Die Ästhetik der Lücke
Autor: roterKater
In der westlichen Kunst und Kultur (bleiben wir mal hauptsächlich bei Film und Comic) sind die Werke in der Regel auf Homogenität hin ausgerichtet. Das heißt, alles ist mehr oder weniger aus einem Guss. Die einzelnen Elemente passen möglichst nahtlos zusammen. Man versucht einen Eindruck von stilistischer und inhaltlicher Ganzheitlichkeit zu vermitteln. Bei Film wäre ein Beispiel, dass ma CGI-Effekte in Holywoodfilmen versucht, möglichst so aussehen zu lassen wie die fotografischen Filmparts, damit alles gleich echt (oder unecht) wirkt. Es gibt ein ganzes kompliziertes Theoriesystem über Schnitttechnik, das darauf abzielt, dass man die einzelnen Schnitte zwischen den Einstellungen beim Film nicht bemerkt.
Bei Comics heißt das in erster Linie, dass die Zeichnungen einheitlich bleiben. Vorder- und Hintergrund werden in etwa derselben Detailverliebtheit und Zeichentechnik umgesetzt, seien es hpyerdetaillierte moderne Superheldencomics, fotorealistische frankobelgische Abenteuercomics, einfach gehaltene Cartoons oder betont krakelige Kunstcomics. Alles ist möglichst in sich geschlossen und homogen gehalten und soll im besten Fall auch noch dem Inhalt entsprechen. Bei Animationsfilmen sieht man das häufig genauso. Der Stil ist in der Regel sehr einheitlich. Es gibt selten Elemente, die betont verschieden aussehend umgesetzt werden.
Ich denke, in Japan geht man da gerne andere Wege. Ein berühmtes Beispiel ist das Missverhältnis zwischen Hintergrund- und Figurendarstellung in den meisten Manga und Anime. Während die Hintergründe oft extrem detailreich und realistisch gehalten sind, werden die Figuren viel stilisierter und einfacher umgesetzt. Man hält die Figuren auch betont flach, das heißt meist ohne Schattierungen und Schraffuren (besonders in den Gesichtern), während die Hintergründe in den meisten Fällen dann sehr kleinteilig ausgearbeitet werden. Dieses Prinzip ist prägend für die Ästhetik von Manga und Anime und hilft dabei, die Figuren aus ihrem Umfeld quasi "hervorspringen" zu lassen. Sie stechen optisch aus der visuellen Darstellung heraus und sind durch die Verminderung der Details auch viel leichter mental zu verarbeiten, wodurch sie oft auch emotional stärker wirken. Gleichzeitig gibt der Hintergrund dermaßen viel realistische Information, dass es die Glaubwürdigkeit der Handlung stark unterstützt, ein sehr lebendiges "Feeling" für den Handlungsraum gibt und damit eine extrem fesselnde Atmosphäre erzeugt.
(Beispielseite aus "Onward Towards Our Noble Deaths", Shigeru Mizuki 1973, englische Ausgabe bei
Drawn & Quarterly, 2011. Karikierte, einfach gehaltene Figuren stehen in extremem Kontrast zu
hyperdetailliert gezeichneten Landschaften.)
Es gibt also etwas wie ein Lücke in der Darstellung von Figuren und Hintergründen. Beides folgt unterschiedlichen Prinzipien. Zwischen Figuren und Hintergrund besteht eine Diskontinuität. Beides passt eigentlich nicht zusammen. Im westlichen Comics würde man higegen, wenn man beispielsweise den Hintergrund detailliert schraffiert, dasselbe auch mit den Figuren machen, um diese Lücke zu vermeiden. Alles soll einheitlich wirken.
Der Trick bei Manga und Anime besteht nun aber darin, diese Lücke einerseits ästhetisch aufrecht zu erhalten, aber andererseits alles über die Umsetzung und Narration wieder so zusammenzubinden, dass die Diskontinuitäten nicht stören. Das funktioniert über Glaubhaftigkeit. Wenn die detailarmen Figuren mit ihren detaillierten Hintergründen glaubhalt interagieren, wird man dadurch überzeugt, dass das alles so zusammengehört. Die Story ist dafür besonders wichtig. Wenn man einmal in den Erzählfluss, in die narrative Welt eingetaucht ist, geht man beim Lesen oder Anschauen auch die Diskontinuitäten mit. Alles wirkt so, als gehöre es zusammen, und gleichzeitig können die Einzelelemente ihre individuellen Stärken ausspielen.
