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Luciana Bradley und der Orden des Phönix

von

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Ein mitternächtliches Bad

Ein mitternächtliches Bad

 

„Silencio!“ Die dicke, fette und schleimabsondernde Kröte schaute Luciana mit riesengroßen Glubschaugen an und gab ein lautes „Quaaaak!“ von sich. Nicht zum ersten Mal schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass dieses Mistvieh sicher das Haustier von ES war und nur aus einem einzigen Grund hier im Zauberkunst Unterricht vor ihrer Nase saß: Diese grässliche Amphibie wollte sie in den Wahnsinn treiben!

     „Jetzt! Silencio … halt! Silencio! endlich! Silencio! deine Klappe!! Silencio!! Du scheiß Vieh!!!“, rief Luciana aufgebracht und fuchtelte wild mit ihrem Zauberstab vor der unbeeindruckten Kröte herum.

     „Quuaaaaak!!“

     Herrlich, und da war wieder das festgefrorene Grinsen auf ihrem Gesicht. Das konnte doch alles gar kein Zufall mehr sein! Erst hatte Snape sie im Morgengrauen durch den Regen gezerrt, wobei sie sich ganze dreimal lang gemacht hatte (die Ländereien um Hogwarts bestanden derzeit aus einem riesen Tümpel, so mies war das Wetter, aber der Professor schien bei dem Tempo, welches er vorgelegt hatte, Saugnäpfe unter den Schuhen gehabt zu haben … und dann noch diese Nachtsicht - wenn man seine eisige Art noch obendrauf packte, hätte man glauben können, er sei der Terminator), danach hatte er sie vor dem Portrait der fetten, pink gekleideten Frau abgeliefert und alle nonverbalen Versuche von ihr, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, absolut ignoriert. Was im Klartext hieß: Sie hatte den Schweigezauber erst gerade eben von Professor Flitwick aufheben lassen können, der dies auch gleich der ganzen Klasse mitgeteilt hatte, da er es ja so passend zum Thema fand – denn ab heute stand der Silencio auf dem Lehrplan. Oh, und Luciana hatte nun fünf saubere Fingerabdrücke auf ihrem Oberarm, die heute in einem Violettton schimmerten und die nächsten Tage vermutlich die komplette Regenbogenfarbenpalette durchgehen würden.

     „Luciana, es liegt daran, wie du deinen Zauberstab bewegst.“

     Luciana drehte sich, immer noch ein Grinsen auf dem Gesicht, zu Granger um.

     „Du musst stoßen, nicht herumfuchteln, so etwa.“ Und damit stieß Miss-ich-weiß-alles-nur-nicht-wie-ne-Haarbürste-funktioniert ihren Zauberstab Richtung Frosch auf ihrem Tisch, ließ ein „Silencio!“ verlauten und aus dem Tier entwich kein Ton mehr. Tiiief durchatmen. Luciana schaute noch immer Granger an, während sie es ihr gleich tat und ihren Zauberstab hervorschnellen ließ „Silencio!“ Damit hatte sie allerdings nur die Kröte von ihrem Tisch gestoßen, welche im hohen Bogen und mit einem langgezogenem „Quaaaahaaaaak!“auf den Boden plumpste. Einen Moment lang befriedigte sie das Bild, wie dieses nervtötende Vieh alle Viere von sich gestreckt, zappelnd auf dem Rücken lag – im nächsten Augenblick fühlte Luciana sich bei diesem mitleiderregenden Anblick hundsmiserabel, sprang von ihrem Platz auf und nahm die Kröte auf den Arm. Dieser Laden würde sie mit seiner ganzen ‚Praxis-am-lebenden-Objekt‘ noch zu einer ausgemachten Tierquälerin umkrempeln.

