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Heilloser Romantiker

von

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Kapitel 7

Kapitel 7
 

/Ihm zu sagen, ich würde mich bezüglich der Annonce freuen, war verflucht schwierig… er hat mir das tatsächlich abgekauft… aber ich kann ihm deshalb nicht böse sein, denn ICH bin derjenige, der ihm seit Jahren was vorspielt… Warum müssen einen Gefühle dermaßen verletzen!?/
 

Ein Blick auf die Uhr genügte, um Rick nicht aus seiner Lethargie bewegen zu können. Die Nacht über war er mehrmals aufgewacht, hatte sich bei jedem einzigen Mal vergewissern müssen, dass Joe nicht doch vielleicht am Ende seines Bettes ruhte. Bei jedem verdammten Male hatte er still in sich hinein gelächelt in Spott seiner selbst. Er war sich einfach so dumm und naiv vorgekommen zu glauben, der Mann, für den sein Herz schlug, läge bei ihm. Wäre extra für ihn zurückgekehrt und…
 

/… hätte wie ein Schutzengel über mich gewacht… so wie gestern… Warum kann das nicht immer so sein? Warum ist mir solch ein Glück nicht gegönnt?... Stattdessen darf ich mich hiermit quälen…/
 

Mit seinem rechten Zeigefinger stupste Rick die Computermaus an, deren Zeiger auf dem Button ’Outlook’ gelegen hatte. Seit geraumer Zeit saß er vor seinem Rechner und konnte sich nicht überwinden, nach Mails zu schauen. Natürlich hatte er Joe weisgemacht, er sei Feuer und Flamme diesbezüglich, doch ein einziger Blick in sein Herz bewies das pure Gegenteil.
 

/Kannst du mir bitte mal verraten, warum du mich ’niedlich’ nanntest?... Wenn ich nur an deinen Gesichtsausdruck dabei denke, der so unendlich warmherzig war, überkommt mich ein wohliger Schauer, der zugleich völlig unangenehm ist… Diese Zwiespältigkeit zerreißt mich…/
 

Lustlos suchte sich Rick ein Spiel auf dem Computer aus, schob ohne jedwede Konzentration Karten hin und her und seufzte laut auf, als ein dickes Minus auf dem unteren Rand des Bildschirms prangte. In seinem Zustand konnte man selbstverständlicherweise kein Spiel gewinnen, denn dazu dürften die Blicke nicht alle zwei Sekunden in die Ferne schweifen.
 

/Nicht einmal so einfache Dinge wie Solitär wollen mir mehr gelingen… ein Wort… ein einziges Wort hat mich derart durcheinander gebracht… umso mehr ich daran denke, umso absurder kommt es mir vor… solche Attribute waren dir immer fremd… Was hat dich nur dazu bewogen?/
 

Es war vollkommen gleichgültig, mit was sich Rick abzulenken versuchte, nichts würde auch nur im Entferntesten nützen. Darum ließ er sich in seinem Stuhl zurücksinken und das Meeresblau hinter seinen Lidern verbergen.

Die Uhr an der Wand tickte. Jedes Ticken klang in seinen Ohren wie ein Hammer, der auf harten Stahl geschlagen wurde, dessen Echo schwer im Kopf nachhallte.

Er würde so vieles über sich ergehen lassen, wenn doch nur einer begreifen würde, was er brauchte. Dieser eine war dabei kein beliebiger, nein, gewiss nicht. Doch wie sollte er Gefühle bei jemandem hervorrufen, der das andere Geschlecht liebt? - Es war einfach aussichtslos.

Und doch… war da zum Beispiel dieses eine kleine Wörtchen…
 

/Ein Wort! – Was sagt das schon?/
 

… und die Situation auf dem Küchenboden…
 

/Ein Blick! – Was bedeutet der schon?/
 

… und der Fakt, dass er die halbe Nacht auf Ruck aufgepasst hatte.
 

/Eine Nacht! – Aus Liebe?/
 

Elf Glockenschläge drangen dumpf in Ricks Wohnung und fügten sich ins mitunter verhasste Ticken der Wanduhr ein.
 