Es gibt noch mehr Bereiche, in denen diese Lücken auftauchen. Ich zähl mal ein paar auf:
- Körperliche Diskontinuität:
Damit sind zum Beispiel Metamotphosen gemeint. In Disney-Filmen sind Gestaltenveränderungen der Figuren seit Bambi weitestgehend verpöhnt (nennenswerte Ausnahme: der Djinn aus "Aladdin", der das aber auch nur aus einer narrativen Rechtfertigung heraus darf). Und dann schaut euch mal im Vergleich dazu "Das wandelnde Schloss" an, wo wirklich jede handlungstragende Figur irgendwelche Metamorphosen durchmacht. Metamorphosen sind besonders in Anime ein gern gesehenes Stilmittel, aber auch in vielen Manga, von "Homunculus" bis "Naruto" mit seinen unzähligen Verwandlungstechniken.
Zu körperlichen Diskontinuitäten gehören auch die zahlreichen Genderbender-Geschichten, in denen die sozialen Grenzen von Geschlechtern ins Wanken geraten und oftmals überschritten werden, wahrscheinlich am radikalsten in "After School Nightmare" oder auch in vielen Geschichten aus dem Boyslove-Bereich.
Ein weiterer Punkt wären Chibis, als der Wechsel zwischen verschiedenen körperlichen Darstellungsformen von eher realistisch bis extrem verformt und verniedlicht. Anders als bei den Metamorphosen finden diese körperlichen Veränderungen nicht auch auf der Ebene der Narration statt, sondern nur auf der Ebene der Zeichnungen. Dieselbe Figur in verschiedenen Darstellungsformen zu zeichnen, ohne dass sie sich auch in der Handlung verwandelt, ist eine Sache, die in Manga und Anime so alltäglich ist wie Schnee auf dem Berg Fuji, aber ihr findet so was eigentlich nie in westlichem Zeichentrick und Comic.
Neben den Zeichnungen gibt es auch noch diverse narrative Arten von Lücken:
- Diskontinuität der Genres:
Auch ein sehr verbreiteter Punkt - verschiedenste Genres werden für einen Manga wild zusammengewürfelt, in "Vassalord" beispielsweise Vampire, Cyborgs, Boyslove, Horror, Moe, Mystery und weiß der Geier was noch alles. Wilde Genre-Mixe sind sehr typisch für Manga und Anime, auch die Verbinsung von "klassischen" Genres wie Samuraigeschichten mit modernen Genres wie Horror, Fantasy oder Comedy sind sehr beliebt.
- kulturelle Diskontinuität:
Sei es das fiktive Pseudoeuropa in vielen Miyazaki-Filmen oder sinnentleerten Bibelverweise aus "Neon Genesis Evengelion" - viele Manga und Anime suchen sich ihre kulturellen Bezüge auf der ganzen Welt zusammen, ohne diese ihrer Heimatkulturen gemessen authentisch wiederzugeben. Wichtig ist nur, ob es als Story und Setting in sich selbst Sinn macht und nicht, ob es die Wirklichkeit originalgetreu darstellt.
- zeitliche Diskontinuität:
Dazu zählen vor allem die unzähligen Zeitreisegeschichten von "Das Mädchen, das durch die Zeit sprang" über "Das Mädchen mit dem Zauberhaar" zu "Die Melancholie der Haruhi Suzumiya", die längst nicht alle in den Bereich Science Fiction fallen. Aber auch die schamlose Verknüpfung verschiedenster Zeitepochen in einer Geschichte sind ein Punkt. "Gin Tama" zum Beispiel mischt das historische Setting Japans kurz nach der Landesöffnung Mitte der 19. Jahrhunderts mit modernen kulturellen Gegenwartsbezügen und futuristischer Science Fiction, in der Aliens anstelle von Ausländern auftauchen. "Gin Tama" spielt also gleichzeitig in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Hip-Hop-Elemente in "Samurai Champloo", der sich ja auch einen Spaß aus seinen eigentlich unvereinbaren Zeitbezügen macht, sind ein weiteres Beispiel. (An dieser Stelle sollte man auch auf den Potential für äasthetische Lücken in diversen Anime-Soundtracks hinweisen.)
räumliche Diskontinuität:
Hier ist es nicht die zeitliche Verknüpfung, die gestört ist, sondern die räumliche ergibt keinen realweltichen, "logischen" Sinn. Wer mal den "xxxHolic"-Movie gesehen hat, weiß wie das aussieht. Dazu gehören aber auch Traum- und Visionsszenen, zum Beispiel in "Akira" oder die Kampsszenen in "Haruhi Suzumiya" und "X/1999".
