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Crimson Rivulet

Wir brauchen keine Sonne. Und deshalb sehnen wir uns auch nicht nach ihr.
von

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Part 1

Weißenhain, 1798
 

"Aaaaahhhhhh" Schrilles Schreien durchdrang die Luft, scheuchte Vögel auf, die in allen Richtungen aus den Baumkronen stoben. Céleste riss an den Zügeln seines Pferdes, spürte augenblicklich die Wucht, mit der es sich aufbäumte und ihn abzuwerfen drohte. Mühsam klammerte er sich fest an das Tier, versuchte das Gleichgewicht wieder zu erlangen, nur irgendwie im Sattel zu bleiben, bis es sich endlich beruhigte.

"Shhh, ist ja gut!" sprach er dem Hengst zu, als er noch immer aufgeregt tänzelte, klopfte vorsichtig dessen geschmeidigen Hals.

Seinen eigenen Herzschlag spürte er nicht mehr und in seinem Kopf drehte sich alles. Deshalb dauerte es auch einen kleinen Moment bis er den Blick hob um vor sich auf die Landstraße zu sehen.

Wie aus dem Nichts war sie vor ihm aufgetaucht. Ein Mädchen... eine junge Frau. Selbst im Abendlicht erkannte er die Blässe ihres Gesichtes, die weit aufgerissenen Augen, das zarte Zittern, das ihre Lippen erbeben ließ. Noch immer hatte sie den Mund offen stehen, als wolle sie weiter schreien, unmenschlich lange, als würde sie nicht bemerken, dass kein Ton mehr hervordrang. Sie stand reglos, schlug dann plötzlich die Hände über beide Ohren, sank auf die Knie.

"O Gott bitte... es darf nicht sein... Nicht ich... wieso denn nur ich?! Was hab' ich... Ahhhh!"

Sie zuckte heftig zusammen, als sie eine leichte Berührung an ihrer Schulter spürte, sprang hilflos nach hinten, trat unsicher und verschüchtert mit einem ihrer zierlichen Füße aus.

"Wovor fürchtest du dich so sehr? Hast du dich etwa... verlaufen und findest nicht nach Hause?"

Argwöhnisch beäugte die junge Frau Céleste, der ihr mit freundlichem Lächeln gegenüber stand, obwohl sich in seinem Inneren ein deutliches Unbehangen festklammerte.

Stille, dann plötzlich schüttelte das Mädchen hastig den Kopf. Ihre Locken wippten locker dabei, einige hatten sich bereits aus dem hellen Band gelöst, das ihre Haare in vornehmer Weise wohl einst zusammen gehalten hatte.

"Sie suchen mich... Sie ver-fol-gen... verfol... gen mich und... wenn ich..." Wieder kniff sie die Augen zu, als versuche sie krampfhaft die Wirklichkeit auszusperren.

"Du bist ganz außer dir... Das Anwesen meiner Eltern ist nicht weit entfernt. Wenn du möchtest..."

Sie reagierte nicht sofort, zögerte sichtlich. Ständig wechselten ihre Blicke zwischen Céleste und dem Laubwald, der sie umgab. Sicher suchte sie das kleinere Übel abzuwägen. Was machte eine junge Frau eigentlich um diese Uhrzeit alleine unterwegs... kurz bevor die Nacht anbrach?! In einem Ballkleid, wie Céleste schließlich feststellte, dessen Saum jedoch sichtlich zerrissen und befleckt war.

Er blinzelte kurz, reichte ihr eine Hand. Doch statt sie zu ergreifen, legte die junge Frau ihre eigene Hand auf seine Wange, ließ sie einen Augenblick dort ruhen. Dann lächelte sie kurz, richtete sich auf. "Eure Haut ist so schön warm..." Es war nur ein Flüstern.
 

Nach einer guten halben Stunde erreichten sie das Schloss. Während des gesamten Rittes hatten sie kein einziges Wort miteinander geredet, denn die junge Frau, die vor Céleste im Sattel saß, war vor Erschöpfung in seinen Armen eingeschlafen.

