The Chimaer
Stille lag in der Lagerhalle, und etwas dumpfes legte sich auf das Gemüt. Nur das leise Tröpfeln von Wasser aus einer defekten Regenrinne drang kaum merklich an Hayamis Ohren.
Er stand unbewegt da, die Pupillen geweitet, die Augen starr, müde davon in diesem Dunst etwas zu erkennen. Das trübe Licht, das durch die dreckigen und teils zerbrochenen Fensterscheiben drang erhellte schwach einen Ort,
der ein Bild des Grauens bot. Vor Hayami standen drei große, aus vergilbten Glas bestehende Wasserbehälter von ungefähr 2 Meter Höhe. Sie ähnelten stark denen, die er vor einiger Zeit mit Kino entdeckt hatte.
"Warte gefälligst auf mich du Trampel!" Kino eilte hinter Hayami her, wie sie es schon oft hatte tun müssen. Die beiden waren während einer Erkundungsmission am Südpol mit dem Grampus auf eine ihnen unbekannte Insel gestoßen. Sie bestand zum größten Teil aus schwarzen, zerklüfteten Felsen, die von Löchern durchfressen waren. Der Boden schien Vulkangestein zu sein und einige Ausläufe sahen aus wie Geschwüre auf dieser Insel, die nicht hier hinzugehören schien. Sie wirkte wie eine Totgeburt der Erde, vom Meer zerfressen.
Hayami hatte beim Umherschlendern einen großen, in den Stein gehauenen Eingang entdeckt und war natürlich schnurstracks hineingegangen; ohne Kino zu vorher zu fragen selbstredend.
"Jetzt halt endlich an Hayami! Ich als dein Vorgesetzter befehle es dir!"
"Ach ja, der Kram wieder.." Hayami blieb stehen, steckte sich lässig eine Zigarette an und betrachtete Kinos, wiedermal Wutverzerrtes, Gesicht.
"Und warum, Miss Vorgesetzte? Haben sie etwa Angst allein zurückgelassen zu werden?"
Hayami kicherte leise vor sich hin als er mit Kino dem langen Gang folgte der hinter dem Eingang lag. Obwohl alles verlassen schien brannten helle Lampen an der Decke.
Ein modriger Geruch lag in der Luft, als wäre vor längerer Zeit das Meer hier hereingebrandet. Als sie nun diesen langen Tunneln entlang schritten, dachte Kino viel über Hayami nach. Er war etwas lockerer drauf als früher, wurde manchmal jedoch sehr ernst, zum Beispiel wenn ein Einsatz geplant wurde. Manchmal sah sie ihn allein aufs Meer blicken, die Augen in die Ferne fixiert, etwas suchend in dieser endlosen, blauen Weite.
Hayami nervte sie zwar oft, doch Kino war sich ihrer starken Gefühle zu Hayami bewusst die weit über Freundschaft hinausgingen. Sie seufze und wollte etwas sagen, doch jäh plötzlich war der Gang zu Ende und sie kamen in eine große Halle.
"Willkommen in Zorndykes Forschungsstation." sagte Hayami, der umherging und sich interessiert umblickte. Vor ihnen erstreckten sich Hunderte und aber Hunderte von Inkubationsbehältern, große Glasbehälter die mit verschiedenen Instrumenten verbunden waren zur Extrahierung von DNA, zur Entnahme von Gewebeproben und zum "entwerfen" Neuer Lebewesen. Kino war geschockt, denn in den meisten Behältern waren noch Kreaturen zu sehen. Einige erinnerten an NeMutio, andere an Tiere wie Schlangen. Alles im allem schien dies ein der normalen Evolution fremder Zoo zu sein, zum Zwecke der Forschung.
Kino schluchzte und drückte sich an Hayami, der nun unbewegt dastand und die Kreaturen betrachtete. Kino war sichtlich mitgenommen. "Wie konnte er so was tun?!" schluchzte sie.