Die Liste lässt sich noch beliebig erweitern, aber ich will euch nicht unnötig langweilen. Der Trick ist in jedem Fall, dass sich diese Lücken in der Erzählung wieder aufheben, ohne dass sie dabei verschwinden, dass die Geschichten als gleichzeitig (visuell oder narrativ) fragmentiert sind, aber dann doch wieder einen einheitlichen Sinn ergeben. Die aberwitzige Konstruktion der Zeitreisestory in "Das Mädchen, das durch die Zeit sprang" ist ein schönes Beispiel, die trotz der ständigen Zeitsprünge eine kontinuierlich spannende Erzählung bildet, oder Mamoru Hosodas neuer Film "Summer Wars", in dem die so verschiedenen Welten der modernen Internetkultur und der traditionellen japanischen Großfamilie immer weiter zusammengeführt werden, bis sie ineinander aufgehen.
Wenn ihr mal auf diese Lücken achtet, werdet ihr sie in Manga und Anime immer wieder finden (und auch japanischen Videospielen - die Final-Fantasy-Reihe ist ja auch sehr Zeitreise-anfällig). Mal noch ein Beispiel zurVerdeutlichung: "Gon". Zeitliche Diskontinuität: Ein seit 65 Millionen Jahren ausgestorbener Dinosaurier trifft auch Tiere und Naturräume der Gegenwart, in denen aber kein menschlicher Einfluss auszumachen ist. Körperliche Diskontinuität: Gon ist ein T-Rex, das größte Raubtier aller Zeiten, aber nich mal einen Meter groß. Zudem ist er irgendwie unzerstörbar. Die Tiere erscheinen allesamt in hyperrealistisch detaillierter Umsetzung, tragen aber deutlich anthropomorphe Gesichtsausdrücke und Handlungsweisen. Räumliche Diskontinuität: Gon taucht in jeder Geschichte auf einem anderen Bereich der Erde auf, ohne dass geklärt wird, wie er eigentlich dahin kommt.
Letztendlich ist das auch ein Punkt, an dem sich westliche Manga immer noch sehr leicht von japanischen unterscheiden lassen. Mal abgesehen von den Chibis finden sich diese Lücken nämlich so gut wie nie in westlichen Eigenproduktionen. Irgendwie sind wir hier kulturell zu sehr in die ästhetische Homogenität hereingewachsen, dass wir uns wirklich trauen, Elemente bewusst miteinander in Kontrast stehen zu lassen und immer wieder nach Einheitlichkeit, sowohl in der visuellen Darstellung, also auch in der Erzählung streben. Vielleicht kann eine Bewusstmachung dieser Lücken ja da neue Perpektiven aufmachen, was man mit Comics eigentlich alles noch so anstellen kann.
Und wenn ihr Lust habt, könnt ihr ja hier noch ein paar Lücken aufzählen, die euch aufgefallen sind. Ich sammel nämlich schon mal vorsorglich für meine BA-Arbeit. ^_^'
Das werd ich wohl in nächster Zeit mal ein bisschen genauer beobachten, ob die Unterschiede wirklich so stark sind.
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Ich muss außerdem deinen Behauptungen, dass Detalgrad in Vorder- und Hintergrund homogen sind, entschieden widersprechen, ich wage sogar zu behaupten, dass der Bruch in westlchen Comics genau andersrum läuft: Ein detailarmer Hintergrund dient nur als Rahmen für die detailreichen Protagonisten und handlungsrelevanten Objekte, die widerum sehr detailiert ausgeführt sind.
Auch ist der Aspekt mit den Metamorphosen bei dir fernab der Realität, kein Held aus dem Marvel-Universum hat nicht im Laufe seiner Bände mehrfach Aussehen geändert, manchmal kehrten kamen durch einschneidende Ereignisse sogar noch ganz andere Charakterzüge zum Vorschein. Daraus ergab sich dann immer auch Zwischenabschnitte in den Veröffentlichungen, in den die Protagonisten gänzlich anders betrachtet werden.