/Ich bin ein hoffnungsloser Fall… tzzz und möchte dennoch nicht aufgeben. Keine Ahnung, woraus ich noch Kraft schöpfen soll,…/
 

’Haben Sie nur Mut, dann wird sich ihr Leben von allein in die

richtigen Bahnen lenken.’
 

/Wie gewinne ich Mut? Wo ich doch niemanden außer ihn habe…/
 

’Nur wenn Sie sich selbst lieben…’
 

/Mich?... Es ist wahr, ich habe noch mich… Bin ich denn mein Leben wirklich so leid… dass ich nicht einmal mehr aus mir heraus Kraft schöpfen kann…?/
 

Das Rauschen des Windes gesellte sich zu den hammerartigen Schlägen in Ricks Kopf. Seine Hände verkrallten sich mittlerweile in der schwarzen Jeans, deren Knöchel weiß schimmerten. Quälend strichen die Minuten dahin und vergaben seine Zweifel nicht.
 

/Vielleicht sollte ich… wirklich nach vorne sehen… ein weiteres Mal… vergessen, was geschah…/
 

Erneut vergessen. Erneut hinter sich lassen… Rick wusste nicht recht, ob er das konnte. Wenn Joe anwesend war, konnte er es. Zumindest in der Hinsicht, alles vor den letzten zwei Jahren ruhen zu lassen. Nur durch Joe hatte er sich der Vergangenheit entledigen können.

War er aber dazu in der Lage, etwas zu verdrängen, das einzig und allein mit Joe zu tun hatte?

Rick atmete schwer. Sein Brustkorb hob und senkte sich, verbarg das kleine Organ, das hart arbeitete. Die Spannung in seinem Körper brachte ihn zum erzittern.

War es möglich, schon wieder Lebewohl zu Erinnerungen zu sagen? Und insbesondere zu solchen, die nicht einmal im Entferntesten die Vergangenheit verkörperten?
 

Plötzlich sank Rick in sich zusammen, zog die Beine nah an seinen Oberkörper und umschlang sie mit seinen Armen. Halbherzig schlug er die Augen auf und sah durch einen nebligen Schleier zum Fenster hinaus.
 

/Ich muss!... Wenn ich mir den Hauch einer Chance erkämpfen möchte…/
 

Ein Funke neuer Hoffnung glimmte in seinen Augen und ließ ihn unbewusst in die Küche schreiten. Als er den Ofen vor sich sah, schüttelte er die träge Lethargie so gut es ging ab und begann ein kleines Mahl zuzubereiten.
 

Nur noch der Tisch gehörte gedeckt und Rick wuselte geschäftig hin und her, als es klingelte. Das Geräusch ließ ihn für einen Augenblick in allem innehalten, wovon ihm fast ein Topf heruntergefallen wäre; doch er verdrängte sogleich jedweden traurigen Gedanken wieder.

Lange ausatmend begab er sich zur Haustür und nahm mit einem Lächeln seinen Freund in Empfang, der postwendend an ihm vorbeistürmte.

„Mein Magen knurrt schon seit einer Stunde, aber ich wollte viel Hunger mitbringen, da ich weiß, wie köstlich du kochen kannst.“

„Woher willst du wissen, dass ich das habe?“

„Oh, da fühlt sich der Herr Koch gekränkt. Tschuldige.“

Joe fiel auf die Knie und nahm eine von Ricks Händen in seine.

„Seid gegrüßt, mein werter Magenfüller. Verzeiht mir, dass ich Euch so ungestüm überfallen habe.“

Lauthals begann Rick zu lachen. Joes Hundeblick sag aber auch zu göttlich aus.

„Erhebt Euch und gesellt Euch zu mir an den Tisch.“

„Mit dem reinsten Vergnügen.“

„Ach, da habe ich wohl eine Nichtigkeit vergessen zu erwähnen. Hofnarren sind fürs Decken verantwortlich.“

„Eyy, so was blödes.“

„Eure Worte geziemen sich nicht.“

„Deine schadenfrohe Miene aber auch nicht.“

„Ihr fallt in Ungnade. Wollt ihr etwa Hungern als Strafe in Kauf nehmen?“

Joe streckte die Zunge raus und seufzte ein ’Ich mach ja schon’ in sich hinein.

