als nur als Marionette benutzt zu werden. Wie ein Hund war er all den Knochen gefolgt, mit denen freudig gelockt worden war. Obgleich es sich in der Tat ein wenig danach angefühlt hatte, an hauchdünnen Fäden gehangen zu haben, die ein anderer spann, hatte er doch seinen eigenen Verstand eingesetzt und die Rätsel durch seine Auffassungsgabe und Umsetzungsvermögen gelöst. Durch den Weg, den er durch sein eigenes Handeln heraus eingeschlagen hatte, konnte er nun seinen Freund spüren und berühren.
 

„Willst du mich immer lieben?“
 

Insbesondere weil der Blonde keineswegs mit solch einer Frage gerechnet hatte, stutzte er und räusperte sich anschließend. Dann legte er seinen Lippen sanft auf Ricks.

„Ja ich will“, lächelte er mit geröteten Wangen auf ihnen.
 


 

„Ich weiß gar nicht, wann ich zuletzt in einem Krankenhaus war. Eigentlich habe ich, wenn ich dort war, meist dich besucht.“
 

„So oft war das auch nicht. Die paar Blessuren hätte ich auch ohne Ärzte weggesteckt, schließlich hatte ich ja dich.“

Als die Straße gerade frei war, warf er einen etwas längeren Seitenblick auf Rick.

„Du hast meine Wunden doch immer erstklassig versorgt.“
 

Doch Rick ging nicht darauf ein, sondern starrte nur abwesend durch die Windschutzscheibe. Die Häuser, die die Straße säumten, glichen mehr und mehr einer leblosen, grauen Masse aus Trist und Einfältigkeit.
 

/Je näher wir dem Hospital kommen, desto mehr schleicht sich die Wärme, die Joe in mir eben entfachen konnte, aus meinem Körper. So sehr ich sie auch in mir festhalten möchte, ich vermag es einfach nicht. Diese dunklen Gedanken und auch Gefühle, die mich überkommen, sind so bedrückend und wollen mir das bisschen Glück rauben, das mir gerade zuteil geworden war. Das Licht, so brennend und heiß, flackert und möchte dem eisigen Wind strotzen, gehaucht von Menschen, für die es nur Macht und Gewalt auf Erden gibt.

Immer erhabener türmt sich das Krankenhaus vor meinen Augen auf und bricht in mir den zarten Wall entzwei, den Joes zärtliche Hände eigens errichten konnten. Aber ich will nicht, dass die Steine in sich zusammenfallen, denn dann muss ich erneut daran denken, wie…/
 

Als er Joes Stimme vernahm, schreckte er aus seinen Gedanken auf und brauchte einen Moment, bis er alles klar vor sich sah.
 

/Ich darf die Augen nicht schließen, sondern ich muss mich auf dich konzentrieren, Joe. Vielleicht kann ich so gegen die Finsternis in mir siegen, die deutlich stärker geworden ist seit…/
 

Er griff nach der Hand des Größeren und verflocht ihre Finger ineinander.

„Ist dir das recht?“, fragte er leise und rechnete fast schon mit einem ’ja’.

Nachdem sie aus dem Auto gestiegen waren, kamen ihnen immer wieder Personen entgegen, von denen er meinte sie würden ihnen kritische Blicke zuwerfen.
 

„Wenn du auf die Leute anspielst, du uns deshalb verachten könnten… die sind mir gleichgültig, was du wissen solltest.“

Den Druck seiner Hand verstärkend lief er mit Rick vom Parkplatz zum großen Haupteingang.
 

/Warum beginne ich immer mehr an seiner Liebe zu zweifeln?...

Ich fühle mich befleckt und wer will schon mit einem Menschen zusammen sein, der seine Reinheit an einen Menschen verlor, der an Widerwärtigkeit kaum zu überflügeln ist? Doch Joe ignoriert es… er sieht großzügig darüber hinweg. Doch wie lange? Wie lange kann er mit mir zusammen bleiben, bis er merkt, dass ein anderer Hand an mich gelegt hat?/
 