Es stimmt zwar, dass es in wesentlichen Veröffentlichungen keine Banalisierung der Änderung stattfindet, aber es gibt oft genug auch häufige Wandlungen. Als Beispiel sei jeder Augenblick zu nennen, in dem ein Superheld in seine Alltagsrolle wechselt, oder wieder zum Superhelden wird. Weitere Beispiele sind in Wandlungen zu finden, wenn Superhelden korrumpiert werden und fern ihrer eigenen Sinne handeln, besonders wenn diese Korruption temporär ist und er unwissentlich sich selbst als Feind jagd.
> Deine Bemerkung in allen Ehren, aber so einseitig wie du das geschrieben hast, kann man das nicht stehen lassen. Du sprichst hier westlichen Comics beinah jedwede Ästhetik ab.
Erstmal rede ich hier von Tendenzen, nicht von Ausschließlichkeiten. Zweitens spreche ich westlichen Comics keine Ästhetik ab, sondern den Hang zur ästhetischen Lücke. Das ist ein gewaltiger Unterschied.
> Ich muss außerdem deinen Behauptungen, dass Detalgrad in Vorder- und Hintergrund homogen sind, entschieden widersprechen, ich wage sogar zu behaupten, dass der Bruch in westlchen Comics genau andersrum läuft: Ein detailarmer Hintergrund dient nur als Rahmen für die detailreichen Protagonisten und handlungsrelevanten Objekte, die widerum sehr detailiert ausgeführt sind.
Beispiele bitte. Ich hab ja wirklich 'ne Menge Comics hier, von Moebius über Jhonen Vasquez bis Frank Miller und Jim Lee, aber so etwas findet sich fast nirgends. Der einzige US-Comic, den ich kenne, der extrem mit Diskontinuitäten spielt, ist David Macks "Kabuki", aber erstens ist der eh in jeder Hinsicht ein Sonderfall, und zum anderen beschäftigt er sich sehr, sehr intensiv mit japanischen Ästhetiken.
> Auch ist der Aspekt mit den Metamorphosen bei dir fernab der Realität, kein Held aus dem Marvel-Universum hat nicht im Laufe seiner Bände mehrfach Aussehen geändert, manchmal kehrten kamen durch einschneidende Ereignisse sogar noch ganz andere Charakterzüge zum Vorschein.
> Es stimmt zwar, dass es in wesentlichen Veröffentlichungen keine Banalisierung der Änderung stattfindet, aber es gibt oft genug auch häufige Wandlungen. Als Beispiel sei jeder Augenblick zu nennen, in dem ein Superheld in seine Alltagsrolle wechselt, oder wieder zum Superhelden wird.
Mit "Aussehen verändern" meine ich aber nicht "Kostüm wechseln". Nirgends siehst du den Unterschied so deutlich, wenn du amerikanische oder japanische Superheldenfiguren vergleichst. Ein Clarke Kent oder Peter Parker muss den ganzen Tag das Kostüm unter der Kleidung tragen und bei anstehendem Identitätswechsel schnell eine Telefonzelle oder einen anderen unbemerkten Ort aussuchen, wo er sich erst mal in Ruhe umziehen kann. Ein Magical Girl hingegen schwingt den Zauberstab und macht dann tatsächlich eine Verwandlung durch (beziehungsweise die Kleidung). Die einen brauchen ein logisch-rationales Fundament für eine Änderung des Aussehens, bei den anderen kann es einfachso passieren. Das sind zwei völlig verschiedene Prizipien, eine Gestaltveränderung zu inszenieren. Bei westlichen Comics ist eine Verwandlung fast immer dem Primat des Rationalismus geschuldet. In Japan sind sie oft Selbstverständlichkeiten in sich selbst. Nimm "Pom Poko" als Beispiel, oder "Spirited Away".
Klar gibt es dazu - wie immer - Ausnahmen (den Hulk zum Beispiel), aber die sind keineswegs dominant. Und natürlich sind Metamorphosen kein rein japanisches Prinzip, aber die Art so etwas anzugehen erscheint mir doch als etwas tendenziell völlig anderes.
