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Der Jadejunge

Die Erzählungen, Teil 1 - Shounen-Ai
von

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Inmitten der Flammen

11 – Inmitten der Flammen
 

„Sar’Shan, rede keinen Mist.“, unterstützte Daniel Dakkas Gedanken. Der Krieger sah den Heiler an. „Er hat keinerlei Anzeichen dafür. Keine Krallen, Flügel, Farbaugen – er ist an einer Grippe erkrankt. Nenn mir einen Dämonensprössling, den eine Grippe niederstreckt.“ Der Heiler schnaubte. „Verdammt, die meisten von denen können nicht mal mit Pestkrankheiten angesteckt werden.“
 

Molokoshs Griff auf Dakkas Schulter lockerte sich. Der adlige Drache nickte langsam. „Daniel hat recht.“ Sar’Shan schien unsicher zu sein. „Das muss nicht unbedingt was heißen. Vielleicht beeinflusst ihn irgendwas…“
 

Dakkas schüttelte den Kopf. „Shan, ich denke wirklich nicht, dass ich irgendwie mit einem Dämon verwand bin.“ Das… allein der Gedanke daran fühlte sich falsch an. Allerdings… Farbaugen, hatte Daniel gesagt. Und hatten sich nicht vorhin seine Augen verändert? Als er in den Panzer des Gargats geschaut hatte.

Doch keiner der anderen kommentierte darüber. Also mussten seine Augen noch grün sein. Vielleicht war das ja nur ein Lichteffekt gewesen. Wie hatte er überhaupt in dem schwarz-grünen Panzer seine Augenfarbe ausmachen können?
 

Molokosh lies ganz ab von Dakkas Schulter und Sar’Shan zuckte wortlos mit den Schultern. „Es war nur eine Idee. Schließlich gilt es ja, herauszufinden was er ist, oder?“, brummte der Drachenkrieger.

„Momentan würde ich sagen,“ fiel Jared den anderen ins Wort, „gilt es, schleunigst von den Amok laufenden Dämonen weg zu kommen. Bevor mich noch irgendetwas trifft – und warum immer ich?!“ Der Halbwolf lehnte schwer an Daniel und schien immer noch äußerst schwer angeschlagen zu sein.

Der Heiler selbst sah nicht viel besser aus. Erst die Anstrengung mit Sar’Shans und Dakkas Grippe, dann Jareds Verwundung… der Halbdrache brauchte dringend eine Pause.
 

„Jared hat einmal eine gute Idee.“, erklärte Molokosh und fasste Nostradamus am Arm. „Es ist hier nicht sicher…“ Die Worte des Drachen verloren sich, als ein mit bereits einigen Brandwunden versehener Engelssoldat auf sie zukam.
 

Die kleine Gruppe wurde sofort unruhig. In letzter Zeit hatten sie mit Engeln keine gute Erfahrung gemacht. Doch der Soldat machte einige Schritte von ihnen entfernt halt und nickte respektvoll mit dem Kopf. „Verzeiht, die Herrschaften.“ Seine Stimme war rau. Schmerz und Trauer schwangen in ihr mit. Dieser Mann hatte heute viel Leid und Verlust erlitten.
 

„Ich bin Offizier Ratken.“ Der Offizier stoppte kurz und verlagerte sein Gewicht auf sein linkes Bein. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was man in so einer Situation sagen soll.“ Er blickte Molokosh an. „Herr, unser Heimatdorf… ist hin. Wie ihr sehen könnt.“ Er lachte humorlos. Im Dorf krachte ein weiteres Gebäude tosend dem Boden entgegen.

„Herr, alle ranghöheren Soldaten, der Dorfvorsteher.“ Ratken verstummte. „Wir wissen nicht einmal, wie viele entkommen konnten. Es ging unheimlich schnell… Wir waren hier am Tor stationiert. Wir hörten Schreie, einige Leute rannten an uns vorbei… und dann war da dieses Ding.
 

Der Offizier schüttelte seinen Kopf, als wenn er sich aus einer unangenehmen Erinnerung befreien wollte. „Keine Ahnung wo es herkam – plötzlich schmiss es mit Feuer um sich und dann brannte alles… Wir hatten nie eine Chance.“ Der letzte Satz insbesondere schien den Soldaten zu stören.
 

Molokosh schien langsam begriffen zu haben, um was der Soldat bitten wollte, auch wenn er die Worte nicht herausbringen konnte. „Braucht ihr vielleicht Hilfe bei der Organisierung der Überlebenden?“

Der Offizier lies seine Schultern hängen. „Herr- Ehrlich gesagt wären wir schon froh, wenn Ihr uns sagen könntet, warum das geschehen ist. Aber ja, Eure Hilfe ist… willkommen. Und… einer der Männer sagte, Ihr wäret ein… wichtiger Drache. Eine Persönlichkeit, meine ich. Vielleicht… Wir… wir wissen bloß nicht, wie es weiter gehen soll. “ Pure Verzweiflung war in der Stimme des Mannes zu hören.
 

Molokosh runzelte seine Stirn und schien etwas überrascht zu sein. „Wenn wir helfen können, gerne… Auch wenn wir wohl bei den Dämonen auch nicht weiter wissen. Das… ist nicht unser Spezialgebiet.“

„Die Überlebenden sind eh wichtiger.“, mischte Daniel sich ein. „Vor allem die Verletzten müssen versorgt werden… Dieser Rauch kann sich auf die Atmung legen – wenn das nicht schnell behandelt wird, überleben die Betroffenen nicht lange.“
 

„Und gegen die Dämonen könnten wir eh nicht viel ausrichten.“, fügte Sar’Shan hinzu. „Ein Kampf gegen sie wäre sinnlos, Offizier Ratken. Selbst wenn wir genug Krieger hätten… wir müssten immer noch wissen, wie man sie besiegen kann und welche Art von Dämon sie sind. Und was sie hier überhaupt wollen.“ Der Krieger sah besorgt in die brennende Stadt hinein. „Ich hoffe nur, dass sie nicht auch die Zollstation angreifen.“
 

Der Offizier wirkte etwas erleichtert. „Wir gehen momentan nicht davon aus. Die… Dämonen sagtet ihr? Nun, die Dämonen haben die Stadt noch nie verlassen, bis gerade. Sie scheinen sich nicht für etwas anderes zu interessieren. Wir hoffen bloß noch, dass sie wieder schnell dahin verschwinden, wo sie hergekommen sind.“
 

Dakkas verstand die Welt nicht mehr. Für ihn war absolut klar, was das für Dämonen waren. Und was die einzige plausible Möglichkeit für ihre Anwesenheit war.
 