"Das ist grausam! Erschafft man so einen Armee?!"
"Nein" sagte Hayami, die Pupillen verengt. Die Zigarette, die er noch im Mund hatte brannte zischend aus und viel auf den schwärzlichen Boden. "So spielt man Gott".
Damit nahm er Kino, drehte sich um und ging mit Kino wieder zurück.
Der Anblick, der sich Hayami jetzt bot, war nicht minder schockierend. In den drei Behältern waren NeMutio. Der faulige Geruch der Verwesung lag in der Luft und ein unsichtbarer Dunst schien auf den Kopf zu drücken, alle vernünftigen Menschen Gedanken verwehend wie ein Hauch von Nichts. Alle NeMutio schienen tot zu sein, doch nein!
Hayami holte kaum merklich Luft als er an einen der Behälter trat. Diese Eine lebte noch!
"Dich lass ich nicht hier!" sprach Hayami fest entschlossen. Die NeMutio schien ihn gehört zu haben, denn langsam öffnete sie ihre schönen, blauen Augen und blickte Hayami verwundert an. Sie sah ziemlich abgemagert aus und drückte sich ängstlich mit dem Rücken an die Scheibe, am ganzen Körper zitternd das es zum Erbarmen war.
"Ich werde dir nichts tun, ich hol dich da raus!" Etwas in Hayamis Stimme schien die NeMutio zu beruhigen, denn sie hörte auf zu zittern. Hayami kramte zwischen einigen vermoderten Kisten ein großes, Motten zerfressenes Tuch hervor. Darin konnte er die NeMutio einwickeln, denn obwohl sie auch Lungen besaßen und an Land atmen konnten, trockneten sie doch schnell aus. Leider fand er kein geeignetes Utensil, um die NeMutio aus ihrem Gefängnis zu befreien. Also versuchte er es schlicht mit bloßen Händen und drosch auf den Behälter ein was jedoch so nichts brachte. Die NeMutio zuckte leicht als Hayami nun mit dem Ellenbogen gegen das Glas krachte. Da endlich gab das Glas nach und Wasser schäumte aus der kleinen Öffnung die Hayami hineingeschlagen hatte.
Keuchend hielt er kurz inne. Sein rechter Arm hatte einen tiefen Schnitt vom scharfen Glas und blutete stark, doch das war Hayami im Moment egal. Keuchend vergrößerte er die Öffnung, bis diese ca. 1,5 Meter groß war und fing an, die NeMutio an den Füßen herauszuziehen. Sie wehrte sich jedoch etwas und wollte sich mit den Händen an den scharfen Glasrändern festhalten. Doch Hayami reagierte schnell und packte sanft ihre zierlichen Hände bevor sie sich schnitt und zog die NeMutio ganz heraus zu sich. Sie war zu schwach um sich noch zu wehren und betrachtete Hayami ängstlich. Dieser wickelte sie jetzt rasch, aber vorsichtig in das Tuch. Nur ihr Kopf schaute noch heraus und ihre langen, silbernen Haare kitzelten Hayamis Arm. Nur noch ein leises Zischen war von der NeMutio zu hören die tief atmete. Offensichtlich hatte sie sich mit ihrer derzeitigen Situation abgefunden...
"Wow! Das Ding sieht sehr schnittig aus." Kino stand mit Captain Iga in einem Dock, wo gerade neue Waffensysteme für die BlueSix verladen wurden, darunter auch der Prototyp Orcea, ein Jagd U-Boot, ähnlich dem Grampus, daß für Hayami gedacht war.
"Und sie denken, dass Hayami das Ding steuern kann, Sir? Er ist doch kaum einzuschätzen."
Kino zweifelte nicht daran, dass Hayami dieses Monstrum bei der Testfahrt in seine Einzelteile zerlegen könnte. Iga grinste. "Ich habe vollstes Vertrauen in Hayami. Er ist der beste Pilot den ich jemals kennen gelernt habe. Es wird garantiert nichts schief gehen.
