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Eren

Geheimnisse der Turanos
von

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Schock

Vor Anspannung hält der Junge den Atem an. Dabei wohnt er hier und darf sich hier frei bewegen. Dennoch würde er vermutlich Ärger bekommen, weil er ja eigentlich im Bett liegen müsste. Sollte er allerdings entdeckt werden, dann zwangsläufig auch Dr. Ryu, und sie ist um diese Zeit unbefugt hier.

 

Der Geheimgang öffnet sich und Eren erkennt zwei Gestalten, die das Anwesen betreten und sich dabei nicht wie Einbrecher verhalten. Wieso auch? Ajax und sein Vater wohnen ja auch hier. Allerdings macht das die geheime „Dr. Ryu hinausschmuggeln“-Aktion nicht einfacher.

 

Was machen die denn hier?! Los, haut ab! Wir sind hier auf einer Mission!

 

Die beiden haben immer so viel zu tun, dass sie sogar noch mitten in der Nacht arbeiten müssen. Sollten wir sie nicht lieber mal fragen, ob wir ihnen behilflich sein können? Immerhin sind sie unsere Familie.

 

Pha! Selbst schuld, wenn sie sich so viel aufbrummen. Das lass ich sicher nicht auf uns abladen!

 

Die beiden Männer haben ganz offensichtlich nicht vor sobald von hier zu verschwinden. Im Gegenteil, sie machen es sich auf den Sesseln bequem, schalten die Lampe an und holen sich sogar Drinks aus dem Schrank. Super Timing. Das kann also eine Weile dauern bis er und Dr. Ryu sich von hier wegbewegen können. Klasse, einfach nur klasse.

 

Stumm seufzend sieht Eren zu der Ärztin, die bleich in der Ecke kauert und sich das Schienbein reibt. Sie hatte ganz klar kein Observationstraining. Hoffentlich schafft sie es ruhig zu bleiben bis seine Familie endlich beschließt ins Bett zu gehen. Es ist halb Drei! Solange kann das doch nicht mehr dauern, oder? Hoffentlich. Er möchte wenigstens noch ein bisschen Schlaf bekommen bevor er in die Schule muss, um Max weiter auszuquetschen.

 

„Zusammengefasst also, alle Rekruten machen akzeptable Fortschritte in ihrem Training, nicht wahr?“, sagt Turano gerade. „Das ist gut. Wie viele Schüler haben wir momentan eigentlich?“

 

„Mit dem Neuen von letzter Woche, der allerdings sein Training noch nicht begonnen hat, Neunzehn“, antwortet Ajax nach einem Blick auf das Tablet in seinem Schoß.

 

Sie reden über die Arbeit. Das kann länger dauern. Wieso müssen die das mitten in der Nacht besprechen? Brauchen die keinen Schlaf? Der Junge lässt den Kopf hängen und wünscht sich, er hätte Dr. Ryu einfach per Luftweg von hier weggebracht. Dann hätte er auch noch ein bisschen fliegen können und müsse jetzt nicht für wer weiß wie lange hinter der Couch hocken bis seine Muskeln einschlafen. Die Ärztin denkt wohl ganz ähnlich, ihrem Gesichtsausdruck nach. Sie wäre jetzt auch lieber irgendwo anders. Ihr Grund ist allerdings ein anderer als das Risiko von einschlafenden Muskeln und Langeweile.

 

„Ist jemand dabei, der für eine Materialbeschaffungs-Mission bereit ist?“ Turano lehnt sich zurück und nippt an seinem Glas. „Die Wissenschaftler-Abteilung hat die Anfrage gestellt, neue Lechtalgen zu besorgen.“

 

„Lechtalgen“, wiederholt Ajax überlegend. „Das sind die Algen, die im Tsorfsee in Flaurana wachsen, nicht?“ Der Mann nickt als Antwort. „Das heißt wir bräuchten Fähigkeiten, die gut für kalte Unterwasseraufgaben geeignet sind.“ Grüblerisch wischt er durch die Akten. „Ich stelle ein Team zusammen und lege es dir bis zum Mittag vor.“

 

„Ausgezeichnet.“ Turano nickt zufrieden und schwenkt dabei sein Glas herum. „Momentan kommen wir mit den Anfragen wirklich gut hinterher. Es kommen auch beinahe täglich neue ein. Ich schätze, du und Eren müsst auch bald wieder einen übernehmen. Ich hab nämlich gesehen, Frau Russo hat mal wieder eines ihrer besonderen Anliegen an uns.“

 

„Frau Russo? Schon wieder?“ Nicht unbedingt überrascht schielt Ajax zu dem Mann hinüber.