„Gargati.“ Alles drehte sich zu ihm um. „Die Dämonen sind Gargati. Intelligente, magiebegabte Dämonen des fünften Zirkels. So gut wie unmöglich mit Waffen zu bekämpfen. Die einzige Chance besteht darin, ihre Schutzzauber mit Magie zu durchdringen.“

„Du weißt das?!“, staunte Molokosh. Sar’Shan verschränkte seine Arme und schien etwas zu murmeln, dass sich stark nach ‚hatte es doch gesagt’ anhörte. Jared knuffte ihn schlaff in die Seite.
 

Dakkas nickte. „Ja… Außerdem können Gargati nicht von alleine hergekommen sein – man muss sie beschwören.“ Der Offizier zuckte zusammen. „Was?!“ Auch Molokosh und die anderen sahen geschockt aus.

„Die Gargati leben unter der Za-Za Wüste in den Dämonenlanden.“, spulte Dakkas aus seinem langsam arbeitendem Gedächtnis ab. „Sie kommen nicht gerne hier nach Kvi’sta und nur sehr selten freiwillig. Aber ein unerfahrener Beschwörer kann sich leicht vertun… Sie aus Versehen beschwören, obwohl er etwas anderes herbeirufen will. Ihr Beschwörungsritual ähnelt stark dem von anderen Dämonenarten.“
 

Der Grünäugige runzelte seine Stirn. Langsam wurde es schwieriger, in seinem löchrigem Gedächtnis die nötigen Informationen zu finden. „Sie mögen es nicht, wenn man sie beschwört. Und wer nicht die richtigen Schutzvorkehrungen hat, der lebt nicht mehr lange. Sie können sich nicht weit von ihrem Beschwörungsort entfernen, deshalb verlassen sie die Stadt wahrscheinlich nicht.“
 

Erst jetzt bemerkte der Grünäugige die erstaunten Blicke seiner Reisebegleiter, des Offiziers und einigen anderen Soldaten, die sich um sie versammelt hatten. Einer von ihnen schrie wütend auf. „Soll das heißen, irgend so ein unvorsichtiger Möchtegernzauberer hat diese Dinger hierher gebracht?!“

Dakkas verzog sein Gesicht. „Es tut mir leid, aber ja, das ist die wahrscheinlichste Möglichkeit.“
 

Die Soldaten gerieten in einen Aufruhr – verständlicherweise. Ihre Freunde, Familien und Heimat waren zerstört und das wegen einem dummen Fehler. Sie hatten jedes Recht, wütend zu sein.

„Wenn… wenn ich diesen Hurensohn in die Finger kriege…!“, schrieen nicht wenige von ihnen. Dakkas tat sein bestes, um sie zu beschwichtigen. „Der dürfte schon tot sein. Die Gargati werden ihn als erstes getötet haben.“
 

Natürlich besserte sich die Laune der Soldaten dadurch nicht. Das Dorf war auch nicht wieder repariert und die Toten wiederbelebt. Aber mehr konnte Dakkas ja auch nicht tun. Die Gargati würden verschwinden, sobald die Magie, die sie hier festhielt, verbraucht war.
 

~*~
 

Die Zerstörung der Stadt brachte für die Überlebenden nicht nur Leid, sondern auch ungemein viel Arbeit mit sich.
 

Molokosh schaffte es, die verbleibenden Soldaten und Stadtbüttel einigermaßen zu kontrollieren. Offizier Ratken war eine große Hilfe dabei, er war der älteste übrig gebliebene Soldat und überzeugte viele der Engel davon, auf den Drachen zu hören.

Der de’Sahr teilte die verbliebenen Kräfte in drei Teile ein. Den ersten schickte er einmal um das immer noch brennende Dorf herum, um nach weiteren Flüchtlingen zu suchen. Den zweiten Teil lies er damit beginnen, die Leichen möglichst an einer Stelle zu sammeln, abseits von der Zollstation. Der dritte Teil brachte die noch lebenden Dorfbewohner so gut unter wie es ging und fragte nach jedem mit irgendwelchen Heilfähigkeiten.
 

Daniel schaffte es, sich in zwei Stunden so zu übermüden, dass er fast umgekippt wäre, hätte Molokosh ihm nicht kurzerhand befohlen, eine Pause einzulegen. Jared war – sehr zum Leidwesen des Halbwolfes – Bettruhe angeordnet worden, weshalb er nicht viel mehr tat als murrend an eine Wand gelehnt in der Zollstation zu sitzen.

Sar’Shan war mit den Soldaten mitgegangen, die nach weiteren Überlebenden suchten. Der Drache hatte gemeint, dass er dort am meisten von Nutzen wäre.
 

Dakkas fühlte sich nutzlos und übergangen. Molokosh teilte ihn für gar nichts ein. Nein, vielmehr lies der Schwarzhaarige ihn komplett in Ruhe, ebenso wie Nostradamus. Nur dass der Seher sich daran nicht zu stören schien. Nicht, dass man es bemerkt hätte, wenn er sich daran gestört hätte.

Die unbeteiligte Haltung des Sehers und seine ausdrucklosen Blicke in die Ferne wirkten nicht nur auf Dakkas komisch. Viele der entflohenen Dorfbewohner waren abgeschreckt von der scheinbaren geistigen Abwesenheit des Grauhaarigen. Da ließ sich jedoch nach Dakkas Meinung nichts dran ändern.
 

Drei Stunden, nachdem sie die unheimliche Begegnung mit dem Gargat gehabt hatten, waren die Leichen zumindest abseits der Zollstation zusammengekarrt worden. Molokosh hatte endlich eingesehen, dass irgendjemand wohl oder übel zum nächsten Dorf reisen und dort nach weiterer Hilfe bitten musste. Der Drache fühlte sich sichtlich nicht wohl bei dem Gedanken an viele Engels-Soldaten und Ritter des Barons.
 

