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Heilloser Romantiker

von

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Kapitel 46

Kapitel 46
 

Wie konnte er nur diesen Namen vergessen und nicht gleich beim Hören wieder erkannt haben!
 

Serrat…
 

/Aber das würde er niemals tun!/
 

Rick stützte sich mit beiden Händen an den nassen Fliesen ab, bettete seine Stirn alsbald auf sie.
 

/Derart kann ich ihn nicht enttäuscht haben! Das will ich einfach nicht glauben!...

Alles in mir wehrt sich gegen diesen Gedanken…

und das zu Recht… Aber weshalb dann Serrat?...

Nein! Das möchte ich nicht einmal mutmaßen, das geht nicht! Aber kann das wirklich nur ein Zufall sein?/
 

Er zog seine Linke unter seinem Gesicht hervor und drehte den Wasserhahn ganz nach rechts. Sogleich spürte er die eisige Kälte, die über seinen Körper rann und hielt wenig später seinen Kopf darunter. Denn er fühlte lieber seinen Körper erstarren als sein Herz…
 

/Es muss ein Zufall sein!
 

Sonst…
 

… stirbt meine gesamte Vergangenheit…/
 

Aufgrund des Schüttelfrostes, der ihn nach ein paar Minuten bereits befiel, stellte er die Dusche ab und hüllte sich in das Handtuch, das neben dem Waschbecken an der Wand gehangen hatte. Es war weiß und flauschig, ein Luxus, den er gerade weder würdigen noch beachten konnte. Seine bläulichen Lippen bebten und formten immer wieder ein Wort… lautlos… stumm… ungehört…
 

Zufall.
 

Es musste einer sein!
 

Frierend sank er auf den kleinen Teppich vor der Dusche, zog seine Beine fest an sich heran und legte seine Arme um sie. Das Handtuch hielt er fest um sich gewickelt, obgleich er lieber für immer physisch frösteln würde als… einen der schrecklichsten Gedanken auf Erden zu hegen.
 

/Wir hatten doch so schöne Jahre zusammen, von Liebe und Vertrauen geprägt… bis ich dir gesagt habe, dass ich keine Frauen lieben und dir keine wahren Erben schenken kann… Trägst du die Verantwortung für… die Scherben in mir?
 


 

Wie soll ich so was glauben können?
 


 

Wie?/
 

Rick kannte einen gewissen Mann namens Richard Serrat, ein guter Freund seines Vaters, der aus beruflichen Gründen Luminis schon vor Jahren hatte verlassen müssen. Wo er allerdings seine neue Dienststelle angetreten hatte, hatte er nie erfahren und ihn auch bisher nicht interessiert. Selbst wenn der Dunkelhaarige kaum etwas mit ihm zu tun gehabt hatte, hatte er ihn als rechtschaffenen Menschen in Erinnerung, der seine Frau und seine Tochter als sein ein und alles betrachtet hatte und seinen Job sehr ernst nahm. Solch ein Mann konnte mit einem Kerl wie Alexandros keine schmutzigen Machenschaften eingehen! Aber was wusste er schon über ihn? Menschen änderten sich und das nicht unbedingt immer zum Guten. Es war seit seinem Umzug viel Zeit vergangen.
 

/Aber mein eigener Vater?.../
 

Der Gedanke daran war viel zu präsent, als dass ihn Rick einfach wieder verdrängen konnte, so als hätte es ihn nie gegeben. Dass ein mehr oder minder Unbekannter schmierige Deals abschloss, konnte er ertragen, aber nicht, wenn es sich dabei um seinen Vater handeln sollte.
 

„Das hat er nicht getan!... Das kann er nicht getan haben!“
 

Zwei Jahre lang hatte Rick seine Eltern nicht gesehen. Weder gesprochen noch anderweitig kommuniziert. Der Brief, den Joe mitgebracht hatte, war der einzige Kontakt, den er zu ihnen gehabt hatte. Waren die Worte seiner Mutter wirklich nur Heuchlerei gewesen?
 