     „Tut mir wirklich leid“, sprach sie zu dem Tier und strich ihm über den Rücken, „aber kannst du mich nicht ein wenig unterstützen? Vielleicht ein wenig in den Zauber reinhüpfen, zum Beispiel?“

     Sie hatte gerade wieder Platz genommen und der Kröte eine umhersurrende Fliege mit dem Zauberstab aus der Luft geschossen, als Wiedergutmachung, als sie bei den Worten „ … würde er ziemlich sicher heute Morgen schon wieder in Askaban sitzen“ von Potter, wie automatisch den Kopf in diese Richtung drehte. Granger stupste ihn daraufhin an, wohl um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass ihr Gespräch einen ungebetenen Mithörer hatte. Potter drehte sich zu ihr um, seine Augen verengten sich und er holte einmal tief Luft, doch Luciana ließ ihn erst gar nicht zu Wort kommen.

     „Schon gut, schon gut, ich weiß ja jetzt, dass Black nur verarscht wurde und niemanden umgebracht hat … na ja, das weiß ich eigentlich nicht, auf jeden Fall hat er nicht die Leute umgebracht, für die er eingeknastet wurde.“

     Granger, Potter und der Weasley-Junge wechselten perplexe Blicke, dann setzte Hermine zu einem „Woher …“ an.

     „Silencio!“

     Luciana strahlte bis über beide Ohren. „Uuuhh, Professor Fliiiiitwick!! Ich hab’s geschahaaaft!“

 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

Zum heutigen Mittagessen erspähte sie zur Abwechslung ein Gericht, auf das sie sich mit Begeisterung stürzte. Putengeschnetzeltes mit Reis und es schmeckte zu allem Überfluss vorzüglich. George und Fred hatten sich ihre mittlerweile dritte Portion auf ihre Teller geladen (die Zwillinge sprachen nicht nur gleichzeitig, sie verschlangen grundsätzlich auch immer die gleiche Menge an Essen), während sie schon seit ihrer Ersten versuchten, ihr den Weasley-Familienstammbaum einzutrichtern.

     „Charlie …“

     „Neinf, Bill!“, unterbrach sie Fred mit vollem Mund und Luciana fing noch einmal von vorne an. „Also Bill, Charlie … ehm … Pervil“ „Percy … obwohl, nenn ihn wie du magst“, kommentierte George, mit bedeutungsschweren Blick an seinen Bruder gerichtet,  „Percy, du“ damit deutete sie auf Fred, „dann du“, und damit auf George, „Ronald“ die beiden kicherten, „und dann Ginevra.“

     „Du hast es!“, rief George begeistert.

     „Und vergiss nicht Ronald und Ginevra bei ihren vollen Namen zu nennen, sie mögen es gar nicht, wenn man sie abkürzt.“ Beide grinsten sie bis über beide Ohren an, was ihre Aussage Lügen strafte. Und sie hätte sicherlich noch einmal etwas dazu gesagt, hätte sie nicht jemand an die Schulter angetippt. Sie drehte sich um und wäre im nächsten Moment fast von der Bank gekippt. Auf jeden Fall verschluckte sie sich an der Pute, die sie gerade hatte herunterschlucken wollen. Erst nachdem ihr George und Fred abwechselnd auf den Rücken geklopft hatten, kam sie wieder zu Atem und konnte sich nun dem Besucher widmen.

     Neben ihr stand ein kleiner, etwas untersetzter Mann mit dicker Hornbrille auf der Nase (wodurch seine Augen einfach riesig wirkten), ungebändigtem, schwarzen Haar, blasser Hautfarbe und zerstreutem Gesichtsausdruck. Er trug ein riesengroßes Paket unter seinem rechten Arm und hielt in seiner anderen Hand einen Briefumschlag. Sein Name war Professor Hamilton und eigentlich sollte er in Deutschland in den Laboren ihres Paten irgendwelche Tränke zusammenpanschen und nicht hier in Hogwarts stehen. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, seinen auffälligen, schneeweißen Arbeitskittel daheim zu lassen.

