Zum Inhalt der Seite

Champ Stories 2

Band 2: Ralia
von
Koautor:  Flordelis

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Du musst dich nicht schämen

Grummelnd hob Ralia den Kopf, als sie bemerkte, dass Raelene mit Delion – und sogar seinem Glurak – im Schlepptau zu ihr kam. Deshalb richtete sie sich auf und starrte ihre Trainerin angespannt an. Schatten der Unmut verfinsterten ihr Gesicht. Gute Laune sah definitiv ... anders aus. Davon durfte Raelene sich nicht entmutigen lassen.

„Hey~.“ Möglichst ruhig und entspannt holte Raelene den Pokéball von Ralia hervor und hielt ihn lächelnd nach oben. „Ich will dich gerne auch mitnehmen. Du erinnerst dich doch sicher noch daran, was Gorgasonns in Vollmondnächten machen, oder? Damals hat dir das immer sehr gefallen. In ein paar Tagen ist es wieder so weit.“

Für den Bruchteil einer Sekunde wirkte Ralia wirklich interessiert, doch nur einen Wimpernschlag später schlug sie Raelene mit dem Schweif gezielt den Pokéball aus der Hand und knurrte sie abweisend an. Leider zuckte Raelene vor Schreck leicht zusammen, was sie lieber vermieden hätte. Natürlich hatte sie keine Freudensprünge von ihrem Glurak erwartet, derart viel Ablehnung allerdings auch nicht.

Delion sah zwischen den beiden hin und her, die Arme vor der Brust verschränkt. Seine Mimik war neutral, bis er ein wenig die Augenbrauen zusammenzog. Vielleicht wägte er ab, ob es schon Zeit wäre einzugreifen oder er sich vorerst zurückhalten sollte, um keine bockige Reaktion von Ralia zu riskieren.

Sein Glurak nahm ihm diese Entscheidung schließlich ab, denn der brummte Ralia bereits unmissverständlich an, womit er sie für dieses Verhalten wohl tadeln wollte. Daraufhin warf Ralia ihm einen missmutigen Blick zu, schien jedoch durchaus Respekt vor seiner Zurechtweisung zu haben. Jedenfalls schnaubte sie nur leise, statt ein Theater zu veranstalten.

Raelene hob den Pokéball wieder auf und sah Ralia entschuldigend an. „Wenn du nicht hier rein willst, musst du das nicht. Ich würde mich trotzdem freuen, wenn du uns begleitest. Du kannst ja einfach so mit uns mitfliegen.“

Schweigend hob Ralia den Kopf und starrte in den Himmel. Offenbar dachte sie tatsächlich darüber nach, auf dieses Angebot einzugehen. Zu Raelenes Enttäuschung wandte Ralia sich nach einer Weile aber von ihr ab. Betrübt ließ Raelene den Kopf hängen. Zwingen wollte sie Ralia eigentlich nicht, so leicht aufzugeben wäre aber genauso falsch.

Plötzlich gab Ralia erneut ein Grummeln von sich, nur klang es diesmal weniger feindselig. Als Raelene aufsah, nickte Ralia knapp, ohne sie dabei anzusehen.

„Wirklich?!“ Diese unerwartete Zustimmung überraschte sie, doch vor allem freute sie sich darüber. „Gut, dann machen wir es so~.“

Erleichtert atmete Delion auf. Sicher dachte er, dass es ihm so möglich wäre, sich unterwegs schon mal ein allgemeines Bild von Ralia zu machen. Eventuell entdeckte er dabei sogar irgendein hilfreiches Detail. Außerdem könnte Ralia sich vorab ein wenig mit der Wohnung vertraut machen, bevor die restlichen Pokémon aus ihrem Team sie begrüßten. So gesehen war das eine wirklich gute Sache.

„Okay.“ Zuversichtlich nickte Delion in die Runde. „Wollen wir langsam los?“

Raelene bejahte die Frage und steckte den Pokéball wieder ein, während sie Ralia nachdenklich ansah. Wahrscheinlich war es keine gute Idee, aber …

„Wollen wir zusammen fliegen? Also, du und ich?“, fragte sie vorsichtig.