Allein die Vorstellung war berstender als der Fakt, monatelang nicht miteinander geredet zu haben und geächtet worden zu sein. Seine Kehle fühlte sich ganz rau an; er fühlte sich von den aufkeimenden Bildern erstickt. Bilder, die ihm zeigten, wie sein Vater Alexandros Geld anbot und mit einem Handschütteln das Geschäft zwischen ihnen besiegelte…
 


 

„Ich weiß nicht, wie Sie es geschafft haben, jetzt schon hinein zu dürfen, nachdem wir eigentlich erst um zehn Uhr öffnen, aber verhalten Sie sich bitte ruhig, wie Sie es von einer Bibliothek gewohnt sein dürften“, wies ein älterer Mann mit graumelierten Haaren und in vornehmer Kleidung Joe mürrisch an.

„Danke“, erwiderte der Blonde höflich und trat in den überdimensional großen Raum ein.

Dass er so früh am Morgen überhaupt einen Verantwortlichen angetroffen hatte, hatte ihn schon mehr als überrascht. Aber egal wie sehr ihn sein Anstand und sein Benehmen dazu aufgefordert hatten, diesen nicht weiter zu bedrängen und zu belästigen, obwohl er ihm sichtlich genervt vorgekommen war, hatte die Angst um Rick gewonnen. Er weiß schon gar nicht mehr, wie lange er auf ihn eingeredet hatte, er war sogar schon drauf und dran gewesen, hochkarätig rausgeschmissen zu werden, doch nun stand er hier in der Bibliothek, mehr oder minder allein vor einer Heerschar von Büchern, von denen sicher nur wenige sein Interesse an diesem Tag auf sich ziehen würden.

In der Kathedrale, die bis auf wenige Nachtstunden ihre Pforten immer geöffnet hatte, hatte er erfahren, dass sich alle Urkunden und Informationen in der großen Landesbibliothek befänden, die in Veneawer ihren Sitz hatte. Und keiner der Anwesenden hatte viel über die Geschichte der Kirche gewusst; vermutlich lag es daran, dass es keine Geistlichen gewesen waren. Eigentlich sollte man mehr über die Bauwerke seiner Stadt wissen, doch Joe musste sich leider selbst zu denjenigen zählen, die oft keine Ahnung hatten, welche Berühmtheiten, Architekten und Künstler hinter solchen Bauten steckten, geschweige denn welcher Epoche oder welchem Stil sie zuzuordnen waren.

Etwas verloren streifte er durch die weiten Gänge und sah sich mit einer Reihe von Buchstaben und Zahlen an den Bücherrücken konfrontiert. Oft war er noch nicht hier gewesen, aber er wusste durchaus, dass er nur die Datenbank befragen musste, um den Aufenthalt derjenigen Bücher leicht auszumachen, die er begehrte. Als er vor den vielen Rechnern stand, nickte er verdrossen, da ihr sonstiges Gebrumme der Lüftungen nicht an seine Ohren drang. Auf gut Glück schaltete er einen der Computer ein und hoffte, ohne irgendwelche Passwörter ins Menu der Bibliothek zu kommen. Es schien ewig zu dauern, bis der Rechner sich dazu herabließ, vollständig zu booten, doch als er genau die Seite aufleuchten sah, die er brauchte, fiel ihm eine kleine Last von den Schultern. Er machte es sich auf dem eigentlich eher ungemütlichen Stuhl bequem, zumindest so gut es eben ging, und gab zwei Suchbegriffe ein:
 

Kathedrale + Süden.
 

Die Ergebnisliste bestand aus einer Unmenge von Büchern. Die Trefferzahl von 2371 holte die Last zurück, die er eben von sich geworfen hatte. Er musste seine Eingabe eindeutig weiter spezifizieren, aber wusste er denn viel mehr? Wie konnte man eine Suche verfeinern, von der man keine Ahnung hatte, in welche Richtung sie führen würde? Oberflächlich ging er die erste Seite der ellenlangen Liste durch und ihm fiel auf, dass auch zahlreiche Romane und Kurzgeschichten aufgezeigt wurden, die gewiss keinen Aufschluss über sein Begehren gaben. Daher ergänzte er seine Eingabe um zwei weitere Worte:
 

Fachliteratur + Kunstgeschichte.
 

Die Trefferzahl verringerte sich enorm. Doch über 200 Werke erschienen ihm immer noch als zu viele. Er fügte einen weiteren Begriff hinzu, den er von vornherein hätte angeben sollen:
 

Veneawer.
 