     „P-Professor Hamilton?“, fragte Luciana ungläubig. Dieser wuchtete daraufhin das Paket neben ihr auf den Tisch und sah nun sehr erleichtert aus, es los zu sein.  

     „Ah, Luciana, äh, ja, dein Vater, also Patenonkel, ja, der hatte mich beauftragt dir diese Sachen zu bringen – ja, also – äh, weil der Luftraum wohl, äh, unsicher sei.“

     Hamilton zuzuhören war schon immer anstrengend gewesen, unter diesen Umständen schwirrte ihr schon nach einem Satz der Kopf. Luciana nickte ihm zu, bedankte sich und wartete darauf, dass er wieder verschwinden würde, denn so langsam waren auch andere Schüler auf den seltsamen Besucher aufmerksam geworden. Doch das tat er nicht. Nun, dann musste ein Zaunpfahl her.

     „Und mein Pate hat Ihnen aufgetragen, mir das Paket beim Mittagessen, vor allen Schülern zu übergeben? Weil das unauffälliger ist, als der Luftweg?“

     Ihre Stimme klang dabei nicht unfreundlich, aber den Hinweis sollte selbst er verstanden haben. Es war immer so eine Sache mit den Genies – sie konnten Raketen bauen, die zum Mond flogen, aber sich die Schuhe zubinden, nein, das war zu viel verlangt.

     „Äh, wenn ich genau drüber nachdenke … nein, sein Wortlaut war, äh ‚…Luciana vor dem Mittagstisch abfangen‘ … äh ja, aber ich hatte mir gedacht, wo ich schon einmal hier in Hogwarts bin, äh, ja, da könnte ich diesen Botengang gleich mit einem Fachgespräch mit Professor Snape kombinieren … äh, du weißt ja, meine Abhandlung über Gegengifte. Ja, deswegen hatte ich mich freiwillig für die Reise gemeldet.“

     Luciana schluckte einmal heftig. Oh, nicht gut … gar nicht gut … Das einzig Positive an dieser miserablen Situation war, dass sie dieses Gespräch gerade auf Deutsch führten und somit wenigstens die Schüler keine Ahnung hatten, worüber sie sprachen, auch wenn einige den Namen ‚Snape‘ sicherlich herausgefiltert hatten – so aus dem Zusammenhang gerissen, brachte dies allerdings recht wenig.

     „Oh … ehm … Professor Snape …“ Lucianas Blick huschte Richtung Lehrertisch, der nur etwa drei Meter von ihrem Platz entfernt stand und da, sie hatte die volle Aufmerksamkeit von dem gewünschten Professor, der gerade durch den Vorhang seines fettigen, schwarzen Haars von seinem Teller aufblickte. Sie schaute schnell wieder weg, Hamilton hatte davon selbstverständlich nichts bemerkt. Menschliche Regungen zu interpretieren war nicht wirklich sein Fachgebiet. Zum Glück.

     „Also, der ist momentan auf einer Fortbildung, aber ich werde ihm liebend gerne ausrichten, dass Sie nach ihm gefragt haben!“ Schluck das bitte … biiitte!

     „Äh, ja … äh, das ist bedauerlich. Richte Professor Snape“, Verdammt, nicht so laut du Vollhorst! Snapes Augenbrauen zogen sich zusammen und sein Blick wechselte zwischen Luciana und Hamilton hin und her, „meine besten Grüße aus.“

     „Ja klar, mach ich!“ Und endlich, endlich verschwand er.

     „Wer war denn der komische Vogel?“, fragte George, als Hamilton die Halle verlassen hatte.

     „Nur ein Kollege von meinem Paten, hat mir was vorbeigebracht.“

     Auf die nächsten Versuche von George und Fred, sie weiter über Hamilton auszufragen, reagierte sie nicht mehr, denn sie hatte sich den Brief geschnappt und war dabei ihn in Windeseile zu lesen.