„So ist´s recht, werter Hofnarr.“

„Nun ist es wieder gut, ja?“

„Warum begleitet Euch so viel Unmut?“

„Ri-ick!“

Beseelt schmeckte der Kleinere die Tomatensoße ab, versah sie noch mit ein paar frischen Kräutern und stellte sie anschließend auf den Tisch.

„Aua!“

„Wartest du, bis die Nudeln gar sind?“

„Na gut, wenn es sein muss, aber-“

„Ja ja, dein Magen.“

„Stimmt genau“, grinste Joe.

„Typisch.“

„Ach Rick?“

Die unerwartet ernste Tonlage gefiel dem Dunkelhaarigen überhaupt nicht.

„Ja?“, erwiderte er zart.

„Ich möchte dir noch mal herzlich für den Mantel danken.“

Innerlich fiel Rick ein zentnerschwerer Stein vom Herzen, eine Last, die er nur ungern mich sich herumgetragen hätte.

„Nicht der Rede wert.“
 

/Schließlich bereite ich die gerne eine Freude, schon allein aus dem Grund, ein Lächeln auf deine weichen Lippen zu zaubern./
 

„Es war wirklich eine liebe Geste von dir.“

„Essen wir!“

Rick versuchte die Ernsthaftigkeit im Raum zu überspielen, denn er wollte nicht schon wieder Gefühle zulassen, die ihn am Ende womöglich in die Pedrouille brachten.

„Na, das lass ich mir garantiert kein zweites Mal sagen!“

Joe konnte sich gar nicht genug auf den Teller bauen und aß mit Begeisterung.

„Alscho dasch isch wirglisch legger.“

„Mit vollem Mund spricht man nicht.“

„Aber wenn es doch so gut ist.“

„Du übertreibst.“

„Nein.“

„Doch.“

„Rick, es ist in der Tat vorzüglich.“

Ein sanfter Rotschimmer zierte nun Ricks Gesichtszüge.

„Danke für die Lorbeeren.“

„Die ich mit Recht verteile.“

„Solange ich sie bekomme.“

Der Kleinere ließ die Gabel fallen und schaute besorgt zu Joe. Hatte er das eben laut gesagt?

Der Blonde blickte lediglich verwirrt zurück.

„Was ist los?“

„Oh, alles okay.“
 

/Zum Glück hast du nicht verstanden, welche Bedeutung in meinen Worten lag!/
 

„Du wirst von Tag zu Tag undurchsichtiger.“ Ein verschmitztes Grinsen lag nun auf Joes Lippen. „Kann es sein, dass dich diese Anzeige so durcheinander bringt, weil du glaubst, dass du schon bald deinem Zukünftigen begegnest?“

Rick lächelte schwach zurück. Musste Joe denn immer solch unpassende Bemerkungen von sich geben? Er kämpfte um seinen Vorsatz, das Geschehene hinter sich zu lassen.

„Blondschopf, iss!“

„Masch isch ja!“

„Und halte den Mund.“

„Isch-“

„Psssst!“

Joe begnügte sich im Folgenden tatsächlich damit, seine Aufmerksamkeit nur noch dem Essen zu widmen. Ebenfalls schweigend saß Rick da, doch anstatt zu essen beobachtete er lieber heimlich seinen Freund. Die grünen Seen funkelten in ihren sanften Kratern. Die Haare leuchteten im wenigen Licht, das zum Fenster hereinfiel. Doch vor allem die Lippen taten es dem Kleineren an, die vor seinen Augen sinnlich über das Metall des Bestecks glitten.

Rick wurde beim Anblick ganz heiß und musste zwangsweise die Lider senken, damit ihm die Schmach einer Erektion vor Joe erspart blieb.

„Hast du etwa keinen Hunger?“

Die warme Stimme erschreckte Rick und er verschluckte sich. Hustend wand er sich vom Tisch ab und fühlte eine Hand auf seinen Rücken klopfen.

„Danke.“

„Also, isst du das hier noch?“ Joe wies auf Ricks Teller, wobei dieser nur den Kopf schüttelte.

