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Poets 26

Wenn Martini bei einem Literaturwettbewerb mitmacht...
von

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Kein Entrinnen

Legende: /Dinge, die eigentlich Kursiv sein sollten/
 

.:Kein Entrinnen:.
 

/"Was einst war, wird schon bald sein und die Zukunft ist schon längst vergangen.

Wahret die Schlüssel der Erinnerung in eurem Herzen.

In Ewigkeit."/
 

Sanfte, melodische Worte.

So beruhigend und verlockend zugleich.

Wer war es, der da sprach? Was war ihre Bedeutung?
 

Layla wusste es nicht. Ihre Augen schienen wie im Schlummer, so unendlich tief blickten sie in eine unbekannte Ferne. Wie Smaragde funkelten sie in der grauen Düsternis unter dem düsteren Blätterdach, huschten über den Boden. Kein bestimmtes Ziel, nur weg. Weg aus diesem Wald, weg von diesem Dorf, dorthin, wo man frei war.

Sie rannte so schnell sie konnte und doch war es nicht genug. Das lästige Unterholz verlangsamte ihren Schritt, die Äste der eng aneinander stehenden Kiefern schlugen ihr ins Gesicht und rissen an ihrem Umhang.

Sie beachtete das alles nicht, ignorierte den scharfen Schmerz, wenn der zügige Wind heimtückisch über die offenen Kratzer strich, ignorierte das heftige Pochen ihres rastlosen Herzens und das unerträgliche Ziehen in ihren Muskeln.
 

Warum rannte sie?

Nur um des Rennens selbst?

Nein, dafür war der Schweiß auf ihrer Stirn zu kalt.

War es ein Spiel?
 

Für JENE schon, ein kleines, gemeines und verdorbenes Spiel, das endlich die Monotonie des eigenen Lebens durchbrechen würde und so einem perfekt half, sich selbst zu belügen, über das Elend hinwegzusehen, dass einen selbst jeden Tag willkommen hieß. Ach, könnte man dem doch nur entfliehen, sei es nur für einen Moment und wenn man dafür jemand anderen ins Verderben stürzte. Was machte das denn schon, wenn man nicht selbst betroffen war?
 

Layla war, als könnte sie ihre Schreie hören, von irrationaler Raserei und Lynchjustiz durchtränkt.

/Fangt die Hexe!/

Ja, Hexe, so hatten SIE sie genannt und es war zweifellos noch die schmeichelhafteste der Bezeichnungen. Teufelsweib, Succubus, Monster, falsche Schlange. Sie hätte noch endlos so fortfahren können, doch kreisten die Gedanken der Flüchtenden immer wieder um dieselbe Frage: /Warum?/
 

Weil sie anders aussah, sie, mit ihren wallenden roten Haaren und den sanften grünen Augen?

Weil sie an die Natur glaubte, in die sie geboren wurde und dieses nutzen wollte um anderen zu helfen?
 

Nein, sie ritt nicht des Nachts auf einem Besen umher, Kinder raubend, um sich anschließend ihr Fleisch in einem Kräutersud zu kochen und ihr Blut zu trinken, um ihre jugendliche Erscheinung zu behalten. Nein, ihr sprang kein rotes Mäuschen aus dem Mund, wenn sie in den vielfältigen Landschaften der Träume versank. Ihre Seele war nicht schwarz, sie besaß nirgends ein Brandzeichen, das sie als Satans Dienerin kennzeichnete.
 

Warum verstanden sie nicht?

Sie hatte es nicht getan, sie war unschuldig.

Es waren die Wölfe, sie hatten den Jungen zerrissen.

Sie würden auch Layla reißen, sofern die Dorfbewohner ihnen nicht zuvorkamen.

Sie konnte sie hören, ganz sicher.

Ein dumpfer Wirrwarr aus Lauten, die kaum noch als menschliche zu identifizieren waren.

Was fühlten sie, was dachten sie auf ihrer ungeheuerlichen Jagd?

War es nur die prickelnde Aufregung, eine undefinierbare Ekstase allein bei der Vorstellung von fließendem Blut. Wie wunderschön sah es doch aus, wenn es langsam und bedächtig auf die staubige Straße tropfte, das triste Grau mit exquisitem Burgunder-rot belebte und friedlich im schein der Sonne glänzte, die gütig auf jeden herab schien, ganz gleich welchen Standes, welchen Geschlechts er war.

Sie machte keine Unterschiede.

Und doch, war in diesem Geistes lähmenden Rausch nicht irgendwo das Schluchzen einer Frau zu hören, einer einfachen Frau wie auch sie es war, egal was man Gegenteiliges von ihr behauptete.

Trauerte sie um ihr verlorenes Kind?

Auch wenn Laylas Tod den Bauernjungen nicht wieder zurück bringen konnte, so wäre sie nur zu gern gestorben, um das Leid der Kindsmutter zu lindern. Für jene und nur jene allein, trotz ihrer Unschuld, trotz der Tatsache, dass sie ihn nicht getötet hatte.
 