Empört schlug Ralia einmal kräftig mit den Flügeln und warf ihr über die Schulter hinweg einen frostigen Blick zu. Beschwichtigend hob Raelene die Hände und trat einen Schritt zurück. Sie hatte wenigstens fragen wollen, bevor Ralia den Eindruck bekäme, dass sie grundsätzlich lieber auf Delions Glurak flog. Es wäre nicht förderlich für ihre ohnehin schwierige Beziehung, wenn Ralia dachte, Raelene würde ihr überhaupt keinen Funken Vertrauen mehr schenken.

Nachdem das aber geklärt war, drehte sie sich zu Delion und bemerkte an dem nervösen Zucken seiner Augenbrauen, dass ihm der Gedanke, Raelene schon auf Ralia fliegen zu lassen, scheinbar sowieso nicht behagte. Dabei wären er und Glurak dabei, wodurch Raelene nichts passiert wäre. Trotzdem war es sicher auch für seine Nerven besser, wenn er nicht die ganze Zeit aufpassen musste.

Durch ein Lächeln versuchte Raelene, ihn zu beruhigen. „Also, ab nach Hause~.“

Glurak neigte sich bereits weit genug nach unten, um ihnen das Aufsteigen zu erleichtern.

„Ja, lass uns gehen.“

Nickend lächelte Delion zurück und nahm zuerst auf Glurak Platz. Wie gewohnt gingen sie ihrem Ritual nach, bei dem Raelene seine dargebotene Hand nahm und sich nach oben helfen ließ. Kaum saß sie ebenfalls auf Glurak, hob sie eine Faust in die Luft und rief begeistert dazu auf loszufliegen.

Abermals wurde sie von Ralia überrascht, die sich auf ihre Aufforderung sofort als erste blitzschnell in die Luft erhob. Blinzelnd sah Raelene ihr hinterher. Ihr fiel direkt auf, was für einen verspielten Flugstil Ralia im Vergleich zu Glurak vorführte. Jedenfalls machte Ralia immer wieder einige Fassrollen oder schnappte nach irgendetwas, das nicht da war, während sie einen großen Kreis über ihnen zog.

Nun, solche Kunststücke konnte Glurak natürlich schlecht nachahmen, wenn er Delion und Raelene transportierte, wie ihr bewusst wurde. Der Unterschied in ihren Flugstilen hatte also einen guten Grund. Glurak war deswegen um einiges eleganter, als dieser mit den Flügeln schlug und ebenfalls in den Himmel aufstieg. Er warf einen kurzen Blick zu Ralia und stellte sicher, dass sie zumindest teilweise auf ihn achtete, ehe er in Richtung von Score City flog, um sie alle nach Hause zu bringen.

 
 

***

 

Der Flug verlief glücklicherweise ziemlich friedlich.

Alle drei hatten Ralia immerzu wachsam im Auge behalten und darauf geachtet, sie nicht unterwegs zu verlieren. Statt sich von ihnen abzusetzen, folgte Ralia ihnen durchgehend, wenn auch stets mit etwas Abstand. Nur selten änderte sie ihre Flugbahn, weil sie etwas Interessantes gesehen hatte, schloss sich ihnen kurz darauf jedoch wieder an. Auch wenn die Beziehung zu Ralia momentan schlecht war, konnte Raelene es nur positiv auffassen, dass ihr Glurak bei ihnen blieb. Schließlich könnte Ralia einfach abhauen, falls ihr ernsthaft danach wäre, aber nicht mal auf der Ranch hatte sie jemals einen Fluchtversuch gestartet.

Ich muss herausfinden, was dich so wütend auf mich gemacht hat …

Die meiste Zeit über war Raelene nachdenklich, bis sie zu Hause ankamen und auf der Terrasse landeten. Dort stieg Delion als erstes von Glurak ab und half ihr wieder nach unten. Misstrauisch, vielleicht wegen dem Pool, ließ Ralia sich kurz darauf so nah wie möglich am Rand, weit genug weg von ihnen, auf dem Boden nieder und betrachtete die neue Umgebung genau.