Die Überlebenden waren so gut versorgt, wie sie bei den spärlichen Vorräten, Medizin und Hilfskräften sein konnten. Daniel war schon längst vor Erschöpfung neben Jared eingeschlafen. Der Halbwolf selbst dämmerte nur vor sich hin, während sein Körper sich erholte.
 

Sar’Shan und der mit ihm ausgesandte Suchtrupp war noch nicht zurück gekehrt, was Dakkas und Molokosh etwas beunruhigte. Aus dem brennenden Dorf hallten hin und wieder die schaurigen Schreie der Gargati herüber. Doch inzwischen zuckte niemand mehr wegen ihnen zusammen. Stattdessen schienen sie schon fast zur Kulisse zu gehören.
 

Zwei weitere Stunden später schlief auch Nostradamus, nahe bei Jared und Daniel liegend. Der Halbwolf war auch in einen hoffentlich erholsamen Tiefschlaf gefallen. Das immer noch brennende Sellentin erhellte mit seinen Flammen die langsam dunkler werdende Umgebung.
 

Die Sonne ging gemächlich unter, und noch immer war kein Zeichen von Sar’Shan oder den anderen Soldaten zu sehen. Langsam breitete sich auch Unruhe zwischen den anderen Soldaten aus.
 

Es roch nach verbranntem Holz, Fleisch und einigen anderen unangenehmeren Dingen., die Dakkas gar nicht weiter einteilen wollte. Abgesehen von den Geräuschen aus dem Dorf hörte man nur vereinzelt ein Kind schreien oder jemanden weinen, die meisten waren zu mitgenommen um große Gespräche zu führen. Die meisten Tiere waren schon längst aus der Gegend geflohen, so dass nicht einmal das Zirpen von Grillen oder andere Tierlaute durch die Stille brachen.
 

Es war ein Wunder, dass ihre Pferde sich noch nicht losgerissen hatten, dachte Dakkas bei sich. Der Grünäugige saß auf einem Stein, etwas abseits von Molokosh und Offizier Ratken, die wohl darüber beratschlagten, was wegen dem fehlenden Suchtrupp getan werden sollte.
 

Dakkas ging einer – für ihn – viel wichtigeren Frage nach: Warum hatte Beauron ihm das hier überhaupt gezeigt? Sie hätten die Rauchwolke sonst nie gesehen und wären nicht zurück geritten. Vielleicht hätten sie erst Wochen später, in einer anderen Stadt oder größerem Dorf, davon erfahren. Aber anscheinend war es ja wichtig gewesen, dass sie das hier sahen.
 

Dass Dakkas das hier sah. Und damit kam der Schwarzhaarige zu der Frage zurück, ob er ein Dämonensprössling war. Floss tatsächlich Dämonenblut in seinen Adern…

Eine einfache Antwort auf diese Frage gab es nicht. Offensichtliche Anzeichen gab es jedenfalls nicht. Und er war an der Grippe erkrankt, wie Daniel schon gesagt hatte.
 

Außerdem war er sich sicher, kein Dämonensprössling zu sein. Schließlich sollte er ja die Kräfte des Dämonenblutes in sich spüren können, wenn er den Büchern glaubte, die er… früher, vor der Amnesie gelesen hatte. Wenigstens an die konnte er sich inzwischen erinnern.

Er spürte aber keine Kräfte. Nicht mal eine ganz kleine. Nicht mal den Hauch einer Kraft.
 

Genau genommen verspürte er in diesem Moment bloß Hunger. Sein Magen beschwerte sich über das verpasste Abendessen. Innerlich seufzend erhob er sich und kramte aus den Satteltaschen seines Pferdes etwas Brot und Käse hervor, dass er schnell aß. Hoffentlich kehrte Sar’Shan bald zurück. Diese Warterei bekam dem Grünäugigen nicht.
 

Es dauerte noch eine weitere Stunde, bis ein grauhaariger Mann, gefolgt von einigen Engeln, in einem großen Bogen um das Dorf herum auf sie zugelaufen kam. In der Zollstation atmete man aus – viele hörbar. Sar’Shan war wohlauf, und so wie es aussah sein Trupp ebenfalls.
 

Die Soldaten, Sar’Shan an ihrer Spitze, bahnten sich ihren Weg zu Molokosh und Ratken. Es trat jedoch erneut Unruhe ein, als klar wurde, dass sie keine weiteren Überlebenden mit sich brachten.
 

„Sar’Shan… was ist los?“, war das erste, was Molokosh wissen wollte. Ein ernster Ausdruck lag auf dem Gesicht des Kriegers.

„Es gibt keine anderen Überlebenden.“, erklärte der Grauhaarige mit ebener Stimme.

„Wie könnt Ihr da sicher sein?“, fiel Ratken ihm ins Wort, während es bei den Zuhörern mehr Gemurmel gab. „Wie weit habt ihr das Umland durchsucht? Wart ihr deswegen solange fort?“
 

Shans Soldaten traten von einem Fuß auf den anderen und wirkten verstört. Das zeigte Dakkas als erstes an, das etwas ganz komisches passiert war.

„Wir brauchten nicht weit suchen. Das Stadttor auf der anderen Seite war barrikadiert.“ Ein Raunen ging durch die lauschende Menge. „Und zwar mit einige großen, schweren Steinen von außen. Die Schutzmauer war unberührt und es gab keine Anzeichen dafür, dass irgendjemand dort aus der Stadt herausgekommen ist.“
 

Sar’Shan rieb sich die Schulter mit einem leichten Verziehen der Mundwinkel. „Wir haben versucht, die Steine aus dem Weg zu räumen, aber sie waren zu groß. Dazu bräuchte man besseres Werkzeug - Kräne oder zumindest lange Holzstäbe, die man als Hebel benutzen kann.“

„So groß sind die Steine?!“, entfuhr es Ratken oder Molokosh zugleich.
 

Sar’Shan nickte und wandte seinen Blick zu Dakkas. „Diese Gargati… wie viel Gewicht können sie heben?“

Der Grünäugige blinzelte und runzelte seine Stirn. „Entgegen ihrer Größe nicht viel. Ihre Beine und Arme sind nicht kräftig genug für Heben und Stemmen.“ Es waren Feuer-zaubernde Dämonen, keine Kämpfer.
 

