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Leaving a Sign that I was there

私がいた証拠を残して
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Mitte Juni 2000 - Tokyo, Japan

Morgens beeilte sich Alexandra immer öfter um früh da zu sein, damit sie noch Zeit hatte, sich mit Akagi zu unterhalten, doch in letzter Zeit hatte ihr Unwohlsein zugenommen. Auch an diesem Morgen ging es ihr nicht besonders. Kaum hatte sie das Klassenzimmer betreten und ihre Sitznachbarin erblickt, auf die sie sich jeden Tag freute, weil sie sich mittlerweile ganz gut verstanden, fühlte sie wieder das flaue Gefühl in ihrer Magengrube.

Sie grüßte das andere Mädchen wie immer höflich und setzte sich an ihren Tisch. Am liebsten hätte sie sich direkt mit ihr unterhalten, aber ihr Magen machte ihr einen Strich durch die Rechnung.

Sie merkte, dass sie feuchte Handflächen bekommen hatte und ihre Hände zitterten etwas; sie spielte nervös mit ihrem Stift, der ihr natürlich prompt aus der Hand fiel. Beide Mädchen bückten sich gleichzeitig nach dem Stift und als sich ihre Finger sanft berührten zuckte ihre Hand zurück. Sie blickte das andere Mädchen etwas erschrocken an.

Akagi nahm den Stift und hielt ihn ihr lächelnd hin, "Bitte sehr."

"D-danke", schnell nahm sie den Stift an sich und rieb ihre schwitzigen Hände unauffällig an ihrem Rock ab. Sie fühlte sich heiß und schwummerig, wurde sie etwa krank?

"Geht es dir gut, Kaiser-san?" Fragte Akagi sie etwas besorgt, "Du siehst blass aus." Und dann tat das Mädchen etwas, mit dem Alexandra nicht gerechnet hatte: sie hob ihr den Handrücken an die Stirn um zu prüfen, ob sie Fieber hätte. Von dieser Geste überrumpelt zuckte Alexandra zurück und erhob sich ruckartig.

"Es geht schon", murmelte sie und stürzte aus dem Raum. Ihr war plötzlich schlecht und der Schwindel schien zuzunehmen.

Schnell ging sie zur Toilette und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser ab, dann stützte sie sich auf das Waschbecken und blickte in den Spiegel. Eigentlich sah sie ganz normal aus, fand sie. Aber warum fühlte sie sich dann so krank?

Nach einer kurzen Verschnaufpause schien es ihr wieder besser zu gehen, der Schwindel und die Übelkeit ließen nach, aber ganz wohl fühlte sie sich noch nicht. Sie verließ den Raum und ging zurück in's Klassenzimmer, in dem bereits einige Schüler mehr waren, als vorhin.

Sie setzte sich an ihren Platz zurück und Akagi sah sie fragenden an, "Alles okay? Entschuldige, ich wollte dir nicht zu nahe treten" murmelte sie.

Alexandra schüttelte seicht den Kopf, "Sch-schon gut, danke ...", antwortete sie mit einem matten Lächeln.

Sie war froh, als der Unterricht endlich um war; und so gern sie in den Buchclub ging, so entschuldigte sie sich doch bei Akagi, dass sie wegen ihres Unwohlseins lieber nach Hause gehen würde.

"Natürlich, du brauchst dich zu nichts zwingen, wenn es dir nicht gut geht. Mata ashita - bis morgen, Kaiser-san und gute Besserung" sagte Akagi noch zu ihr, bevor sie das Klassenzimmer verließ.

Doch Alexandra kam am nächsten Tag nicht in die Schule. Sie hatte sich wohl wirklich was eingefangen und blieb die nächsten Tage im Bett. Appetitlosigkeit, Übelkeit und leichtes Fieber waren ihre Begleiter in diesen Tagen und sie genoss die Ruhe in ihrem Zimmer.

Sie schlief viel, doch in ihren Träumen taten sich wirre Abgründe auf und nach dem Aufwachen wusste sie oft nicht, was Realität und was Traum war.
 

Nach einer Woche Bettruhe fühlte sich Alexandra so weit hergestellt, dass sie wieder zur Schule wollte. Sie vermisste primär den Buchclub und auch wenn sich in ihr direkt wieder etwas zusammenzog, so versuchte sie das Gefühl zu verdrängen.

<Na los, du kannst nicht ewig krank sein!> Bläute sie sich selbst ein, denn den Druck der japanischen Gesellschaft hatte sie schon bemerkt und sie wollte sich keine allzu große Blöße geben.

Als sie an diesem Morgen in's Klassenzimmer kam wurde sie von Midori und Satoko fröhlich begrüßt und auch Akagi lächelte ihr freundlich zu, "Guten Morgen, Kaiser-san. Geht es dir wieder besser?" Fragte sie sie, nachdem sie sich neben sie gesetzt hatte.