Derweil bedankte Raelene sich bei Delion und Glurak. „Der Flug lief echt gut, oder?“

„Ja, ich bin positiv überrascht“, entgegnete Delion, der dabei zu Ralia sah.

Auch Raelene lenkte ihren Blick unauffällig zu Ralia. Hin und wieder schnaubte sie vor sich hin, wirkte ansonsten aber unerwartet ruhig. Hoffentlich blieb das auch so, sobald alle Pokémon draußen waren. Wie sie wohl auf Endynalos reagierte?

Statt sie nur weiter anzustarren, ging Delion zu Ralia hinüber. Erst wollte Raelene ihm folgen, blieb jedoch lieber vorerst auf Abstand, um zu beobachten, wie Ralia sich bei ihm verhielt. Tatsächlich schien sie in seiner Gegenwart recht entspannt zu bleiben, zeigte dennoch eine gewisse Unsicherheit. Bei Delions aufrichtiger und herzlicher Art ließ bestimmt auch die schnell nach.

„Willkommen bei uns.“ Ein freundliches Lächeln unterstrich seine Worte. „Danke, dass du geblieben bist. Hoffentlich hast du nichts dagegen, wenn wir auch die anderen Pokémon freilassen.“

An die Nähe zu Pokémon müsste sie eigentlich gewöhnt sein, denn auf der Ranch lebte sie auch nicht allein. Tatsächlich zuckte Ralia auf Delions Worte nur mit den Schultern und gab dadurch zu verstehen, dass es ihr egal sei. Vermutlich aber nur, solange sich ihr niemand aufzudrängen versuchte.

„Vielleicht hilft diese Vollmondnacht ja uns allen“, meinte Raelene, die aus sicherer Entfernung versuchte Ralias Stimmung aufzulockern. „Da werden wir auch nicht so viele sein. Ich freue mich jedenfalls schon darauf. Du auch?“

Aufbrausend stieß Ralia eine Rauchwolke aus ihrem Maul und ignorierte Raelenes Annäherungsversuch gekonnt. Das war ohnehin kein sonderlich guter Versuch, noch dazu viel zu früh. Beinahe hätte Raelene sich dafür kleinlaut entschuldigt, konnte sich jedoch davon abhalten. Wenn Ralia auch noch jeglichen Respekt vor ihr verlor, käme sie überhaupt nicht mehr an sie heran.

Delion hatte die Augenbrauen hochgezogen, sicherlich immer noch verwundert darüber, wieso Ralia so auf Raelene reagierte. Statt etwas dazu zu sagen, atmete er nur kurz lautlos ein und aus. Danach griff er nach Endynalos' Pokéball griff und hielt diesen ein wenig nach oben.

„Du solltest auch wissen, dass wir hier ein besonders starkes, legendäres Pokémon haben“, informierte er Ralia. „Er tut dir nichts, ist sich nur etwas unsicher, weil er lange Zeit von allen getrennt war. Es wäre schön, wenn ihr euch miteinander vertragen könntet. Denkst du, das wäre möglich?“

Auffallend ernst hörte Ralia ihm zu und betrachtete dabei Endynalos' Pokéball eingehend. Etwas daran schien sie zu beunruhigen. Irgendwann sah Ralia sogar Raelene an, mit einem Gesichtsausdruck, den sie nicht so recht deuten konnte. Hatte sie Angst? Weswegen? Ehe Raelene nachhaken konnte, was los sei, konzentrierte Ralia sich schon wieder auf Delion und nickte ihm zu. Also sparte Raelene sich die Frage. Solange Ralia einverstanden war und sich zusammenreißen wollte, gab es erst mal keinen Grund zur Sorge.

Bevor Delion Endynalos aus seinem Pokéball befreite, bat Raelene ihn darum noch zu warten und ließ ihr Gorgasonn nach draußen, um ihr ebenfalls vorab von ihrem legendären Familienmitglied zu erzählen. Schließlich wollte Raelene nicht, dass Gorgasonn einen Schrecken bekam, weil sie Endynalos unvorbereitet traf. Unter den Geist-Typen zählte diese Pokémon-Art nämlich eindeutig zu den sensiblen Wesen.

