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Heilloser Romantiker

von

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Kapitel 47

Kapitel 47
 

Aufgrund der Tatsache, dass sich Joe mit einer Hand an die Stirn langte, kamen die Bücher auf seinem Unterarm ins Wanken und landeten mit lautem Rumpeln auf dem Boden. Seine Augen starrten den Rücken des Buches an, das er gerade zurück ins Regal gestellt hatte. Silberne Buchstaben prangten ihm entgegen. War darin nicht eine Zeichnung gewesen?

Zugegeben, in dem Werk befanden sich sehr viele ausgefeilte Skizzen und Bilder, aber er dachte da an ein ganz bestimmtes.
 

„Wenn Sie schon vor Unachtsamkeit strotzen, dann könnten Sie sich wenigstens darum bemühen, den Schaden, den Sie angerichtet haben, ein wenig zu mildern!“ Der Mann, der ihn am frühen Morgen in die Bibliothek gelassen hatte, stand mit wütendem Gesicht kaum drei Meter neben ihm.
 

Wie plötzlich aus einem Traum gerissen geworden zu sein blickte Joe ihn an und begriff erst nach und nach, dass sich sein Arm so leicht anfühlte. Dann schweifte sein Blick gen Boden und eine leichte Röte trieb in seine Wangen.
 

„Tut mir leid“, meinte er und begann, die Bücher aufzulesen. „Den Büchern ist nichts passiert, sehen Sie?“ Er hielt sie dem Älteren entgegen und versuchte ihn mit einem netten Lächeln zu besänftigen. Für ihn fühlte sich dieses Lächeln gekünstelt an, aber vielleicht nahm er es ihm ja ab.
 

„Sehen Sie zu, dass Sie sie zurück an ihren rechtmäßigen Ort stellen, und dann verlassen Sie am besten diesen Saal.“
 

Nachdem der andere gegangen war, verdrehte Joe die Augen und tat wie geheißen, doch konnte nicht umhin, das Exemplar, das er immer noch begehrte, wieder aus dem Regal zu entnehmen. Um sicher zu gehen, nicht erwischt zu werden, stahl er sich in die hinterste Ecke des Raumes und begann wild in dem Buch zu blättern. Da er keinen blassen Schimmer hatte, auf welcher Seite die Zeichnung abgebildet war, brauchte er ein bisschen Zeit, bis er sie gefunden hatte. Doch nun sah er sie deutlich vor sich, die feinen schwarzen Linien, die die Umrisse der Innenarchitektur der Kathedrale wiedergaben. Dies allein zog bei Weitem nicht seine Aufmerksamkeit auf sich, sondern das bewerkstelligte etwas anderes: jeder einzelne Winkel war beschriftet; sie trugen zwar lateinische Namen, doch ein paar davon konnte er übersetzen.
 

Aeneus…
 

/Kupfern…/
 

Aurum…
 

/Gold… mhm/
 

Meridies…
 

/Mittag… aber das bedeutet doch auch…/
 

„Süden…“, entkam es ganz leise seiner Kehle.
 

Mit seinem Zeigefinger strich Joe über die Stelle, die die südliche Empore kennzeichnete, und prägte sie sich gut ein. Anschließend stellte er das Buch zurück und verließ umgehend die Bibliothek, nicht dass er am Ende noch Hausverbot bekam. Denn er wusste ja nicht, ob er die Bibliothek noch einmal in Anspruch würde nehmen müssen oder nicht.

Da die Zeit drängte, lief er geradewegs nach Hause. Zwar war es ihm nicht nach weiteren Mahnungen und elterlichen Ratschlägen, wohl eher Vorschriften, zumute, aber er hatte sich in diese beklemmende Lage manövriert, also war er dafür verantwortlich, sich ihr wieder zu entwinden. Bereits als er die Treppen hinaufging, spürte er die unsichtbare Wand, die sich zwischen ihn und Steven stählte. Eine Mauer, genauso unsichtbar wie unüberwindbar.
 