Aber nicht für diejenigen die hinter ihr her waren, diese sensationssüchtigen Häscher, denen es genügt alles zu glauben und nichts zu wissen.

Sie würden sie finden.

Sie würden sie töten.

Und nie wieder würde der Wald ein Ort der Ruhe sein, ein Ort der Zuflucht. Vorbei die Zeit, als sie noch im Schatten der Bäume liegen konnte und die milde Kühle genoss.
 

Ein Knurren hinter ihr, ein kurzes Bellen erklang.

Aber sie würde sich nicht umdrehen.

Sie durfte sich nicht umdrehen.

/Nach vorne Layla, immer nach vorne. Lass die Vergangenheit hinter dir, egal was dich verfolgen mag./

Aber das musste sie auch nicht, um zu wissen, was hinter ihr lag.
 

Das beständiges Rascheln, untersetzt durch dezentes Hecheln, bestätigte ihre Vermutung.

Wie hatte ER es nur wagen können? Wie hatte Er nur seinen Hund auf sie hetzen können? Hatte sie dieses Tier doch schon gekannt, als es noch ein Welpe war, ja, die junge Frau hatte es nahezu groß gezogen. William, der niedliche Mischling mit dem struppig-wuschligen, schwarzen Fell, den treuen, goldbraun schimmernden Augen, dem stets wachsamen Blick.

Und jetzt...

Was war aus ihm geworden?

Eine Bestie, fast so groß wie ein Lamm, ausgerichtet, ihresgleichen zu jagen.

Wettlauf um die Zeit.

Wettlauf um das Leben.

Nicht fallen. Sie durfte alles, nur nicht fallen.
 

Aber sie fiel.

Ein unerwartet schmerzhafter Widerstand an ihrem Fuß, der das linke Bein ruckartig abbremste und die Gejagte taumeln ließ.

Eine Baumwurzel.

Eine banale, im Laub versteckte Baumwurzel und sie hatte sie einfach nicht gesehen.

Weich schlug ihr schmächtiger Körper auf einer Fläche herab gefallenen Blattwerks und feuchten Mooses auf.

Krallen bewährte Tatzen bohrten sich in Laylas Rücken, heißer Atem in ihrem Nacken löste eine unangenehme Gänsehaut aus.
 

Doch kein finaler Gnadenstoß, kein Biss ins Genick.
 

Eine Hand packte die Rothaarige am Handgelenk und zog sie unsanft auf die Beine.

Ihr ängstlicher Blick fixierte das Gesicht eines Mannes, den sie nur zu gut kannte, jedes einzelne Detail an ihm nahm sie in unmittelbarer Konfrontation wahr.

Das schimmernde, silberblonde Haar, relativ kurz geschnitten und strubbelig wie immer, die recht weichen und jugendlichen Gesichtszüge, durch die man ihn auf sechsundzwanzig Jahre schätzen konnte. Die markante Narbe, ein dünner roter Strich, der sich von der Stirn schräg bis über den Nasenrücken zog.

Oh, aber das auffälligste, das, was sich am meisten einprägte, waren seine Augen. Das eine von einer warmen, kastanienbraunen Farbe, das andere in einem eisigen Graublau.

Quinn Arrowhail.

Trotz seines jungen Alters eines der obersten Mitglieder der Inquisition.

Ihr eigener Ehemann.
 

"Du hast mich verraten," flüsterte sie mit Abscheu. Tränen der Verzweiflung und der Enttäuschung rannen heiß ihre rosigen Wangen hinab. Sie wusste, es war nicht seine Schuld, sie wusste, die Gesellschaft zwang ihn dazu.

Er war schon immer zu schwach gewesen, sich ihr zu widersetzten.

Anpassung, so nannte er es.

Heuchlerei, so bezeichnete sie es treffender.

"Du wusstest, es würde so kommen, nicht wahr, Layla?"

Es war ein Flüstern, mehr nicht. In Quinns tiefer Stimme schwangen keinerlei Gefühle mit, nur Monotonie. Für ihn war es das simple Erwähnen eines Fakts.

"Du wusstest, dass ich derjenige sein würde, der dich finden würde, das hatte ich schon immer getan, ganz gleich, wo du warst. Hatte ich es dir denn noch nicht gesagt? Ich kenne deine geheimsten Verstecke, deine liebsten Zufluchten. Doch was viel wichtiger ist, ich kenne DICH. Und deshalb weiß ich, dass du dich nicht wehren wirst. Nicht jetzt, wo ich dich gefunden habe. Auch wenn du keine Schuld trägst. Denn das wirst du doch nicht, nicht wahr meine Liebe?"
 

Keine Antwort, nur der unsagbar traurige Blick in jenen tiefen Edelsteinen, die ihre Augen waren.

Schließlich senkte sie resigniert ihr Haupt und schüttelte den Kopf, ganz leicht nur.
 

Die Menge schrie und johlte. In ihrer ungebändigten Blutgier erschienen sie viel mehr als Monster, denn jene, die sie verurteilten.

Knisterndes Holz.