Zwar war Rick nicht vergewaltigt worden, aber er fühlte sich dennoch in gewisser Weise beschmutzt. Und das trieb immer von neuem Trübsinn in seine Gedanken und in sein Herz. Er war endlich frei und er hatte Joe an seiner Seite und dennoch hatte er nicht das aufrichtige Gefühl es wirklich zu sein. Sein Zugegensein glich mehr einem tranceartigen Zustand, den er sich nur einbildete, um die grausame Wirklichkeit zu verdrängen. Die Realität befand er momentan für beängstigend, weil er jede Sekunde damit rechnete, Alexandros oder Serrat könnten erneut vor ihm stehen und ihm was antun. Oder ihm Joe für ein- und allemal nehmen. Schon wieder merkte er, wie sein Körper zu zittern begann, und egal, wie strikt er sich dazu nötigte, damit aufzuhören, er gehorchte nicht. Sein Körper tat, was er wollte, und projizierte damit wohl lediglich seine Gefühle in physische Reize. Doch es sollte keiner sehen, wie es ihm wirklich ging, welche Furcht er verspürte,… Aber außer Joe nahm es scheinbar keiner wahr, denn es sah ihn keiner merkwürdig an, während sie durch die Krankenhausgänge liefen, niemand warf ihm abschätzige Blicke zu, keiner achtete auf ihn, selbst wenn er sich das kurz zuvor noch eingebildet hatte. Das erleichterte ihn ungemein und doch gefiel ihm die Tatsache nicht, dass es Joe mitbekam und ihn nun zum Stehen bleiben aufforderte.
 

„Sag’ nichts“, presste er zwischen seinen Lippen hervor.
 

Er wollte nun wirklich nicht darüber reden. Niemand sollte je erfahren, wie er sich tief in seinem Inneren fühlte. Wie verraten und denunziert. Bisher konnte er selbst nicht einmal abwägen, ob er es je verkraften würde, dass sich sein Vater als herzloser, rachesüchtiger Mensch entpuppt hat. Während seiner Gefangenschaft hatte er sich eingeredet, dass es ihm in Zukunft sonst wo vorbeiginge und er Joes Familie als die Seinige ansah, doch Vorhaben und seine Umsetzung waren meist zwei paar Schuhe. Und genau das war ihm in dem Moment bewusst geworden, als er zum ersten Mal laut ausgesprochen hatte, wer hinter all diesen absurden Geschehnissen steckte. Serrat mochte die Idee gehabt haben, doch die Einwilligung war eindeutig von seinem Vater gekommen, ein Pakt, der so niemals hätte stattfinden dürfen.

Joe sagte wirklich nichts und lief stattdessen wieder neben ihm her, seine Hand dabei fest drückend. Die Vertrautheit, die zwischen ihnen herrschte, war viel zu makellos, um wahr zu sein. Irgendwie kam sie ihm grotesk vor; die ganze Zeit hatte er an ihr festgehalten, doch nun, wo er sie leibhaftig wieder verspüren durfte, war sie wie ein Traum, aus dem er alsbald erwachen würde. Ein Fantasiegebilde, das sich mir nichts dir nichts zu gegebener Zeit einfach in Luft auflöste. Doch was war sie wirklich?
 

„Möchtest du wirklich mit reingehen?“
 

Rick sah seinen Freund an und betrachtete ihn sich. Mit einem Mal kam es ihm total absurd vor, dass Joe ausgerechnet mit ihm zusammen war, dass er sich ihn als Partner ausgewählt hatte. Als beste Freunde hatten sie vieles erlebt, doch dass der Blonde wirklich einmal mehr für ihn empfinden würde, war immer so unvorstellbar gewesen, und nun? Nun standen sie sich gegenüber und er spürte, wie zu dem Beben ausgelöst durch die Angst eines hervorgerufen durch tausend Schmetterlinge hinzukam. Immer wenn er Joe sah, verzehrte er sich nach ihm und wollte ihn berühren, ihn überall an seinem Körper fühlen.
 

„Wenn du mich weiter so ansiehst, dann schwöre ich noch einen Polizeiauflauf herauf.“

Grinsend hauchte er dem Dunkelhaarigen einen Kuss auf die Stirn.

„Das von vorhin können wir jederzeit wiederholen“, fügte er um viele Nuancen leiser an.
 

„Klopf schon!“, erwiderte er die Anmache bravourös ignorierend.

Sogleich vernahm er ein Seufzen, das wohl aus zweierlei Gründen aus Joes Mund drang. Zum einen hätte er ihn gerne auf eine Toilette oder in ein leeres Zimmer geschleift, zum anderen würden sie gleich Steven daliegen sehen, verletzt und unfähig, aus eigenem Antrieb aufzustehen.
 