 

Da Frau Russo eine langjährige, großzügige Stammkundin ist, werden ihre Anfragen immer zur vollsten Zufriedenheit erledigt. Dafür wird natürlich das beste Team eingesetzt. Und das beste Team besteht nunmal aus Eren und Ajax.

 

Na toll. Noch mehr Arbeit? Haben die schon mal was von Freizeit gehört?

 

Sei nicht so mürrisch. Es zeigt doch, wie viel sie von unseren Fähigkeiten halten.

 

Von MEINEN Fähigkeiten!

 

„Ja. Gefühlt hat sie jede Woche irgendeine Aufgabe für uns. Sie ist wirklich unsere beste Kundin.“ Benedikt leert das Glas, stellt es am Tisch ab und lehnt sich wieder gegen die Kissen. „Wenn es allerdings noch mehr Anfragen werden, werde ich wohl oder übel welche ablehnen müssen. Unsere Erfolgsquote und Diskretion hat sich mittlerweile weltweit rumgesprochen.“

 

„Und das ist schlecht?“, hakt der junge Mann verwundert nach.

 

Turano schüttelt den Kopf. „Nein, aber uns gehen langsam die Leute aus. Das Experimentlabor erzielt zwar in letzter Zeit bei den Projekten gute Erfolge, aber die Ausbildung dauert eben doch einige Jahre.“ Der Vater seufzt und verschränkt die Arme vor der Brust. „Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe die Ausbildung zu beschleunigen.“

 

„Und wenn wir einfach mehr Rekruten auf Missionen schicken? Auch wenn die Ausbildung nicht abgeschlossen ist, können manche von ihnen leichte Aufgaben übernehmen“, schlägt Ajax vor, die Augen noch immer auf die Akten gerichtet.

 

Doch Benedikt schüttelt erneut den Kopf. „Nein, das lassen wir lieber. Die Herstellung ist viel zu teuer und aufwendig, um jetzt leichtsinnig zu werden. Wir sollten lieber das Training verschärfen.“

 

„Einverstanden. Ich werde die Trainingspläne anpassen.“ Diesen Punkt schreibt sich Ajax auf seine To-Do-Liste am Tablet auf, die schon jetzt ziemlich lang ist.

 

*Die armen Rekruten*, denkt Eren mitfühlend. Er kennt nur zu gut Ajax´ immer strenger werdende Trainingspläne. Aber sie funktionieren, auch wenn sie echt hart sind und man oft glaubt beim nächsten Schritt zu sterben. Aber um stark zu werden, müssen sie da durch.

 

Gleichzeitig runzelt er die Stirn über die Aussage mit dem Experimentlabor. Er ist beinahe täglich im Bunker und war auch schon überall, dachte er zumindest, aber ein Experimentlabor hat er noch nie gesehen. Welche Art Experimente sie dort wohl durchführen? Vermutlich müssen alle mit Fähigkeiten ähnliche Experimente über sich ergehen lassen, wie er selbst. Nur anstatt im Labor von Dr. Ryu eben in diesen Experimentlaboren. Eren weiß, dass es noch mehr Ärzte im Bunker gibt, nicht nur Dr. Ryu, wieso sollte es also nicht noch mehr Labore geben? Der Bunker ist immerhin riesig. Gut möglich, dass er noch nicht jeden Winkel und jede Tätigkeit kennt.

 

Da Eren zu sehr in seine Grübelei vertieft ist, bekommt er nicht mit, wie die Frau neben ihm bei der Erwähnung der Labore schuldig zusammenzuckt und die Augen auf ihre Stiefelspitzen heftet.

