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Der Gärtner

von

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Der Gärtner
 

Sie stand ganz allein im Garten, trug ein dunkelrotes Kleid. Hoch über ihr wachten die Sterne und der Mond leuchtete matt auf seiner allnächtlichen Reise.

"Du bist das Schönste, was ich je gesehen habe", flüsterte er andächtig und ergriffen.

Für wahr, keine war schöner. Sie war auf natürliche Weise perfekt, er konnte es beurteilen, er hatte schon unzählige andere gesehen. Ihr Wuchs, ihr Kleid, das Lächeln ihrer Gestalt versetzte ihn in andächtiges Staunen. Ihr Duft wurde vom warmen Sommerwind in die Nacht getragen, Tautropfen schmückten sie wie die kostbarsten Edelsteine eine Königin nur schmücken konnten. In ganzer Herrlichkeit stand sie vor ihm. Und er, vollkommen verzaubert, wollte sie berühren, wollte ihr nah sein, sich in ihrem Anblick verlieren, sie sein Eigentum nennen. Doch noch zögerte er, sah sich um, fühlte sich beobachtet. Vorsichtig trat er noch einen Schritt auf sie zu, verneigte sich vor ihr, bat um Erlaubnis, sich ihr weiter näher zu dürfen. Von Nahem war sie noch schöner und ihr Duft wohl der fesselndste auf Erden. Es zog ihn näher. Er wollte sie berühren, über ihre zarte Haut streicheln.

Sie schwieg wie gewöhnlich. Er erwartete auch nicht, dass sie ihn mit Worten einlud, denn so ein schönes Wesen wie sie brauchte keine Worte und er wäre keinem ihrer Worte würdig gewesen. Dass sie weiterhin in ganzer Pracht dastand, war ihm Bestätigung und Erlaubnis genug. Noch einmal sah er sich prüfend um, dann streckte er die Hand nach ihr aus.

Augenblicklich durchfuhr ihn ein Schmerz, entgeistert starrte er auf seine Hand. Ein kleiner, roter Tropfen rann seinen Zeigefinger hinab und verlor sich auf dem Weg. Immer noch betäubt von dem Schreck hob er langsam den Blick, sah sie wieder an. Fassungslosigkeit sprach aus seinen Augen.

Warum hatte sie das getan? Wie konnte sie es wagen? In all ihrer Schönheit, wie konnte sie so grausam sein?! Zu ihm, der gesehen hatte, wie sie erblüht war? War er ihr nicht immer ein guter, treuer Diener gewesen? Hatte er sich nicht um ihre Schönheit gekümmert, sie gepflegt und beschützt? Und sein eigenes Blut sollte nun der Dank sein?

Zorn ergriff ihn. Er stürzte auf sie zu, packte sie, schlug sie. Und sie brach, knickte um, fiel tot zu Boden. Regungslos lag sie da. Die Edelsteine lagen verstreut auf dem Boden herum.

Angst befiel ihn. Schnell kniete er sich zu ihr herunter, strich über ihr rotes Kleid.

Sie lag da, ohne ein Lebenszeichen. Trotzdem, noch sah sie aus als würde sie noch leben - die Blässe des Todes hatte sie noch nicht umfangen. Aber wie unecht sie jetzt wirkte... aber immer noch schön. Vielleicht schöner als je zuvor.

Andächtig hob er sie hoch - vorsichtig. Wie leicht sie war... Er trug sie ins Haus. Tränen standen in seinen Augen.

Nun würde sie verblühen, ihre ganze Schönheit vergehen.

Er trug sie ins Haus und legte sie auf den Küchentisch.

Noch einmal sah er sie an, dann wischte er sich die Tränen aus den Augen und lächelte, denn ein Blick durch das Fenster hatte ihm verraten, dass in der Nachbarschaft eine wunderschöne, schneeweiße Lilie lebte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2004-06-26T08:09:53+00:00 26.06.2004 10:09
Nur ein Kommentar bei so einer Geschichte? Kann doch nicht sein. Einfach nur klasse! Muß mich Pitri-Chan anschliessen, deine Wortwahl und der Aufbau der Geschichte ist toll. Alleine die Idee ist...wunderbar.
^^
Von: abgemeldet
2004-06-21T16:16:19+00:00 21.06.2004 18:16
Hallo!
Ich hab gesehen, dass du auch bei dem kurzgeschichten-WB mitmachst, also dachte ich mir ich schau mal rein!
Ich kann nur sagen:
Wow!
Ich bin echt beeindruckt!
Der Stil und die Wortwahl ist toll, und das man immer den Eindruck hat, dass die Blume ein Mensch...auch das mit der Lilie am Ende...
Hui!! ^.^
Gefällt mir sehr!!
*wink*

Pitri


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