Zum Inhalt der Seite

Eren

Geheimnisse der Turanos
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Nur den Erfolg im Sinn

Als die Glocke zum Schulschluss läutet, packt Eren wie alle anderen schnell seine Sachen zusammen und verlässt das Klassenzimmer. Er will jetzt nur nach Hause in sein Bett. Er hätte nie für möglich gehalten, dass ihn die normale Schule so schlauchen würde. Aber das tut sie. Dabei ist es gerade mal Zehn vor Eins. Bestimmt hat Ajax schon Nachmittagspläne vorbereitet.

 

Erschöpft lässt der Junge die Schultern hängen, dann reißt er sich zusammen. Wenn er es nicht eh schon gewohnt wäre, könnte ihm das alles wesentlich mehr ausmachen. Aber so findet er sich einfach damit ab. Außerdem ist Kampftraining eine willkommene Abwechslung zum stundenlangen auf einem Stuhl sitzen und Dinge lernen, die er schon weiß. Kunst ausgeschlossen.

 

Mittlerweile haben sich die Wolken verzogen und einem blauen Himmel Platz gemacht. Es könnte ein schöner Nachmittag sein, wenn der kalte Wind nicht wär. Die gefühlt komplette Schülerschaft drängt sich hinaus ins Freie und an Eren vorbei, der oben an der Treppe stehengeblieben ist und den Parkplatz überfliegt. Kurz darauf entdeckt er auch schon das Auto. Allerdings nicht am Parkplatz, sondern fast direkt vor der Schule am Straßenrand. Es ist auch nicht der Mustang von Ajax, sondern eine kleine Limousine. Die Fahrerin steht in ordentlichen Chauffeurklamotten neben der hinteren Autotür und wartet. Viele sehen neugierig zu dem Luxuswagen. Natürlich erregt die Limo viel zu viel Aufmerksamkeit, weswegen Eren seufzt und innerlich den Kopf schüttelt. Was ist aus „am ersten Tag unauffällig bleiben“ geworden?

 

„Hey, Eren, warte mal!“

 

Da Eren sowieso steht, dreht er lediglich den Kopf zu Max um, der sich einen Weg zu ihm bahnt.

 

Bei ihm angekommen platzt er gleich mit der Frage raus: „Kannst du mir noch deine Nummer geben?“

 

Erens erster Gedanke ist: *Meint er die Fähigkeiten-Nummer?*, weshalb ein aufgeflogener Schauer über seine Wirbelsäule kriecht. Doch dann zieht Max ein Smartphone aus der Jackentasche und er entspannt sich wieder.

 

„Geht nicht, sorry, hab kein Handy“, beichtet er.

 

Max starrt ihn mit offenem Mund an, unsicher ob er das glauben soll oder nicht. „Echt jetzt?“

 

„Echt jetzt“, bestätigt der Junge aus der wohlhabenden Familie. „Ich hab bisher auch nie ein Handy gebraucht.“

 

„Und wie hast du dich dann mit Freunden verabredet, wenn du auch nicht in der Schule warst?“

 

„Ich hab nicht wirklich Freunde“, meint er schulterzuckend und möglichst unbekümmert.

 

Die anderen Menschen im Bunker würde Eren nicht als Freunde bezeichnen. Dafür kennt er sie zu wenig und sieht sie auch nur auf Missionen oder beim Training. Diejenige, die einer Freundin am nächsten kommt, ist höchstens Dr. Ryu. Aber die sieht er auch nur bei den Tests und Untersuchungen.

 

„Du musst echt einsam sein“, stellt Max zum wiederholten Mal fest. Bevor Eren reagieren kann, legt der Blonde ihm breit grinsend dem Arm um die Schultern. „Gut, dass du jetzt hier bist und schon einen Freund hast.“ Zufällig fällt dabei sein Blick auf sein Smartphone und er zieht schnell den Arm zurück. „Oh, verdammt!“ Ein hektischer Ausdruck erscheint auf seinem Gesicht während er die ersten Stufen hinabsteigt. „Ich muss los, sonst verpass ich meinen Bus. Und zu Fuß bin ich erst heute Abend daheim. Also, ciao, bis morgen! Und vergiss nicht zu fragen wegen Freitag, ja?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, flitzt er die Treppe runter und verschwindet in der Menge.

 

Eren sieht ihm einen Moment überrumpelt hinterher, schüttelt den Kopf und macht sich dann auch auf den Weg. Ajax soll schließlich nicht länger warten als nötig. Unterwegs muss er ständig daran denken was Max gesagt hat. Geht das denn? Dass man in so kurzer Zeit mit jemandem Freundschaft schließt? Ein seltsamen Gefühl macht sich in seinem Inneren breit, das er nicht zuordnen kann. Aber, das ist gut, oder? Es ist schließlich seine Mission.