Schließlich stand die Kathedrale ja in dieser Stadt. Und Ricks Entführer würde wohl kaum eine andere Kirche meinen. Dessen konnte er sich zwar nicht wirklich sicher sein, aber die Zahl elf war ihm irgendwie freundlich gesonnen. Er notierte sich die entsprechenden Nummern auf einen Zettel, die großzügig verteilt neben den Monitoren lagen. Während er aufstand, versuchte er sich bereits in dem großen Raum, der schon mehr ein Saal war als einfach nur ein Zimmer, zu orientieren. Die Bibliothek an sich war ein Teil eines sehr noblen, antiken Gebäudes. Nach dem Krieg war der zerstörte Teil wieder aufgebaut worden, wobei man sich bemüht hatte, exakt die Form von einst wieder zu erlangen. Und wenn man das Bauwerk von außen mit alten Skizzen verglich, dann konnte man mit Recht behaupten, dass es den Architekten sehr gut gelungen war. Die eindeutige Betonung der Horizontalen, die korrekte Säulenanordnung im Eingangsbereich und die vielen Gesetzmäßigkeiten und Symmetrien ließen sofort auf den Beginn der Renaissance schließen, was das Nachbauen vielleicht ein wenig erleichtert hatte, denn auf Ornamente oder andere aufwendige Verzierungen war weitgehend verzichtet worden.

Mit wachsamem Blick lief Joe durch die langen Gänge und musste bald den ganzen Saal durchqueren, bis er vor den Werken stand, die alle dieselben Anfangsbuchstaben auf ihrem Rücken trugen: RLK. Bereits zu Beginn der vier übereinander stehenden Bücherreihen fand Joe die ersten zwei Bücher seiner Liste und der Rest bis auf eines lagen auch bald auf seinen Armen. Aufgrund des enormen Gewichtes der Bücher stöhnte er leise auf und manövrierte sie zu einem der Tische, die in der Mitte des Saals standen. Anschließend schlug er wahllos eines auf und begann darin zu lesen.
 

Umso mehr Zeit dabei verstrich, umso mehr realisierte er, wie erledigt er war. Seine grünen Iriden flogen über die kleingedruckten Zeilen, aber sein Gehirn nahm kaum noch wahr, was er da eigentlich sah respektive las. Bis jetzt hatte er sich zwei Notizen gemacht, doch die Informationen in den Büchern konnten bisher keine rechte Euphorie in ihm hervorrufen. Er wusste nun, dass ein gewisser Mann namens Francesco Boca hinter dem Bau der Kathedrale steckte, sie zweimal durch Kämpfe in Mitleidenschaft gezogen worden war und sie nach dem bautechnischen Höhepunkt der Gotik errichtet worden war und wohl darum etwas der eindrucksvollen Gestaltung entsagte und von ein wenig mehr Schlichtheit geprägt war. Vielleicht konnte sie nicht gegen die bis ins kleinste Detail ausgetüftelten Kirchen der Gotik ankommen, aber ihre Anmut und Stärke, die sie dennoch ausstrahlte, sprachen unantastbar für ihre Existenz.

Aber was konnte Joe mit dem Begriff Süden in Verbindung bringen? Weder Boca stammte aus dem Süden noch irgendeine andere Information wies auf irgendwas Brauchbares hin. Joes Lider zuckten und er hatte in der Tat Mühe, sie weiterhin offen zu halten. Zu viel Kunstgeschichte auf einmal konnte ab und an abkömmlich wirken und hinzukommende Müdigkeit erschwerte das Lesen zusätzlich ungemein. Als Joe nur noch die Schwere in seinem Kopf fühlte, sank er mit diesem auf den Tisch, eine Hand dabei auf dem Buch, das aufgeschlagen halb vor halb unter ihm lag. Er durfte nicht ins Land der Träume entschwinden und diesen Fakt rief er sich alle paar Sekunden ins Gedächtnis. Als er seiner eigenen mahnenden Stimme überdrüssig wurde, stützte er seinen Kopf mit einer Hand ab und blickte durch halb geöffnete Augen entnervt auf die Bücher. Sein Körper verlangte nach Ruhe und Schlaf, doch er konnte sie ihm nicht geben, selbst wenn er keine Lust mehr hatte, sich durch Jahreszahlen und fremde Namen zu kämpfen. Es näherten sich Schritte, was er nur am Rande wahrnahm und die sich obendrein wieder entfernten. Er brauchte nicht auf die Uhr zu sehen, um zu wissen, dass es nun nach zehn Uhr sein musste und die ersten offiziellen Besucher die Bibliothek belagerten. Aufgrund seiner immer geringer werdenden Motivation, obgleich sie vorhanden sein sollte, blätterte er einfach nur noch die Seiten um, ohne sie näher zu betrachten.
 