"Ja, ich denke schon" murmelte sie und fühlte wieder dieses Ziehen in ihrer Körpermitte. Was war das nur für ein lästiges Gefühl, das sie dauernd hatte? Sie wünschte sie würde wenigstens seine Herkunft wissen, dann müsste sie sich vielleicht nicht so viele Gedanken darum machen. Doch das Gefühl blieb. Lediglich wenn sie Zuhause in ihren vier Wänden war, schien es nachzulassen, aber mittlerweile hatte sie festgestellt, dass es auch dann kam, wenn ein bestimmtes Gesicht vor ihrem inneren Auge auftauchte. Es war das Gesicht von Akagi. Was hatte das zu bedeuten? Sollte sie etwa ...? Nein, das konnte nicht sein. Sie schob den Gedanken beiseite und konzentrierte sich die nächsten Tage steif auf den Unterricht und die Diskussionen im Buchclub, außerdem versuchte sie immer zügig nach Hause zu gehen.

Im Sportunterricht war ihr aufgefallen, dass sie dazu neigte Akagi mehr zu beobachten als bisher und dabei durchliefen ihren Körper Wellen, die Stromstößen glichen. Das schwummerige Gefühl kehrte in diesen Momenten zurück und sie begann das Mädchen fast schon zu meiden. Wenn sie bemerkte, dass sie sie wieder beobachtete, schaute sie schnell weg und versuchte an etwas anderes zu denken; sie fühlte sich langsam aber sicher auf eine unbestimmte Art schmutzig.
 

An einem der folgenden Tage, als wieder einmal der Buchclub anstand, ging es Alexandra besser. Sie hatte ihr Buch beendet und wollte im Buchclub davon berichten. Obwohl es draußen wieder einmal in Strömen regnete, konnte das ihre Laune nicht trüben.

Die drei jüngeren Schülerinnen und Schüler warteten bereits auf sie und sofort stürzten sie sich in die Debatten. Als erster erzählte Honda von seinem Buch; er hatte erst ein Neues angefangen und tat sich noch schwer die Taten der Charaktere nachzuvollziehen. Danach durfte Alexandra von ihrem Buch erzählen und was ihr daran so besonders gefallen hatte.

Schließlich war Kusawa dran, sie hatte ebenfalls ein Buch beendet und schwärmte regelrecht darüber.

"Wisst ihr, so ein Buch habe ich noch nie gelesen", sagte sie und war plötzlich etwas rot im Gesicht, "es geht um die Liebe einer Frau zu einer anderen Frau, das war etwas Neues, Aufregendes, aber es war auch etwas ... befremdlich" fügte sie verlegen hinzu. "Aber es gab ein Zitat, das mir sehr gefallen hat und das mich zum Nachdenken anregte. Wollt ihr es hören?" Als die anderen nickten und sie aufmerksam ansahen fuhr Kusawa fort "Ich bin in sie verliebt, wusste Sumire auf einmal. So eindeutig, wie Eis kalt ist und Rosen rot sind. Und diese Liebe reißt mich mit ihrem Sog davon, so übermächtig, dass ich mich ihr nicht entziehen kann. Widerstand ist zwecklos."

In Alexandras Gedanken blitzte plötzlich ein Bild auf; es war das Gesicht von Akagi. Wie vom Donner gerührt saß sie da und starrte das Mädchen mit den grünen Augen an, sogar das Buch fiel ihr aus der Hand. Als es mit einem kleinen Knall zu Boden fiel richteten sich alle Augen auf sie. Als sie sich nicht nach dem Buch bückte, um es aufzuheben, sprach sie Fuji an.

"Alles in Ordnung, Kaiser-san?"

"Wi-Widerstand ... ist zwecklos ..." murmelte sie nur und hatten einen Blick, wie ein Reh, das in die Scheinwerfer eines Autos blickte.

<Ist es das?> Fragte sie sich und ihre Gedanken rasten, <Bin ich etwa ... in Akagi verliebt!? Nein, das geht doch nicht! Wir sind doch Freunde ...> Sie hatte alles um sich herum ausgeblendet und war in ihrem Gedankenkarussell gefangen.

Als sie eine Berührung an ihrem Arm spürte, wurde sie in die Realität zurück gerissen. Sie blickte in die besorgten Augen von Akagi und sofort wurde ihr wieder übel. Ihr Kopf fühlte sich wattig an und ihr Blick verschwamm. Akagi hatte ihr die Hand auf den Arm gelegt und schien etwas zu sagen, doch sie verstand es nicht.

Sie stand ruckartig auf, murmelte etwas und stürmte aus der Bibliothek. Sie rannte den Flur entlang, die Treppen hinunter und aus dem Gebäude. Es kümmerte sie nicht, dass es regnete und ihre Füße trugen sie von allein über den Schulhof. Sie stürmte vom Gelände und bog nach rechts ab, wie wenn sie den Nachhauseweg nehmen würde, doch dann bog sie in eine Seitenstraße ein und befand sich in einer Querstraße von der Schule. Dort kam sie wieder zur Besinnung und stand völlig durchnässt auf dem Gehweg. Ein Stück weiter die Straße runter erkannte sie eine Bushaltestelle und hielt darauf zu. Sie setzte sich auf einen der Kunststoffsitze und zog die Knie unter das Kinn.

<Ist es das wirklich? Bin ich verliebt in Akagi?> Fragte sie sich erneut, <Aber warum tut es dann so weh? Liebe soll doch was Schönes sein. Ich spüre nicht nur Freude, wenn ich sie sehe, in letzter Zeit spüre ich viel öfter das Unwohlsein ...>

Der Regen, der ihre Haare durchnässt hatte rann ihr über's Gesicht und in den Kragen der Schuluniform.