Nachdem sich anschließend auch Gorgasonn in Ruhe einen ersten Eindruck von der Terrasse verschaffe konnte, wandte Raelene sich zufrieden an Delion. „Okay, alle sind bereit. Dann lass ihn mal raus.“

Nickend entließ er Endynalos sofort aus seinem Pokéball. Kaum setzte Endynalos sich aus dem rötlichen Licht zusammen, blickte dieser sich erst einmal aufmerksam um, ehe sein Kopf zwischen den beiden anwesenden Gluraks hin und her wanderte. Das von Delion erkannte er ziemlich schnell, denn er blieb mit seinem Blick bei ihm und schien ihn mit einem glucksenden Laut etwas zu fragen. Glurak antwortete ihm mit einem Brummen, was dazu führte, dass Endynalos wieder zu Ralia sah und mit dem Kopf ein wenig näher zu ihr ging, da er sie genauer in Augenschein nehmen wollte.

Ralia spannte sogleich sämtliche Muskeln in ihrem Körper an und zog gleichzeitig den Kopf etwas ein. Besorgt runzelte Raelene die Stirn. Hatte sie also tatsächlich Angst? Das konnte Raelene sich eigentlich nicht vorstellen. Dafür war sie schon als Glumanda immer viel zu mutig gewesen, auch großen und wesentlich stärkeren Pokémon gegenüber.

Raelene ging nun selbst näher zu Delion und Ralia, wo sie vorsichtig ihren Hals tätschelte. „Endynalos ist unser Freund, er gehört zur Familie. Er würde keinem von uns Leid zufügen, also mach dir keine Sorgen.“

Inzwischen konnte Raelene voll und ganz hinter dieser Aussage stehen, seit sie Endynalos besser kannte. Vor einem Monat wäre das für sie noch undenkbar gewesen.

Von Ralia kam nur ein schweres Schnauben und sie wich einen Schritt zurück, bis Raelene sie nicht mehr berühren konnte. Endynalos schien ihr gesamtes Verhalten als Signal zu nehmen, dass er Ralia zu eng auf die Pelle rückte, deswegen wandte er sich als nächstes Gorgasonn zu. Die hatte er bislang ignoriert, weil sie um einiges kleiner war und sie ein Pokémon war, das er bislang wahrscheinlich auch noch nicht gesehen hatte. Wilde Gorgasonns traf man jedenfalls nicht oft an.

Neugierig betrachtete Endynalos Gorgasonn und neigte dabei ein wenig den Kopf. Da Raelene ihrem Pokémon bereits versichert hatte, keine Angst vor Endynalos haben zu müssen, fühlte sie sich sicher genug, diesen Riesen selbst interessiert anzuschauen. Im Gegensatz zu Ralia reagierte Gorgasonn ziemlich entspannt. Sie hüpfte ihm sogar ein Stück entgegen, nur um wieder ganz langsam Richtung Boden zu schweben, wobei sie Endynalos leise begrüßte.

Raelene musste lächeln, während sie das beobachtete. Solange Gorgasonn nicht zu viele auf einmal neu kennenlernen musste, konnte sie richtig kontaktfreudig sein. Endynalos gab auf einmal ein Geräusch von sich, das bislang noch nicht mal Delion von ihm gehört zu haben schien, so überrascht wie er ihn danach ansah. Vorsichtig stieß Endynalos Gorgasonn an, ehe er sich wieder ein Stück zurückzog und sie erwartungsvoll ansah.

Blinzelnd dachte Delion kurz darüber nach, worauf er wohl wartete. „Willst du ... dass sie noch mal springt?“

Als Endynalos diese Frage mit einem Nicken bestätigte, musste Raelene mühevoll ein Quietschen unterdrücken, so gerührt war sie davon. Nur weil Gorgasonn in ihren Augen niedlich war, musste das nicht automatisch auch für andere so sein. Vielleicht fand Endynalos Gorgasonn auch nur lustig, aber das wäre ebenso positiv.