 

Nicht gerade wenige beobachten den jungen Turano neugierig und abschätzend als ihm die Autotür aufgehalten wird und er in die Limousine steigt. Zum Glück sind die hinteren Scheiben getönt, sodass er den aufdringlichen Blicken entkommen kann. Doch im Inneren des Wagens begrüßen ihn schon die nächsten bohrenden Augen. Jetzt versteht Eren auch, weshalb er mit der Limo abgeholt wird. Er sitzt seinem Bruder und auch seinem Vater gegenüber. Letzterer lässt sich gerne herumfahren. Es entspricht eben dem Turanostand. Die Tatsache, dass die Drei so reden können, ohne dass jemand auf die Straße achten muss, spielt bestimmt auch eine Rolle.

 

„Hallo“, grüßt Eren seine Familie sobald die Tür hinter ihm zugeschlagen und der Motor gestartet wurde.

 

„Hallo, Eren“, erwidert sein Vater mit einem Lächeln. „Wie war der erste Schultag?“

 

„Hast du schon was herausgefunden?“, ergänzt Ajax ohne Umschweife.

 

Eren hätte auch ohne der Zusatzfrage gewusst, dass sie sich nicht nach den Unterrichtsfächern erkundigen. „Bisher nicht viel. Eigentlich nur, dass Max in Kunst schlecht ist, eine kleine Schwester hat und Halloween liebt.“

 

„Für den ersten Tag ist das gar nicht so schlecht.“ Der Mann nickt zufrieden.

 

Ajax wirkt nicht so zufrieden, behält es aber für sich.

 

Dafür ergreift Turano erneut das Wort: „Und wie war die Schule? Sind die Fächer interessant? Findest du dich schon zurecht?“

 

Erstaunt sieht der Junge zu seinem Vater. „Ähm, ganz okay. Die Schule ist alt und nicht besonders gut ausgeschildert. Es wird noch ein paar Tage dauern, bis ich die wichtigsten Räume kenne“, gesteht er und überlegt, ob er seine Probleme in den ersten Stunden erzählen soll. Besser wäre es. Wenn sie es irgendwie anders herausfinden, wird er nur wieder für sinnlose Gründe bestraft. „Das meiste, was in den Fächern gelehrt wird, kenne ich schon. Außer Kunst. Da mussten wir Halloween-Deko basteln. Ich hab trotzdem eine Eins“, fügt er schnell hinzu als er sieht, dass Ajax die Augen zusammenkneift.

 

„Ach, das macht gar nichts. Du hättest sehen sollen, wie schlecht ich in Kunst war.“ Turano schnaubt amüsiert und wirkt einen Moment in Gedanken versunken. Dann räuspert er sich. „Auch wenn der Schulbesuch nur Teil dieser Mission ist, sollten in den wichtigen Fächern deine Noten nicht schlecht sein. Solange es nur Kunst ist, ist es belanglos. Es ist ja nicht deine Aufgabe ein Halloween-Deko-Bastelgenie zu werden.“

 

Wieder sieht Ajax so aus, als wäre er anderer Meinung, aber in Gegenwart ihres Vaters ist er nicht so pingelig. Nicht laut zumindest.

 

„Apropos Halloween-Dekoration ...“, beginnt Eren zögerlich und fängt an an den Ärmeln seiner Jacke zu spielen, dabei bemüht die Augen auf den Mann gerichtet zu lassen. „Max hat mich eingeladen am Freitag mit ihm auf Süßes oder Saures zu gehen und danach eventuell auf die Party in der Schule. Ich weiß, Halloween ist Zeitverschwendung, aber ich dachte, es könnte helfen mehr über Max herauszufinden.“

 

„Eren, du weißt doch, dass in albernen Kostümen bei Fremden um ungesundes Zuckerzeug zu betteln, unter deiner Würde ist. Das ist einem Turano nicht würdig“, betont Ajax abfällig.

 

„Ich weiß. Ich dachte nur, es wäre eine Gelegenheit mehr über Max herauszufinden, ohne dem ganzen Schulkram“, erklärt Eren.

 

Ajax fixiert Erens Augen für die nächste „Halloween ist Zeitverschwendung“-Rede, doch zum Glück ist der Vater schneller. „Also ich halte es für eine gute Idee.“

 

„Ach ja?“ Überrascht legt der Junge den Kopf schief und überlegt, ob er sich verhört haben könnte.

 

„Aber das schadet doch dem guten Ruf der Familie, wenn die Presse erfährt, dass Eren mit einem Bettlaken über dem Kopf nach Süßigkeiten bettelt“, behauptet Ajax.

 

„Das stimmt wohl“, stimmt der Mann zu und fasst sich grübelnd ans Kinn.

 

Währenddessen zuckt Erens Bein, was er mit dem Rucksack auf den Knien zu verbergen versucht. Er macht sich nur ungern falsche Hoffnungen, aber es sieht doch wirklich so aus, als ob er tatsächlich am Freitag das erste Mal mit Gleichaltrigen Halloween feiern darf. Nur im Sinne der Mission natürlich. Halloween ist schließlich banaler Kinderkram.