<Und jetzt? Was soll ich jetzt tun?> Entmutigt und von ihrer neuen Erkenntnis erschlagen schlang sie die Arme um ihre Knie und ließ den Kopf darauf sinken. Sie wollte nichts sehen und nichts hören. Am liebsten wäre sie im Moment auch gar nicht hier. Nur wo sonst könnte sie sein? Die Gefühle, die sie offenbar für das anderen Mädchen hegte, würden sie überall hin begleiten.

War das Zitat aus dem Buch, das Kusawa vorgetragen hatte, tatsächlich der Schlüssel zu dieser Erkenntnis gewesen? Sie hatte gemerkt, dass sie sich zu dem anderen Mädchen hingezogen fühlte und dass sie jede Minute in ihrer Gegenwart genoss, aber sie dachte, dass es reines Interesse und Freundschaft war. Sollte es tatsächlich mehr als das sein? Sie wusste es nicht und sie wollte am liebsten auch nicht darüber nachdenken. Sie schloss einfach die Augen und hoffte, dass es vergehen würde.
 

"Ich gehe sie suchen" Fuji erhob sich, als sich die Gruppe von Alexandras raschem Abgang erholt hatte.

Akagi nickte und sagte "Teilen wir uns auf und suchen rasch das Gebäude ab, vielleicht ist sie ja nur auf die Toilette gegangen."

Der Buchclub packte seine Sachen zusammen und durchsuchte die Schule, jedoch ohne Anhaltspunkt auf das ausländische Mädchen.

"Vielleicht ist sie raus gerannt", meinte Kusawa und blickte durch das Glas der Eingangstür, "Ohne Schirm wäre das keine kluge Idee, aber ...." sie sprach den Rest nicht aus, weil sie nur mutmaßen konnte, was mit dem anderen Mädchen war.

Fuji wollte schon in ihre Schuhe schlüpfen und den Schirm nehmen, doch Akagi hielt sie zurück.

"Nein, ich mache das. Geht ihr nach Hause. Bei dem Regen möchte ich euch alle lieber sicher im Trockenen wissen" sagte die älteste pflichtbewusst und packte sowohl ihre, als auch die Sachen ihrer Sitznachbarin zusammen. Mit ihren Regenschirmen verließ sie das Schulgebäude und sah sich auf dem Schulhof um. Wohin könnte das Mädchen gerannt sein? Vielleicht in den Schulgarten? Oder etwa direkt nach Hause? Was hatte sie nur gehabt? Sie wirkte fast etwas verstört und Akagi fragte sich woran das liegen könnte. Als Leiterin des Buchclubs und als Klassenkameradin von Alexandra fühlte sie sich verpflichtet das Mädchen zu suchen und sich zu vergewissern, dass es ihr gut ging. Sie stand am Schultor und schloss für einen Moment die Augen. Sie lauschte auf das Prasseln des Regens und versuchte sich vorzustellen, wohin das andere Mädchen gerannt sein könnte.

<Es regnet so heftig wie neulich, als wir Eis essen waren>, dachte sie bei sich, <Bei dem Regen ist es schwer etwas zu hören.>

Sie überließ ihren Instinkten das Suchen und bog vor der Schule nach rechts ab; die Richtung die das langhaarige Mädchen auch nach Hause nehmen würde. Etwas ziellos ging sie die Straße entlang und blickte in die seitlich abzweigenden Straßen, in der Hoffnung, das Mädchen zu entdecken. Etwas ließ sie in eine Querstraße zur Schule einbiegen und tatsächlich saß das Mädchen mit den langen Haaren am Ende der Straße an der Bushaltestelle. Sie hatte sich auf einem der Sitze zusammengekauert und war durchnässt bis auf die Knochen. Vorsichtig trat sie zu ihr.
 

Alexandra spürte, dass jemand in ihrer Nähe stand und sie hörte das Rascheln von Kleidung.

"Kaiser-san?" Sprach sie eine vertraute Stimme an. "Du bist ja komplett durchnässt ..."

Alexandra sah auf und blickte in das besorgte, aber auch freundliche Gesicht von Akagi, die ihren Schirm über sie beide hielt, obwohl es unter dem Wartehäuschen der Bushaltestelle nicht regnete.

Als das Mädchen mit den blauen Augen nichts sagte fuhr Akagi zögernd fort, "Ich ... weiß nicht, was dir fehlt, aber falls du reden möchtest ... ich höre gerne zu, wir sind doch Freundinnen, oder nicht?"

Alexandra fühlte sich, als hätte ihr jemand in den Magen geschlagen. Eigentlich müsste sie sich darüber freuen, dass das japanische Mädchen sie als Freundin betrachtete, aber ihre neuen Gefühle machten ihr einen Strich durch diese Rechnung. Wenn Akagi nur wüsste ...

Als Alexandra sie nur schweigend ansah fügte Akagi hinzu "Ich habe deine Schulsachen und deinen Regenschirm mitgebracht. Du solltest nicht in deiner nassen Kleidung bleiben, sonst erkältest du dich noch." Ihr Blick fiel auf die Schuhe, die Alexandra trug. Es waren die Schuhe, die sie in der Schule anhatten, "Oh, deine Schuhe habe ich ganz vergessen, tut mir leid."