"Wir sind angekommen!" bemerkte der Junge in die Stille des Abends, die sie umhüllte und spürte wenig später, wie sich das Mädchen bewegte. Kurz flatterten die langen Wimpern ihrer Augenlider, bevor sie schließlich blinzelte. Céleste saß ab, reichte der Fremden die Hand um ihr aus dem Sattel zu helfen, doch als hätte sie seine Geste nicht bemerkt, glitt sie vom Pferd, lächelte nur kurz. "Ich danke Euch!" hauchte sie ihm entgegen, marschierte zielstrebig auf das große schmiedeeiserne Tor des Schlosses zu, klopfte an, ohne auch nur einen Augenblick auf ihren Begleiter gewartet zu haben.

"Fritz!" pfiff Céleste dem Stallburschen entgegen, der ihm bereits entgegeneilte und reichte ihm schnell die Zügel. "Bring das Pferd bitte in den Stall. Heute kannst du ihm ruhig eine größere Portion Futter zukommen lassen. Es hatte zwei Personen hierher zu tragen!"

Der Junge bemerkte kaum, wie sich der Bedienstete höflich vor ihm verbeugte, denn seine Blicke waren auf die junge Dame gerichtet, die noch immer vor verschlossener Tür stand und sich sorgsam das schmutzige Kleid zurechtstrich. Céleste schüttelte kurz innerlich den Kopf, schmunzelte heimlich, weil sie doch ein recht lustiges Bild von sich gab mit den zerzausten Haaren und dem zwanghaft anmutenden Auftreten.

Schließlich eilte er ihr entgegen, klopfte erneut selbst an das Tor.

"Wir befinden uns am Hintereingang des Schlosses. Es wird wohl eine Weile dauern bis uns jemand hört."

Sie sah ihn nicht an, wartete geduldig. Als sich nach einiger Zeit noch immer nichts tat, schlug sie schließlich doch vor: "Vielleicht wäre es ratsam den Vordereingang zu nutzen...!"

"Sieh einer an... der verschollene Bruder kehrt nach langer Abwesenheit doch endlich zurück und scheitert am Tor des Hintereingangs. Wie ich sehe bist du in Begleitung!"

Ruckartig wandte sich die Junge Frau der Stimme zu, die hinter ihnen erklang, kniff leicht die Augen zusammen um mehr als nur eine schwarze Silhouette vor dunklem Hintergrund zu erkennen. Céleste zögerte einen langen Moment, verdrehte innerlich die Augen, bevor er sich schließlich auch umdrehte.

"Hast du etwa hier auf mich gewartet... Raoul?!" Seinem Bruder entging der gelangweilte Unterton in Célestes Stimme nicht. Er grinste breit, was er im Grunde fast immer tat, wenn sie aufeinander trafen.

"Ich habe sicher nichts besseres zu tun, als hier, abseits von allem Treiben, auf dich zu warten! Aber du darfst von Glück sprechen, dass du mich antriffst, denn sonst würdest du auch morgen noch vor verschlossener Tür stehen..."

Céleste erwiderte nichts, beobachtete aus den Augenwinkeln, wie sich Raoul ihnen näherte und der jungen Frau einen sanften Handkuss aufdrückte. Dass sie in so erbärmlichen Zustand war, schien ihm in der Finsternis nicht einmal aufzufallen.

"Es freut mich eine so reizende Dame auf Schloss Weißenhain begrüßen zu dürfen und es freut mich ebenso, meinen kleinen Bruder doch endlich einmal in weiblicher Begleitung vorzufinden. Ich dachte schon sein Interesse an Frauen wäre bereits in der Wiege versiegt, hahaha!" Wieder ertönte ein hämisches Lachen, verlor sich jedoch bald an den großen kalten Steinwänden des Gebäudes.

"Du musst dreimal anklopfen, dann einen Herzschlag aussetzen und mit der flachen Hand gegen das lockere Scharnier in der Mitte schlagen!"