 

„Dann verkleidet er sich eben nicht“, entscheidet Turano schließlich an Ajax gewandt. „Eren ist eh nicht so bekannt, wie du oder ich, sollte ihn dennoch jemand erkennen, was sehr unwahrscheinlich ist, sieht er zumindest nicht wie ein Bettlaken aus. Das wäre doch ein Kompromiss, oder?“

 

Eren hätte sich eh niemals als Bettlaken verkleidet oder ein anderes doofes Kostüm angezogen. „Also, heißt das, ich darf?“

 

Turano sieht Eren einen Moment so irritiert an, als hätte er vergessen, dass er auch im Auto sitzt. „Ja, du kannst den Spezialauftrag im Sinne der Mission annehmen.“

 

„Danke, Vater. Danke, Ajax.“ Die Freude des Jungen wird durch die Tatsache, dass es ein Spezialauftrag ist, kaum geschmälert. Immerhin wird das sein erster Auftrag, den er tatsächlich vollkommen auf sich allein gestellt erledigen wird. Auch wenn es nur um eine Halloween-Tour mit einer blonden Nervensäge geht. Und da sein Vater gerade die Gute-Laune-Hose trägt, traut sich Eren sogar um noch etwas anderes zu bitten. „Da wäre noch was ...“

 

„Und was?“, will Ajax nicht so spendierfreudig wissen.

 

„Mir ist heute eine Idee gekommen, wie ich noch schneller Max` Vertrauen gewinnen könnte. Und auch weniger auffalle. Jeder in der Schule hat in den Pausen und Zwischenstunden auf sein Handy gestarrt und ...“

 

„Und du willst jetzt auch eins?“, errät Ajax missbilligend die Arme verschränkend. „Ich halte das für keine gute Idee. Ein Smartphone lenkt dich doch nur ab. Und du weißt doch: Wer abgelenkt ist, ist ein leichtes Ziel und verliert sein Ziel aus den Augen.“

 

„Ja, ich weiß“, stimmt Eren zu, ist aber nicht bereit so einfach aufzugeben. Er muss nur Gründe finden, die die beiden überzeugen. „Aber wenn ich tagsüber in der Schule bin und irgendetwas herausfinde oder was passiert, könnte ich euch erreichen.“

 

Ajax spannt den Kiefer an und Turano hat wieder die Hand grübelnd ans Kinn gelegt. Der Zwölfjährige wartet geduldig-ungeduldig auf die Antwort der beiden. Um die Beherrschung zu behalten, knetet er die Tragegurte der Schultasche. Ja, manchmal ist sein Geduldsfaden ziemlich dünn.

 

„Na schön“, gibt Turano schließlich nach, fügt jedoch eine Bedingung hinzu: „Du bekommst ein Handy, aber nur für die Dauer der Schulzeit. Danach gibst du es Ajax, ja?“

 

„Was?!“, platzt es aus dem Jungen heraus, der gerade anfing sich auf sein erstes Smartphone zu freuen.

 

„Eren!“, zischt Ajax sofort warnend. „Achte auf deinen Ton.“

 

Der Junge versucht sich zusammenzureißen. „Was ich meine ist, was wenn Max mich außerhalb der Schulzeit kontaktieren will? Wäre es dann nicht unauffälliger, wenn er mich erreichen würde? Dann könnte ich schneller herausfinden, ob er einer von uns ist und wir können ihn in Sicherheit bringen.“

 

„Das ergibt durchaus Sinn“, gesteht der Vater eher zu sich selbst, ehe er sich seinem älteren Sohn zuwendet. „Was denkst du, Ajax?“

 

Ajax mustert seinen kleinen Bruder nachdenklich. Erst Minuten später, als die Limousine das erste Grundstückstor der Turanos passiert, antwortet der junge Mann: „Von mir aus. Solange es der Mission dient.“

 

„Okay, dann wäre das beschlossen. Eren, für die Dauer der Mission bekommst du ein Handy, aber du gibst es sofort wieder ab, sobald diese abgeschlossen ist. Einverstanden?“, entscheidet Turano streng.

 

„Ja, natürlich, Vater.“

 

~~~

 

Den restlichen Montag hat Eren nach seinem typischen Stundenplan verbracht. Allerdings wurde der Privatunterricht unter der Woche herausgestrichen, ebenso gekürzt wurden die Untersuchungen und Tests bei Dr. Ryu. Dafür sind die Hausaufgaben, Lernen und Kräfteschrumpfungen hinzugekommen. Sodass sein Terminplan trotzdem voll ist.

 

Bereits am nächsten Morgen hat der Junge sein erstes eigenes Smartphone erhalten, inklusive des unvermeidlichen Vortrags von Ajax, wie er das Handy zu benutzen hat und welche Regeln damit verbunden sind. Unter anderem darf er weder den von Ajax eingerichteten Entsperrcode ändern, noch unnütze Dateien, Fotos, Kontakte und/oder Apps abspeichern. Es dient ausschließlich der Kommunikation mit Ajax, seinem Vater und Max.

 

Auch wenn ihn diese Überwachung stört, ist es nicht überraschend oder ungewohnt für den Zwölfjährigen. Außerdem hatte er eh noch keine Zeit die Funktionen des kleinen Geräts zu erforschen, da es bereits wieder Zeit für die Schule war.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück