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Eren

Geheimnisse der Turanos
von

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Die Perle

Als Ajax kurz darauf die Lagerhalle betritt und sich kritisch umsieht, hat Eren die Frau auf einen der Stühle geparkt, die für die geplante Auktion vorgesehen waren. Anders als sein kleiner Bruder hat Ajax nicht einen einzigen Blutstropfen am Körper. Wie meistens fragt er sich, wie er das schafft. Nun gut, wenn er mehr Genicke gebrochen und weniger Kehlen aufgeschlitzt hätte, wäre vielleicht auch weniger Blut auf ihm.

 

„Das hat ja ganz schön gedauert. Ich dachte schon, du wirst mit den paar Leuten nicht fertig. Nun gut … Hattest du irgendwelche Schwierigkeiten?“ Ajax meidet es in eine rote Pfütze oder auf einen toten Körper zu treten, inspiziert jedoch genauestens die Arbeit seines Bruders, der unter dem kritischen Blick beginnt sich nervös anzuspannen.

 

*So müssen sich die anderen in der Klasse vor einer Prüfung fühlen*, schießt es Eren unerwartet durch den Kopf. „Nein. Die Razzia der Polizei hat mich kurz durcheinander gebracht, aber ich hab sie alle erwischt und auch den Kopf der Mafia gefasst.“

 

„Hm. Du hast ein ganz schönes Blutbad hinterlassen. Hatten wir nicht gesagt, keine Spuren? Das hier sind mehr als deutliche Spuren, die mir sagen: Du brauchst mehr Assassinentraining“, stellt der junge Mann fest als er vor Eren stehen bleibt und abschätzend auf die Frau sieht. „Das ist also die Anführerin der Mafia?“

 

„Ja. Sie haben sie Serpent genannt“, erzählt Eren erleichtert, dass keine Strafpredigt zu hören ist. Im Moment.

 

„Gut.“ Der ältere Turano zieht sich einen weiteren Stuhl heran, mit der Lehne auf die Frau gerichtet und setzt sich rittlings darauf. „Sie sind also Serpent, ja? Unterhalten wir uns ein bisschen.“

 

Die Frau gibt keine Antwort. Sie sieht wie ein zusammengesunkenes Häufchen Elend aus, das nur zu Boden starrt, ohne seine Umwelt wahrzunehmen. Doch Ajax kennt Mittel und Wege, um auch aus solchen Leuten noch Informationen herauszubekommen. Das weiß auch Eren. Genauso wie er weiß, dass er beim Verhör keine Hilfe sein wird, weshalb er sich kurzerhand entfernt und aus reiner Neugier anfängt die Kisten zu öffnen und deren Inhalt zu durchsuchen. Mit einem Ohr hört er dabei auf Ajax´ Stimme, falls er gebraucht werden sollte.

 

In einer Kiste findet er rostige Teile von alten Rüstungen, in einer anderen verschiedene Knochen und Knochenteile. Eine Truhe ist voll mit schicken, teuer aussehenden Schuhen. In einem Fass findet er eine stark riechende, dickflüssige Pampe und in einem kleinen Holzkäfig hocken zusammengedrängt und im Halbschlaf zwei weiße Erdmännchenkinder. Je mehr Waren er begutachtet, desto mehr bestätigt sich seine Vermutung, dass hier nicht nur Dinge aus Flaurana versteigert werden sollten. Diese Mafia hat überall wertvolle Dinge und Tiere zusammengeraubt, um sie hier teuer verkaufen zu können. Wie gut, dass sie dem ein Ende machen konnten.

 

Gerade als Eren durch einen schmalen Spalt in einen Metallkäfig späht und das darin befindliche Kirin entdeckt - eine pferdgroße merkwürdige Mischung aus Hirsch, Hase und Pferd, das leblos am Boden liegt und nur ab und zu atmet - spürt er ein seltsames Gefühl in seinem Magen. Es ist nicht unangenehm, es scheint ihn irgendwohin ziehen zu wollen. Als wäre er mit etwas verbunden, das die Leine zwischen ihnen allmählich einzieht. Vielleicht wäre es klüger, nicht weiter nachzuforschen, aber Eren ist zu neugierig und will wissen, was das zu bedeuten hat. Immerhin sind viele Dinge hier aus einer Welt, in der es Magie gibt.

 

Dem Gefühl folgend dringt er immer weiter in den hinteren Bereich der Halle vor, wo er zuvor noch nicht war, weshalb es hier so unblutbesudelt aussieht. Er kommt an Statuen aus beiden Welten vorbei, an weiteren Käfigen mit betäubten Tieren, vielen Kisten und Truhen.

 

Das ist irgendwie aufregend, nicht wahr?

 

Naja. Wir irren durch ein Lagerhaus wegen eines läppischen Gefühls, was soll daran aufregend sein?