Oder hier: http://twitter.com/Demon_Zeparu
Aber ich muss sagen, ich finde das, was du da geschrieben hast, wirklich interessant
So direkt ist mir das bisher nie aufgefallen (ich beschäftige mich allerdings auch nicht wirklich mit Comics, ich kenne nur ein paar Filme)
Zählt da vielleicht auch dazu, dass Charaktere aus Anime manchmal "wissen", dass sie erfunden sind?
Ich weiß nicht ganz, wie ich das ausdrücken soll...
Also, solche Figuren halten sich und die Welt ja immer für real
Aber in einem Pokemonfilm zB meint Team Rocket mal, dass ihr Spruch so lang ist, damit sie die geforderte Filmlänge erreichen (oder so ähnlich)
Und auch in Manga habe ich schon Dinge gelesen wie "das machen wir jetzt für die Leser"
Bei Spiderman zB habe ich so etwas ähnliches noch nicht gesehen, gibt es das bei westlichen Comics auch?
Was mir noch einfällt, ist Bakuman
Da werden Mangabände von anderen Serien gezeigt, diese also als fiktiv abgetan, während in eben diesen Manga die Charas keinen Anschein machen, dass sie wissen, dass sie für fiktiv gehalten werden
In GetBackers befinden sich die Hauptpersonen in einem Museum, in dem ein Bild von Rave hängt
Die Serien werden also vermischt, aber nur in eine Richtung
Wenn Spiderman aber zB gegen Wolverine kämpft, dann kämpft auch Wolverine gegen Spiderman, da sind also beide Parteien gleichermaßen dabei... versteht man ungefähr, wie ich das meine?^^°
Auch da weiß ich natürlich wieder nicht, ob das in anderen US Werken nicht ganz anders läuft
Than to just exist
A hand and no fist
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Das gibt es natürlich nicht nur in Japan. Winsor McCay hatte in seinen Zeitungscomics Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche solcher Spielereien, in denen die Figuren zum Beispiel vor lauter Hunger anfangen, die Panelränder zu essen. In "Krazy Kat" wurde das auch ständig gemacht. Das hat dann wiederum Osamu Tezuka für seine frühen manga aufgegriffen. In "Astro Boy" findest du das auch noch ständig, wenn zum Beispiel Prof. Ochanomizu mit seiner Nase ständig mit den Panelrändern kollidiert.
Solche selbstreflexiven Spielereien mit dem Medium finden sich in westlichen Comics aber fast nur noch in formalistisch geprägten Avantgarde-Comics wie den großartigen Acquefacques-Comics von Marc-Antoine Mathieu (dt. bei Reprodukt), da dann allerdings noch sehr viel ausgiebiger und innovativer als die wie selbstverständlich eingestreuten Gags in vielen Manga. Komischerweise sind Manga ja selten formalistisch, also die Form definiert fast nie den Inhalt. Auf solche Stil- und Erzählbrüche wird also nicht extra hingewiesen, sie passieren wie ganz natürlich und fügen sich somit wieder nahtlos in die Erzählung ein, auch wenn sie eigentlich nicht reinpassen.
In Superhelden-Comics wäre so was aber weitestgehend unmöglich, da hast du absolut recht. Es gibt wohl kein Comicgenre, das derart auf Kontinuität fixiert ist wie der amerikanische Superhelden-Kosmos der großen Verlagshäuser. Alle Superheldenserien müssen dort möglichst widerspruchslos im selben Universum existieren. Will man davon abweichen, braucht man neue odewr alternative Universen, in denen dann wiederum die Kontinuität gewahrt bleiben muss. Da bleibt kein Platz für die Toleranz solcher Lücken. Natürlich führt so viel Kontinuität auch irgendwann zum kompletten Chaos. Deswegen hat DC ja jetzt auch den Schlussstrich unter sein Universum gezogen und macht im Herbst carte blanche: Alle Serien fangen wieder bei Null an. Enden wird es allerdings nur wieder in einem neuen Kontinuitätsmonster. Naja, wir werden sehen.
Oder hier: http://twitter.com/Demon_Zeparu
Aber ich glaube, ich habe mal aufgeschnappt, dass sie Spiderman wieder von vorne filmen wollen oder so, das hängt dann damit wohl zusammen
Jedenfalls finde ich das Thema gerade wirklich ziemlich spannend^^
Zu körperlichen Diskontinuitäten werden dann wohl auch die Catboys und ähnliches zählen, wie die Protagonisten aus +Anima und ähnlichem, oder?