„Dann her damit!“

Fahrig fuhr sich der Kleinere durchs Haar, besah sich den essenden jungen Mann, der ihm all das Gefühlschaos bereitete.

„Du scheinst nicht genug zu bekommen.“

„Von deinem Essen nie!“

„…“

„Wie? Schon alles weg?“ Joe spähte noch einmal in alle Töpfe. „Mh schade, doch eigentlich bin ich ja satt.“

Zufrieden lehnte er sich zurück und rieb sich den Bauch.

„Wo gehst du denn hin?“

Irritiert blickte er Rick nach.

„Mails schauen.“

„Wahh, das habe ich bei all den Leckereien total vergessen“, rief er und kippte fast vom Stuhl.

Dieses Mal starrte der Kleinere den Computer nicht teilnahmslos an, sondern drückte sofort den Button, der ihm zu ’Mission 2’ verhelfen sollte. In seinem Verstand aber flogen die Fetzen, denn einerseits sträubten sich seine Gefühle für Joe vor diesem Teil des Plans, andererseits sah er keinen anderen Weg als ihn zu bestreiten.

„Gleich sieben Mails!“, sagte Joe verblüfft hinter Rick und holte den Kleineren damit in die Realität zurück.

„Sieben?“

Ungläubig betrachtete er sieben einzeln dunkel unterlegte Textzeilen.

„Öffne mal die hier.“ Der Größere deutete auf die unterste. „’Ich versüße dir deine Träume’ klingt doch für dich, mein kleiner Romantiker, genau richtig!“
 

/Wenn du das ’mein’ auch so meinen würdest…/
 

Rick drückte die linke Maustaste und ein Satz erschien vor seinen Augen:
 

’Mit meiner Zunge werde ich dir Stellen zeigen, von deren Existenz du nichts wusstest!’
 

„So ein Idiot!“

Es war Joe, der sich aufregte. Rick saß nur still da und fragte sich, ob er von nun an nur mit solch Schweinereien konfrontiert werden würde.

„Die Zeitung galt als seriös. Ich fasse es nicht, dass die solche Mails weiterleiten.“

„Lass es gut sein, beschweren hilft auch nicht.“

„Aber so was ist doch der letzte Mist!“

„Wärst du so gütig und schreist mir nicht ins Ohr?“

„Tschuldigung, aber-“

„Nichts aber. Mund halten und weiter lesen!“

Es war das zweite Mal innerhalb einer Stunde, dass Rick seinen Freund anwies, still zu sein. Normalerweise war das nicht seine Art, doch irgendwie konnte er momentan nicht ertragen, wenn sich Joe zu viel einmischte. Klar, er tat dies alles durch ihn und für ihn, aber das gab ihm nicht das Recht, ständig unnötige Kommentare loszulassen.
 

/Ob der guten Absicht möchte ich nichts davon hören…/
 

Die nächste Mail klang nicht viel besser, was Joe erzürnte. Aber ein Blick auf Rick genügte, dass er nicht wieder laut wurde. Die stille Enttäuschung auf dem Gesicht des Dunkelhaarigen ließ Joe dazu verleiten, einen Arm um ihn zu legen.

„Hey, lass die Penner doch. Ich mache dir einen Vorschlag: ich schaue die restlichen Mails durch und du spülst derweil ab.“

Rick runzelte die Stirn und wusste nicht, ob er weinen oder lachen sollte.

„Ich mache dir einen: Du gehst in die Küche!“

So hatte sich Joe das nicht vorgestellt, nickte dann aber.

„Lass dich nicht entmutigen“, hauchte er in Ricks Ohr.
 

/Wenn du mir so nah bist, dann sind mir solche Mails egal, aber das verstehst du nicht. Sollen diese unromantischen Seelen doch schreiben, was sie wollen./

Rick horchte auf das Geklapper des Geschirrs und wünschte sich, dass er einfach in die Küche gehen und seine Arme um Joes Körper schlingen könnte. Das Gesicht tief in seiner Halsbeuge vergraben und genießerisch die Wärme und den Duft wahrnehmen…



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