„Wäre auch zu schön gewesen.“

Mit einem Grinsen ließ Joe nun seine Knöchel gegen das Holz gleiten und legte alsbald eine Hand um den Griff, den er hinunterdrückte, und anschließend langsam die Tür aufschob.
 

Gemeinsam betraten sie ein recht dunkles Zimmer, in dem zwei Betten standen, wovon eines leer war und vom anderen immer noch stetes Piepsen drang wie bei Joes letztem Besuch. Außer Steven war keiner anwesend und der Blonde wollte die Tür schon wieder zuziehen, als er eine raue Stimme vernahm: „Ich bin wach.“
 

In Rick löste das einen Schauer aus, der ihm den ganzen Rücken hinabjagte. Auf gewisse Art und Weise war er froh, dass Steven bei Bewusstsein war und ihnen den Einlass gewährte, doch plötzlich kamen ihm Zweifel, ob er wirklich eintreten dürfe, denn schließlich hatte seine Entführung seinen Aufenthalt hier verschuldet.

Joe schien zu merken, dass er zögerte, und zog ihn nun sachte hinein.

Krankenhäuser hatten wahrlich etwas Ehrfürchtiges an sich und genau dieses Gefühl überkam Rick in diesem Moment. Eigentlich war man immer erleichtert, wenn man das Gebäude wieder verlassen hatte.
 

„Wir wollten dich nicht wecken, Dad. Entschuldige.“
 

In der Dunkelheit konnte Rick kaum mehr als die schemenhafte Gestalt von Steven erkennen, doch er erkannte genug, um sich noch intensiver zu wünschen, das Krankenhaus gerne wieder zu verlassen. Nun musste er wohl dem Menschen ins Auge sehen, der sich für ihn sozusagen geopfert hatte. Dank war zwar das Mindeste, was Rick aussprechen konnte, doch eigentlich hatte Joes Vater doch mehr verdient als ein paar Worte. Obgleich er nichts außer einem ’Danke’ parat hatte, hatte er so schnell wie möglich her gewollt. Und nun kam ihm diese seine Idee nicht mehr so rettend und erlösend vor. Vielmehr wollte er wieder zur Tür hinausgehen, sich an sie lehnen und einmal in Ruhe durchatmen. Doch Stevens schier nicht im Mindesten vorwurfsvolle Stimme ließ ihn dort verharren, wo er stand.
 

„Das habt ihr gar nicht. Ich bin froh, nicht mehr allein zu sein, und außerdem…“, er wollte sich ein wenig aufrichten, doch unter einem lauten Stöhnen gingen seine Bemühungen unter, „… möchte ich doch sehen, wie es Rick geht.“
 

Auch wenn Rick nicht sehen konnte, wohin Steven gerade blickte, spürte er seine Augen auf sich und sein Magen zog sich mit einem Mal zusammen. Dass jener nicht einmal imstande war, sich aufzurichten, war wie ein Dolch, der in seinen Bauch gerammt wurde.

„Hallo Steven“, meinte er gepresst. Die Worte wollten erst gar nicht über seine Lippen dringen.
 

„Wo ist Mom?“, erkundigte sich Joe und wollte die Spannung damit von Rick nehmen, denn er bekam natürlich mit, wie jener verkrampft die Arme um sich schlang.
 

„Vorhin meinte sie, sie bräuchte einen Kaffee, doch seitdem ist sie nicht wieder gekommen. Um ehrlich zu sein“, er lachte verschämt auf, „weiß ich gar nicht, wie lange das her ist. Aber sie wird sich sicher wieder blicken lassen, schließlich wissen wir doch, dass sie es nicht lange ohne mich aushält.“

Nun stahl sich ein freudiges Grinsen auf seine Lippen, was die beiden jungen Männer aber nicht sehen konnten.

„Macht doch mal das Licht an!“
 

Als Joe den Schalter dafür betätigte, zuckte Rick kurz in sich zusammen. Nun sah er nicht nur direkt auf Steven, sondern konnte ihn auch überdeutlich erkennen. Allein schon der Verband um seinen Kopf machte seine Unsicherheit nicht besser und doch konnte er seinen Blick nicht von ihm abwenden.

„Danke!“, brach es plötzlich aus ihm heraus, bevor er die wenigen Schritte auf Steven zuging und ihm eine Hand auf eine von ihm legte.