 

Luciana,

 

die Besprechung unter dem Vorstand ist weitestgehend ruhig verlaufen. Ich habe den Schulleiter von dem Ausgang in Kenntnis gesetzt. Anbei lasse ich dir Kopien von Unterlagen zukommen, die du eingehend studieren wirst. Du wirst diese Information benötigen, wenn du als ernstzunehmendes Mitglied der UOWV an den Ordenssitzungen teilnehmen willst. Ich empfehle dir, vor allem die Vorstandsprotokolle zu verinnerlichen, damit du ein Gefühl dafür bekommst, wie unsere Organisation bei den verschiedensten Themengebieten abzustimmen pflegt. Bei Fragen kannst du dich selbstverständlich an mich wenden, aber ich bitte dich, überlege dir jedes Mal genau, ob du dir die Frage nicht selbst beantworten kannst, mein Zeitfenster ist begrenzt.

 

Vernichte diesen Brief, sobald du ihn gelesen hast.

 

Mit freundlichem Gruß

 

G. Steinhardt

 

PS.: Du hast gestern besorgniserregend schmächtig ausgesehen. Und wenn du jetzt auch sicher etwas anderes behaupten magst, ich weiß, dass du dein Training vernachlässigst. Das ist gegen unsere Abmachung. Wenn ich dich das nächste Mal zu Gesicht bekomme, will ich dich wieder in Top-Form sehen!

    

     Kaum, dass sie beim letzten Wort angelangt war, wurde ihr auch schon der Brief aus der Hand gerissen. Und dann sah sie nur noch Rosa.

     RÄUSPER

      Nicht.Mein.Tag.

     „Was haben wir denn da?“, sagte ES mit zuckersüßer Stimme und einem Lächeln auf den Lippen. „Sie sind also der Übeltäter, der die verbotenen Stinkbombenbestellungen aufgibt!“ Luciana hatte nicht mal eine Idee, was Stinkbomben überhaupt sein sollten. „Das ist ja gar nicht Englisch!“, rief ES dann empört, als sei es eine Straftat, eine Fremdsprache zu benutzen.

     „Hey, verdammt! Schon mal was von Briefgeheimnis gehört?!“ Endlich war Luciana aus ihrer kurzzeitigen überrumpelt-sein-Starre erwacht und riss nun ihrerseits den Brief aus der Hand von ES. Darauf brach eine kurze Rangelei zwischen ES und Luciana aus, wobei beide versuchten, das Blatt Papier in ihren Besitz zu bringen. Luciana war schneller. Dann steckte sie sich den Brief blitzschnell in ihren Ausschnitt. Nun ja, das hatte zumindest immer bei Zettelchen in der Nicht-magischen-Schule funktioniert, wenn diese Gefahr gelaufen waren, von einem Lehrer konfisziert zu werden.

     „Als Großinquisitorin von Hogwarts …“, schnappte ES empört – „… haben Sie noch lange nicht die Befugnis, private Post der Schüler zu beschlagnahmen!“ Jaaaa, go McG, GO!!

     Professor McGonagall hatte sich von dem Lehrertisch erhoben und stand, nach ein paar langen Schritten, neben Umbridge, ihren Mund gespitzt und die Augenbrauen gekräuselt.

     „Ich habe Grund zur Annahme, dass es sich hierbei“, und damit deutete ES mit ihren goldbesetzten Wurstfingern auf das Paket, welches auf dem Tisch stand, „um eine Stinkbombenlieferung handelt und das verstößt gegen die Schulregeln. Deswegen habe ich, als vom Ministerium ernannte Großinquisitoren von Hogwarts, sehr wohl das Recht, verdächtige Lieferscheine in meinen Besitz zu bringen, als Beweissicherung.“ ES hatte immer noch dieses widerwärtige Lächeln aufgesetzt.