Außerdem fährst DU, zumindest beim Testlauf, als Co Pilotin mit."
"Was?! Aber, aber..." Kino war blass geworden.
"Nichts aber. Du wirst mitfahren. Das ist übrigens ein Befehl. Wegtreten!"
Und damit ging Iga zu Alexander um sich mit ihm über die Party zu unterhalten, die für den Abend geplant war.
Kino ging noch einige male um die Orcea, jedes Detail betrachtend, als ihr lautes Stimmengewirr in die Ohren drang.
"Was haben sie da?"
"Ein Kind."
"Sie sind ja verletzt! Brauchen sie Hilfe?"
"Nein, nein. Trotzdem Danke."
Und da kam Hayami keuchend und nass geschwitzt in das Hangar geschlendert.
"Captain Iga!" Hayami schien es sehr eilig zu haben. Iga wollte gerade zu Hayami gehen, doch Kino drängte sich an ihm vorbei. "Wo bist du gewesen du Idiot?! Ich hätte deine Hilfe gut gebrauchen können! Und warum blutet dein Arm?!" Kino schaute besorgt drein und betrachtete den Gegenstand den Hayami trug. "Und was zur Hölle ist das?!"
Doch Hayami ignorierte Kino vollends und wandte sich an Iga, der stirnrunzelnd da stand.
"Wo finde ich Tsuji?" Hayami war kaum zu halten und schien ziemlich nervös.
Von dem Ding, das er trug kamen leise Geräusche die nach Husten klangen.
Iga sah, dass es jetzt sinnlos war Fragen zu stellen. "Sollte bei der Ryuoh sein."
Schon lief Hayami aus dem Hangar von der komplett verwirrten Kino verfolgt.
Iga schaute den beiden Kopfschüttelnd nach.
"Wie, was, wieso.. Biste noch dicht?!" Kino verstand nichts mehr.
Hayami blieb stumm. Die Ryuoh kam in Sicht. Tsuji stand am Steg und betrachtete die Waren, die einige Soldaten gerade von einem Lastwagen abluden. Als er Hayamis Rufe hörte schien er aus einer Trance zu erwachen.
"Tsuji!"
"Hä? Wie, was... Hayami? Solltest du nicht...?"
"Keine Zeit für Erklärungen. Kannst du mir folgende Sachen in meine Kabine schaffen?"
Und er flüsterte Tsuji ein paar Sachen zu, der verwundert drein blickte.
Er war nun ebenso verwirrt wie Kino, zuckte jedoch mit den Achseln und lief schnell zur Ryuoh. Kino stampfte währenddessen wütend vor Hayami auf.
"Soooo, du bleibst jetzt hier und stehst mir Rede! Wieso bist du verletzt? Was trägst du da und WO warst du?! Warum..."
Eine Flut von Fragen brach über Hayami herein und Kino fing jetzt auch noch an mit ihren Fäusten auf ihm rumzuhauen. Die umstehen Soldaten lachten schallend, als Hayami irgendetwas murmelte und mit seiner Last zur Ryuoh eilte, wobei er haarscharf einen Fußtritt Kinos entrann, die ihn nun auch noch die Brücke zur Luke hochjagte.
"Willst du jetzt reden?!"
"Neeeiiinnn!"
"Ich kann dich dazu zwingen!"
"Dann versuch es doch!"
"Mahhh'*###♣♣♣!!!" Kino raufte sich verzweifelnd die Haare und biss sich auf die Unterlippe. Hayami ging durch die Luke in die Ryuoh und eilte in seine Kabine.
Kino wollte folgen, doch schon war die Tür zugeknallt. Erst wollte sie reingehen und Hayami eine Ohrfeige verpassen, fasste jedoch dann die andere Option ins Auge ihn zu belauschen...