"Macht nichts" murmelte Alexandra und sah an dem Mädchen vorbei zu dem Regen, der auf die Straße fiel. Sie erhob sich etwas widerwillig, aber langsam wurde ihr tatsächlich kalt. Sie nahm die Sachen von Akagi entgegen, "Danke, wäre nicht nötig gewesen" murmelte sie.

Das andere Mädchen sah sie aus ihren grünen Augen fast etwas mitleidig an, "Soll ich ... dich vielleicht nach Hause begleiten?" Fragte sie vorsichtig.

"Nein, ich geh besser allein" gab Alexandra nur zurück und mied den Blick des anderen Mädchens. Sie wollte sie am liebsten gerade gar nicht sehen. Sie war sich mit ihren Gefühlen so unsicher und wollte auch die Freundschaft, die sie so mühevoll mit ihr aufgebaut hatte, nicht zerstören. "Mach's gut" murmelte sie und verließ die Bushaltestelle, ohne ihren Schirm aufzuspannen.

"Ki o tsukete - pass auf dich auf" hörte sie Akagi sagen und spürte ihren Blick noch eine Weile auf sich. Erst als sie um eine Ecke bog hörte das Gefühl auf.

Sie schlurfte durch den Regen nach Hause und wurde dort mit fragenden Blicken von ihrer Mutter und ihrem Bruder beäugt. Ohne jedoch ein Wort zu sagen oder auf ihre Fragen zu antworten schloss Alexandra sich im Bad ein, duschte heiß und zog sich trockene Kleidung an. Sie föhnte ihre Haare halbherzig und ging dann auf ihr Zimmer. Ohne noch einmal herauszukommen legte sie sich auf ihr Bett und schlief ein. Dass ihre Mutter einmal nach ihr sah, bemerkte sie nicht einmal.

Am nächsten Morgen, als sie geweckt wurde, drehte sie sich von der Tür weg und murmelte, "Ich gehe heute nicht zur Schule."

"Aber warum denn nicht? Bist du krank?" Fragte ihre Mutter und leichte Besorgnis klang in ihrer Stimme mit. Sie kam zu Alexandra an's Bett und legte ihr die Hand an die Stirn. "Hm, Fieber hast du aber keines."

Alexandra biss sich auf die Unterlippe und würgte eine Ausrede hervor, "M-mir ... ist schlecht." Zugegeben, das war nicht mal ganz gelogen. Ihr Magen verkrampfte sich schon, wenn sie nur an Akagi dachte, oder daran, ihr in der Schule zu begegnen.

"Oh je, hast du dir den Magen verdorben?" Ihre Mutter stand auf und wollte schon gehen, doch dann drehte sie sich noch mal zu ihrer Tochter um, "Was war gestern eigentlich los? Du kamst ja klatschnass nach Hause."

"Ich ... es ... regnete", meinte das Mädchen und zog sich die Decke über den Kopf. Sie wollte darüber jetzt nicht sprechen.

"Was du nicht sagst", murmelte ihre Mutter und schüttelte den Kopf, doch dann ließ sie ihre Tochter allein. Sie spürte, das was nicht stimmte, aber bisher kam Alexandra immer zu ihr, wenn sie einen Rat brauchte; darauf verließ sie sich auch dieses Mal und gönnte ihrer Tochter einen Tag Auszeit von der Schule.

Später am Tag stand Alexandra auf und schlich hinunter. Ihre Mutter werkelte mit der Waschmaschine herum und so setzte sie sich das Mädchen auf das Sofa im Wohnzimmer. Sie blätterte sich durch die Plattensammlung ihres Vaters und ihr Blick blieb am Soundtrack eines kitschigen Filmes hängen, den ihre Eltern so gerne sahen. Eigentlich mochte sie es, wenn das Schlagzeug mit seinem schnellen Rhythmus ihr Herz zum Klopfen brachte und die kreischenden E-Gitarren ihr eine Gänsehaut verpassten, doch heute war es ihr nach etwas ruhigerem zu Mute. Also legte sie die Platte auf, stöpselte die Kopfhörer an und setzte sich zurück auf das Sofa. Mit angezogenen Knien lauschte sie den Liedern, die von Verliebtheit, Sehnsüchten und Träumen sangen und sie überlegte, ob sie genau das auch fühlte. Sie dachte oft an Akagi, eigentlich sogar andauernd, wenn sie ehrlich war, und als ihr das Bewusst wurde traten ihr Tränen in die Augen. Schnell blinzelte sie sie weg und wischte mit dem Ärmel ihres Schlafanzuges über die Augen. Sie wollte die Freundschaft, die sie mit dem Mädchen aufgebaut hatte, nicht in Gefahr bringen, außerdem fürchtete sie sich auch vor Zurückweisung.

Als sie so vor sich hin starrte und ihren Gedanken nach hing, spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Sie fuhr hoch und sah ihre Mutter hinter dem Sofa stehen. Erschrocken nahm sie die Kopfhörer hab, "Ach, du bist es", murmelte sie und erntete dafür einen leicht vorwurfsvollen Blick.

"Hast du jemand anderen erwartet?" Ihre Mutter klang neugierig und als ihre Tochter leicht rot wurde, wusste sie, dass sie etwas vor ihr verbarg. Sie legte ihr eine Hand an die Stirn, "Geht es dir besser?" Fragte sie, um ihrer Tochter die Verlegenheit zu ersparen über etwas zu reden, über das sie offenbar noch nicht reden wollte.

Alexandra nickte halbherzig. Die Berührung erinnerte sie an Akagi, die ihr in der Schule ebenfalls die Hand an die Stirn gelegt hatte, wenn auch anders und nicht so vertraut, wie zwischen Mutter und Tochter. Sofort zog sich ihr Magen wieder zusammen und sie sah verlegen zu Boden, dann schüttelte sie den Kopf, "Nein, nicht so wirklich ..."

Sie spürte, dass ihre Mutter sie musterte und dann hörte sie sie seufzen, "Du bist komisch heute." Es klang aber nicht vorwurfsvoll, sondern eher besorgt und dann spürte sie ihre Hand auf ihrem Kopf, "Ruh dich aus, okay?" Als Alexandra nickte verschwand ihre Mutter aus dem Wohnzimmer und das Mädchen ließ sich wieder auf's Sofa plumpsen.

Gegen Abend spürte sie plötzlich ein Kratzen im Hals und die Schleimhäute ihrer Nase anschwellen und wusste, das war die Quittung für den Regenguss von vor zwei Tagen.

Alexandra hatte sich eine Erkältung zugezogen und fristete den Rest der Woche erst mal in ihrem Bett. Rasende Kopfschmerzen und Fieber begleiteten sie und ihre Nase und ihr Hals fühlten sich dick und wattig an. Starker Husten kam noch hinzu und hielt sich hartnäckig.
 

Ein paar Tage später klingelte es an der Tür und als Alexandras Mutter öffnete stand ein Mädchen mit halblangen rotbraunen Haaren vor ihrer Tür.

Sie verneigte sich tief und sagte "Entschuldigen Sie bitte die Störung, mein Name ist Akagi. Ich wollte mich nach Kaiser-san ... also nach Kaiser Areksandora-san erkundigen."

"Oh", machte Alexandras Mutter, "du bist also Akagi-san? Komm doch bitte herein" sie wies das Mädchen freundlich an einzutreten. Obwohl ihr Japanisch nicht so gut war und sie nur Bruchstücke dessen verstanden hatte, was das Mädchen gesagt hatte, vermutete sie, dass Akagi Alexandra besuchen wollte. Ihre Tochter lag nach wie vor im Bett und kämpfte mit der Erkältung.

Sie bot dem Mädchen einen Stuhl an und ging nach oben zum Zimmer ihrer Tochter. Leise klopfte sie an und steckte den Kopf durch die Tür.

"Ein Mädchen ist gekommen um dich zu besuchen. Es ist Akagi" sagte sie halblaut und auf deutsch, "Soll ich sie hoch schicken, oder fühlst du dich gut genug um runter zu kommen?"

Alexandras Herz hatte bei der Nennung des Namens kurz einen Sprung gemacht. Sie wollte das Mädchen unglaublich gerne sehen, aber andererseits wollte sie die Gefühle vergessen, die sie offenbar für sie entwickelt hatte.

Sie kniff die Augen zusammen und antwortete mit kratziger Stimme, "Ich ... möchte sie nicht sehen."

"Aber warum denn nicht?" Fragte ihre Mutter verblüfft, "Sie ist extra gekommen um sich nach dir zu erkundigen. Ihr seid doch Freunde, oder habt ihr euch etwa gestritten?"

Alexandra biss sich auf die Lippe, "Nein, aber ... ich möchte sie nicht anstecken", presste sie hervor, "Sag ihr ... es geht mir schon besser und ich komme bald wieder in die Schule."

Ihre Mutter schwieg kurz, sie wusste, dass es nicht ganz der Wahrheit entsprach, was ihre Tochter gesagt hatte, aber sie wollte auch nicht nachbohren. Also sagte sie, "Wie du meinst. Ich richte es ihr aus" und damit schloss sie die Tür zu dem abgedunkelten Zimmer.

Alexandras Gedanken kreisten eh schon die ganze Zeit um das Mädchen, aber jetzt, wo sie wusste, dass sie sogar hier war, kam die Übelkeit in ihr wieder hoch. Sie hätte zu gerne nur einen kleinen Blick auf das Mädchen geworfen. Sie würde gerne in ihre grünen Augen blicken, oder sehen wie sie sich eine Strähne hinter's Ohr streicht, oder sie einfach nur beim Lesen beobachten. All das würde sie auf eine gewisse Art zufrieden stellen, aber es würde auch ihre Gefühle schüren. Sie konnte sich doch nicht in das Mädchen verlieben.

Tränen traten in ihre Augen und sie drehte sich zum Fenster, <Es geht doch nicht ...>, murmelte sie in sich hinein, <und dann ist sie auch immer noch so nett und fürsorglich ... Ich wollte doch nur, dass wir Freunde sind ...>

Alexandras Mutter ging wieder hinunter und sagte mit etwas geknicktem Blick, "Tut mir leid Akagi-san, sie fühlt sich noch nicht ganz auf der Höhe für einen Besuch. Aber es geht ihr schon bald besser und dann kommt sie wieder zur Schule. Sie möchte dich nicht anstecken, daher ..."

Akagi nickte und erhob sich dann, "Ich verstehe. Ich wollte mich nur nach ihr erkundigen. Jetzt weiß ich ja, dass sie bald wieder auf den Beinen sein wird. Vielen Dank, Kaiser-san."