"Na fantastisch... ein noch dümmeres Klopfzeichen ist dir wahrscheinlich auch nicht eingefallen..." Céleste versuchte es, doch nichts rührte sich. Er probierte erneut.

"Es scheint, dass, wer auch immer dir daraufhin die Tür hätte öffnen sollen, entweder eingeschlafen ist oder aber das Zeichen vergessen hat, Raoul!"

Sein Bruder zuckte nichtswissend mit den Schultern, drehte sich auf dem Absatz um und ließ ihn mit seiner fremden Begleiterin alleine zurück. "Versucht es einfach noch einmal, aber wartet vorher einen Augenblick!" rief er ihnen aus der Ferne zu und verschwand schließlich ebenso plötzlich wie er hinter ihnen aufgetaucht war.

"Ich verstehe nicht, weshalb wir nicht einfach den Vordereingang benutzen!" Heimlicher Protest war in der Stimme des Mädchens zu hören. Fragend hob sie die Augenbrauen an, erwartete eine Erklärung.

"Am Haupteingang ist die Hölle los, es geht nicht. Meine Eltern veranstalten einen Mitternachtsball!"

"Ihr wollt Euch also nicht mit mir sehen lassen... In meinem erbärmlichen Zustand... Dann hättet Ihr mich nicht hierher mitnehmen sollen..."

"Bitte... ich bin doch..." Ungeduldig winkte er ab, hämmerte erneut das Klopfzeichen an die Tür. Endlich wurde ein Riegel zurückgezogen, leichter Kerzenschein erhellte die Umrisse des Tores.

"Hereinspaziert die Damen und Herren!" Raoul stand vor ihnen, strahlte ihnen verschmitzt entgegen.

Céleste beachtete ihn gar nicht weiter, wollte ihm keine Genugtuung zuteil werden lassen, indem er ihn verwundert anstarrte. Wahrscheinlich hatte es niemals ein Klopfzeichen gegeben und sein Bruder hatte sich nur wieder einmal einen hinterhältigen Scherz mit ihm erlaubt. Sowieso schien er dies in letzter Zeit zu seiner Lebensaufgabe gemacht zu haben.
 

"Marianne, Kind! Wie siehst du denn nur aus... Es muss dir etwas schreckliches widerfahren sein. Komm' doch, komm'... steh' nicht wie angewurzelt da! Ich war so in Sorge als mir Raoul von deiner Ankunft berichtete. Was ist denn nur passiert?" Die junge Frau hatte gar keine Gelegenheit auch nur auf eine der zahlreichen Fragen zu antworten, denn die Herrin des Hauses zog sie mit sich in eines der Nebenzimmer. Sie hatte Céleste keines Blickes gewürdigt, war stolz an ihrem Sohn vorbei geschritten, direkt auf "Marianne", wie sie das Mädchen nannte, zu.

Das Tor fiel zu und plötzlich war alles still. Céleste starrte vor sich auf den Boden, ballte die Hände unbewusst zu Fäusten.

"Du hättest früher zurück sein sollen. Kein Wunder, dass sie nun einen Groll gegen dich hegt. Sie war von uns die einzige, die daran festgehalten hat, dass du pünktlich zurück sein würdest..." flüsterte Raoul ihm zu.

"Pünktlich wozu? Ihr wisst, dass ich Festlichkeiten versuche zu meiden!"

"ICH weiß es. Unseren Eltern solltest du diese Offenbarung lieber ersparen. Sie würden es ja doch nicht verstehen. Was nicht heißt,- nebenbei, dass ich es tue!" Er schmunzelte.

"Diese junge Frau... Marianne...? Woher kanntest du sie?"

"Ich habe ihr Beschlaf geleistet!"

Céleste hob ruckartig den Blick, starrte seinem Bruder schockiert entgegen.

Raoul lachte leise, strich seinem Gegenüber eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn.

"Wenn du doch nur nicht alles so ernst nehmen würdest... Sie ist die Tochter einer Freundin von Mutter. Marianne de Falaise. Ein hübsches Mädchen, doch leider viel zu eitel. Ich denke, du kannst sie dir aus dem Kopf schlagen. Sie ist bereits mit Graf van Verde verlobt..."