Wobei das in gewissem Maße ja wieder bei Westlern vorhanden ist, besonders, wenn ich mir X Men ansehe
Aber da gibt es auch immer erst einmal einen Haufen Erklärungen, warum der Mensch jetzt tierische Merkmale aufweist und warum nicht
In +Anima oder Loveless hingegen wird es einfach als Selbstverständlichkeit angenommen, dass einige eben Katzenohren oder Fischschwänze haben und andere nicht (wenn ich +Anima jetzt noch richtig im Kopf habe, ist Jahre her, dass ich es gelesen habe)
Was mir auch aufgefallen ist, ist dieser extreme Szenensprung in japanischen Produktionen
Es gibt eine wilde Verfolgungsjagd, laute Musik und im nächsten Moment liegt der Held auf einer weißen Fläche und es ist entweder totenstill oder leise, sanfte Musik läuft
Das kommt oft einfach nur total plötzlich und wirklich aufgefallen ist mir so etwas noch nicht bei westlichen Filmen
Das ist auch der Grund, weswegen mein Paps sich zB Final Fantasy nicht ansehen konnte, er hat einfach keinen Sinn in den Szenenwechseln gesehen (und ich gebe zu, mich selbst verwirrt so etwas auch manchmal)
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Der Unterschied zwischen Figuren und Hintergrund in Mangas wird durch die Arbeit der Assistenten natürlich noch verstärkt. Wenn ein US-amerikanischer Penciler alles selbst zeichnet, ist das insgesamt natürlich homogener. (angenommen, er achtet nicht bewusst auf eine solche Lücke)
> [...] Und auch in Manga habe ich schon Dinge gelesen wie "das machen wir jetzt für die Leser"
>Bei Spiderman zB habe ich so etwas ähnliches noch nicht gesehen, gibt es das bei westlichen Comics auch?
An dieser Stelle möchte ich ein kurzes "Deadpool!" einwerfen.
>In +Anima oder Loveless hingegen wird es einfach als Selbstverständlichkeit angenommen, dass einige eben Katzenohren oder Fischschwänze haben und andere nicht (wenn ich +Anima jetzt noch richtig im Kopf habe, ist Jahre her, dass ich es gelesen habe)
Bei +Anima wird es erklärt.
>Aber ich glaube, ich habe mal aufgeschnappt, dass sie Spiderman wieder von vorne filmen wollen oder so, das hängt dann damit wohl zusammen
Spider-Man ist von Marvel. :)
> Ach, dass DC das plant, wusste ich gar nicht
> Aber ich glaube, ich habe mal aufgeschnappt, dass sie Spiderman wieder von vorne filmen wollen oder so, das hängt dann damit wohl zusammen
Nee, Spiderman ist ja Marvel. ^^
Bei den Marvel-Comics haben sie ja zwei Universen, einmal das normale und dann die Ultimate-Variante. Da gibt es jetzt auch einen neuen Spiderman, der ist interessanterweise schwarz. Damit das geht, musste aber erst mal der alte Spiderman, Peter Parker, sterben, damit Platz für einen neuen ist. In Japan hätten die sich um so was keinen Kopf gemacht. Einfach neuen Comic machen, Hautfarbe ändern, fertig. ^^
> Zu körperlichen Diskontinuitäten werden dann wohl auch die Catboys und ähnliches zählen, wie die Protagonisten aus +Anima und ähnlichem, oder?
Also Mischwesen selbst und Monster gibt's ja durchaus auch im Westen. Dann käme es schon auf die Art der Inszenierung an. Du hast ja ein paar gute Beispiele gegeben. Wenn die Existenz solcher Wesen quasi selbstverständlich in unserer Alltagswelt stattfindet (wie bei "Loveless") und nicht erst durch irgendwelche Genexperimente erklärt werden muss, würde ich schon sagen, das fällt darunter. In "Pom Poko" wird das ja auch sehr interessant verknüpft.
> Was mir auch aufgefallen ist, ist dieser extreme Szenensprung in japanischen Produktionen
> Es gibt eine wilde Verfolgungsjagd, laute Musik und im nächsten Moment liegt der Held auf einer weißen Fläche und es ist entweder totenstill oder leise, sanfte Musik läuft
Ja stimmt, das gibt es aucxh sehr häufig in Anime, diese total harten Wechsel zwischen Lärm und Stille, zwischen Dynamik und Ruhe. Im "Akira"-Anime ist das ja sehr deutlich. Allgemein alternieren viele Anime ja gerne zwischen Bewegungsexzess und totaler Ruhe. Ganz deutlich sieht man das bei den Filmen von Mamoru Oshii, insbesondere in "Sky Crawlers", aber auch in den "Ghost in the Shell"-Filmen.