Alexandras Mutter begleitete sie bis zur Tür und verabschiedete sie mit einer Verbeugung, "Vielen Dank, dass du extra gekommen bist, das war sehr nett."

"Kein Problem, sie ist ja meine Klassenkameradin und Mitglied im Buchclub, da gehört sich das doch so" Akagi verneigte sich ebenfalls und verabschiedete sich dann.
 

Nach ein paar Tagen fühle sich Alexandra wieder fit genug um in die Schule zu gehen, wollte sich aber nicht überanstrengen. Also lies sie den Buchclub erst mal sausen und machte auch um sportliche Aktivitäten oder zu engen Kontakt zu den anderen Schülern - besonders natürlich Akagi - einen Bogen.

Dieser entging das nicht und so hielt sie sie an einem der darauffolgenden Tage zurück, als Alexandra eben aus dem Zimmer gehen wollte, "Kaiser-san, hab ich irgendwas gesagt, das dich verletzt hat?"

Alexandra blickte das andere Mädchen verdutzt an, das einen leicht traurigen Gesichtsausdruck hatte, "N-nein, wieso?" antwortete sie ihr und da kam das Ziehen wieder. Ihr wurde heiß und schwummerig.

"Ich habe das Gefühl, dass du mir aus dem Weg gehst ... Und falls ich etwas falsches gesagt haben sollte, tut es mir leid." Sie verneigte sich vor dem deutschen Mädchen, das sie perplex anstarrte.

Alexandra fühlte sich wieder so elend wie an dem Tag, an dem sie auf die Toilette geflüchtet war. Sie lächelte Akagi matt an und antwortete "Nein, du hast Nichts falsch gemacht, wirklich. Ich fühle mich nur immer noch nicht so gut, glaube ich ..."

"Oh, das tut mir leid" sagte Akagi betreten und fügte an "Dann wünsche ich dir weiterhin gute Besserung."

"Danke, auf wiedersehen Akagi-san" murmelte Alexandra, nahm ihren Rucksack und verließ das Zimmer eiliger, als sie es eigentlich wollte. Allein beim Aussprechen des Namens hatte sie eine Welle getroffen, die sie nicht einordnen konnte.

So schleppte sie sich die nächsten Tage durch die Schule und den Buchclub und ertappte sich oft dabei, an Akagi zu denken, wobei sich in ihr wieder das ziehende Gefühl breit machte.
 

Ende Juni 2000 - Tokyo, Japan

"Darf ich dich was fragen?" Sprach sie eines morgens ihren Bruder auf dem Weg zur Schule an. Als dieser mit erhobenen Augenbrauen zu ihr blickte nahm sie das als ein Ja auf, "Warst du schon mal verliebt?" Sobald sie es ausgesprochen hatte, fand sie es peinlich und blöd mit ihrem Zwillingsbruder darüber zu reden.

"Oho, wer ist es denn?" Neckte er sie sofort und erntete einen missbilligenden Blick. "Du meinst also so was wie Schmetterlinge im Bauch und so Kram?" Als sie nickte fuhr er fort, "Na ja, ich glaube, das hatte ich bisher nie. Vermutlich war ich noch nicht wirklich verliebt, es waren wohl eher Schwärmereien für ein Mädchen."

"Du hattest also noch nie ein Ziehen in der Magengegend? Ein schwummeriges Gefühl, oder schwitzende Hände, wenn du mit jemandem geredet hast?" Fragte sie frei heraus.

Er blickte sie verblüfft an, "Na das nenne ich mal eine präzise Beschreibung. Aber um dir auf deine Frage zu antworten: nein. Klingt mir aber eher danach, als wärst du noch immer angeschlagen. Geht's dir gut Schwesterchen?" Er prüfte sie mit einem Blick, fand aber, dass sie recht normal aussah.

"Ich weiß nicht ... Das dachte ich auch erst, aber es ist immer noch. Kann sich so ein Infekt so lange halten?"

Er zuckte mit den Schultern "Keine Ahnung, vielleicht solltest du zu einem Arzt gehen." Als er merkte, dass sie mit dieser Antwort nicht zufrieden war, fügte er hinzu, "Denkst du denn, dass du verliebt bist?"

"Na ja ... ich weiß es nicht genau, aber immer wenn ich mit der Person rede, oder sie sehe wird mir plötzlich heiß, ich werde nervös und hab ein Ziehen in der Körpermitte. Selbst wenn ich nur an sie denke, passiert das; und ich denke andauernd an sie." Platzte es aus ihr heraus, froh, sich mit jemandem darüber unterhalten zu können.

"Das klingt dann allerdings schon danach, als wärst du verliebt", gestand er zu. "Verrätst du mir denn, wer es ist?" Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und er hatte natürlich auch bereits eine Ahnung, denn ihm war das Verhalten seiner Schwester, Akagi gegenüber, nicht entgangen.

Alexandra schüttelte den Kopf, "Noch nicht, ich möchte mir erst ganz sicher sein. Aber danke, Bruderherz" sagte sie sanft.
 

Die Tage zogen dahin und Alexandra fühlte sich immer noch so. Jedes mal, wenn sie das Mädchen neben sich sah und mit ihr redete flutete eine Welle an Gefühlen über sie. Sie ertappte sich dabei sie zu beobachten wie sie las, oder schrieb und sie konnte den Gedanken, dass es anmutig wirkte, nicht unterdrücken. In ihrem Kopf entstand langsam eine kleine Glorifizierung des Mädchens und sie schwankte ständig darin, dass sie ihr nah sein wollte, oder dass es vielleicht besser wäre sie zu meiden, bis die Gefühle nachließen. Aber dann fiel ihr wieder ein, dass Akagi so bedrückt gewirkt hatte, als sie sich von Alexandra gemieden gefühlt hatte. Doch vielleicht war das nur auf einer freundschaftlichen Basis gewesen; für Alexandra galt das nicht. Sie war sich jetzt sicher, in das Mädchen verliebt zu sein und das konnte durchaus für Missmut in der Gesellschaft sorgen.

Sie hatte langsam das Gefühl, dass dieses Chaos in ihr sie zu erdrücken drohte. Sie kam zwar halbwegs im Schulalltag klar, aber es beeinträchtigte ihre Gedanken doch mehr als sie es sich zuerst eingestehen wollte. Morgens war Akagi das erste woran sie dachte und abends das Letzte. Ihre Familie merkte, dass sie oft verträumt und etwas neben der Spur war, doch Alexandra wich allen Fragen aus. Sie wollte Akagi zu gern sagen, was sie fühlte, aber sie fürchtete sich vor ihrer Antwort und vor allem vor Ablehnung.

Ihr Verhalten sorgte für eine leichte Abkühlung ihrer bisherigen Freundschaft und auch wenn es Alexandra weh tat, so war sie sich immer noch unsicher, ob es nicht sogar besser für sie beide wäre. Akagi war nach wie vor höflich zu ihr, aber auch ihrerseits etwas mehr auf Distanz gegangen. Das Mädchen mit den grünen Augen wusste nicht, warum Alexandra sich ihr gegenüber plötzlich anders verhielt und sie fühlte sich etwas vor den Kopf gestoßen, so dass sie begann sich wieder etwas mehr in sich zurück zu ziehen. Dies entging Alexandra natürlich nicht und es gab ihrem Herzen einen Stich, doch was sollte sie tun? Sie war ständig hin und her gerissen zwischen ihren Gefühlen für das Mädchen und ihrer Angst vor der Ablehnung des Mädchens und auch innerhalb der Gesellschaft. Würde es toleriert werden, dass sie ein Mädchen liebte? Erneut fühlte sie sich schmutzig bei diesem Gedanken, doch es brach ihr das Herz, wenn sie daran dachte jeglichen Kontakt zu Akagi abzubrechen.
 

Schließlich war es Mitte Juli und die Sommerferien standen kurz vor der Tür. Vielleicht war das die Gelegenheit mit sich und ihren Gefühlen in's Reine zu kommen, wenn sie Akagi einige Zeit nicht sehen würde.

Am letzten Schultag saß sie auf ihre Hand gestützt an ihrem Tisch und sah zu dem Mädchen hinüber, allerdings war es ein verträumter Blick, ihre Augen hatten das Mädchen nicht scharfgestellt, sie starrte eher in's Leere und hing ihren Gedanken nach. Eine Stimme drang dumpf zu ihr, doch sie verstand sie nicht und reagierte auch nicht darauf; zu sehr war sie in ihrem Tagtraum gefangen.

Plötzlich wurde sie sacht an der Schulter berührt und erwachte augenblicklich aus ihrer Starre. Vor ihr stand Akagi und beugte sich leicht zu ihr hinunter, sah ihr direkt in die Augen. Sofort durchflutete sie wieder eine Welle an Gefühlen.

"Daijoubu desu ka? Geht es dir gut?" Fragte Akagi das langhaarige Mädchen.

"Äh ... ja, Entschuldigung. Ich hab wohl mit offenen Augen geschlafen" sie lachte verlegen und merkte, dass sie etwas rot wurde. Akagi hatte sie an der Schulter berührt und ihre Gesichter waren sich für einen Moment sehr nahe gekommen. Dann fiel ihr ein, dass sie eine dumpfe Stimme vernommen hatte, vermutlich die von Akagi, "Was hattest du eben gesagt?"

"Dass sich der Buchclub in den Ferien zu den üblichen Zeiten in der öffentlichen Bibliothek des Bezirks trifft, falls du auch kommen möchtest" wiederholte Akagi geduldig. Sie war nach wie vor freundlich zu ihr, aber Alexandra hatte das Gefühl in ihren Augen zu sehen, dass sie etwas verletzt war. Sofort zog sich in ihr wieder etwas zusammen.

"I-ich würde ... dir auch gerne was sagen ..." stammelte sie und stand auf.

Jetzt sah Akagi sie aufmerksam, aber auch etwas argwöhnisch an, "Ja, bitte?"

"A-also ..." murmelte sie, doch dann war ihre Kehle wie zugeschnürt. Sie schüttelte kurz den Kopf; nein, sie hatte sich geschworen erst die Ferien abzuwarten, bevor sie etwas sagte, das nicht mehr rückgängig zu machen war. "Ich meine, es ist gut zu wissen, dass ihr euch auch in den Ferien trefft, danke", brachte sie schließlich heraus, "Ich weiß nicht, ob mein Vater vor hat vielleicht eine kleine Reise mit uns zu machen, aber wenn es sich einrichten lässt, komme ich bestimmt mal." Sie rang sich ein Lächeln ab und drehte sich danach hastig um, um das Klassenzimmer zu verlassen.