Céleste seufzte kurz, winkte gleichgültig ab.

"Sag Vater, dass ich in zehn Minuten unter den Gästen erscheinen werde!" Dann verschwand er.
 

/Die Luft ist heiß und stickig in diesem Saal. Menschen umringen einander, heucheln gegenseitiges Interesse, das in Wahrheit vielleicht höchstens darin besteht, heimlich über die Schwächen des anderen herzuziehen. Ich bin nicht gerne hier. Zu aufgesetzt sind ihr Mienen, zu bizarr die Masken, hinter denen sie schon lange die Natürlichkeit verloren haben.

Wie immer fühle ich mich... ich weiß nicht, wie ich es nennen soll. Verloren? Angestarrt und dennoch nicht beachtet? Es ist wohl eher ein Gefühl der Einsamkeit, obgleich ich von so vielen Gästen umgeben bin./

"Da bist du ja endlich, mein Junge!" Die Worte seines Vaters rissen ihn abrupt aus den Gedanken. Er spürte eine große Hand auf seiner rechten Schulter.

"Ich habe dich bereits erwartet!"

Céleste nickte kurz, als er sich unerwartet einem Mädchen gegenüber fand, dessen dunkelrotes Kleid den Schein des nahen Kerzenleuchters reflektierte. Sie hatte die Augen zu Boden gesenkt, die Hände im Schoß gefaltet, lächelte aber stumm.

"Isabella... ich möchte dich mit meinem Sohn bekannt machen! Begegnet seid ihr euch bereits schon einmal, allerdings bezweifle ich, dass sich noch einer von euch daran erinnert. Céleste war damals 5 und du 2 Jahre alt..."

Céleste lächelte leicht, ein wenig verwirrt vielleicht, weil er nicht genau verstand, weshalb man ihm nun dieses Mädchen vorstellte. Doch er nahm zart ihre kleine behandschuhte Hand und berührte sie zur Begrüßung vorsichtig mit den Lippen.

"Es freut mich, Euch kennen zu lernen, Isabella!"

"Die Freude ist ganz meinerseits!" antwortete sie, sah ihm dabei in die hellen Augen und lachte ihm fröhlich ins Gesicht. Erst jetzt fiel ihm auf, dass ihre Wangen leicht gerötet waren und sie nervös ein paar Mal zu oft blinzelte.

"Vielleicht würdet Ihr später einen kleinen Spaziergang mit mir ihm Garten machen, Céleste? Euer Vater hat mir erzählt, dass bereits der Jasmin blüht und ich würde zu gerne seinen Duft genießen. Ist es nicht außergewöhnlich, dass er ausgerechnet nachts seine Schönheit zeigt, wo ihn doch niemand sehen kann?!" Sie machte eine kleine Pause, fuhr dann aber hitzig fort: "Trefft mich im Garten... sagen wir in einer Stunde? Zuvor habe ich Tante Magdalena versprochen ihr ein wenig Gesellschaft zu leisten. Nehmt es mir nicht übel, ja? Ich werde mich später einfach davon schleichen, wenn sie etwas getrunken hat. Dann wird sie meine Anwesenheit nicht vermissen!" Beinahe verschwörerisch klang ihr Flüsterton und sie kniff keck ein Auge zusammen. Céleste schmunzelte als er feststellte, wie sich ihre Persönlichkeit doch schlagartig verändert hatte, nachdem ihr Vater sie beide alleine gelassen hatte. Von Schüchternheit war keine Spur zu erkennen.

"Wollt Ihr mir diesen Wunsch erfüllen?"
 

Natürlich schlug er ihr diesen Gefallen nicht ab. Zwar wusste er nicht genau, weshalb sie ausgerechnet mit ihm hinaus wollte, wo sie sich doch überhaupt nicht kannten, aber er hatte nichts dagegen, diese Ballgesellschaft für einen Moment zu verlassen. Auch wenn er lieber in trauter Einsamkeit durch die Nacht gewandelt wäre um seinen nichtsnutzigen Gedanken nachzugehen.