Zwar konnte Gorgasonn nicht lächeln, doch ihre pinken Augen schienen vor Freude zu glitzern. Deshalb sprang sie direkt nochmal, so hoch sie konnte, woraufhin sie erneut in Zeitlupe zurück auf den Boden zu sank. Wieder gab Endynalos dieses Geräusch von sich, das ein wenig wie ein zufriedenes Glucksen klang. Zumindest mit Gorgasonn verstand er sich also schon mal auf Anhieb gut.

Nach dieser erfolgreichen Begrüßung mit Gorgasonn, sah Endynalos nun doch ein weiteres Mal zu Ralia und neigte den Kopf in die andere Richtung.

„Ich glaube, er will wissen, ob zwischen euch alles in Ordnung ist“, vermutete Delion, der diese Körpersprache für Ralia übersetzte.

An dieser Stelle hielt Raelene sich lieber zurück, da Ralia jedes Mal nur negativ reagierte, sobald sie sich einmischte. Also warf sie nur einen unauffälligen Blick zwischen Endynalos und Ralia hin und her. Letztere war noch immer etwas angespannt, zog aber den Kopf nicht mehr ein und stand aufrecht da. Mit einem leisen Fauchen stimmte sie zu. Vielleicht hatte Endynalos' Umgang mit Gorgasonn Ralia vorerst beruhigt. Jedenfalls wäre das schön.

Zufrieden über Ralias Zustimmung rollte Endynalos sich auf der Terrasse zusammen. Gorgasonn hüpfte dichter zu ihm und legte sich daneben. In seiner Nähe wäre sie sicher nicht nervös wegen den anderen Pokémon von Delion. Ein starker Beschützer an der Seite hatte Gorgasonn schon immer beruhigt.

„Scheint so, als würde das funktionieren“, sagte Raelene erleichtert. „Dann lassen wir mal auch die anderen raus und schauen, was wir heute Abend essen. Die haben sicher alle schon Hunger.“

Dem Vorschlag schloss Delion sich sofort an. „Gute Idee. Ich werde langsam nämlich auch hungrig. Wir waren fast den ganzen Tag beschäftigt.“

Vor allem Endynalos sah Raelene nun äußerst aufmerksam an, nachdem sie erwähnt hatte, dass sie schauen sollten, was sie essen würden.

„Alles klar, überlasst das mir.“ Lächelnd nickte Raelene Endynalos zu. „Für dich überlege ich mir was, das du nicht kennst~.“

Es gab noch so vieles, was er probieren könnte. Daher bot Raelene ihm zwischendurch gerne stets neue Sachen an, bis sie sein absolutes Lieblingsessen gefunden hatten.

„Und für uns beide mache ich etwas Scharfes~“, kündigte sie Ralia an – natürlich wandte sie sich daraufhin nur trotzig ab.

Also ließ Raelene sie wieder in Ruhe und befreite lieber ihre anderen Pokémon, woran Delion sich ein Beispiel nahm. Danach setzte sie ihre Worte in die Tat um und ging in die Wohnung, mit dem festen Ziel, ihre Familie mit Essen zu versorgen.

 
 

***

 

Ihr erster Abend mit den Pokémon von der Ranch verlief nahezu blendend.

Auch Psiaugon verstand sich überraschend gut mit Endynalos, der von dem kleinen Pokémon ausgiebig getätschelt wurde. Zwar schien Endynalos nicht ganz zu verstehen, warum Psiaugon so viel Wert darauf legte, aber er störte sich nicht daran und ließ es einfach zu. So lange, bis Psiaugon entweder die Lust daran verlor oder sich entschied, dass es nun schlicht genug war und stattdessen mit den Babys spielen ging.

Sowohl Delion als auch Raelene waren einfach nur erleichtert, zu sehen, dass niemand ein ernsthaftes Problem mit Endynalos hatte. Gorgasonn und Psiaugon waren sogar sichtlich begeistert von ihm. Ralia hatte sich bald mit seiner Anwesenheit abgefunden und wirkte vielmehr von den Babys genervt. Dank Maxax' Wachsamkeit kamen sie nie nah genug an das angespannte Glurak heran, somit gab es auch in der Hinsicht keinen Ärger.