     „Miss Bradley“, fauchte Professor McGonagall und Luciana vollführte auf ihrem Sitzplatz einen kleinen Hüpfer, „geben Sie mir den Brief!“ Während sie Luciana dazu aufforderte, hatte sie ihren Blick nicht einmal von ES genommen. Luciana fischte  unter ihrer Bluse herum, zog das zerknitterte Papier heraus und legte es ihrer Hauslehrerin in die offen ausgestreckte Hand. McGonagall hielt ihn sich daraufhin direkt vor ihre Nase und rückte dabei ihre Brille zurecht.

     „Das sieht mir ganz nach einem völlig gewöhnlichen Schreiben zwischen Ziehvater und Ziehtochter aus.“

     Luciana nickte eifrig.

     „Miss Bradley, befindet sich in dem Paket eine Stinkbombenlieferung?“, fragte McGonagall und sah sie streng an.

     „Nein, Professor. Das ist nur Lehrmaterial für die Universität, die ich nach Hogwarts besuchen möchte“, log diese prompt, ohne rot zu werden.

     „Da sehen Sie es, Dolores, keine Stinkbomben.“

     Das Lächeln auf ES Gesicht erstarb und dies mit anzusehen, war Balsam für die Seele. Dann drehte ES sich um und stapfte aus der großen Halle, brabbelte dabei noch etwas von „Wenn ich das dem Minister berichte …“.

     Als ES außer Hörreichweite war, beugte sich McGonagall etwas zu Luciana herunter und fragte in leisem Tonfall, „Das sind doch sicher keine Universitätsunterlagen?“

     „Nein, Professor“, antwortete Luciana ebenso leise.

     „Dann richten Sie Ihrem Ziehvater aus, er möge in Zukunft einen unauffälligeren Weg finden, Ihnen Dinge zukommen zu lassen.“ Sie richtete sich wieder auf und blickte mit gespitzten Lippen auf Luciana herab. „Wenn er gewisse Informationen nicht in den Händen des Ministeriums sehen will“, fügte sie noch hinzu.

     Luciana beeilte sich, das Paket in ihren Schlafraum zu bringen und es mit Schutzzaubern zu versiegeln. Auf dem Weg zu Kräuterkunde verbrannte sie Gabriels Brief.

 

Es war mittlerweile kurz nach Mitternacht. Um den Sessel, auf dem Luciana seit Unterrichtsende gesessen hatte, war ein Chaos aus losen Zetteln, Akten und Büchern ausgebrochen, die allesamt aus dem Paket stammten.

     Unglaublich, dass der schmächtige Hamilton nicht unter dem Gewicht des vollgestopften Kartons zusammengebrochen war. Seufzend warf sie das Sitzungsprotokoll mit der Kennzeichnung JH20J87M11T15U224 auf einen Stapel und rieb sich die schmerzenden Augen. Ihre Glieder waren schon ganz eingerostet vom vielen Sitzen und auch unter höchster Anstrengung ergab der Buchstabensalat auf diesen Schriftstücken, zu dieser späten Stunde, keinen Sinn mehr. Trotzdem war sie weit gekommen. Die meisten Regelungen und Gesetze der Organisation von Gabriel waren ihr ohnehin schon bekannt (wen sollte das auch schon wundern, wo sie in den letzten, fast dreizehn Jahren, tagtäglich die Streitereien um Regelspaltereien mitbekommen hatte?), die Protokolle wiesen im Großen und Ganzen fast immer die gleiche Tagesordnung auf, in der es meist um finanzielle Dinge ging.

     Die richtig interessanten Akten, die mit Ultra-Top-Secret-Stempeln gekennzeichnet waren, hatte sie sich allerdings für einen späteren Zeitpunkt aufgespart. Immer schön Eins nach dem Anderen, wie sie es gelernt hatte. Bei A und nicht gleich bei Z anfangen war hier die Devise. Und wo sie gerade beim Anfangen war – wie viele Wochen hatte sie sich doch gleich nicht mehr sportlich betätigt? Luciana nahm den kleinen Hinweis, Gabriel würde beim nächsten Treffen peinlichst genau darauf achten, in welcher Form sie sich befand, sehr ernst. Und ganz gleich, wie gut sie ihren Paten um den kleinen Finger wickeln konnte, es gab ein paar Dinge, da verstand er einfach keinen Spaß.