Die Luft war frisch und dennoch angenehm warm auf seiner Haut. Einer zärtlichen Liebkosung gleich strich ihm der Wind durch das dunkle Haar, wirbelte ihm Strähnen in die Stirn, die gar nicht erst versuchte zurückzustreichen. Die kleinen Kieselsteine des geschlängelten Weges knirschten unter seinen langsamen Schritten. Er wusste nicht einmal genau wo Isabella sich mit ihm treffen wollte. Der Garten war groß, beinahe riesig. Es konnte eine Ewigkeit dauern, bis sie sich finden würden, denn dunkle Hecken und große Bäume versperrten die weite Sicht.

Célestes Blick wanderte zu einem kleinen Teich, in dessen Tiefe sich die weißen Sterne des Himmels spiegelten. Ihr Licht flackerte leise als könnten sie sich nicht entscheiden, ob sie nicht doch lieber erlöschen wollten. Heimlich kroch der Mond hinter einer der wenigen Wolken am Himmel hervor, ließ sein kaltes Licht über die Landschaft fallen und tauchte sie in verlassenen Glanz.

"... begreifst es einfach nicht!" Céleste blieb abrupt stehen, als er eine tiefe Stimme vernahm. Sie klang gedämpft doch nahe und der warme Bass in ihr verlor sich allmählich im Rascheln der Rosenhecke.

"... bereuen, dass... du hattest...." Undeutliche Fetzen drangen an seine Ohren, er folgte ihnen ohne lange darüber nachzudenken.

Hinter dem Stamm einer großen Buche blieb er schließlich stehen, spähte heimlich um die Ecke und erkannte zwei Personen, dunkle Schatten in einer dunkelblauen Nacht. Céleste kniff die Augen leicht zusammen.

/Raoul? Was... macht er hier draußen?! Und wer ist dieser andere Kerl?!/

"Vielleicht kannst du dir irgendwann einmal selbst vergeben..." Wieder ertönte der tiefe Bass, trieb dem Jungen einen heimlichen Schauer über den Rücken. Die Stimme war ihm so... unbekannt. Er war sich sicher, dass er sie noch nie vernommen hatte und eigentlich...

Plötzlich sprang Raoul auf sein Gegenüber los, packte ihn unsanft am Kragen. Céleste zuckte zusammen, hatte mit einer so plötzlichen Bewegung nicht gerechnet. Er hoffte, dass er nicht laut die Luft eingesogen und sein Versteck verraten hatte. Sicher würde sein Bruder seine Anwesenheit in dieser Situation nicht gerade begrüßen. Wer wusste in welch düstere Geschäfte er sich wieder einmal verstrickt hatte und weshalb er sich ausgerechnet nachts mit diesem fremden Mann traf.

"Ich habe mir bereits vergeben, Viktor! Und hör auf mich auf diese Art und Weise anzusehen! Wieso begreifst du es denn einfach nicht?! Ich wollte endlich frei sein, verstehst du? Frei von all dem..."
 

"Céleste! Céleste! Da seid Ihr ja endlich!" unterbrach Isabellas Stimme das Geschehen. Céleste presste angespannt die Lippen aufeinander, wechselte seine Blicke zwischen Raoul und Isabella, welche von hinten auf ihn zugerannt kam, doch auch deutlich sichtbar für die anderen beiden Anwesenden war. Sie keuchte laut, hielt sich die kleine Hand vor die Brust und kicherte in sich hinein. "Ich hab' schon den ganzen Garten abgesucht! Beinahe hätte ich geglaubt, dass Ihr mich vergessen habt! Was macht Ihr denn da hinter dem Baum?!"

Schweigen. Betreten starrte der Junge auf die Erde. Und in diesem Moment verstand Isabella endlich.

"Oh... hihi... ich komme wohl... etwas ungelegen?" Verlegen rieb sie sich den Hinterkopf.

"Isabella von Sommerstein!" Célestes Herz klopfte ihm bis zum Hals als er die Stimme seines Bruders vernahm. Raoul hatte inzwischen von seinem Gegenüber abgelassen, lief nun auf das Mädchen zu, mit großen Schritten.