„Dann soll jemand anderes die Steine dahin-? Aber das wäre doch bemerkt worden!“, beschwerte Ratken sich und viele stimmten ihm zu. Molokosh ebenfalls.

Sar’Shan zog einen Hemdfetzen hervor, der wohl zum Beutel umfunktioniert worden war. „Das war uns auch klar. Außerdem gibt es hier keine so großen Steine in der Nähe. Das hier haben wir in der Nähe vom Tor, draußen vor der Mauer gefunden.“
 

Der Drache wickelte den Stofffetzen auf und förderte mehrere kleinere Stofffetzen sowie einen rötlichen Ring zutage. „Was soll das sein?“, wollte Ratken wissen und sah die beiden anwesenden Drachen fragend an.

Sar’Shan atmete schwer aus. „Keine Ahnung. Ich habe so etwas jedenfalls noch nicht gesehen. Du, Molokosh?“
 

Der Schwarzhaarige hob den Ring vorsichtig auf und hielt ihn gegen das Licht der Flammen Sellentins. „Nein. Zumindest erinnere ich mich nicht.“ Auch die Stoffstücke sagten ihm nichts. Stirnrunzelnd winkte er Dakkas näher heran. „Vielleicht kann unser ‚Experte’ uns etwas dazu sagen.“, brummte der Drache humorlos.
 

Während Dakkas das kleine Häufchen Stoff und Metall entgegen nahm, fragte Ratken: „Experte?“ Noch bevor Dakkas selbst etwas sagen konnte, hatte Molokosh bereits geantwortet. „Er… hat bereits einige Bücher herausgegeben, zu verschiedenen wissenschaftlichen Themen.“

Der Offizier nickte respektvoll. „Ah. Ein Gelehrter.“ Damit schien die Sache für ihn geklärt zu sein.
 

Dakkas beachtete die beiden erst mal nicht und hob den Ring auf. Wie auch Molokosh hielt er ihn gegen das Licht der Flammen, welche die Umgegend noch großzügig erhellten, trotz der späten Stunde.
 

Der Ring war aus keinem ihm bekannten Metall, ein komisches Rot-Gold Gemisch. Ein verworrenes Muster war auf ihm eingraviert, ein scheinbar sinnloses Wirrwarr an dünnen Linien… erst bei genauerem Hinsehen erkannte Dakkas darin eine Gleichmäßigkeit. Die Linien verwoben sich immer in den gleichen Abständen.
 

Stirnrunzelnd legte er den Ring zurück und begutachtete die Stoffstücke. Sie kamen wohl von einem dunkelrotem Hemd oder einer Hose vielleicht. Auch auf ihnen war ein Muster ersichtlich, mit etwas Mühe konnte Dakkas Flammen erkennen, sowie eine Rune.
 

Das sagte ihm etwas. Erneut hob er den Ring und suchte diesmal in der Innenseite nach einer Gravur. Er wurde fündig: Ein kaligraphisch hübsches ‚M’ umgeben von links und rechts zwei weiteren Runen war jetzt erkennbar, wenn man wusste, wonach zu suchen war.
 

Das war nicht gut. Eigentlich war das gar nicht gut. „Möchtet ihr zuerst die guten, die schlechten oder die wirklich schlechten Neuigkeiten?“, fragte Dakkas zaghaft.

„Dann sagt dir das also was?“, hakte Molokosh nach. Dakkas verpackte den Ring wieder in dem improvisiertem Beutel und nickte zögerlich. „Ja. Aber es ist nichts Gutes.“
 

„Raus mit der Sprache!“, herrschte Ratken und nahm damit wohl vielen Engeln das Wort aus dem Mund. So gut wie alle noch wachen Soldaten und auch einige Überlebende hatten sich in einem großen Kreis um Dakkas und die drei anderen Männer versammelt.
 

„Ich kann euch sagen, wer euer Dorf angegriffen hat.“ Ratken zog seine Augenbrauen zusammen. „Ich dachte, es wäre der Unfall eines nutzlosen Zauberers gewesen?“

Der Grünäugige nickte. „Ich auch. Wie gesagt: Diese Dämonen kommen nicht freiwillig hierher, man muss sie rufen. Ich ging davon aus, dass man sie aus Versehen gerufen hatte.“

„Aber dem ist nicht so.“, vermutete Molokosh. Ein Murmeln ging durch die Versammelten.
 

Dakkas rieb sich die Stirn. „Das ist ein Siegelring eines Dämonenkultes.“ Was die Sache schon schwer genug machte. Die aufgeregten Rufe der Zuhörenden machten es auch nicht leichter.

Molokosh rief zur Ruhe auf, damit Dakkas weiter erklären konnte. Ratken unterstützte diese Aufforderung mit einem Befehl an seine Soldaten.
 

Der Grünäugige versuchte, sich an so viel wie möglich zu erinnern, aber so langsam bekam er Kopfschmerzen. „Welcher Dämonenkult ist unklar. Es gibt genügend Leute und Wesen, die sich dem Dienst eines Dämons verschreiben würden.“ Erneut rieb er sich die Stirn. „Von den Runen im Ring und der Rune auf den Kleidungsfetzen würde ich sagen, der Kult eines Sieben-Zirkel Dämons oder höher.“

„Das heißt nichts Gutes, oder?“, fragte Ratken mit einer kraftlosen Stimme.
 

„Nein, gar nichts Gutes. Das bedeutet mächtiger, starker, richtig gefährlicher Dämon. Der Kult wird die Gargati herbei gerufen haben.“

„Das hätten wir bemerken müssen!“, rief einer der Soldaten dazwischen. Dakkas schüttelte langsam den Kopf. „Nicht unbedingt. Schlafzauber, Unsichtbarkeitszauber… es gibt zig Möglichkeiten, wie man das kaschieren kann, bis es zu spät ist. Sobald der erste Gargat erschien, hatten die meisten eh keine Chance mehr.“ Dakkas schüttelte den Kopf und rieb sich die Schläfe.
 

