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Eren

Geheimnisse der Turanos
von

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Bastelstunde

Timo und die Brünette wechseln erstaunte Blicke. Das Mädchen legt ihren Totenkopf – der nebenbei bemerkt nicht sehr realistisch schattiert ist – beiseite und richtet ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die beiden Jungs. „Wie? Ihr kennt euch?“

 

„Nein“, antwortet Eren schnell.

 

„Ja“, antwortet Max gleichzeitig.

 

Verwirrt zieht das Mädchen die Stirn kraus während sich der Klassensprecher mit verschränkten Armen an den Tisch lehnt. „Was jetzt? Ja oder nein?“

 

„Nun ja, wir haben uns zweimal kurz getroffen“, klärt Max auf, drückt sich an Timo vorbei zu seinem Platz und legt erst mal die Bastelsachen ab. „Wieso hast du denn nicht gesagt, dass du auf meine Schule wechselst?“

 

„Woher hätte ich denn wissen sollen, dass es deine Schulen ist?“, gibt Eren zurück. „Außerdem weiß ich es selbst erst seit Freitag.“

 

„Er wurde von seinem Vater zur Strafe hierher geschickt“, meint Timo an Max gerichtet, schielt jedoch provozierend zu Eren. „Damit der kleine Turano nicht so abgehoben und eingebildet wird.“

 

Jap. Timo kann Viktor echt Konkurrenz machen. Beide wollen das „Alphatier“ sein, sie sind´s zwar nicht, aber sie bilden sich ein es zu sein. Das Gute ist, Eren weiß, wie er mit solchen Charakteren umgehen muss. Das Schlechte, wie lange wird es wohl dauern, bis ihm die provokativen Kommentare so sehr an der Geduld nagen, bis sie reißt?

 

Überrascht wandern Max´ Augenbrauen Richtung Haaransatz. „Echt jetzt? Du gehörst zu den Turanos?“

 

„Wie? Du wusstest nicht, dass dein Kumpel ein Turano ist?“, fragt Timo übertrieben schockiert nach.

 

„Max, Timo, Paula, Eren, ich weiß, dass es interessant ist einen neuen Mitschüler zu haben, aber wir haben immer noch Unterricht“, erinnert Frau Parker, die neben der Tischreihe der Vier aufgetaucht ist. „Ihr könnt gerne weiterreden, aber vergesst die Deko nicht. Immerhin wird das Teil eurer Note.“

 

„Entschuldigung, Frau Parker.“

 

Nach einem letzten Blick in die Runde kehrt sie in den vorderen Teil des Klassenzimmers zurück.

 

Noten in Basteln? Eren rollt innerlich mit den Augen. In Kunst wird er vermutlich nicht sonderlich gut abschneiden. Er kann schon Ajax´ Vortrag hören, wenn er davon erfährt. Leise seufzend nimmt der junge Turano den Bleistift wieder in die Hand. Doch mehr als damit ratlos auf dem Papier zu klopfen kriegt er nicht hin.

 

„Dann bist du wirklich ein Turano? Jetzt versteh ich auch das mit dem Anzug und dem Privatunterricht“, sagt Max, der inzwischen seine Jacke über die Stuhllehne gehängt hat und ein orangefarbenes Papier in der Mitte faltet. „Also, stimmt es, dass du bestraft wirst? Etwa von dem aus dem Krankenhaus? Der mit Drohungen und finsteren Blicken um sich schmeißt?“

 

„Das ist mein Bruder. Aber nein, es ist keine Strafe“, stellt Eren klar. „Mein Vater und Ajax dachten nur, dass es gut für mich wäre, mal auf eine normale Schule zu gehen.“

 

„Ich glaub, du willst nur nicht zugeben, dass du zu einem verwöhnten … Aua!“, beginnt Timo besserwisserisch, doch ein Schlag gegen seine Schulter lässt ihn verstummen und eingeschnappt Paula anfunkeln.

 

Die Brünette lässt sich von den finsteren Blicken des Klassensprechers nicht im geringsten einschüchtern. „Halt die Klappe, Timo. Sei nicht immer so gemein.“

 

„Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen? Ich bin der Klassensprecher!“, regt sich der Junge auf.

 

„Genau deshalb solltest du netter sein“, entgegnet Paula schnippisch.

 

„Ignorier die beiden. Zanken ist ihre Lieblingsbeschäftigung“, meint der Blonde ohne von der Schere aufzusehen, mit der er hochkonzentriert etwas aus dem Papier ausschneidet. „Jedenfalls, willkommen an der Haikla City Junior High. Ich hab doch gesagt, wir sehen uns wieder.“

 

„Stimmt. Kannst du hellsehen, oder so?“ Ein leichtes Schmunzeln kann sich Eren nicht verkneifen, doch dann muss er an etwas anderes denken und das Lächeln verschwindet. Was ist, wenn Hellsehen tatsächlich die Fähigkeit von Max ist?

 

„Ich wusste, dass du Humor hast“, stellt Max triumphierend kichernd fest. „Obwohl du bisher ziemlich abweisend warst. Kann ich aber verstehen. Der Typ im Krankenhaus ist wohl echt streng und einschüchternd. Besonders, wenn er ständig mit Bestrafungen droht.“

 

„Ja, das ist er“, bestätigt Eren ohne nachzudenken. Max hat die Hellseherei weder bestätigt noch abgestritten. Ist das verdächtig? Grüblerisch mustert er den Jungen, der seinem Kürbis mit schwarzen Linien ein Gesicht verpasst.

 

„Kannst du dich nicht entscheiden?“

 

„Hm?“ Aus der Grübelei gerissen blinzelt Eren seinen Gegenüber fragend an.

 

„Na, welches Monster du bastelst“, hilft Max ihm amüsiert auf die Sprünge.

 

Timo ergänzt schnippisch als er den noch immer irritierten Blick bemerkt: „Denk einfach an die typischen Halloween-Monster. Ist doch nicht so schwer. Oder willst du an deinem ersten Tag als Normalo eine schlechte Note?“

 

„Äh .. nein.“ Schon wieder hat er einen finster dreinblickenden Ajax vor Augen. Und trotzdem starrt er ratlos auf das Papier.

 

„Eigentlich ist es egal was du machst. Solange es so aussieht wie ein Halloween-Monster vergibt Frau Parker eine Eins“, meint Max und hält seinen Kürbis so, dass Eren das schräge Kritzelgesicht mit herausgestreckter Zunge sehen kann, das so aussieht als hätte es ein Kind gemalt.

 

Schmunzelnd mustert Eren die Deko. „Sieht irgendwie … interessant aus.“

 

„Ich weiß! Ich bin kein großer Künstler“, gesteht Max dennoch stolz grinsend und ergänzt sein Kunstwerk mit einem schiefen paar grüner Augenbrauen. „Wenn selbst ich es schaffe mit meinem Kürbis eine Eins zu bekommen, dann du auch“, prophezeit Max überzeugt.

 

„Hm.“ Egal ob es einfach ist eine gute Note zu bekommen, es ändert nichts daran, dass er zum ersten Mal etwas mit Halloween zu tun hat. Auf der Suche nach Inspiration lässt Eren seine Augen durch den Raum schweifen. Jeder hat schon mindestens eine fertige Gruselpapierfigur neben sich liegen. „Halloween-Deko besteht also hauptsächlich aus Kürbissen, Geistern und Spinnen?“

 

Erstaunt hebt Max die Augenbrauen und hält in seinen Detailarbeiten inne. „Heißt das, du weißt nicht wie man Halloween feiert?“

 

Eren setzt gerade an den Kopf zu schütteln, als Timo sich lauthals einmischt.

 

Der Klassensprecher prustet prompt los und muss sich den Bauch halten. Dabei zerknittert seine Note, doch das scheint ihn nicht zu kümmern. „Wie kann man noch nie Halloween gefeiert haben? Hahaha! Das ist der beste Feiertag im Jahr! Wurdest du etwa von Daddys großen Halloweenfeten ausgeschlossen?“

 

„Timo!“, rügt Paula ihren Klassenkameraden und verpasst ihm einen weiteren Schlag gegen den Oberarm.

 

„Nein“, beginnt Eren, der sich gerade nicht sonderlich wohl in seiner Haut fühlt. „Es gibt keine Halloweenfeten. Mein Vater findet, dass alles Zeitverschwendung ist, was nichts mit seiner Arbeit zu tun hat. Dazu gehören auch irgendwelche Feiern. Solange es keine Firmenfeiern sind. Und bei denen geht’s nicht um Kürbisse, Geister und Spinnen.“

 

Entsetzt starren ihn zwei Augenpaare an, das dritte ist noch immer mit Lachen beschäftigt.

 

„Heißt das, du hast auch noch nie Ostern, Weihnachten oder Silvester gefeiert?“, fragt Max ungläubig nach.

 

Eren schüttelt den Kopf. „Nein, nein und nein.“

 

„Aber zumindest Geburtstage, oder? Ihr werdet doch wenigstens Geburtstage feiern, oder?“ Max bekommt irgendwie einen verzweifelten Unterton. Dabei ist es doch Eren, der das alles noch nie zelebriert hat. „Oder wenigstens Geburtstagsgeschenke? Irgendwas?“

 

Wieder setzt Eren an den Kopf zu schütteln, doch dann fällt ihm was ein. „Naja, Geschenke gibt’s schon. Allerdings keine materiellen.“

 

„Du meinst, Gutscheine, Ausflüge und Urlaub oder so?“, hakt Max noch immer entrüstet nach. Ob er das Thema je gut sein lässt?