 

*Ach, ihr seid auch noch da? Hab schon angefangen mich daran zu gewöhnen, allein in meinem Schädel zu sein.*

 

Niemals! Das kannst du dir gleich aus dem Kopf schlagen, Kleiner! Wir sind ein Teil von dir. Aber dieses verdammte Mittel! Es hat mich eingesperrt!

 

Uns. Es hat ein bisschen gedauert bis wir stark genug waren wieder mit dir in Kontakt zu treten. Du hast doch sicher auch bemerkt, dass deine Kräfte schwächer waren, nicht wahr?

 

*Ja, stimmt*, gibt der Junge der hellen Stimme recht.

 

Aber seid ihr sicher, dass uns etwas nach da hinten ruft? Ich spür nämlich nichts.

 

*Ach nein?* Stutzig hebt Eren die Augenbrauen. Das ist seltsam. Was hat das zu bedeuten? Er ist sich sicher, dass er diese seltsame Leine spürt. Und der Dämon offenbar auch.

 

Echt nicht? Tja, da ist mein Gespür für coole, seltsame Dinge wohl besser als deins.

 

Woher willst du wissen, dass es etwas cooles oder seltsames ist?

 

*Könntet ihr wieder still sein? Ich glaub, ich bin gleich da.* Da die Stimmen noch geschwächt sind, tun sie sogar was Eren verlangt. Wenn das nur immer so wär.

 

Hinter der nächsten Abzweigung wird das ziehende Gefühl noch stärker, es pulsiert und dirigiert ihn zu einer kleinen schwarzen Truhe auf deren Deckel die Umrisse einer fremdartigen Rune eingraviert sind. Ganz klar ein Gegenstand aus Flaurana. Vorsichtig hebt er die Truhe auf und stellt sie auf einer Kiste ab. Ein Schloss mit weiteren Runen verschließt die Truhe und es sieht nicht so aus, als hätte schon jemand der Mafia diese geöffnet.

 

Was glaubt ihr, ist da drin?

 

Hoffentlich ist es den Aufwand wert.

 

„Das werden wir gleich sehen.“ Eren umfasst das Schloss und zieht daran. Nichts geschieht. Auch beim zweiten und dritten Versuch bleibt die Truhe verschlossen, was den Jungen verwirrt und kränkt. „Ist das Schloss verzaubert oder so?“

 

Wow, was für ein Genie. Was glaubst du denn, wofür die Runen stehen?!

 

Der Junge ignoriert den Einwand, stimmt der Stimme jedoch stumm zu. Wenn das Schloss seine menschlichen Kräfte standhält, dann muss er es eben mit übermenschlichen versuchen. Mit lilafarbenen Augen umfasst er erneut das Schloss, dessen Runen sofort rot aufleuchten und der Bügel von Geisterhand aufspringt, ohne dass Eren daran gezogen hätte. Vor Überraschung lässt er es fallen, das Leuchten erlischt und es landet wie ein gewöhnliches Schloss klirrend am Boden.

 

„Was war das denn?“

 

Magie?

 

Okay, jetzt bin ich doch neugierig. Was ist in der Kiste?

 

Eren löst seine Augen von dem magischen Schloss und sieht zur Truhe. Da er jetzt weiß, dass der Inhalt auf alle Fälle was magisches an sich hat, ist er wachsam als er langsam den Deckel anhebt. Keine Ahnung was er erwartet hätte, aber nichts so ... so normales. Die Truhe ist mir weinrotem Samt ausgekleidet. Lediglich ein einziger Gegenstand liegt darin. Eine vielleicht im Durchmesser zwei Zentimeter große glatte Perle in deren Inneren dunkler Rauch wogt und im Zentrum dieselbe Rune wie am Deckel zu sehen ist. Egal von welchem Winkel er die Kugel ansieht, die Rune wandert mit, wie die Augen eines alten Gemäldes. Unheimlich.

 

Kurz zögert der Junge, doch dann gewinnt die Neugier und er nimmt die Kugel in die Hand. Das ist mit Sicherheit die Quelle des seltsamen Gefühls, das verschwunden ist als er das Schloss entfernt hat. Die Perle fühlt sich warm an und strahlt etwas machtvolles aus. Was auch immer das für ein Ding ist, es ist wertvoll und besitzt eine Menge Magie.

 

„Eren, wo steckst du?“

 

Bei der plötzlichen Stimme in seinem Ohr zuckt er ertappt zusammen und zieht den Kopf ein. „Ich hab mich nur etwas umgesehen.“

 

„Komm sofort her. Ich bin fertig. Wir können gehen.“

 

„Schon unterwegs.“

 

Kurzerhand steckt er die Kugel in die Jackentasche und eilt zu seinem Bruder zurück. Serpent sitzt noch immer zusammengesunken am Stuhl, allerdings läuft ihr Blut aus dem Mund und sie bewegt sich nicht mehr. Diesmal allerdings nicht, weil sie in Schreckstarre verfallen ist.