R-a-ou-l... Isabellas Lippen formten seinen Namen, ohne dass auch nur ein Laut in die Wirklichkeit drang. "Ich... hatte nicht... bemerkt, dass..."

"Ganz recht! Aber das ist nun unwichtig!" Er berührte sanft ihre Schulter, streifte jedoch dabei Céleste mit finsterem Blick, sagte aber kein Wort.

"Willst du einen Spaziergang mit meinem kleinen Bruder unternehmen? Dann sollten wir euch jetzt lieber alleine lassen. Erkältet euch nicht! Die Dunkelheit ist warm, doch man vergisst leicht den Wind..."

/Die Dunkelheit ist warm...?/

"Viktor... komm endlich! Wir lassen die beiden Turteltäubchen allein!" Amüsiert kniff er sein rechtes Auge zusammen, nickte dem fremden Mann entgegen, der sich nach einem kurzen Moment geschmeidig auf ihn zu bewegte. Céleste betrachtete ihn aufmerksam. Der Fremde hatte den Blick zu Boden gesenkt, doch gerade in dem Augenblick, als er dicht an dem Jungen vorbeilief, traf ihn sein tiefer Blick. Céleste schluckte.
 

/Wie Spiegel reflektieren seine Augen Dunkelheit.
 

Der Fremde richtete seine Aufmerksamkeit sogleich auf Raoul. Ein leichtes Lächeln lag in seinem Mundwinkel.

"Freiheit Raoul?" Es war nur ein leises Flüstern.

"Frei sind wir nur wenn die Sonne verblasst!"

/Und selbst dann.../

Damit verschwand er schließlich. Raoul sah ihm nicht hinterher.

"Also meine Liebe..." Isabella spürte, wie ihr ein kleiner Kuss auf die Wange gedrückt wurde.

"Niemals! Niemals wird er DEIN sein!" flüsterte ihr Raoul dabei ins Ohr.

"Er ist es auch nicht, den ich will! Ich will dich!" antwortete Isabella leise. Céleste bekam von diesen kleinen Heimlichkeiten nichts mit, erkannte nur das selbstgefällige Grinsen auf dem Gesicht seines Bruders als dieser ebenso zurück in Richtung Schloss lief.
 


 

Am nächsten Morgen fluteten weiche Sonnenstrahlen durch die hohen Fenster der Vorhalle des Schlosses, zeichneten die Gitterkreuze auf den Treppen als dunkle Schatten ab.

Ein junges Dienstmädchen klopfte dreimal leise an Raouls Zimmertür, schob schließlich das schwere Holz zurück.

"Verzeiht, aber es ist bereits ze.." Plötzlich flog ihr ein großes Federkissen entgegen, traf sie mitten ins Gesicht.

"Verste... verstehe..." stotterte sie verwirrt. "Der Herr gedenken also noch nicht aufzustehen!" stellte sie trocken fest, machte sogleich auf dem Absatz kehrt und schloss die Tür hinter sich. Nur ein Knurren drang dumpf an ihre Ohren.

/Holla... sonderlich gut ist der Herr heute aber nicht gelaunt. Naja.../ Ein Kichern.

/Wer weiß, wie viel Frauenbesuch er vergangene Nacht hatte.../

"Susanna! Hast du meinen Bruder geweckt? Vater und Mutter wollen endlich mit dem Frühstück beginnen!" Die Magd eilte zum Treppenabsatz um über das Geländer hinunter zu spähen. Célestes freundliche Augen blinzelten ihr offen entgegen.

"Ich habe es versucht, aber als mir ein Kissen entgegenflog zog ich es vor, Euch diese Aufgabe zu überlassen!" antwortete sie ihm gut gelaunt. Sie kannte Céleste schon seit ihrer Kindheit. Er hatte sich oft mit ihr abgegeben, war immer herzlich gewesen. Ganz im Gegenteil zu Raoul, der stets die Nase rümpfte, wenn er sie zusammen hatte spielen sehen.