Der Rauch brannte in Laylas Lungen und legte sich wie ein düsterer Nebelschleier über ihre ohnehin schon Tränenverschwommene Sicht. Die groben Fesseln schnitten tief in ihre Handgelenke.

Hitze.

Unerträgliche Hitze an ihren Füßen, ein schmerzhaftes Brennen machte sich breit.

Sie hatte das Gefühl, inmitten eines Höllenfeuers zu stehen. Wie sollte es ihre Seele reinigen und zu Gott führen?

Das alles war so grausam, so falsch...

Es war ihr Ende.
 

Nicht mehr lang, und das Feuer würde den gesamten Scheiterhaufen verzehrt haben.

Wo war ER?

Wo steckte Quinn?

Undeutlich konnte Layla seine Silhouette durch den grauen Dunst hindurch erkennen. Er wandte sich ab und verließ den Marktplatz. Warum? War sie ihm denn so gleichgültig? Oder ertrug er den Gedanken nicht, sie sterben zu sehen?

Seine letzten Worte hallten in ihrem Geist wider:

/Eines Tages wirst du mir vielleicht vergeben können./

Wie gerne würde sie sich jetzt losreißen, seinen warmen Oberkörper umfassen und sagen, dass sie ihm längst vergeben hatte, das sie um seine Bürde wusste, dass sie ihm absolut ALLES vergeben würde.

Aber Layla konnte es nicht.

Die Flammen griffen auf ihr Kleid über.
 

Grell schrillte die Glocke der Universität und riss eine rothaarige Studentin mitten aus ihren merkwürdigen Träumen.

Verwirrt und schlaftrunken zugleich blickte die junge Frau sich um und rieb sich die klaren, grünen Augen, welche das Gesicht ihrer aufgeregten Sitznachbarin erfassten.

"Was ist passiert...", nuschelte sie halbwach.

"Mann, Layla, das ist der Feueralarm, wir müssen raus aus der Uni, der Chemiesaal im Untergeschoss steht in Flammen."

Ohne eine Antwort abzuwarten packte Hazel Flynn ihre Freundin bei der Hand und zog sie aus dem Hörsaal, unentwegt redend: "Meine Güte, dass du mal in einer Geschichtsvorlesung einschläfst, und das ausgerechnet bei deinem Lieblingsthema, der Inquisition..."

War es das gewesen? Der Grund für ihren Traum, sie hatte einfach nur das Unterrichtsthema weitergesponnen?

Warum nur war ihr alles so real erschienen?
 

Der Ausgang kam endlich in Sicht. Das helle Sonnenlicht blendete die beiden jungen Frauen. Draußen standen die Studentinnen bereits dicht an dicht gedrängt.

Ehe Layla es sich versah, hatte sie Hazels Hand verloren und suchte in dem Getümmel nach der brünetten Gestalt ihrer Begleiterin.

Vorsichtig drängelte sie sich durch ihre Mitstudenten, als sie plötzlich unsanft mit einem von ihnen zusammenstieß.

Sie strauchelte und verlor das Gleichgewicht.
 

Die Bilder ihres Traumes stiegen erneut in ihr auf.

Die Baumwurzel...

Der Fall...

Konnte sie den herben Geruch feuchten Mooses und herbstlichen Blätterwerks riechen?

Hörte sie das leise Knurren des Hundes in ihrem Nacken, die undeutlichen Rufe der Dorfbewohner?
 

Zwei Arme fingen sie auf, bevor ihr Körper den Boden erreicht hatte.
 

Nein, nichts.

Das alles war nur ein Trugbild ihres Traumes gewesen, sie war noch immer direkt vor dem Universitätskomplex in Salem, mitten im Sommer.

Und der Junge, in den sie hineingerast war, hatte sie vor dem Sturz bewahrt.
 

Kein Wald.

Keine Verfolger.

Kein Scheiterhaufen.
 

Unsicher versuchte Layla, wieder auf die Beine zu kommen, was ihr Dank des stützenden Griffs um ihre Hüfte auch gelang.

"Dankeschön...", murmelte die Rothaarige nun leicht errötend. Sie hob langsam den Blick, um das Gesicht ihres "Retters" zu sehen - und erstarrte, sobald sie ihn erkannte.

Sie war ihm noch nie begegnet - "zumindest nicht in diesem Leben", wie Hazel in solchen Situationen zu sagen pflegte - doch weiteten sich Laylas Augen überrascht und wieder erkennend.

Glänzendes, silberblondes Haar und die Augen...voneinander so verschieden wie Tag und Nacht, das eine Braun, das andere Blau.

Die feine Narbe, die sich so sehr vom Rest seines Profils abhob.

Seine hellen, wohl geformten Lippen formten sich zu einem Lächeln.

Und seine Stimme... so vertraut und fremd zugleich, schien einen eigentümlichen Nachhall in ihrem Geist auszulösen.

"Ich sagte doch, dass ich dich finden würde, Layla Arrowhail, ganz gleich, wo du auch stecken magst."
 

Just in diesem Moment zersprangen mit einen lauten Klirren die Scheiben des Untergeschosses und die Flammen schlugen ihren Weg nach draußen.



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