Eine laute Melodie ließ ihn plötzlich hochfahren und böse Blicke von allen Seiten her ernten. Er griff nach seinem Handy und nahm den Anruf sofort an, nicht um am Ende doch noch aus der Bibliothek rausgeschmissen zu werden.

„Hallo“, flüsterte er und hoffte, dass der Mann, der ihn vorhin hereingelassen hatte nicht mit wütendem Gesicht irgendwoher auftauchte.

„Sag’ mal, wo steckst du denn? Ich stehe hier vor deiner Wohnung und dachte, dich hier anzutreffen.“

„Ich bin in der Landesbibliothek“, erwiderte Joe leise. „Warum erkläre ich dir später. Unternimmt die Polizei etwas?“

Joe hörte Steven laut ins Telefon atmen. „Sie hat keinerlei Fingerabdrücke außer deinen gefunden, wie ich es vermutet hatte. Aber sie hat den Fall aufgenommen und übernimmt ab jetzt das Handeln. Das heißt für dich ab nun keine Einmischung und kein unbedachtes Vorgehen mehr!“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung wurde zunehmend schärfer. „Ich erwarte dich in einer halben Stunde zurück!“
 

Es klickte und Joe hielt noch immer sein Handy am Ohr. Er wohnte nicht mehr zuhause, hatte sein eigenes Leben und musste sich im Ernst anhören, was er zu tun und zu lassen hatte? Vermutlich hatte er eine Seite an Steven zum Vorschein gebracht, die er ansonsten gut unterdrücken konnte. Aber er war nicht in der Stimmung, sich Vorschriften machen zu lassen. Es ging hier um seinen Freund und den ließ er nicht im Stich, egal was andere von ihm verlangten! Ärgerlich steckte er sein Handy wieder ein und stützte seine Ellenbogen auf dem Tisch ab, fuhr sich anschließend mit beiden Händen durchs Haar und ließ sie am Hinterkopf liegen. Er seufzte. Dass er nun auch noch in einem Gewissenskonflikt steckte, erfreute ihn selbstverständlicherweise rein gar nicht. Einerseits konnte er die selbständige Suche nach Rick nicht einfach aufgeben, andererseits wollte er eine Versöhnung mit seinem Vater. Was war ihm wichtiger? – Der dunkelhaarige, junge Mann, mit dem man anrüchige Dinge tun konnte, natürlich. Verdammt, wie er diesen Menschen vermisste! Die vor Leidenschaft sprudelnden Küsse, die neckische Zunge, selbst wenn man sie oft nicht in einem solchen Ausmaß erwartete, und auch alles andere an und von ihm. Rick konnte man doch nichts als vermissen, oder?
 

/Ich bin halb verrückt vor Sorge um dich… Und diese dummen Bücher hier helfen mir auch nicht weiter!/
 

Joe nahm eine Hand von seinem Kopf weg und stieß eines der Werke achtlos beiseite. Währenddessen streifte sein Blick das aufgeschlagene Buch, in dem er kurz vorher noch wild herumgeblättert hatte.
 

/Was bringen mir Namen und geschichtliche Daten, wenn sie in keinem Zusammenhang zu den Begriffen stehen, die er mir als eine Bürde, die ich kaum tragen kann, auferlegte? Und dann soll ich auch noch heimkehren und dort tatenlos, nervös und unausgeglichen darauf warten, dass mich eine Nachricht der Polizei erreicht?

In meinem Zustand kann ich nicht mit Steven reden, denn außer lauter unausgegorener Sätze würde nichts über meine Lippen dringen und damit würde ich ihn nur noch mehr von mir distanzieren…

Es ist wie ein Teufelskreis. Wenn ich ihm Folge leiste, dann werde ich ihn am Ende nur wieder anschreien und denken, dich im Stich zu lassen, und wenn ich es aber nicht tue, dann wird er mich für stur, engstirnig und gedankenlos halten, wobei ich im Gegenzug vielleicht etwas für dich tun könnte…/
 

Die Hand wanderte zurück an seinen Hinterkopf.
 

/Egal, für was ich mich entscheide, ich werde ihm nicht gerecht werden…

Also kann ich mich getrost um dich kümmern, findest du nicht auch? Rick, du wirst mir doch vergeben, dass ich es mir gerade mit meinem Vater verscherze,… du wirst das doch verstehen…?

Von all dem Gefühlschaos kann man nur krank werden!/
 

Ruckartig stand Joe auf und lief einmal um den Pulk Tische, ignorierte dabei gekonnt die erneuten bösen Blicke, die ihm zuteil wurden. Als er wieder bei seinem Platz angekommen war, ließ er sich immer noch mit sich hadernd wieder auf dem Stuhl nieder, der ziemlich warm war. Die Hitze in seinem Körper schien sowieso mit jedem Zeigerschlag zuzunehmen und er fühlte bereits die ersten Schweißperlen auf seiner Haut. Er fühlte sich ausgelaugt und völlig erschöpft und doch arbeitete sein System anscheinend auf Hochtouren. Waren es all die Emotionen, die er nicht verkraftete und gegen die sich sein Körper nun wehrte?

Vielleicht sollte er doch erst einmal zu Steven gehen, das bedeutete ja schließlich nicht, dass er nicht danach wieder hierher zurückkehren könne. Er schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief ein und aus, spürte wie sich sein Herzschlag allmählich wieder ein wenig beruhigte. Langsam hob er seine Lider wieder an und fühlte, wie die innere Ruhe Stück für Stück zurückkam. Er wusste, dass er sowohl geistig als auch körperlich überlastet war, und darum beschloss er, in der Tat kurz zu Steven zu gehen.

Mit beiden Händen stapelte er die Bücher zu seiner Rechten und schlug dasjenige zu, in dem er kurz zuvor noch wild herumgeblättert hatte. Er legte es auf die anderen, bettete sie alle zusammen auf seine Unterarme und begab sich in den Gang, woher er sie entnommen hatte. Gerade als er das erste Buch zurück ins Regal stellen wollte, blieb ihm die Luft weg und ging gedanklich zu der Stelle zurück, wo er das Buch zusammengeklappt hatte…
 


 

Immer detailreicher spann sich in Ricks Kopf eine Geschichte zusammen, die dadurch für ihn an Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft gewann. Wie viel Wahrheitsgehalt sie aber tatsächlich innehatte, stand noch in den Sternen.

Bisher hatte er sich noch nicht wieder vom kleinen Teppich vor der Dusche auf bemüht, denn warum sollte er auch? Es schien in seinem Leben nichts mehr zu geben, was ihn dazu veranlassen könnte. Die Person, die er brauchte und über alles ersehnte, war ihm genommen worden und der Mensch, der ihm einst ebenso viel bedeutet hatte, war vermutlich der Grund für diese seine Misere. Das kleine Organ in seiner Brust schlug und schlug, kämpfte gegen sein Schicksal an, und tat dies vermutlich vergebens. Für was denn all diese Mühe und Anstrengung, wenn man am Ende nur noch weiter in die Erde gestampft wurde? Das Leben konnte wirklich komisch sein. Vor allem dann, wenn man eh schon am Boden lag, kamen neue Facetten ans Licht, die man lieber niemals erfahren hätte; die besser im Schatten ihrer selbst geblieben wären. Dort, wo sie keiner sah und wo sie keinen Schaden anrichten konnten.

Unbewusst schüttelte Rick sein Haupt. Er wollte das alles nicht glauben, was sich in seinen Gedanken auftat, und doch glaubte er immer fester daran. Umso mehr er darüber sinnierte, desto bestimmter waren die Bilder, die er vor sich sah. Sie kamen bald schon einem Erlebnis seiner jüngsten Vergangenheit gleich, obwohl er keinerlei Beweise hatte. War es denn grotesk zu glauben, dass der eigene Vater einen Kerl wie Alexandros auf ihn gehetzt hatte, um ihn der Männerliebe abtrünnig zu machen? Um ihm zu zeigen, wie ekelhaft es sein konnte, einen Mann zu küssen oder gar zu befriedigen?

Grell lachte er auf. Die Hysterie, die sich stetig in ihm ausbreitete, war nicht mehr zu überhören. Er vernahm seine eigenen schrillen Laute und doch konnte er sie nicht mehr abstellen. Dazu konnte also ein Mensch fähig sein, wenn man an seiner Weltanschauung rüttelte! Und dass man dabei der eigene Sohn war, spielte wohl keine Rolle. Warum gab es auch Worte wie ’Toleranz’ oder ’Entgegenkommen’, wenn man auch prächtig ohne sie auskam!?
 

Irgendwann verstummte der dunkelhaarige junge Mann und streckte alle viere von sich. Das Handtuch fiel ihm dabei von den Schultern und entblößte ihn vollkommen. Anstatt sich wieder warm zu verpacken – von einem warmen Badezimmer konnte man nicht gerade sprechen -, starrte er nur an sich herab. Seine ganze Erscheinung war erbärmlich, sein ganzes Befinden war beschämend. Hatte er denn wirklich vor, sich einfach mir nichts dir nichts aufzugeben, nur weil er mir nichts dir nichts von Joe getrennt worden war? Irgendwie hatte dieser Gedanke nichts für sich, entbehrte jedweder Attraktivität und jedwedem Glanz; zeugte einfach nicht von starkem Willen oder hartnäckigem Widerstand. Und selbst wenn er von seinem eigenen Vater hintergangen worden war, dann hatte er noch lange nicht das Recht, sich einfach aller Hoffnung zu entziehen und seinem Leben hier und jetzt Adieu zu sagen. Wenn man nicht für die guten Dinge im Leben kämpfte, dann lohnte es sich doch gar nicht erst zu leben. Denn wie könnte man sonst all die positiven Seiten schätzen ohne das Negative erfahren und überstanden zu haben!? Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt und solange noch irgendwo tief in Ricks Innerem ein kleiner Funken glomm, würde er sein Herz weiter schlagen hören wollen!
 

/Joe hatte mit allem Recht, was er gesagt hatte. Ich dachte immer nur daran, wie andere auf mich reagieren könnten, und habe mich dabei selbst außen vor gelassen. Schließlich ist es doch mein Leben und ich entscheide, was ich tue! Solange ich damit zufrieden bin, reicht das! Und außerdem weiß ich, dass Joe hinter mir steht, und das ist doch ein Grund, gegen all das hier anzugehen!

Auch Olivier und dieser Kerl, selbst mein Vater sind nur Menschen und Menschen begehen bekanntermaßen Fehler. Und sobald ihnen einer unterläuft, werde ich präsent sein… und dann werden wir schon sehen, wer am Ende lacht!/



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2007-03-25T19:22:04+00:00 25.03.2007 21:22
Boah bin erst gestern auf diese schnuckelig rieeesige Ff gestoßen und ich finds einfach nur genial!! Ich bleib auf jeden Fall dran und warte auf n neues geniales Pitel!!!

Hau rein und mach weiter so!! *thumps up*

greetz Morri ^^
Von:  inulin
2007-03-23T19:08:00+00:00 23.03.2007 20:08
Yeah! So will ich Rick sehen. Das ist die richtige Einstellung.
Aber ich mag mir gar nicht vorstellen, dass es solche Eltern geben soll. Das würde Rick ja völlig fertig machen, wenn sich seine Vermutung bestätigt... -_-
Ich find des immer wieder klasse, wie du das erst beschreibst, wie aussichtslos die Situation eigentlich ist, die beiden aber - aus welchem Grund auch immer - doch wieder Hoffnung schöpfen. So wie Joe jetzt in der Bib. Nen Zehner für seine Gedanken...
Mach weiter so.
So... und jez auf zu WadN *murmel*
Von:  smily
2007-03-23T14:38:04+00:00 23.03.2007 15:38
Jaaa! ein neues Kappi! Ich hab mich total gefreut!
Du hast es wieder mal geschafft eine total angespannte und sehr glaubwürdige Stimmung zu erschaffen!
Die Idee, die Rick in den Kopf gekommen ist, ist doch schwaschsinnig. Ich meine so etwas würde doch kein Vater seinem Sohn antun!!!! oder?
Hach, ich bin gespannt was es mit dem Rätsel auf sich hat.
^^ Wir schreiben uns noch! ^^
ciao, ciao
smily


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