„Ich danke dir wirklich sehr. Und… es tut mir leid, dass du… verletzt wurdest. Das ist alles meine Schuld, ich-“
 

Joe unterbrach ihn jäh, indem er ihm von hinten eine Hand auf den Mund legte und ihm ein “Ganz ruhig“ zuflüsterte.

„Ich habe nicht aufgepasst, das hat nichts mir dir zu tun.“

Langsam nahm er seine Rechte wieder weg.
 

„Von wegen…“, meinte Rick und ließ sich auf dem zweiten unbelegten Bett im Zimmer nieder.
 

„Ihr seid zwei Hohlköpfe! Erst macht sich Joe ununterbrochen Vorwürfe und wollte gar nicht zum Supermarkt gehen, nur um nicht von meiner Seite zu weichen, und nun du, Rick. Ich werde wieder gesund und bald springe ich hier wieder munter und fidel rum. Nur weil ich gerade nicht dazu in der Lage bin aufzustehen, müsst ihr euch doch nicht dermaßen herunterziehen. Ich schiebe keinem von euch beiden die Schuld zu, denn ich habe aus freien Stücken entschieden zu helfen. Nur damit das nun für ein- und allemal geklärt ist. Habt ihr mich verstanden?“

Streng musterte Steven erst den einen, dann den anderen.

„Joe?“
 

„Mhh…“, meinte dieser nur.
 

„Rick?“
 

Das Funkeln in Ricks Augen nahm von Sekunde zu Sekunde zu und die Worte, die gerade gesagt worden waren, kamen erst nach und nach bei ihm an. Nur konnte er sie kaum glauben, denn ohne ihn wären sie alle jetzt gar nicht hier.
 

„Keine Selbstvorwürfe!“, mahnte der Älter noch einmal.
 

/Wie soll ich mir denn nicht dafür die Schuld geben, dass er hier verletzt liegt? Aber seine Mimik ist sehr ernst und er scheint auch seine Worte so zu meinen. Da ist er unfähig sich groß zu rühren und möchte mir auch noch die Last nehmen… Vielleicht sollte ich einfach nicken, damit er zufrieden ist… oder es beherzigen… Vielleicht kann ich es ja wirklich irgendwann glauben… bis dahin darf ich es einfach keinem zeigen, dass ich gerade nur aus purer Höflichkeit meine Bejahung gebe./
 

„Damit ist das von nun an passé.“
 

Wie aufs Stichwort ging die Tür auf und Veronica kam mit einer kleinen Tüte in der Hand herein. Als sie ihren Sohn und Rick erblickte, begann sie zu lächeln.

„Schön, dass ihr euch hierher verirrt habt.“

Kurz nahm sie Joe in den Arm, doch alsbald ging sie dazu über, sich neben Rick zu setzen und ihm einen Arm um die Schultern zu legen. Auch ihn drückte sie herzlich.

„Wir sind froh, dich wieder bei uns zu haben.“
 

Für den Dunkelhaarigen wurde das alles irgendwie zu viel. So sehr er sich selbst darüber freute, derart empfangen zu werden und unter ihnen zu verweilen, musste er raus. Raus an die frische Luft und Abstand gewinnen.

Abrupt stand er auf, schüttelte dabei Veronicas Arm von sich, und hastete hinaus, auch Joe einfach zurücklassend.

Die Gänge glichen mit einem Mal einer endlosen Gerade und der Aufzug wollte anscheinend in Zeitlupe sein Ziel, das Erdgeschoss, erreichen.

Weg… er wollte einfach nur noch weg.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  inulin
2007-05-07T09:54:27+00:00 07.05.2007 11:54
Kennst du die Obstgartenwerbung, wo die einen Brötchen essen und denen das schwer im Magen liegt...?
So geht es mir grad mit dem Kapitel. Versteh das nicht falsch, das Kapitel war total klasse. Du hast Ricks Gefühlswelt wieder super rübergebracht. Wie er anfängt an der Idylle zu zweifeln, nachdem er so ein Leid erfahren musste. Aber ich sollte mir abgewöhnen so was Gefühlslastiges nicht nach dem Aufstehen zu lesen. Q_Q Da bin ich noch 'unverbraucht' und zugänglicher für sowas. *heul*
Ich hoffe das Rick und Joe diese Zeit bald überstanden haben. Ich finde gelitten haben se beide allmählich genug.
Ich bin gespannt auf den nächsten Teil. ^^


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