„Das heißt, irgendwo da draußen sitzen diese Dreckslöcher, die dafür verantwortlich sind?!“, hallte es aus der Menge. Molokosh schaffte es nur schwerlich, wieder Ruhe in die Menge zu bringen. Dakkas zog eine Grimasse. „Die werden bereits wieder dahin verschwunden sein, wo sie her kamen. Wir haben größere Probleme.“
 

„Was soll das heißen? Größere Probleme als einige gottlose Fanatiker, die diese Monster auf unsere Heimat losgelassen haben?“ Ratken war außer sich, mit Recht. Doch Dakkas hatte Kopfschmerzen und weder Zeit noch Lust für dieses Streitgespräch. Wenn das stimmte, was sein rostiges Gedächtnis ausspuckte, hatten sie keine Zeit zu verlieren.
 

„Ja.“, presste er zwischen seinen Zähnen hervor. „Diese Kulte beschwören Dämonen nicht einfach so. Irgendwo im Dorf muss ein Fokus stecken – ein magisches Gerät oder Gegenstand. Der hält die Gargati hier. Wenn der Fokus nicht zerstört wird, werden sie niemals verschwinden.“
 

Jetzt stand Ratken und nicht wenigen anderen Angst im Gesicht geschrieben. „Wa-was? Die können da doch raus – wenn sie… Was tun wir denn jetzt?!“

Molokosh und Sar’Shan schienen sich das gleiche zu fragen. Dakkas schloss kurzzeitig seine Augen. Die Kopfschmerzen verschwanden auch nicht mehr. Vielleicht war das doch etwas, dass Daniel sich irgendwann angucken sollte.
 

„Der Fokus ist sehr wahrscheinlich in der Stadt, das ist der sicherste Ort für ihn. Nicht vieles würde die Flammen überleben. Sobald er zerstört ist, werden die Gargati nach Hause geschickt. Was sie hier tun sollen – keine Ahnung. Das wird vielleicht der Kult wissen, aber gutmöglich, dass der von ihnen verehrte Dämon das nicht mal gesagt hat. Ich vermute, dass sie die Stadt verlassen werden, sobald sie komplett zerstört ist.“
 

Mit zusammengebissenen Zähnen reichte Dakkas den Ring und Stoffstücke zurück zu Molokosh, der sie gedankenverloren auf den neben ihnen aufgestellten Tisch legte. „Wie sollen wir das Ding finden? Wir kommen da noch nicht mal herein, bis die Feuer ausgebrannt sind. Und das könnte einige Tage dauern!“ „Ganz abgesehen davon, dass wir es wahrscheinlich nicht erkennen würden.“, fügte Sar’Shan hinzu.
 

Dakkas blieb ruhig und sah die anderen beiden nur mit einem entschuldigendem Achselzucken an. Er war auch nicht feuerfest oder allwissend. Und er hatte Kopfschmerzen. „Da kann ich auch nicht weiterhelfen… aber wenn wir an den Fokus nicht heran kommen, sollten wir hier verschwinden. Wer weiß, was die Gargati machen, wenn das Dorf zu ihrer Zufriedenheit zerstört ist. Und ob das die einzigen Dämonen sind, die herbeigerufen wurden.“

Denn nur weil sie noch keine anderen gesehen hatten, hieß das noch lange nicht, dass es keine anderen gab.
 

Dakkas überließ das Planen und die aufgebrachten Flüchtlinge den beiden Drachen. Seine Stirn massierend wanderte er bis zu dem Stückchen Wand, an dem der Rest ihrer Gruppe schlief und sank ebenfalls auf den Boden. Schlaf hörte sich plötzlich wie ein guter Ausweg an, doch verhinderten die Kopfschmerzen das.
 

Nach einiger Zeit wichen die Kopfschmerzen wenigstens ansatzweise zurück und Dakkas erhob sich erneut, um sich die Beine zu vertreten. Mit der Hoffnung, dass die Kopfschmerzen dann noch weiter zurück gehen würden.
 

Er umrundete das Haus, an dessen Wand sie lagerten und suchte sich ein Fleckchen etwas abseits von den schlafenden Flüchtlingen, die überall in der Zollstation anzutreffen waren. Etwas außerhalb der Station blieb er dann stehen und blicke zum brennenden Dorf herüber.
 

Das Wissen, das er angesammelt zu haben schien, tauchte immer häufiger auf. Die Erinnerungen kamen stockend und bruchstückhaft, in Etappen, aber sie kamen. Was ihn bedrückte war, dass es nur Erinnerungen an Wissen war – nicht aber an etwas, das mit seinem Leben zu tun hatte. Das verstand er nicht. Es war fast so, als wenn er diesen Teil nicht wieder gewinnen sollte, oder wollte. Aber so ein traumatisches Leben konnte er doch gar nicht gehabt haben.
 

Atemgeräusche rissen ihn aus seinen Überlegungen und er blickte zur Seite, in die Richtung der Station. Jared kam langsam auf ihn zugewandert. Oder geschwankt. Dakkas war sich nicht sicher, wie er es nennen sollte. Der Halbwolf war jedenfalls alles andere als fit.

„Hey, Dakkas.“ Mit einem schwachen Grinsen machte der Verletzte neben ihm halt und hielt sich mit einer Hand an der Schulter des Grünäugigen fest.
 

„Setz dich.“, befahl der auch schon und drückte den Halbwolf zu Boden. Kopfschüttelnd setzte er sich neben seinen Reisegefährten. „Was läufst du durch die Gegend? Daniel hat gesagt du sollst…“ Dakkas Stimme verlor sich, als der Halbwolf grinste und einen kleinen Beutel von seinem Gürtel nahm. „Daniel weiß ja auch nicht, dass ich das hier für Notfälle dabei habe…“
 

Vorsichtig öffnete der Zauberer den Beutel schüttete etwas von dem Inhalt in seine Hand. Es war ein rotes Pulver, das Dakkas nur zu gut kannte.

Fassungslos sah er zu, wie Jared die kleine Handvoll Pulver an seinen Mund führte und hinein schüttete. Den Rest leckte er vorsichtig ab und schloss den Beutel wieder. Grinsend verstaute er ihn danach an seinem Gürtel.