     Die große Uhr, die im Gemeinschaftsraum über dem Kamin hing, zeigte halb eins an. Durch das Schloss joggen konnte sie um diese späte Stunde wohl kaum noch und draußen war es eindeutig zu matschig. Allerdings … Wofür hatte Hogwarts einen See? Sie war seit Wochen nicht geschwommen und vermisste den Pool, den sie in Deutschland beinahe täglich nutzte. Es ist OKTOBER, du Intelligenzbolzen!, schrie die kleine, aufgebrachte Stimme in ihrem Kopf und Luciana konnte das Eiswasser schon förmlich auf ihrer Haut spüren … aber wofür hatte sie zwei Stimmen? Ah, da meldete sich auch schon die wesentlich dominantere, die es glänzend verstand, sie in die größten Schlammassel zu katapultieren: Solang Wasser noch in einem flüssigen Aggregatzustand ist, kann man auch drin schwimmen! Aber diesmal siegte die Vernunft. Wenn sie auf die letzten Wochen zurückblickte, war sie einem gewissen Professor bei ihren nächtlichen Ausflügen definitiv zu häufig begegnet. Und sie wollte sich nicht einmal vorstellen, was er zum Besten geben würde, sollte er sie mitten in der Nacht im See planschend vorfinden. Man musste das Schicksal nicht herausfordern. Daraufhin veranstaltete Miss-Dominant in ihrem Kopf solch ein Heiden Theater, dass Luciana sich wenigstens dazu breitschlagen ließ, für eine Zigarettenlänge Myrte einen Besuch abzustatten.

 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

„Ooooh, und sie weint und sie weint und dann trrrinkt sie, diesen Sherry, weißt du, da hat sie sich einen ganzen KASTEN von schicken lassen!“, plapperte Myrte auf Luciana ein. Diese saß auf dem Steinboden, gegen eine Toilettenkabine gelehnt und aschte neben sich.

     „Hattest du nicht gesagt, Trelawney sei nur auf Bewährung?“, fragte Luciana und Myrte vollführte eine Freudendrehung in der Luft. So gut war sie wirklich nur sehr selten aufgelegt.

     „Jaaaa, aber diese Umbridge hat ihr drrrriiiittes Auge in Frage gestellt!“, rief der Geist und plapperte immer und immer weiter. Irgendwann, als selbst Luciana einsehen musste, dass ihre Zigarette keinen weiteren Zug mehr hergab, verabschiedete sie sich vom Geist (die sie zwar versuchte zu einer zweiten Zigarette anzustiften, Luciana aber dankend ablehnte) und verließ die Toilette.

     Auf der großen Treppe in der Eingangshalle angekommen, blieb sie dann ruckartig stehen. Waren das Schritte? Oh nein, heute nicht …, dachte sie sich und verschwand lautlos in der Nische zu ihrer Linken. Ein paar Meter unter ihr, war eine dunkle Gestalt aus der Tür gekommen, die hinunter in die Kerker führte. Snape. Wer auch sonst. Dieser lief mit wehendem, schwarzem Umhang unter ihr vorbei und zog sich seine Kapuze über den Kopf. Sie hatte nicht viel erkennen können, doch nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, schien er noch unzufriedener mit sich und der Welt zu sein, als es normalerweise der Fall war.

     Moment mal! Wenn Snape gerade auf dem Weg war das Schlossgelände zu verlassen, wer sollte sie dann beim außer-sperrstundenmäßigem-im-See-Planschen erwischen? Auf Lucianas Gesicht erschien ein Grinsen, dann sah sie noch, wie sich gerade die große Eingangstür schloss. Sie wartete ein paar Minuten in der Nische - vielleicht kam er wieder zurück, weil er etwas vergessen hatte? Nein, das war sehr unwahrscheinlich. Snape und etwas vergessen, pah! Dann, als es weiterhin still blieb, glitt sie aus ihrem Versteck und lief ebenfalls Richtung Hauptausgang.