 

Eren muss verneinen. „Ich hab dann nicht so viele Aufgaben auf der To-Do-Liste.“

 

„Was denn für Aufgaben?“ Der Blonde hat den Kopf schief gelegt und die Stirn gerunzelt. „Musst du schon in der Firma arbeiten?“

 

So langsam fühlt sich Eren wie in einem richtigen Verhör. Und das, obwohl er doch Dinge über Max herausfinden soll. Nicht andersherum. „Genau. Ich erledige halt irgendwelche Botengänge, bediene den Kopierer oder begleite die Gäste ins Besprechungszimmer.“

 

Dass das eine pure Lüge ist, müssen sie ja nicht wissen. Er hat noch nie eine dieser Aufgaben erledigt. Zum Glück war er schon in der Firma über dem Bunker unterwegs. Er hat zwar keine Ahnung, was genau dort oben fabriziert wird, aber es muss sicher was kopiert werden.

 

„Das ist ja richtige Kinderarbeit“, kommentiert Paula schockiert. „Und plötzlich bin ich froh, nicht zu den Reichen zu gehören. Ich dachte immer, die werden von vorne bis hinten bedient und müssen nichts selbst tun.“

 

„Vielleicht bei anderen?“, überlegt Eren laut und fragt sich, ob es okay ist, dass er verrät wie er bisher gelebt hat. So ungefähr. Bekommt der Turanoname einen Knick, wenn Zwölfjährige wissen, dass sein Vater ihn arbeiten lässt? Tja, jetzt ist es eh zu spät, um das zurückzunehmen.

 

„Oh, nein, du Armer. Es muss schwer sein in einem riesigen Privatanwesen mit eigenem Wald und haufenweise Bediensteten zu leben, ab und zu ein paar Dokumente zu kopieren oder Fremde in ein Zimmer zu führen“, spottet Timo mit aufgesetztem Mitleidsblick, den ihm keiner abkauft. „Wie gut, dass dich all das Geld dabei tröstet.“

 

„Timo!“ Paula schlägt erneut den Klassensprecher.

 

„Au! Für ein Mädchen schlägst du ganz schön oft zu“, beschwert er sich die Schulter reibend. „Ach, kommt schon, Leute! Ihr glaubt ihm die Geschichte doch nicht, oder? Welcher superreiche Firmenchef würde seinem Sohn auch nur den kleinsten Wunsch abschlagen und ihn zwingen bei sich zu arbeiten? Das ist doch total unglaubwürdig.“

 

„Hältst du mich etwa für einen Lügner?“, möchte Eren mit erhobener Augenbraue wissen. Gut, dass die dunkle Stimme stumm ist, sonst würde er jetzt wieder Morddrohungen im Kopf hören, die ihn beeinflussen wollen. So findet er es eher amüsant, dass sich Timo so aufregt, obwohl nichts ist. Wenn er wüsste, wie es bei ihm wirklich Zuhause aussieht, würde er nicht so eifersüchtig reagieren.

 

Bevor Timo antworten kann, lehnt sich Max vor, um seinem Sitznachbarn ins Gesicht sehen zu können. „Sag mal, Timo, kann es sein, dass du eifersüchtig bist?“

 

Seit dieser Frage ist Eren erst einmal vergessen. Timo und Max haben eine seltsame, sinnlose Diskussion begonnen, wurden von Paula kommentiert und von Frau Parker ermahnt an ihren Projekten weiterzuarbeiten. Bis zum Ende der Doppelstunde Kunst hat Eren es doch noch geschafft ein – mehr oder weniger – schönes Skelett zu basteln. Mit dem menschlichen Knochenbau kennt er sich zumindest aus. Wenigstens hatte Max Recht mit seiner Aussage, dass es von der Lehrerin eine Eins gibt, wenn es nur so ähnlich wie beabsichtigt aussieht.

 

So schlecht sich Eren auch in Kunst angestellt hat, in der nächsten Stunde macht er das locker wieder wett. Erdkunde stand am Stundenplan. Es ging um Vulkane. Alles was der Lehrer, ein Mann mit kurzen rotblonden Haaren und einer Brille, versucht hat der Klasse beizubringen, wusste Eren schon. Er hätte sogar aus erster Hand beschreiben können, wie heiß die Lava ist, wenn man als Extremflugtraining über einen ausbrechenden Vulkan fliegen muss. Natürlich hat er den Mund gehalten. Stattdessen hat er nur mit halbem Ohr zugehört, ab und zu den Hefteintrag abgeschrieben und nebenbei Max beobachtet. Bisher zeigt der Blonde kein noch so mikroskopisch kleines Anzeichen auf außergewöhnliche Fähigkeiten. Die Idee mit dem Hellsehen hat er längst wieder verworfen.



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