„Rotes Vulkansalz aus Den-Seng.“, erklärte der Halbwolf-Zauberer grinsend. „Eines der stärksten Heilmittel, die es gibt. Eine Fingerspitze reicht aus, um selbst die Purpurpest zu besiegen. Eine Handvoll und es dauert keine fünfzehn Minuten, bis selbst die inneren Wunden wie verschwunden sind.“
 

Dakkas schloss seine Augen und atmete einmal langsam und kontrolliert aus.

Er war sich absolut sicher, dass dieses Vulkansalz sein mysteriöses Gewürz war. Es sah gleich aus, roch genauso und falls er kosten würde, würde es sicherlich genau so schmecken.

Sein Gewürz war kein Gewürz sondern ein Allheilmittel. „Wie teuer ist so ein Beutel voll?“, fragte er zögerlich, als er seine Augen öffnete.
 

Jared zuckte mit den Schultern. „Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht. Weitaus mehr, als ich jemals besitzen werde. Der Beutel war ein Geschenk von… dem Mann, dem Sar’Shan und ich dienen. In Notfällen soll ich es benutzen.“
 

Ein unbezahlbar teures Allheilmittel. Das würde dann erklären, warum er es im Badezimmer versteckt hatte.
 

„Und welche Dummheit hast du jetzt vor, wo du es benutzt hast?“ Beide sahen auf. Ein immer noch sehr verschlafener Daniel blickte auf sie hinab. Jared hatte den Anstand, beschämt auszusehen. „Tschuldige, dass ich dir nichts davon erzählt habe. Es war für Notfälle… und je weniger davon wissen, desto geringer ist die Chance, dass es mir geklaut wird.“

Der Heiler seufzte. „Das verstehe ich ja sogar noch… aber warum meinst du, es jetzt benutzen zu müssen?“
 

Jared runzelte kurz seine Stirn und wies den Heiler dann an, Platz zu nehmen. „Ich war vorhin schon wach, als Dakkas erklärte, was es mit den Dämonen auf sich hat.“

„Du meinst den Aufruhr, der mich geweckt hat?“, warf der Halbdrache ein und Jared nickte. „Ich konnte mithören – besseres Gehör.“, erklärte Jared kurz für Dakkas, der verstehend nickte. „Wen ich unseren Jadestein richtig verstanden habe, werden wir die Dämonen erst los, wenn wir einen magischen Fokus in der Stadt zerstören.“
 

Dakkas nickte. Den Kosenamen übersah er geflissentlich – Jared gab so gut wie jedem und allem einen Spitznamen. Daniel sah von einem zum anderen. „Du willst doch nicht etwa in die Stadt rein?!“ Der Heiler schrie fast laut auf und Jared legte schnell eine Hand über seinen Mund.

„Sch, wenn Molokosh das hört passiert hier gar nichts.“
 

„Jared, das Dorf brennt noch!“, flüsterte Dakkas mit energischer Stimme. Der Halbwolf schnaubte. „Dafür gibt es Schutzzauber – einfach und praktisch, wenn man viel mit Feuer umgeht.“ Dakkas stöhnte. Es hätte ihm klar sein sollen, dass der Zauberer so etwas kannte. Feuer schien seine Lieblingswaffe zu sein.
 

Daniel nahm die Hand von seinem Mund weg. „Auf keinen Fall! Jared!“ Der Heiler senkte seine Stimme, als die Hand des Werwolfs erneut in seine Richtung kam. „Die Dämonen sind noch da drin und wer weiß was sonst noch! Die Gebäude stürzen ein! Das ist alles andere als sicher oder auch nur lohnend! Das ist Selbstmord!“
 

Der Halbwolf schnaubte. „Du brauchst ja nicht mitkommen! Dakkas, würdest du den Fokus erkennen, wenn du ihn siehst?“

Der Grünäugige dachte kurz nach. „Ja, das würde ich. Und er würde an einer sicheren Stelle stehen – nicht in einem einstürzendem Gebäude. Wahrscheinlich mit Runen gekennzeichnet – das ist Teil des… Brauches.“ Die Kopfschmerzen waren noch nicht vollkommen verschwunden, aber inzwischen war das Denken wieder einfacher.
 

„Ihr könnt doch nicht wirklich da rein wollen…“, jammerte Daniel verzweifelt. Doch Jared zuckte nur mit den Schultern. „Hast du eine bessere Idee? Molokosh und Sar’Shan werden nicht gehen, es wäre für sie zu riskant – obwohl sie als Drachen das Feuer aushalten sollten.“, grummelte der Halbwolf.

„Ihre Kleidung schafft das aber nicht. Und den Rauch würden sie auch nicht überleben.“, entgegnete Daniel. „Und dem werdet ihr auch ausgesetzt sein, falls ihr da wirklich rein wollt.“
 

Das brachte Jared dann doch zum Schweigen. „Die Kleidung ist kein Problem. Die Schutzzauber dürften auch an ihr wirken.“ „Ja, und wie oft wirst du die nachwirken müssen? Falls ihr auch nur einem Dämon begegnet, seid ihr beide hinüber… das ist Idiotie, Jared!“

Der Halbwolf grübelte kurz. „Ich weiß genau, dass du den Vollsphären-Schutzzauber beherrschst. Der dürfte uns vor dem Rauch schützen.“ Daniel starrte ihn noch entgeisterter an als vorher. „Wie bitte?“
 

Jared grinste schief. „Ich kümmere mich um unsere Haut und die Kleidung, du dich um den Rauch und Dakkas findet den Fokus. Allem, was da drin noch rumkriecht, weichen wir einfach aus.“ Der Heiler vergrub sein Gesicht in seinen Händen. „Ich höre nicht zu, ich träume noch – Ich gehe zu Lanar und lasse ihn diesen Wahnsinn beenden!“ Er kam nie dazu, aufzustehen.
 

Jared lächelte nur trocken. „Glaubst du, Koshi kann mich aufhalten, wenn ich da wirklich rein will? Zur Not spreche ich eben alle Zauber selbst, auch wenn ich dadurch müde werde.“ Der Zauberer hatte das wirklich vor. Verständnislos schüttelte Dakkas seinen Kopf, seufzte dann aber. „Zu dritt hätten wir auf alle Fälle eine bessere Chance.“, meinte er dann zögerlich.