     Lucianas Schuhwerk war vor Matsch und Dreck nicht mehr wiederzuerkennen, als sie endlich das Ufer des Sees erreichte. Die Schleusen am Himmel hatten sich gütigerweise soeben geschlossen, nur ein wenig Nieselregen war noch zu spüren. Die schwarzen Wolken verzogen sich allmählich und gaben den Blick auf einen abnehmenden Mond frei. Der Anblick war atemberaubend – während Luciana den Sternenhimmel ihr ganzes Leben lang nur aus dem Blickpunkt eines Stadtlichtermeeres gesehen hatte, war der Unterschied, wenn nicht ununterbrochen irgendwo eine Glühbirne brannte, einfach überwältigend – die Sterne erschienen weitaus zahlreicher und vor allem heller.

     So stand sie am Ufer des Sees, bis sich ihr Nacken von dem langen in die Luft Starren bemerkbar machte. Sie war nicht zum Gucken, sondern zum Sporttreiben hier! Durch den Spontanentschluss, doch noch Schwimmen zu gehen, hatte sie selbstverständlich keine Badekleidung dabei. Aber mal ehrlich, es war Nacht, das Schloss schlief – also zog sie sich an Ort und Stelle aus, befreite ihr Haar von dem Pferdeschwanz und stürmte dann in die Fluten. Kalt war kein Ausdruck. Luciana wäre augenblicklich zu einem Eiszapfen erstarrt und davon getrieben, wäre sie nicht sofort zu Schwimmbewegungen übergegangen. Und wie es sich nun mal mit kaltem Wasser verhielt, nach ein paar Minuten Bahnen ziehen spürte sie die Kälte kaum noch.

     Einige Male hatte sie das Gefühl, etwas würde an ihren Beinen entlang streifen, aber sie beruhigte sich selbst mit dem Gedanken, dass es sich hierbei sicher um Algen und sonstiges Zeugs handeln müsse, welches in Seen vorkam. Dann, als sie sich gerade zur nächsten Bahn Richtung Land umdrehte, konnte sie eine Gestalt am Ufer ausmachen. Zunächst schwamm sie auf einer Stelle, in der Hoffnung die Person würde verschwinden, jedoch kam diese näher. Sie war entdeckt worden. Seufzend setzte sie ihre Arme wieder in Bewegung und schwamm zurück Richtung Land. Ihre Sicht wurde mit jedem Schwimmzug besser.

     War das etwa? Och nö, verdammte Scheiße, das ist ja wohl mal – so ne Kacke … mein Arm tut doch jetzt noch weh, ich hab keinen Boooohooock …

     Luciana hatte einen gravierenden Denkfehler begangen, der ihr erst jetzt bewusst wurde. Ein Snape, der nicht auf dem Schulgelände war, dem konnte man nicht über den Weg laufen, soweit korrekt – allerdings kam ein Snape auch irgendwann wieder. Und dann, sie war keine fünf Meter mehr vom Ufer entfernt, schien dieser auch sie erkannt zu haben.

     „MISS BRADLEY“, donnerte er und sein Geschrei hallte über den gesamten See. Okay, sollte sie jetzt von hier aus eine Diskussion anfangen, dass sie erst herauskommen würde, wenn er sich umgedreht hatte? Auf ihrem Gesicht erschien ein kurzes Lächeln. Nein. Der Herr Professor würde sicher auf ein sofortiges Verlassen des Wassers bestehen. Das konnte er gerne haben. Und somit schob sie jegliches Schamgefühl in die Dominante-Stimme-Ecke, die dieses mit Begeisterung verschlang.

     Luciana spürte den Grund unter ihren Zehen, einen Moment später konnte sie ganz auftreten, „Sie KOMMEN AUF DER STELLE“, brüllte Snape weiter, sie machte einen Schritt aus dem Wasser, was ihre nackten Schultern entblößte, „AUS DEM -“, endete er dann abrupt, als beim nächsten Schritt ihr nackter Vorbau zum Vorschein kam. Schritt, nackter Bauch, Schritt, nackte Hüften, Schritt, nackte Beine. Nackt, nackt, nackt, dies schienen die Worte zu sein, die ihrem, zu einer Salzsäule erstarrtem Professor, gerade eben durch den Kopf gingen. Nur seine dunklen Augen waren auf sie fixiert und schienen jede Bewegung, jedes noch so kleine Spiel ihrer Muskeln, zu registrieren – und abzuspeichern.

     Luciana war jetzt nur noch einen halben Meter von Snape entfernt. Sie konnte erkennen, wie sein Mund noch von dem Formen seiner letzten Worte halb offen stand. Und als ihre, von der eisigen Kälte aufgestellten Brustwarzen beinahe den Stoff seines Umhangs berührten, wanderte sein Blick endlich von den tieferen Regionen hin zu ihren Augen.

     Diese Reaktion brachte sie zu einem leicht amüsierten Grinsen, während sie sich in die Hocke begab (dabei konnte sie Snape scharf einatmen hören) und nach ihren Anziehsachen griff, die direkt neben seinen Füßen, in einem kleinen Haufen lagen.

    Luciana stand wieder auf, hielt sich den Kleiderberg vor die Brust und sagte, in einem äußerst scheinheiligem Tonfall: „Würden Sie sich bitte umdrehen, während ich mich wieder anziehe, Professor Snape Sööör?“ Diese Worte hatten gesessen und ihren Gegenüber, ganz wie es aussah, mit einem kräftigen Arschtritt zurück in die Realität befördert. Es kam plötzlich, und in ungeahnter Geschwindigkeit, wieder Leben in seinen Körper. Und dieser Anflug von Scham, der sich in seinen Blick stahl und den Luciana nur flüchtig hatte wahrnehmen können, als er ihr den Rücken kehrte, ja, der war einfach göttlich!

 

 

Auf dem gesamten Rückweg zum Schloss, bei dem Snape peinlichst genau darauf achtete, mindestens zwei Schritte Vorsprung zu Luciana zu haben, sprach er kein Wort. Nicht ein Ton von Punkteabzug, Strafarbeit oder Schulverweis. In der Eingangshalle rauschte er, ohne sich einmal umzusehen, Richtung Kerker davon.

     Sie blieb noch einen Moment vor der großen Treppe stehen und starrte den Fleck an, wo Snape gerade verschwunden war. Notieren: Nackt sein in Kombination mit Snape ist eine Wohltat für den Arm! Wieder stahl sich ein Grinsen auf ihr Gesicht. Selbstverständlich hatte sie erwartet, dass es dem Professor die Sprache verschlagen würde, wenn sie splitterfasernackt aus dem Wasser käme, aber diese Reaktion war einfach nur … unerwartet. Ah, Professor … ich glaube, ich habe Ihren Schwachpunkt entdeckt … Systemüberlastung bei offenkundiger, sexueller Anspielung … ja, das hatte sie schon in ihrer zweiten Unterrichtsstunde bei ihm bemerkt, es aber als Zufall verbucht. Das war interessant. Sehr interessant. Damit ließ sich arbeiten.

    



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Iore
2011-03-22T09:32:58+00:00 22.03.2011 10:32
Heute 10:32
Ich muss einfach mal nen kommi da lassen ich muss sagen bis jetzt habe ich wirklich jedes kapi verschlungen und ich liebe diese FF einfach. Ich kann wirklich nur sagen mach weiter so. Und Snapes blick ich kann ihn mir wirklich bildlich vorstellen einfach genial.


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