<Du blöde Kuh!> Schalt sie sich selbst, <Sie muss ja denken, dass du sie meidest, wenn du dich so verhältst. Sei einfach normal!> Sie musste ein paar Tränen unterdrücken und hastete so schnell es ging nach Hause.

In ihrem Zimmer warf sie sich auf's Bett und ließ den Tränen freien lauf - alles angestaute brach jetzt aus ihr heraus. Sie bemerkte nicht, dass ihre Mutter und ihr Bruder an der Tür zu ihrem Zimmer standen.

"Was hat sie in letzter Zeit nur?" Murmelte ihre Mutter, "Es kann doch kein Heimweh sein. Am Anfang, als wir herzogen, ging es ihr blendend."

Thomas schüttelte den Kopf und wisperte, "Nein Mama, ich glaube, sie hat Liebeskummer."

"Oh" entfuhr es ihr und dann betrat sie leise das Zimmer ihrer Tochter. Sie setzte sich neben ihr auf's Bett und strich ihr sanft über den Kopf und den Rücken. Thomas blieb an der Tür stehen.

"Möchtest du uns sagen, was los ist?" Fragte die Mutter sie leise, doch Alexandra antwortete nicht, sie schluchzte weiter in ihr Kissen.

Vor ihrem inneren Auge sah sie das lächelnde Gesicht des anderen Mädchens und obwohl es sie mit Freude erfüllte presste es auch ihr Herz zusammen und ließ sie weiter Tränen vergießen. Schweigend saß ihre Mutter neben ihr auf dem Bett, bis sie sich endlich etwas beruhigt hatte. Es kamen keine Tränen mehr und sie fühlte sich müde. Jetzt setzte sie sich auf und umarmte ihre Mutter schweigend, aber dankbar.

"Vielleicht solltest du es ihr sagen" meinte Thomas von der Tür her.

"Sie muss sich mir nicht anvertrauen, wenn sie nicht möchte" hielt ihre Mutter dagegen.

Der ältere Zwilling blinzelte und sagte "Das meinte ich nicht", bevor er seiner Schwester einen wissenden Blick zuwarf und dann aus dem Zimmer verschwand.

"Was meint er denn dann?" Fragte ihre Mutter verdutzt.

Alexandra rieb sich mit dem Handballen ein paar Tränen weg und lächelte ihre Mutter verlegen an "Er meint, ich soll es der Person sagen, die meine Gefühle so durcheinander bringt."

"Vielleicht solltest du das" ihre Mutter nickte, grübelte kurz und fügte dann hinzu "Aber warum sprach er dann von ihr?" Als Alexandra sich verlegen auf die Unterlippe biss, fiel bei ihrer Mutter der Groschen, "Oh!" Sagte sie nur und nahm ihre Tochter fest in den Arm, "Ein anderes Mädchen also."

Alexandra nickte "Jetzt kommen erst mal die Ferien, danach sehen wir weiter."

"Möchtest du mir verraten, wer dein Herz erobert hat?"

Alexandra gab ein schnaubendes Lachen von sich, "Ich glaube nicht, dass sie weiß, dass sie mein Herz in ihren Händen hält." Sie blickte etwas beschämt nach unten und wisperte dann, "Es ist Ritsuko Akagi, meine Sitznachbarin und die Leiterin des Buchclubs."

Ihre Mutter bekam große Augen, "Die Tochter von Papas Chefin? Das Mädchen, das dich besuchen wollte, als du krank warst!"

"Ja, genau" Alexandra nickte. "Auch deswegen bin ich vorsichtig. Ich will nicht, dass Papa dadurch Schwierigkeiten bekommen könnte."

"Ach du Süße! Mach dir darüber keinen Kopf", sagte sie. "Wenn Papa wüsste, wie sehr du leidest, würde er das höchstpersönlich regeln."

"Und genau deswegen wirst du ihm Nichts sagen", sie blickte ihre Mutter ernst an.

"Selbstverständlich nicht. Auch Mütter unterliegen einer gewissen Schweigepflicht", sie lächelte und fuhr sich dann mit aufeinander gelegtem Daumen und Zeigefinger über die Lippen, "Von mir erfährt er Nichts, solange du es nicht möchtest." Nach einer kleinen Pause hakte sie vorsichtig nach, "Wolltest du sie deswegen nicht sehen, als sie hier war ...?"

Wieder nickte ihre Tochter, "Ich ... musste mir erst klar darüber werden und wenn ich sie gesehen hätte, dann ..." sie zuckte mit den Schultern, weil sie nicht in Worte fassen konnte, was sie in diesem Moment gefühlt hatte.

"Ich verstehe", sagte die Frau und strich ihrer Tochter über den Kopf, "Ich dachte mir schon, dass was nicht stimmt, aber da du offenbar nicht reden wolltest, habe ich dich in Ruhe gelassen."

"Danke Mama. Jetzt geht es mir schon viel besser" Alexandra seufzte erleichtert, umarmte ihre Mutter ein weiteres Mal und erhob sich dann, um sich im Bad etwas frisch zu machen. Sie fühlte sich ausgelaugt und müde.



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