„Du nicht auch noch!“, zischte Daniel. „Der Lanar bringt uns um, wenn wir da lebendig wieder herauskommen. Ganz abgesehen davon, dass es nichts bringen wird. Wir würden unser Leben ohne Sinn aufs Spiel setzten!“
 

„Es ist bis jetzt die beste Idee, die ich gehört habe.“, gab Dakkas als Antwort und brachte den Heiler so zum Schweigen. Doch nur für kurze Zeit. „Nein. Das kann ich nicht zulassen, es tut mir leid, aber-“

Das Gespräch der drei stockte, als Nostradamus langsam auf sie zukam und in die Hocke ging. Sein Blick war, überraschenderweise, klar. Der Seher war geistig ausnahmsweise mal voll anwesend – was auch immer das bei ihm hieß.

„Wenn wir jetzt gehen, wird Molokosh unser Fehlen erst bemerken, wenn es zu spät ist.“ Die deutliche, kalkulierend klingende Stimme des Grauhaarigen schreckte die drei anderen doch etwas auf.
 

„Herr? Lanar Nostradamus, Ihr meint doch nicht…“ Daniel schluckte, als klar wurde, dass der Drache genau das meinte.

„Du hast den Herrn gehört, Daniel. Auf, auf mit uns.“ Der Halbwolf sprang auf die Beine und schien tatsächlich von seinen vorherigen Wunden erholt zu sein. Dieses Salz musste wirklich unheimlich stark sein… Ein Grund mehr, die kleine Kiste gut versteckt und verschlossen zu halten.
 

„Lanar?“ In Daniels Stimme schwang Verzweiflung mit, doch Nostradamus lächelte nur und richtete sich ebenfalls wieder auf. „Beeil dich, Daniel. Der Fokus ist am anderen Stadttor und wir müssen durch die Stadt durch, um ihn zu erreichen. Je eher wir losgehen, desto eher kommen wir wieder zurück.“

Dakkas blinzelte. Manchmal war so ein Seher doch praktisch.
 

Jared sprach einige schnelle Zauber auf ihre Kleidung und sie selbst, die sie hoffentlich vor den Flammen schützen würden. Daniel belegte sie wiederwillig mit einem Zauber, der es ihnen erlauben würde, auch in dem Rauch zu atmen. Nostradamus gab das Zeichen zum Aufbruch.
 

Das brennende Dorf zu betreten war einfacher, als Dakkas gedacht hatte. Den Rauch konnte er weder riechen noch spüren, lediglich seine Sicht wurde davon behindert. Die Hitze der Flammen war zwar noch spürbar und unangenehm, aber obwohl sie an ihm empor leckten fing er nicht Feuer. Alles in allem war es eine komische Erfahrung, als sie die brennenden Trümmer durch das Loch in der Steinmauer betraten, welches der Gargat vorher hinein gerissen hatte.
 

Nostradamus führte sie zwischen schon fast ganz abgebrannten Trümmern entlang und mitten durch Flammenwände hindurch. Die Ruinen hatten keine Ähnlichkeit mehr mit dem Dorf, dass Dakkas erst vor kurzem verlassen hatte. Ohne den Seher hätte er sich hier nie zurecht gefunden.
 

Der Schrei eines Gargat hallte durch die Nacht und ließ die vier Todesmutigen innehalten. Nostradamus hob seine Hand und schien über etwas nachzudenken.

„Was ist?“, wollte Dakkas wissen.

„Es wäre möglich, dass ich uns um die Dämonen herum führen kann.“, erklärte der Seher zögerlich. Daniel atmete erleichtert aus. „Na wunderbar.“

„Allerdings,“ wandte Nostradamus ein, „wäre ich dann nicht mehr ansprechbar in eurem Sinne.“

„Oh.“, war die Antwort des Heilers.
 

Jared grummelte. „Dann nützt es nichts, oder? Wir sollten hier im Feuer nicht stehen bleiben.“

„Warum nicht?“, wandte Dakkas ein und erntete ungläubige Blicke von den beiden Halbengeln. „Ich verstehe Nostradamus durchaus, wenn er… anders ist. Zumindest etwas, denke ich.“ Bei der Vision hatte er sich jedenfalls nicht dumm angestellt.
 

„Gut.“, war alles, was Nostradamus von sich gab, bevor er plötzlich kurz schwankte und seine Augen wieder jeglichen Fokus und Emotion verloren. Dann setzte der Seher sich auch plötzlich schon in Bewegung. Hastig folgten die anderen ihm.
 

So langsam verstand Dakkas, wie Nostradamus’ Sicht funktionierte. Und was für ein Fluch sie sein musste, wenn sie den Seher so von seinem Körper trennte. Denn wenn er ‚sah’ schien er nichts wahrzunehmen, was seinen Körper betraf. Als wenn sein Körper nur noch mit ‚Restenergie’ funktionieren würde und sein Geist ganz woanders war… Ein schweres Los.
 

Ihre Wanderschaft durch das zerstörte Dorf wurde so schnell wie möglich hinter sich gebracht. Dank Nostradamus’ Führung begegneten sie tatsächlich keinem Dämon irgendeiner Art, Form oder Größe. Einzig und allein einige komische Schreie oder Geräusche drangen hin und wieder an ihr Ohr, doch wurden diese geflissentlich ignoriert.
 

Der Rauch und die Flammen nahmen ihnen die Sicht, so dass sie keine andere Chance hatten, als sich auf ihren drakonischen Führer zu verlassen. Die Hitze war zwar nicht bedrohlich, aber unerträglich. Alle vier atmeten erleichtert auf, als sie plötzlich auf einen größeren, freien Platz traten.
 

Der Platz war überseht mit langsam dahin schwelenden Holzresten und einigen verbrannten Dingen, die Dakkas nicht genauer untersuchen wollte. Alle Gebäude oder Gebäudetrümmer waren von dem Platz weggekarrt oder umgerissen worden, so dass eine freie, relativ flammenfreie Fläche entstand.
 