Erst als es Zeit zum Schlafen wurde, machte Raelene sich doch wieder Sorgen wegen Ralia. Ob sie ein Plätzchen finden könnte, wo sie zur Ruhe käme? Von diesem Gedanken lenkte Psiaugon sie aber ein wenig ab. Delions Pokémon hatte nämlich kurzerhand die alte Rolle von Wolly übernommen und beschlossen, bei ihnen im Bett zu schlafen. Dort neigte sie dazu, speziell auf Delion zu schlafen, statt neben ihm, was ihn aber nicht sonderlich störte. Er schlief trotzdem tief und fest.

Irgendwann war auch Raelene eingeschlafen.

Als sie am nächsten Morgen als erste wach wurde, wälzte sie sich unruhig hin und her, während sie wieder über Ralia und ihre Beziehung zu ihr nachdachte. Darüber, was sie tun könnte. Das scharfe Essen gestern Abend hatte Ralia wenigstens angenommen, aber erst gegessen, als sie für sich alleine war. Sobald Raelene versuchte mit ihr zu reden reagierte sie abweisend und manchmal sogar bedrohlich.

Wie war das nochmal? Wenn man seine Pokémon so lieb hat, dann versteht man sie eben …

Anscheinend traf das leider doch nicht auf Raelene zu, dabei mochte sie Ralia. Dennoch gab es da nun auch diesen störenden Funken Angst in ihr, der nicht da sein sollte. Was sollte sie tun, falls sich dieses Gefühl zu einem Waldbrand entwickelte, dem niemand Einhalt gebieten könnte?

Leise seufzend richtete Raelene sich langsam auf und sah zu Delion. Sanft strich sie über seine Haare und tätschelte anschließend auch Psiaugons Kopf. Beide schliefen noch friedlich. Am besten sollte sie ihre innere Unruhe woanders ausleben, sonst weckte sie einen von ihnen am Ende ungewollt auf. Gerade, als sie aufstehen wollte, erschütterte aber plötzlich ein lauter Knall die gesamte Wohnung.

Erschrocken hielt Raelene inne. „W-was war denn das?!“

Fauchend fuhr Psiaugon auf der Stelle hoch, das Fell gesträubt. Dieser Lärm musste sie ziemlich unsanft aus dem Schlaf gerissen haben, anders als Delion. Er wirkte in keiner Weise durcheinander, als er sofort reagierte und Psiaugon vorsichtig von sich runter nahm, um sich aufrecht hinsetzen zu können. Womöglich war er schon eine Weile wach gewesen und hatte nur noch etwas vor sich hin gedöst.

„Klingt danach, als wäre wieder eine Hantel runtergefallen“, urteilte Delion, der bereits zur Bettkante rutschte.

So laut war das also? Demnach musste Raelene wirklich alle geweckt haben, als sie versucht hatte alleine eine Hantel zu heben, die noch viel zu schwer für sie war.

Bevor Delion aufstand, musterte er Raelene kurz aufmerksam. „Du bist es diesmal offensichtlich nicht.“

Nein, diesmal war sie es nicht. Aber wer sonst würde so früh am Morgen in den Trainingsraum gehen? Liberlo? Nein, er würde keine Hanteln heben wollen, sondern seine Beine trainieren.

Delion setzte Psiaugon auf dem Boden ab, die sofort davon huschte, und verließ das Bett. Seinem Beispiel folgend, stand Raelene ebenfalls auf und eilte zusammen mit ihm aus dem Schlafzimmer, um zum Trainingsraum zu gehen. Dort angekommen entdeckten sie Ralia, die schnaufend neben einer der größten und schwersten Hanteln saß. Bisher hatte Raelene aber nur Glurak damit trainieren sehen, also musste sie ziemlich schwer sein. Es war sicher eine Menge Training nötig, bis man sie benutzen konnte.