„Tut mir leid, es ging nicht schneller“, meinte er sofort, als er seinen Stiefvater erblickte, und hob entschuldigend die Hand.
 

Sie wechselten wenige Worte und betraten gemeinsam seine Wohnung. Er setzte Wasser auf und bat Steven es sich bequem zu machen.
 

„Wir müssen Ricks Eltern informieren.“
 

Joe hätte beinahe die Tassen fallen lassen, die er eben dem Schrank entnommen hatte, sagte aber nichts. Irgendwie klang damit Ricks Entführung so endgültig und sein Magen schien Purzelbäume zu schlagen, zumindest verbreitete er Unwohlsein.
 

„Die Polizei hat sie zuhause nicht erreicht. Hast du eine Handy-Nummer von Dea oder Damon?“
 

Während er forschende Blicke auf sich spürte, hing er je einen Teebeutel in die Tassen. Die Atmosphäre war deutlich angespannt und Stevens Stimme trug kaum tröstliches in sich, das sonstige Mitgefühl war reiner Förmlichkeit gewichen. Erst wenn sich etwas änderte, merkte man, wie sehr man das vorherige doch gemocht hatte. Joe hatte immer einem einfühlsamen Steven gegenübergestanden und nun vermisste er diese seine Art. Er hatte ihn wohl einfach nicht zu schätzen gewusst.
 

„Können wir die ganze Angelegenheit mal kurz sein lassen?“ Er wandte sich zu Steven um. Eine Weile lang sahen sie sich nur an. Aber dann fuhr Joe fort: „Ich habe mich wie ein Idiot verhalten und dafür möchte ich mich bei dir entschuldigen. Doch…“ Er schüttelte mit dem Kopf. „Nein, es gibt kein ’doch’. Ich war ein Dummkopf und es tut mir wirklich leid.“
 

„Hast du nun eine Nummer?“
 

Innerlich sank Joe in sich zusammen und drehte sich um, stützte sich mit beiden Händen an der Arbeitsplatte neben dem Herd ab. Das Wasser in dem kleinen Topf warf bereits Blasen und verteilte nebligen Dampf.
 

/… ich… er… weiß auch nicht…/
 

Wie in Trance nahm er den Topf in die Hand und schenkte das kochende Wasser in die beiden Tassen, das sich daraufhin rötlich verfärbte.
 

„Danke“, ertönte es leise hinter seinem Rücken. Dann spürte er eine starke Hand an seiner Schulter, die alsbald von ihr abließ und stattdessen nach dem Porzellan griff.
 


 

Nachdem sich Rick wieder ein wenig beruhigt hatte, hatte er es endlich geschafft, ein paar Stunden zu schlafen. Als er die Augen wieder aufgeschlagen hatte, hatte die Sonne zwar nur spärlich durch das kleine Fenster geschienen, aber sie hatte es immerhin getan und tat es immer noch. Er war nun mehr als vierundzwanzig Stunden in dieser stupiden Umgebung - das Bad war ein kleiner Lichtblick, die Betonung lag auf klein - und er dachte nun auf dem Sofa sitzend darüber nach, wie er an Informationen kommen könnte. Olivier fiel als eventueller Mittler aus, denn allein seine starren, leblosen Augen waren ein überzeugender Ausschlussgrund. In Frage kam also nur noch Alexandros selbst, denn die dritte Person, die sich in diesem Haus aufhielt, glich mehr einem Schrank als einer redseligen Persönlichkeit. An der Tür schien es wie auf Bestellung zu klopfen. Rick wusste genau, was dies bedeutete. Er hatte sich zum zweiten Mal in seinem Leben irgendwo anzuketten, eine Gegebenheit, die er weder mochte noch auf irgendeine Art und Weise schätzte. Dennoch griff er nach den Handschellen und schloss das eine Ende um sein Handgelenk, das andere um die Querstrebe seiner Sitzgelegenheit.
 

„4 Blätter!“, rief er jeglichen Groll unterdrückend gen Tür, die sich daraufhin knarrend öffnete.
 

Alexandros höchstpersönlich ohne Begleitung von Olivier oder dem Muskelberg trat ein und seine Lippen beherbergten, wie es nicht anders zu erwarten war, dieses überhebliche Grinsen, das ihm anscheinend angeboren war.
 

„Und wie gefällt es dir hier?“
 

Ricks Gegenüber ließ gespielt theatralisch seinen Blick durch den Raum schweifen, nur ihm letztenendes tief in die Augen zu sehen. Obwohl dem Kleineren nicht danach war, in diese kalten Iriden zu sehen, erwiderte er das unnatürliche Starren.
 

„Ich könnte nicht behaupten, jemals besser gewohnt zu haben.“
 

„Dann wird es dir bestimmt nichts ausmachen, ein wenig länger hier zu bleiben.“ Süffisant strich sich Alexandros über den Oberkörper.
 

„Bekomme ich denn nichts zu trinken?“ Mit einem leicht irren Lächeln strich er sich eine Strähne aus der Stirn. Er musste dieses Spiel mitspielen, so lange er konnte!
 

„Erst nachdem ich mir nehmen konnte, was ich begehre, ohne dein Knie zwischen meinen Rippen zu spüren.“
 

Alexandros ging zwei Schritte auf Rick zu und sein Grinsen wurde breiter. Innerlich stöhnte Rick laut auf. Er musste einen Kuss über sich ergehen lassen, um an wichtige Informationen zu gelangen, sonst würde sich sein Gegenüber nie dazu herablassen, mit ihm vielleicht mal ansatzweise vernünftig zu reden. Er musste sich ihm hingeben, zumindest bis zu einem bestimmen Ausmaß, so abartig und widerlich das auch sein mochte!
 

/Da Vater, nun hast du, was du möchtest!/
 

Als Zeichen dafür, nicht erneut zu treten, setzte er sich aufrecht hin und versuchte inständig, seinen Blick sanft erscheinen zu lassen. Und wie es wohl kommen musste, überbrückte dieser Kerl in dramatischer Langsamkeit die restliche Distanz zwischen ihnen beiden und schon fühlte Rick seine Lippen, die dieses Mal aber nicht gleich wieder ablassen zu wollen schienen. Alexandros forderte mehr als nur eine harmlose Berührung ihrer Münder, er wollte tiefer dringen. Die leicht raue Zunge begehrte unablässig um Einlass und irgendwann musste der Jüngere nachgeben. Mit ausgeschaltetem Herzen ließ er die Zunge des anderen in seinem Mund kreisen. Es widerte ihn in der Tat einfach nur an, doch was konnte er schon dagegen tun? Sich vorstellen, dass er gerade Joe küsste? Das wäre eindeutig krank! So hilfreich das vielleicht wäre, er könnte das niemals tun. Lieber legte er während dieser endlosen Sekunden oder Minuten den Schalter für seine Emotionen auf Stillstand, ein Unternehmen, das er während der ersten Wochen nach seinem Outing gelernt hatte, aber nie gerne in Anspruch nahm.
 

„Du schmeckst wie immer göttlich.“
 

/Ganz im Gegensatz zu dir… Wie ich dich verabscheue!/
 

Nach einem weiteren, dafür aber sehr kurzen Kuss, verließ Alexandros für einen Augenblick den Raum und kehrte mit einem Tablett wieder.
 

„Heute ein kleines Festmahl, schließlich möchte ich kein Skelett unter meinen Fingern spüren.“
 

/Wie ich dieses selbstgefällige Grinsen verachte!/
 

„Seit wann kennen Sie Richard Serrat?“, fragte Rick beiläufig, während er das Essen überinteressiert inspizierte. Rein aus seinen Augenwinkeln heraus versuchte er abzuwägen, wie seine Worte bei Alexandros ankamen.
 

/Sehe ich tatsächlich ein Hauch von Erstaunen in deinem Blick?/
 

Dass das unterstrich, dass er in seiner Vermutung wohl Recht gehabt hatte, kümmerte ihn in diesem Moment nicht. Für Sorgen und trübe Gedanken hatte er später noch ausreichend Zeit.

Mit einem anerkennenden Pfeifen ließ sich Alexandros neben Rick nieder, nur das Tablett befand sich zwischen ihnen. Eine Hand von ihm landete auf der Sofalehne, mit der anderen öffnete er den obersten Knopf seines weißen Hemdes.
 

„Grob geschätzt zehn Jahre.“
 

/Zehn Jahre? War der Freund meines Vaters schon damals in solche Machenschaften verstrickt?/
 

Bemüht versuchte Rick seine Schockiertheit zu überspielen und zwar indem er nach ein paar Weintrauben griff und sie sich in den Mund stopfte. Etwaigen konnte ihm das Kauen über diese Nachricht hinweghelfen, ohne sich anmerken zu lassen, wie sehr ihn das traf. Emotionen konnte man eben nicht auf lange Zeit auf ’aus’ schalten, zumindest vermochte er das nicht.
 

„Er hat früher ebenfalls in Luminis gewohnt, aber das dürfte Ihnen ja bekannt sein.“
 

/Bleib ruhig, Rick. Überhaste nichts!/
 

„Gewiss.“ Mit seiner Linken strich Alexandros ihm über die Wange.
 

/Müssen sich meine Nackenhärchen aufstellen? Das bestärkt diesen Kerl doch nur noch mehr! ich muss mich unter Kontrolle halten… irgendwie!/
 

„Du gleichst ja fast schon wieder dem scheuen Rehkitz aus dem Supermarkt. Wo ist denn deine Bissigkeit geblieben?“
 

Spott.
 

Purer Hohn.
 

Aber auch ein klein wenig Enttäuschung.
 

/Die kannst du haben!/
 

„Dann wissen Sie sicher auch, dass er ein Bekannter meines Vaters war!“ Ricks blaue Iriden funkelten.
 

„Wieso ’war’?“
 

Kalt wurde er von seinem Gegenüber angelächelt.
 

„Dass du sofort auf den ersten Hinweis reagierst, hätte ich nicht erwartet“, fuhr Alexandros gelassen fort. „Aber das macht die ganze Sache viel interessanter. Selbst Damon wettete dagegen.“
 

Rick schluckte. Nun konnte er seine Gefühle partout nicht mehr verbergen. Sein Vater war wirklich involviert und wohl der Drahtzieher des Ganzen! Und obendrein ließ er Wetten laufen!?

Das war doch mehr als nur ein Quäntchen zu viel für den Dunkelhaarigen. Er stand auf, doch vergaß dabei völlig, dass er ja noch immer angekettet war und fiel folgenschwer zurück aufs Sofa, denn es tat verflucht weh, als er mit seinem gesamten Gewicht auf seiner Hand, um der die Handschellen lagen, landete. Ungewollt schrie er auf und erntete dazu boshaftes Gelächter. Zornig sah er den Älteren an und wünschte sich noch im selben Augenblick, dies nicht getan zu haben. Er wurde von einem starken Arm gepackt und an einen heißen Körper gedrückt, spürte Lippen an seinem Hals und Finger an seinem Rücken hinabfahren. Das sollte aufhören!... Endlich aufhören!
 

Aber sein innigster Wunsch wurde ihm nicht erfüllt. Die Finger arbeiteten sich zu seiner Hand vor und umschlossen sie.
 

„Hat sich das kleine Reh weh getan?“, hauchte eine raue Stimme diabolisch in sein Ohr.
 

„Sehr witzig“, gab Rick halbherzig zurück.
 

„Ohne Humor wäre das Leben langweilig, findest du nicht auch?“
 

Der warme Atem an seinem Hals reizte Rick nur noch mehr. „Vorausgesetzt, man hat dieselbe Auffassung von Humor!“
 

„Wenn ich dich schon nicht zum Lachen bringen kann, dann ja vielleicht zum Stöhnen.“
 

Alexandros Hand glitt wieder Ricks Rücken auf und ab und mit seinen Lippen benetzte er dessen eines Schlüsselbein.
 

„Dazu ist nur einer in der Lage und das sind gewiss nicht Sie!“ Unter dieser fürchterlichen Nähe klopfte sein Herz wild, aber keineswegs vor Erregung. Seine Kehle fühlte sich ganz trocken an, weshalb er sich krächzen hörte, wofür er sich heimlich verdammte.
 

„Nun“, der Größere richtete sich auf, „irgendwann wirst du schon vor Lust unter meinen Händen stöhnen.“
 

Alexandros ließ einen benommenen jungen Mann zurück, der neben einem Tablett voller Leckereien auf dem Sofa hing und in die Luft starrte.
 

Als Rick wieder allein war, schossen ihm tausend Gedanken durch den Kopf und kein einziger davon ließ sich recht fassen. Wirre Bilder, unkontrollierbare Emotionen, Erinnerungen einem Chaos gleich.

Sich gegen diesen Mann aufzulehnen kostete Kraft und nach jedem Zusammentreffen fühlte er sich völlig erschlagen. Anfangs waren es nur diese befremdeten, widerwärtigen Lippen gewesen, doch nun waren es eher die Worte, die ihm das Mark in den Knochen gefrieren ließen.

Konnte er es verkraften, dass sein Vater scheinbar hinter allem stand?
 


 

Mit großen Schritten eilte Joe zur Kathedrale. Er hatte sich viel länger in seiner Wohnung aufgehalten, als ihm lieb gewesen war, doch die Tatsache, sich mit Steven ausgesprochen zu haben, verzieh ihm das. Steven war wirklich ein guter Mensch und er konnte froh sein, ihn als Stiefvater bekommen zu haben und nicht solch einen arroganten Kerl, der gerade Rick in seinen Fängen hielt. Schon allein der Gedanke an Rick zerriss ihm das Herz, denn er hatte keine Ahnung, wie es ihm erging. In welchem Loch man ihn gefangen hielt oder was man ihm bereits alles angetan hatte oder noch tun würde. Darum musste er sich beeilen. Er musste alles auf eine Karte setzen und dieses verdammte Rätsel lösen. Natürlich hoffte er inständig, dass er keinem Phantom nachjagte, aber irgendeine Bewandtnis musste dieser Hinweis ja haben. Spiele wurden oft gespielt, und auch wenn dieses eines war, er würde als Sieger enden. Er musste als Sieger enden! Er konnte Rick nicht verlieren!

Endlich erstreckte sich die Kirche vor ihm. Hoch ragte ihr Turm in den Himmel und schien die Wolken zu berühren, die in einer gewissen Unstete über ihr entlang zogen. Es war bereits Nachmittag und daher nicht verwunderlich, dass sich viele Menschen an diesem Ort tummelten. Insbesondere Touristen hielten sich hier auf und die verschiedensten Sprachen drangen an Joes Ohren. Aber er drängte sich ein wenig unhöflich zwischen den ganzen Gruppen hindurch, ihm stand gerade nicht der Kopf nach Höflichkeiten oder gesittetem Benehmen. Solange er seine Ellenbogen nicht ausfuhr, würde er schon keine Faust in seinem Gesicht spüren. Mitten in der Kathedrale blieb er abrupt stehen und versuchte sich zu orientieren. Er hatte die Zeichnung genau vor Augen und konnte diese problemlos übertragen. Zielgerichtet lief er zur südlichen Empore. Galant streckte sie ihre Arme über seinen Kopf hinweg.

Jetzt musste er nur noch herausfinden, was es mit “4 Blätter“ auf sich hatte. Schließlich waren dies die einzigen zwei Worte, die er noch in den Kontext zu fügen hatte. Aber was bedeuteten sie? Schon auf den zweiten Blick auf die Empore konnte er Verzierungen oder dergleichen ausschließen, denn zum einen war an ihnen gespart worden, zum anderen zeichneten sich keine Blätter in Form von Blumenblättern oder anderen Gewächsen in dem harten Gestein ab. Doch was konnte es sonst mit den Begriffen auf sich haben? Eine Zahl und ein Wort.

Er dachte lange nach. Stand festen Blickes und mit einer Hand am Kinn da, die Augen unentwegt nach oben gerichtet.
 

Vier…
 

Es gab nichts, was sich viermal wiederholte. Kein Merkmal, das genau viermal auftauchte.
 

Allmählich wurde er unruhig.
 

Er fand partout keinen Zusammenhang; aber es musste ihn doch geben. Irgendwo.
 

/Okay, noch einmal von vorn/, versuchte er sich selbst zu besänftigen. /Die Kathedrale ist der Ort, über deren Spitze die Sonne niemals ragt. Meridies steht für Süden und ich stehe genau an der Stelle, auf die das Wort hinwies. Eine Ziffer und ein Wort…/
 

Laut stieß er seinen Atem aus. Das konnte nicht wahr sein! Nun war er so weit gekommen, nur um festzustellen, dass es überhaupt keine Parallelen gab? Keinen Sinn hinter den weißen Lettern auf dem schwarzen Papier?

Das wollte und konnte er nicht wahrhaben.

Um nicht unbedacht zu werden, begann er, eine Runde in der Kirche zu drehen und sich dabei den Rest der Verzierungen und Kunstwerke einzuverleiben. Vielleicht gab es ja doch irgendetwas, was eine Verbindung herstellen konnte. Während er einen Fuß vor den anderen setzte, stieg die Nervosität in ihm jedoch. Die Stimmen der anderen Besucher schienen tausendmal lauter in seinem Kopf nachzuhallen, als sie in Wirklichkeit waren. Mit der Zeit wuchs in ihm eine Aversion gegen so viele Menschen in einem Raum. Das Kirchenschiff mochte groß sein, die Halle hoch, dennoch verloren sich die Personen nicht in der Weite, stapelten sich vielmehr auf engstem Raum. Bevor er noch in den Wahnsinn getrieben wurde, lief er zurück zur südlichen Empore. Irgendetwas musste es doch geben! Ein winziges Detail, das er übersehen haben musste.

Wenige Meter davor blieb er allerdings so schlagartig stehen, dass er beinahe aufgrund der Trägheit vornüber gekippt wäre. Nun näherte er sich wie in Trance der Stelle, wo etwas hing, was vor ein paar Minuten noch nicht gegenwärtig gewesen war. Immer mehr bekam er das Gefühl, dass mit ihm gespielt wurde und der schwarze Zettel, der unterhalb der Empore in einer Ecke hing, war wohl Beweis genug…
 

Die weißen Buchstaben lösten in seinen Augen förmlich Schmerz aus. Sie wirkten dermaßen grell in dem eher matten Licht der Kirche, dass sie doch auch anderen aufgefallen sein mussten. Aber warum tummelten sich hier keine anderen Personen?

Plötzlich wirbelte Joe herum. Er musste beobachtet worden sein. Beschattet! Warum war ihm keiner aufgefallen? Hätte er das nicht merken müssen?

Konzentriert ließ er seine Augen schweifen, doch in dem Tumult war es wirklich schwer, verdächtige Personen auszumachen. Es hätte keiner und jeder von den Anwesenden sein können. Resigniert, aber achtsam drehte er sich wieder um.

Da hatte er die Korrelation.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  smily
2007-03-27T14:35:55+00:00 27.03.2007 16:35
Musst du an einer so spanender Stelle aufhören? *schmoll*
Das ist nicht fair...
Er freut mich total, dass Joe sich mit seinem Ziehvater ausgesprochen hat! *freu*
Ich freue mich auchschon auf das nächste Kappi!
ciao, ciao
deine smily
Von:  inulin
2007-03-27T11:58:50+00:00 27.03.2007 13:58
Woah... Hast du schon mal daran gedacht einen Krimi zu schreiben? @_@
Du kannst wahnsinnig toll diese Spannung aufbauen die nötig ist den Leser zu fesseln und nicht wieder loszulassen.
WEITER!!! >_<
Ich bin immer wieder überrascht dass ich deine Kapitel so verschlinge...
Ich will wissen was auf dem Zettel steht. Mach schnell weiter ^^


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