 

„Hast du herausgefunden, was du wissen wolltest?“, erkundigt er sich ohne der Frau einen Funken Mitleid zu schenken. Jetzt könnte sie eh nichts mehr damit anfangen, verdient hätte sie es erst recht nicht. Sie war immer noch die Anführerin einer Mafia.

 

„Ja. Vernichte die Lagerhalle“, befiehlt Ajax, macht bereits kehrt und geht auf das Tor zu.

 

„Moment“, hält der Jüngere ihn auf. „Vernichten? Du meinst, alles hier drin zerstören? Ich dachte, wir bringen die Sachen zurück nach Flaurana?“

 

Ohne stehenzubleiben antwortet der junge Mann: „Überleg doch mal, wir können nicht alles in den Bunker bringen und jedes Stück dahin zurückbringen, wo es hingehört. Wir wissen nicht einmal wo das sein soll. Es kann überall in Flaurana sein. Dafür ist die Teleportmaschine nicht gedacht. Wir sind kein Lieferdienst. Und wenn wir die Sachen hier herumliegen lassen, findet sie nur der nächste Kriminelle.“

 

„Und die Tiere?“, wirft Eren mit einem dicken Knoten im Bauch ein.

 

Ohne auf seinen Einwand einzugehen, wiederholt Ajax: „Vernichte die Lagerhalle. Wir treffen uns beim Wagen. Du hast drei Minuten.“

 

„Ja, Bruder.“ Geschlagen senkt er den Kopf und entfacht die dunklen Flammen in den Händen. *Tut mir leid.*

 

~~~

 

Mit dem Dämonenfeuer die gesamte Lagerhalle bis auf die Grundmauern niederzubrennen, ist eine leichte Übung. Es ist ein heißes Feuer, dem nichts gewachsen ist. Sobald er sich sicher ist, dass wirklich jede einzelne Kiste Feuer gefangen hat - nicht mal als sie bei lebendigem Leib verbrennen geben die Lebewesen einen Laut von sich, die wurden mit einem starken Mittel betäubt - verlässt der Junge selbst die Halle, schließt das Tor und fliegt auf den Parkplatz, wo Ajax bereits neben dem Golf auf ihn wartet.

 

Wie bereits vermutet lässt Ajax Eren mit all dem Blut nicht in den Golf einsteigen. Außerdem hatte der Ältere für die Heimkehr eh eine andere Route geplant. Den „geliehenen“ Wagen lassen die zwei einfach am Parkplatz stehen, während der Zwölfjährige sie beide über den Luftweg zurück zum Hotel fliegt. Unterwegs sind bereits die ersten Sirenen und Blaulichter auf dem Weg zum Hafen zu vernehmen. Das Feuer ist ja auch von Weitem gut zu erkennen.

 

Er darf jetzt nicht anfangen darüber nachzudenken, was er gerade getan hat, wie viele Leben er heute Nacht ausgelöscht hat, was er den unschuldigen Polizisten und Tieren angetan hat, sonst würde er sicher daran zerbrechen. Es gehört zu seinem Leben dazu: das Morden. Da macht die Form des Lebens, das er auslöscht, keinen Unterschied. Ihm tut das Herz nur wegen der Tiere weh, die rein gar nichts dafür können in der Lagerhalle gelandet zu sein. Zumindest müssen ihre Seelen jetzt nicht mehr in viel zu kleinen Käfigen stecken oder als Machtsymbol bei reichen Säcken versauern. Ein schwacher Trost. Sehr schwach. Sehr, sehr schwach.

 

Der Junge setzte sie beide am Balkon der Suite ab. Auch Benedikt war mittlerweile von seinem Meeting zurück und hatte sich auch gleich nach der Mission erkundigt. Bei der Besprechung selbst war Eren allerdings nicht dabei, Ajax und sein Vater haben ihn unter die Dusche geschickt. Turano konnte Eren nicht einmal ansehen, er kann einfach kein Blut sehen, was in seiner Brache mehr als untypisch ist. Deshalb lässt er die blutigen Aufgaben auch immer von anderen erledigen.

 

Nach der Dusche fühlte er sich wieder besser. Auch wenn er es gewohnt ist, irgendwo Blut zu spüren, ist es ohne einfach angenehmer. Die blutgetränkten Klamotten hat Eren in eine Plastiktüte gesteckt, um sie Zuhause zu entsorgen. Anschließend wurde der Junge ins Bett geschickt. Immerhin brechen sie schon um sieben Uhr wieder nach Hause auf, wo sein Trainingsplan auf ihn wartet.



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