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Ich muss das echt nochmal lesen^^°
(meine jetzt +Anima)
Und man merkt wohl, wie wenig Ahnung ich habe... Marvel und DC, ich dachte, das wäre irgendwie dasselbe oo
Than to just exist
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Bei dem Thema Zeichentrick z.B. Dort ist es eigentlich seit je her eine gewisse Diskontinuität enthalten. So sind Hintergründe nahezu immer recht aufwändig gestaltet, während die Figuren Platt sind. In dem Falle ist es im Westen oft sogar extremer, da auch auf Celshading verzichtet wird und die Figuren daurch noch weniger Plastizität haben. Was allerdings die anderen erwähnten Diskontinuitäten angeht, so treffen die auf jeden Fall zu. besonders Körperliche Diskontinuitäten sind heutzutage selten zu sehen.
Die Ästhetik der Lücke bei Comics ist im Westen wohl am häufigsten in Slapstick-Comics zu finden. Als Beispiel fällt mir "Clever und Smart" ein. Hier sind körperliche, zeitliche, räumliche und die Diskontinuität des Genres zu finden.
Bei Fred Clever z.B. wird zwar erklärt, dass er sich verkleiden kann, aber dieser Prozess erfolgt von einem Panel zum nächsten, ohne dass dazwischen Zeit verstichen wäre. Außerdem sind seine Kostüme extrem absurd. So hat er z.B. ein Authentisches Elefantenkostüm, wo vorne aus dem Rüssel sein Kopf rausguckt.
Die Geschichten machen oft gewaltige zeitliche Sprünge. So verliert z.B. eine Person wegen Clever und Smart die Nerven. im Nächsten Panel sieht man ihn beim Irrenarzt, während in dem drauffolgenden Panel wieder an der eigentlichen Geschichte angeschlossen wird.
Clever und Smart müssen gegen die unterschiedlichsten Gegner antreten. So wechseln sich Verbrecher, feindliche Agenten, Geister, Monster und Aliens ab, wodurch meistens auch die entsprechenden Klischees abgeklopft werden.
Allgemein ist es auch dort so, dass ein zugefügter Schaden, in der nächsten Sekunde schon wieder weg sein kann. (Person verbrennt, aber zwei Panels weiter ist sie wieder unversehrt)
Doujinshi
Schaut ruhig mal vorbei.^^
> Körperliche Diskontinuität:
> In Disney-Filmen sind Gestaltenveränderungen der Figuren seit Bambi weitestgehend verpöhnt (nennenswerte Ausnahme: der Djinn aus "Aladdin", der das aber auch nur aus einer narrativen Rechtfertigung heraus darf).
Da muss ich als Disneyfan aber widersprechen - das Motiv der Verwandlung oder Gestaltänderung kommt dort ziemlich oft vor:
- König der Löwen: Simba wird erwachsen (man sieht ihn in drei Stadien)
- Arielle: Arielle wird mehrfach zum Menschen und zur Meerjungfrau, Ursula verwandelt sich in Vanessa; die Krabbe Sebastian sieht übrigens ganz anders aus als die Krabben, die vom Koch verarbeitet werden; im zweiten Film sieht Arielle wesentlich erwachsener aus und Melody wechselt auch mehrfach die Spezies; der Hai wird geschrumpft
- Die Schöne & das Biest: das Biest wird zum Menschen
- Küss den Frosch: Prinz Naveen und Tiana werden zu Fröschen, Lorenz verwandelt sich in Naveen
- Lilo & Stitch: Stitch verändert sein Aussehen mehrfach (versteckt zB seine Arme und seine Antenne)
- Dörnröschen: Auroras Kleid wechselt die Farbe, als sie hypnotisiert wird, verliert sie den Glanz in den Augen und ihre Haut wird aschfahl; Malefiz wird zum Drachen; die Feen verlieren ihre Flügel und sehen aus wie normale Menschen
- Pocahontas: die Darstellung von Pocahontas und John ändert sich von flächiger Zeichnung zu Schraffuren während des Liedes "Farbenspiel des Winds"; bei Pocahontas 2 sehen alle Menschen bis auf die meisten Indianer sowie John Smith und John Rolf aus wie Karikaturen
- Rapunzel: man sieht Gothel diskontinuierlich in unterschiedlichen Altersstadien; Flynns Nase ist ein Running Gag
- Cinderella 3: Anastasia verwandelt sich in Cinderella, ihre Füße werden verändert
- Alice im Wunderland: sie wird mehrfach unterschiedlich groß
- Verwünscht: Giselle und weitere Figuren wechseln vom Medium Zeichentrick zur realen Welt
- Die Hexe und der Zauberer: die beiden und arthus wechseln mehrfach die gestalt
- Ein Königreich für ein Lama: Kuzko wird zum Lama
- Bärenbrüder: kenai wird zum Bären
- beim Goofy-Film verwandelt sich Max in seinen Vater
Bie Disney ist es auch nicht immer einfach Epoche und Land zu bestimmen … bei uns in der D-Princess-Comm flammen deswegen immer wieder Diskussionen auf.