In der Mitte des Platzes war ein einfaches, kleines Podest aus schwarzem Stein aufgestellt, in dessen Mitte ein rötlich leuchtender Kristall von vielleicht zwei Pfund Gewicht aufgestellt war. Dakkas erkannte ihn sofort als den fraglichen Fokus, wegen dem sie überhaupt hier waren.
 

Zu ihrer Überraschung – und ihrem Entsetzen – war der Fokus jedoch nicht allein, obwohl er inmitten der Flammen in relativer Sicherheit war.
 

Neben ihm stand ein Mann, eingehüllt in die farbintensivsten und exotischsten Kleider, die Dakkas je gesehen hatte. Rote Stiefel, eine orangefarbene Hose und eine purpurfarbene Tunika samt einem rotem Überwurf mit gelben Verzierungen zierten den hochgewachsenen Mann mit den blond-rötlichen Haaren.
 

Er sah nicht in ihre Richtung, sondern spielte mit einem Zipfel seines Überwurfes, während er in die Ferne starrte. Er war nicht so groß wie ein Drache, aber größer als ein durchschnittlicher Engel. Doch was auch immer er war, im Moment war er den vieren im Weg.
 

„Was jetzt?“, fragte Daniel. Da sie gegen das Knistern der Flammen und Krachen der immer noch einstürzenden Gebäude ankommen mussten, schrie der Heiler.

„Nicht gut. Unzulässig. Nicht vorhanden. Versteckt?!“, brabbelte Nostradamus mit ausdruckslosen Augen.

„Was?“, wollte Jared wissen.

Der Seher starrte weiterhin den dort stehenden Mann an und sprach verwirrt vor sich her. „Nicht da. Doch da? Sollte nicht da sein. Übersehen? Weggeschaut? Hingeschaut und doch nicht gesehen?“

„Er hat den Mann nicht sehen können.“, riet Dakkas.
 

Daniel und Jared sahen sich blass an. „Was ist?“, wollte Dakkas wissen. „Wenn Nostradamus-lana ihn nicht sehen kann, muss er sehr mächtige Schutzzauber gegen Seher haben. Sehr, sehr mächtige Schutzzauber.“, erklärte der Heiler mit Angst in der Stimme.

Dakkas schluckte. Mit einem mächtigen Magier oder Beschwörer hatten sie nicht gerechnet. Was jetzt?
 

Diese Frage klärte sich jedoch von selbst. Ein Dämon trat von einer anderen Seite des Platzes hinaus aus den Flammen. Es war ein aufrechtlaufendes, aber hundeähnlich aussehendes Wesen mit seltsamen Stacheln und Schuppen an seinem Körper. In den starken Armen trug es vorsichtig ein eingewickeltes Bündel. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte Dakkas einige Haare zwischen den braunen Leinen.

In dem Bündel war eine Person!
 

Zwei andere Dämonen, ebenfalls diese Hund-Schuppen Art, trat hinter dem ersten auf den Platz und schleppten einen älteren, schwer mitgenommenen Engel mit sich. Auf der weißen Robe des Engels prangte das Zeichen einer geballten Hand, von der Strahlen ausgingen.

„Das ist ein Doge!“, rief Jared entgeistert.

„Warum lebt der noch?“, fragte Dakkas.

„Schutzzauber?“, riet Daniel. „Die Dogen sind keine schlechten Magier. Aber was machen die Dämonen da?“ Darauf wusste keiner der anderen eine Antwort. Außer vielleicht Nostradamus, doch der war wieder still geworden.
 

Der erste Dämon brachte das Bündel vorsichtig zu dem wartenden Mann, der mit einer offensichtlich besorgten Miene die darin befindliche Person musterte. Danach sandte er einen mörderischen Blick zu dem Dogenmagier und zischte den Dämonen etwas zu. Die Wesen gaben seltsame, hohe, kiekende Laute von sich. Mit einem letzten sanften Blick auf das Bündel verschob der buntgekleidete Mann einen Teil der Fassung des Fokus und öffnete somit ein mit Krachen erscheinendes, zuckendes und wabbelndes Portal von violetter Farbe.

Die Dämonen schritten mit ihrer Fracht hindurch und verließen somit Sellentin. Der Mann sah sich noch einmal um und schob die Fassung des Fokus dann wieder zurück.
 

Danach blickte er noch einmal rund um sich. Dabei landeten die Augen des Mannes auch auf Dakkas und den anderen.

Purpurne Augen bohrten sich in die des Grünäugigen und weiteten sich kurzzeitig mit etwas wie Überraschung. Der Platz war klein genug, dass Dakkas das Gesicht des Mannes gut sehen konnte. Doch die Augen ließen ihn nicht los.
 

Sie waren komplett purpurfarben, ein satter, farbenprächtiger Farbton. Nur die Iris war schwarz. Während Dakkas zusah blinzelte der Mann einmal langsam. Als die Augenlieder sich wieder hoben, waren die Augen plötzlich braun und von normalen Aussehen. Ein zweites Blinzen ließ sie jedoch wieder Purpur werden.
 

Ein fragendes Grinsen legte sich auf die Züge des Mannes und er legte seinen Kopf schief. Mit einer Bewegung seiner Hand schmiss er dann den Fokus auf den Boden, wo der Kristall zersplitterte. Kreischen und Tosen war aus scheinbar allen Ecken des Dorfes zu hören, bis all diese Geräusche auf einmal verstummten.

Mit einem sardonischem Lächeln verging dann auch der mysteriöse Mann in einer rötlich-purpurnen Wolke und löste sich sprichwörtlich scheinbar in Nichts auf.
 

Zurück blieben nur die Trümmer, die Flammen, die absolute nächtliche Stille, abgesehen vom Knistern des Feuers, und die vier verdutzten Freunde.
 

„Hat der gerade den Fokus zerstört?“, wollte Jared wissen. Dakkas nickte. „Ja. Damit sollten unsere Dämonenprobleme gelöst sein.“ „Warum bringt er die Dinger hierher, nur um sie wieder wegzuschicken? Und wo ist der hin?!“

„Das weiß ich zwar nicht, aber wir sollten schleunigst zurück zum Lanar und ihm davon berichten.“, meinte Daniel in Antwort auf Jareds Fragen.
 

Dakkas konnte ihm nur Recht geben. Irgendetwas an diesem Mann war… unheimlich gewesen.



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