 

„Sehr gut“, nickt Turano zufrieden während er sein Glas nachschenkt. Eren hat schon angefangen zu hoffen, dass somit das Gespräch beendet sei und sie in ihre Zimmer verschwinden, aber sein Vater macht ihm einen Strich durch die Rechnung, was ihn lautlos den Kopf gegen die Couch schlagen lässt. „Wo wir schon beim Training sind, ich hab vorhin kurz mit Eren gesprochen.“

 

„Ach ja?“ Überrascht hebt Ajax jetzt doch den Kopf, um ihn direkt anzusehen. Er weiß auch, dass das selten vorkommt.

 

„Ich kenne jetzt den Grund, weshalb er die Verwandlungen nicht hinbekommt“, teilt er ihm mit.

 

Auffordernd lehnt sich der ältere Sohn etwas vor. „Und der wäre?“

 

Oh je.

 

Oh je.

 

*Oh je*, stimmt der Junge den Stimmen zu. Hoffentlich findet Ajax seinen Grund nicht zu albern. Sonst - Wie sollte es anders sein? - befürchtet er irgendeine Strafe. Vermutlich mehr Verwandlungstraining. Sein Bein beginnt nervös zu zucken und er beißt sich auf die Unterlippe. Wäre er doch im Bett geblieben.

 

„Eigentlich ist es ganz einfach“, meint sein Vater beinahe belustigt. „Er hat zu große Angst davor die Kontrolle zu verlieren, deshalb weigert er sich unterbewusst eine vollständige Form anzunehmen, was dazu führt, dass es gar nicht klappt oder er gerade deshalb die Kontrolle verliert.“

 

„Echt jetzt? Das ist alles?“ Ajax scheint auf mehr zu warten.

 

Auch Dr. Ryu mustert Eren forschend von der Seite.

 

„Das ist alles“, bestätigt Turano, stützt die Ellbogen auf die Knie und beugt sich ebenfalls vor. „Die Lösung ist also folgende: Wir lassen ferngesteuerte Waffen am Käfig für die Verwandlungen anbringen, die wir vom Bunker aus steuern können. In der Höhle selbst ist dann niemand mehr, dem er bei einem Kontrollverlust schaden könnte.“

 

„Hm.“ Ajax sieht nachdenklich auf den unberührten Drink in seiner Hand. „Wenn du denkst, es könnte so klappen, einen Versuch ist es wert.“ Er hebt den Kopf und sieht seinen Vater an. „Es wäre höchste Zeit, dass Eren die Verwandlungen hinbekommt. Dann wären wir einen großen Schritt in deinem Plan weiter.“

 

Hellhörig hebt Eren den Kopf und spitzt die Ohren. Was für ein Plan? Drängt Ajax deshalb so darauf, dass er die Verwandlungen endlich kontrollieren soll? Wieso weiß er dann nichts von dem Plan, wenn es offensichtlich ihn betrifft? Bestimmt hätten sie ihm zu gegebener Zeit noch eingeweiht, davon ist der Junge überzeugt, aber es früher zu wissen spornt ihn vielleicht an noch mehr als sein Bestes zu geben. Er will seine Familie schließlich stolz machen.

 

Wieso müssen die beiden immer geheime Pläne vor uns haben?! Sind wir nicht vertrauenswürdig? Tun wir nicht alles, was sie von uns fordern? Und trotzdem enthalten sie uns so vieles vor!

 

Wir müssen ja nicht alles wissen. Es genügt doch, wenn wir die wichtigsten Infos bekommen, um die Missionen und Aufträge erledigen zu können. So wie bisher auch. Da ist es doch nicht schlimm, wenn die beiden nicht jeden Plan mit uns teilen. Schließlich sind sie die Geschäftsleiter von Turano Industries und nicht wir.

 

Noch nicht!

 

Die Ärztin hat ein sehr mieses Gefühl in der Magengrube. Ihr gefällt es ganz und gar nicht welchen Verlauf dieses Gespräch zu nehmen droht.

 

„Ja, das stimmt. Aber da wir sowieso noch nicht alle Puzzlestücke beisammen haben, könnten wir auch noch nicht starten, selbst wenn Eren schon beide Seiten beherrschen könnte“, meint Turano mit dem Bein wippend. „Dennoch, sorge dafür, dass er bald Fortschritte macht, Ajax.“

 

Puzzlestücke? Was genau hat ein Puzzle mit seinen Verwandlungen zu tun? Irritiert legt Eren die Stirn in Falten. Was haben sein Vater und sein Bruder mit ihm geplant? Am liebsten würde er aufspringen und sie direkt fragen, doch das ist die letzte Idee, die er in diesem Moment umsetzen sollte. Das weiß er, trotzdem würde er es gerne tun.

 

„Natürlich. Sobald diese Änderungen umgesetzt wurden, konzentriere ich den Trainingsplan auf die Verwandlungen. Ich weiß ja, wie wichtig der Plan ist“, versichert der junge Mann.

 

„Deshalb bist du auch meine rechte Hand.“ Turano hebt feierlich sein Glas Richtung Ajax, der noch immer dabei ist seine To-Do-Liste durchzugehen, um keinen noch so unwichtigen wichtigen Punkt zu vergessen.

 

Okay, so langsam wird Eren wirklich neugierig auf diesen geheimen Plan. Geduld ist nicht unbedingt seine Stärke und dass er auch noch eine katzenhafte Neugier besitzt macht es nicht erträglicher hier hinter der Couch hocken zu bleiben. Seine Muskeln zucken schon seit einer Weile und wollen ihn dazu bringen doch aufzuspringen und die beiden mit Fragen zu löchern.

 

„Bis wann hast du denn geplant, sollen die Änderungen umgesetzt sein?“

 

„Spätestens am Freitag. Ich will, dass Eren die Schulmission vorher abhakt, damit die erledigt ist“, beschließt Turano.

 

„Gut. Dann bereite ich bis dahin alles nötige vor.“ Ajax überfliegt den aktuellen Trainingsplan und markiert die ersten Punkte, die er zum Ändern vorsieht.

 

Eren wirft einen kurzen Seitenblick zu der Frau hinüber, die nach wie vor wie eine blasse Statue am Boden kauert. Eigentlich dürfte sie gar nicht wissen, dass Eren momentan eine Schulmission erfüllt. Auch wenn sie eine hohe Position innerhalb der Hierarchie einnimmt: ist sie bei einer Mission nicht beteiligt, darf sie nichts darüber wissen. So wie sie jedoch vor sich hinstarrt, bekommt sie eh kaum was von dem mit was gesprochen wird.

 

Denkt der Junge zumindest. In Wahrheit hört sie jedes Wort und ist nur zu geschockt über die Tatsache, dass die beiden ausgerechnet jetzt über diese Themen reden müssen.

 

„Kann ich dich was fragen?“

 

Dieser Unterton lässt Eren leicht den Kopf heben und seinen Bruder durch die Lehne hindurch anstarren. Diesen Ton hat er von Ajax noch nie gehört. Er klingt nervös und unsicher. Sein Bruder ist nie nervös oder unsicher.

 

„Na klar.“ Der Mann leert zum zweiten mal sein Glas, während Ajax noch keinen Schluck genommen hat, und füllt sich bereits wieder nach.

 

Ajax hebt den Kopf, um seinen Vater direkt anzusehen. „Findest du immer noch, dass es eine gute Idee war, wie du dich damals entschieden hast?“

 

„Was meinst du genau?“, hakt Turano nach, der nicht ganz versteht, worauf er anspielt.

 

Anders als die Ärztin hinter der Couch. Das miese Gefühl in ihrem Bauch ist mittlerweile zu einem krampfhaften Knoten angestiegen. Sie hat eine Ahnung und betet, dass sie falsch liegt. Dieses Thema dürfen die beiden nicht hier und jetzt besprechen. Nicht wenn hier und jetzt ein gewisser Engel-Dämon-Hybrid lauscht. Sie spielt mit dem Gedanken, Eren einfach einschlafen zu lassen. Allerdings wagt sie nicht auch nur einen Muskel zu bewegen, aus Angst entdeckt zu werden. Es ist eine Zwickmühle. Welches Risiko soll sie eingehen? Fieberhaft überlegt sie hin und her bis es zu spät ist.

 

„Na, dass du beschlossen hast, Eren zu adoptieren, anstatt ihn im Bunker zu lassen, wie die Anderen.“



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