Nicht-Disney-Filme / Serien:
- Die Schwanenprinzessin wird in einen Schwan verwandelt, die Hexe in Odette, John Bob vesucht über 3 Filme hinweg ein Mensch zu werden
- Anastasia: Rasputin nimmt verschiedene Gestalten an
- Barbie: Barbie (bzw. ihr Alter Ego) verwandeln sich auch oft … in Meerjungfrauen, mit und ohne Flügel, die Kleider ändern sich wie von Magie etc.
- beim Nussknackerprinzen verwandeln sich Menschen in Puppen und umgekehrt
Was Genderbender und Chibis betrifft, fallen mir keine Beispiele ein - allenfalls bei westlichen Serien, dass es auch davon "Baby-Versionen" gibt. Bei Asterix gab es die Maestria, die sehr burschikos wirkte, weil sie Hosen trug. Es gab dann auch Legionärinnen.
Beim Herrn der Ringe Zeichentrick wechseln der Hintergrund und die Figuren sehr oft ihre Art. Mal sieht es aus als hätte man Fotos coloriert, dann gibt es wieder Szenen, die nur aus Bleistiftstrichen zu bestehen scheinen, andere sehen aus wie mit dem PC gemacht.
Bei den Mickey Mouse Comics wechselt der Hintergrund sehr oft die Farbe… man sieht dann Dagobert mit Donal sprechen und mal ist die "Wand" des Zimmers im Hintergrund rot, dann wieder ist sie gelb. Bei Asterix ist mir aufgefallen, dass Cäsar unterschiedlich dargestellt wird.
> Während die Hintergründe oft extrem detailreich und realistisch gehalten sind, werden die Figuren viel stilisierter und einfacher umgesetzt. Man hält die Figuren auch betont flach, das heißt meist ohne Schattierungen und Schraffuren (besonders in den Gesichtern), während die Hintergründe in den meisten Fällen dann sehr kleinteilig ausgearbeitet werden.
Aber ist das nicht bei allen Disneyfilmen so? Die Hintergründe sind super detailliert und teilweise extrem realistisch, inklusive Schattenwurf und Lichtspielen. Die Figuren aber sind immer sehr flächig gemalt, oft haben sie nicht einmal einen Schatten, von Highlights in den Haaren ganz zu schweigen.
Bei den Garfield wird gern mal mit der Form des Panels gespielt. Wenn Garfield besonders fett ist, biegt sich der Panelrand xD
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Jetzt zu Mangas & Anime:
bei Körperlicher Diskontinuität fällt mir auf jeden Fall VGAI ein, die sehr feminin sein sollte … aber weil Yota einen kaputten Videorekorder hatte und sich das ganze mit einer Männerwerbung vermischte, schwanden ihre kurven und ihr Charakter veränderte sich ebenfalls ins männliche :D Also könnte man es auch eine charakterliche Lücke nennen? ^^° Es gibt ja etliche Formen, wo Charaktere, wenn sie einen wichtigen Schritt machen, ihre Haare Schneiden (Video Girl Ai; Vitamin; Skip Beat)
Und wie ist das mit der Veränderung der Schrift oder Schriftart? Das gibt es ja auch manchmal … das bei bestimmten Leuten das Gesprochene anders aussieht (bei Soul Eater).
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