Céleste schüttelte den Kopf, stieg dann jedoch eilig die lange Treppe nach oben, trat ohne auch nur einmal anzuklopfen in das Gemach seinen Bruders. Die Tür schloss er sofort wieder hinter sich. Stickige Luft drang ihm entgegen und im ersten Moment konnte er die Hand nicht vor den Augen erkennen, denn Dunkelheit war alles, was den Raum ausfüllte. In der Stille des Morgens konnte man deutlich das Klacken seiner Absätze auf dem Parkettboden hören, hier und da ächzte eine Holzdiele.

"Du solltest etwas Licht in dein Zimmer lassen! Und wieso um Himmels Willen schläfst du bei geschlossenem Fenster?!"

Keine Antwort, doch gerade als der Junge nach den Vorhängen griff um sie zurückzuziehen, fühlte er sich am Arm gepackt. Mit großer Wucht wurde er auf das Bett geschleudert. Inzwischen hatten sich seine Augen etwas an die Finsternis gewöhnt, so konnte er zumindest den Schatten seines Bruders erkennen, der sich über ihn gebeugt hatte.

"Nah, was soll denn das, Raoul?!" Er versuchte sich aufzurichten, ohne Erfolg.

/Ein Kuss?! Raoul, du weißt nicht was du tust!/

Ein eisiger Schauer durchdrang seinen Körper als er die Lippen seines Bruders auf den seinen fühlte. Er wehrte sich heftiger, doch eisern waren Raouls Griffe.

"Céleste..."

"Du... du bist doch betrunken, Kerl! Lass' den Unsinn!" Warm umschmeichelte der Atem seines Bruders seinen Hals. Er spürte die Feuchtigkeit, die Raouls Zunge auf seiner Haut hinterließ.

"Raoul... Raoul wach endlich auf! Du weißt ja nicht was du tust! Ich bin es doch!"

"Schrei nicht so Céleste. Ich weiß sehr wohl, wen ich hier unter mir liegen habe, hahaha! Ich dachte mir... jetzt wo du verlobt bist... sollte ich dir eine kleine Einführung in... na ja... gewisse Dinge geben."

Endlich ließ sein Gegenüber von ihm ab und der Junge richtete sie sofort auf, knöpfte sich den obersten Hemdknopf wieder zu, der aufgesprungen war.

"Seit wann soll ich denn verlobt sein?! Das musst du geträumt haben! Und jetzt komm' endlich zum Frühstücken. Du hast Mutter und Vater lange genug warten lassen!"

"ISABELLA! Weshalb meinst du hat dich Vater ihr vorgestellt? So blind kannst ja selbst du nicht sein! Argh..." er gähnte genüsslich lange. "Jetzt geh' mir aus den Augen und entschuldige mich heute bei allen, die mich kennen. Ich werde unterwegs sein... Und nun gönne ich mir noch ein kleines Ründchen Schlaf. Marianne hat mich nachts noch nie geschont!"



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Ayume-ko
2006-09-23T19:54:29+00:00 23.09.2006 21:54
Was...? Er wurde nachts net geschont?^^ *g* Haha... Aber das hatte er ja selbst in der Hand! XD Aber was macht er da mit seinem Bruder? Will er was von ihm? Da bin ich ja mal gespannt, wie sich das noch entwickelt! *smile*
Bye Ayume
Von:  Pansy
2005-07-20T20:18:23+00:00 20.07.2005 22:18
Wie!?!? Der Yuzu schreibt keiner einen Kommi!? *verwundertdieseiteabsuchundnichtsfind*

Also ICH fand das Kapitel einfach toll *^_^*.. dein Schreibstil ist so schön weich und schwebend. Klingt vielleicht bissl komisch, aber es trifft zu! Könnt mir da ´ne Scheibe von abschneiden *g*.

Möchte natürlich noch viel mehr lesen.
Freu mich auf unsere Touren, mein Zugticket hab ich schon. Hoff, du hast das nicht vergessen *lol*.

*knuddel*


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