„Ralia!“, rief Raelene besorgt. Sofort ging sie näher zu ihr. „Hast du dich verletzt?“

Grummelnd schlang Ralia die Flügel um ihren Körper, als wolle sie sich vor ihr verstecken. Natürlich bekam Raelene keine Antwort von ihr. Hilfesuchend blickte sie zu Delion. Dieser sah zwischen der Hantel und Ralia hin und her. Es schien niemandem etwas passiert zu sein, weder Ralia, noch der Hantel und auch nicht dem Boden. Zumindest waren keinerlei Verletzungen oder Schäden zu entdecken.

Dennoch wandte er sich Ralia sicherheitshalber selbst zu, da sie Raelene nicht geantwortet hatte: „Alles okay bei dir?“

Entschieden nickte Ralia mit den Kopf, ohne aus ihrem Kokon herauszukommen. Raelene wollte ihr glauben, dass ihr nichts passiert war, doch als sie sich die riesige Hantel nochmal ansah, wuchs ihre Sorge. Dieses Ding war wie eine Dynamax-Version der normalen Trainingsgeräte.

„Du musst dich nicht schämen“, beruhigte Raelene ihr Glurak. „Mir ist das vor Kurzem auch passiert.“

Überrascht lugte Ralia unter ihrem Flügel hervor. Deshalb nutzte Raelene die Gelegenheit das Schild richtig zur Seite zu schieben und sich Ralia genauer anzusehen. Von dieser Initiative war sie merklich überrumpelt, also hätten Delion und Raelene ein wenig Zeit. Äußerlich war wirklich nichts zu sehen. Wie Raelene betrachtete auch Delion Ralias Körper, nur um sicherzugehen, dass es ihr gut ging.

„Ja“, bestätigte er dabei, „Raelene hat sich sich bei dieser Aktion ziemlich verletzt. Sag mir also ruhig, wenn dir was fehlt.“

Nur dann könnten sie sich anständig darum kümmern. Es wäre überaus tragisch, wenn Ralia sich schon am ersten Tag bei ihnen verletzt hätte.

Seltsam eindringlich starrte Ralia Raelene an, die ratlos blinzelte. „Ich hab es Delion auch gezeigt. Man sieht sogar immer noch was von dem blauen Fleck.“

Plötzlich brüllte Ralia sie wie aus dem Nichts wutentbrannt an, was Raelene allerdings nur kurz zusammenzucken ließ. Wer einmal von Endynalos angeschrien worden war, dem kam alles andere im Vergleich dazu doch eher ... weniger schlimm vor. Ein Flammenwurf hätte sie um einiges mehr eingeschüchtert, so wie gestern auf der Ranch.

„Hey, du hast doch eben selbst versucht eine Hantel zu heben, die viel zu schwer für dich ist!“, ermahnte Raelene sie. „Warum verurteilst du mich dann jetzt dafür?!“

Von Ralia folgte ein tiefes Knurren, woraufhin Raelene schnaubte. „Ich musste selbst lernen, dass man erst mal viel trainieren muss, um stark zu werden. Wenn du das auch willst, machen wir das zusammen!“

Dieser Vorschlag gefiel ihr offensichtlich noch weniger. Abweisend drehte Ralia sich weg und stampfte davon, um den Trainingsraum wieder zu verlassen. Ehrfürchtig machten ihr die Pokémon Platz, die aus Neugierde von der Tür aus die Szene beobachtet hatten. Ein wenig sprachlos sah Raelene ihr hinterher, genau wie Delion, der lautlos seufzte.

Nun, wer sich derart aufregen und einen solchen Abgang hinlegen konnte, war sicherlich nicht ernsthaft verletzt. Genau, sie sollte es positiv sehen. Trotzdem war Raelene geknickt.

„Irgendetwas ... mache ich wohl einfach falsch“, murmelte sie.

Es vergingen einige Sekunden. Inzwischen dürfte Ralia bereits außer Hörweite sein, jedenfalls glaubte Raelene, dass Delion nur deswegen das Thema direkt nochmal zur Sprache brachte: „War sie echt sauer, weil du dich verletzt hast?“

Raelene hob die Schultern und lächelte schwach. „Sie war bestimmt eher angefressen darüber, weil ich versuche ihr zu helfen, obwohl ich den gleichen Fehler selbst gemacht habe.“

Niedergeschlagen strich sie ihre Haare nach hinten und ließ den Blick durch den Trainingsraum schweifen. Nun war es schon das zweite Mal zu einem kleinen Zwischenfall an diesem Ort gekommen, seit Raelene mit ihren Pokémon hier war. Vielleicht sollte Delion die Tür besser abschließen, sobald sie ins Bett gingen. Nicht jeder käme so glimpflich davon wie Raelene und Ralia.

„Ich mach erst mal Frühstück“, beschloss sie spontan – im Grunde war es ein verzweifelter Versuch, sich abzulenken. „Kannst du für mich Ralia noch etwas im Auge behalten? Falls sie sich doch verletzt hat und das nur verstecken will.“

Etwas an ihren Worten irritierte Delion sichtlich, als könne er nicht verstehen, warum sie so unzufrieden und beinahe hoffnungslos klang. Im Moment war Raelene nicht danach, ihm zu erklären, wie sehr es sie betrübte, Ralia nicht mal mit ihrer Sorge um sie erreicht zu haben. Aus dem Grund verzichtete sie auf weitere Worte und machte einen Schritt Richtung Tür. Weit kam sie allerdings nicht, weil Delion sie am Handgelenk festhielt und Augenkontakt suchte.

„Warte mal.“ Er sah sie eindringlich an. „Ist dir eigentlich klar, was das bedeutet?“

Was meinte er? Wovon Delion auch sprach, anscheinend hatte die Erleuchtung Raelene nicht erreicht. In ihrem Kopf war es in dieser Sekunde stockdunkel.

Aus Delions folgenden Worten sprudelte die Begeisterung geradezu heraus: „Rae, du hast verstanden, was Ralia von dir wollte!“

Überrumpelt blinzelte Raelene ihn an. Erst benötigte sie einen Moment, bis sie diese Aussage richtig verarbeiten konnte. Ihre Augen wurden groß, als die Erkenntnis sie traf – und Delion lächelte breit, so zufrieden war er, dass sie es begriffen hatte.

„Ich habe ...“ Schlagartig fing Raelenes Gesicht an zu strahlen. „Ja! Das habe ich, oder? Ich habe sie verstanden!“

Gerade eben hatte sie noch befürchtet, keine richtige Bindung mehr zu Ralia zu besitzen. Wer sein Pokémon aber verstehen konnte, besaß genau so etwas. Sonst könnte das überhaupt nicht oder nur mäßig funktionieren. Zwischen Raelene und Ralia gab es also noch immer etwas, durch das sie sich nahe standen. Es war nicht alles verloren.

„Das ist großartig!“, beteuerte Delion, dessen Gesicht ebenso strahlte. „Das mit euch beiden wird bestimmt bald wieder. Damit können wir arbeiten.“

Für Delion schien das die letzte Bestätigung gewesen zu sein, die er noch benötigt hatte, um von seiner Seite aus sämtliche Sorgen fortspülen zu können. Er musste sich auch schon viele Gedanken gemacht haben, dabei war Ralia noch nicht mal einen kompletten Tag bei ihnen.

„Ich bin so froh!“ Erleichtert griff Raelene nach Delions Händen und nickte sich selbst zu. „Dann brauche ich nur noch etwas Geduld. Danke, dass du mich darauf hingewiesen hast~.“

Delion lächelte ihr sanft zu. „Hinweise kann ich geben, darin bin ich gut.“

Gemeinsam mit Delion als aufmerksamen Beobachter könnten sie bestimmt herausfinden, warum Ralia sich ihr gegenüber so abweisend verhielt und alles in Ordnung bringen. Sie müsste nur vorsichtig und ausnahmsweise etwas klug vorgehen, wenn sie Ralias Vertrauen wiedergewinnen wollte. Sobald das geschafft wäre, ginge es Ralia besser. Und Raelene auch.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück