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Ter´nak Band 1: Wind

von

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Die Abenteurergilde

Garret übergab Karren und Ochse an einen jungen Stallburschen. Einen niedlich aussehenden Fuchsmenschen, mit langen, spitz zulaufenden Ohren. Erst ein Katzenjunge und nun dieser andere Tiermensch. Ob es wohl noch mehr Arten gab?

Tief in Gedanken folgte ich Garret um das Kontor herum. Ehe ich mich versah, schob er mich durch eine Tür. Der kleine Raum wurde von einer kristallinen Lampe erhellt. Viel zu sehen gab es hier nicht. An der Wand rechts von mir befand sich ein schwarzes Brett, mit diversen angepinnten Zetteln.

Mich weiter neugierig umsehend, fragte ich Garret: »Wo sind wir hier?« Doch dieser deutete nur weiter in den Raum hinein.

Hinter einem winzigen Holztresen stand eine junge Frau. Der Schnitt ihres blauen Kleides gab einen guten Ausblick auf ihre üppige Oberweite.

Sie nickte Garret zu, dann fiel ihr Blick auf mich. Begleitet von einer höflichen Verbeugung stellte sie sich vor: »Herzlich Willkommen im Außenposten der Abenteurergilde, werter Magier. Ich bin Fiona.«

Sie klimperte mit ihren langen Wimpern, während sie aufreizend eine Strähne ihrer welligen, braunen Haaren um den Finger wickelte. »Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs?«

Unbeeindruckt trat ich vor. »Guten Abend, Fiona. Mein Name ist Adrian. Ich würde mich gerne als Abenteurer registrieren.«

Pikiert darüber, dass mich ihr Flirtversuch kalt ließ, musterte sie mich streng. Dabei fiel ihr Blick auf meine dreckige, blutverkrustete Robe. Einen kurzen Augenblick runzelte sie die Stirn, dann fing sie sich wieder und legte eine höflich distanzierte Art an den Tag.

»Verzeihung, werter Magier. Wie ich sehe, tragen Sie die Kleidung eines Gelehrten. Sind Sie sicher, dass Sie noch nicht registriert sind?«

In diesem Augenblick trat Garret vor. »Hallo, Fiona. Adrian hat sein Gedächtnis verloren.«

Ungläubig sah ich, wie sie nickte. »Ich verstehe.«

Meine kleine Notlüge wurde auch diesmal ohne jegliches Misstrauen geschluckt. Ein leichtes Unbehagen breitete sich in mir aus. Standen Unfälle beim Anwenden von Magie auf der Tagesordnung? Entweder waren die hiesigen Magier vollkommen unfähig oder aber die Magie selbst war unberechenbar. So oder so, ich nahm mir vor auf der Hut zu sein.

Kurz verschwand Fiona hinter dem Tresen. Einen Moment später legte sie einen kleinen Kristall und mehrere Zettel auf die Arbeitsfläche.

»Als erstes testen wir Ihr magisches Potenzial. Es ist schon vorgekommen, dass Magier nach einem Unfall, neben ihrem Gedächtnis auch ihre Kräfte verloren haben.«

Wie bitte? So langsam fragte ich mich, ob ich als Schwertkämpfer nicht besser dran gewesen wäre. Daran ließ sich jetzt aber nichts mehr ändern. Oder doch?

Abermals mischte sich Garret ein: »Ich bürge für Adrian. Mit eigenen Augen habe ich ihn Magie anwenden sehen.«

»In Ordnung«, meinte Fiona und schob den Kristall zur Seite. »Dann gehen wir direkt zur Bestimmung Ihrer Skills über.«

Meiner was? Skills? So etwas kannte ich bisher nur aus diversen Spielen. Konnte es sein, dass ich in einer Welt gelandet war, die einem Computerspiel glich? Mein Zockerherz schlug schneller. Innerlich vollkommen aus dem Häuschen, versuchte ich meine Aufregung nicht allzu deutlich zur Schau zu stellen.

»Bitte legen Sie Ihre Hand auf dieses magische Pergament.«

Aber sicher doch. Ich wollte unbedingt wissen, was ich drauf hatte. Inständig hoffte ich, dass meine wahre Identität nicht aufgedeckt werden würde, doch dieses Risiko musste ich eingehen.

Ich streckte meine zitternde rechte Hand aus und legte sie, Fionas Anweisung folgend, auf das Papier. Der Zettel glühte kurz auf, dann erschienen zahlreiche rote Schriftzeichen. Schnell zog ich meine Hand weg und beugte mich über das Pergament.

Erstaunt weiteten sich meine Augen. Vor mir lag ein kurzer Charakterbogen, wie ich ihn aus einem Pen and Paper Rollenspiel kannte:
 

Name: Adrian

Geschlecht: männlich

Spezies: Mensch

Alter: 21

Klasse: Magier

Rang: Novize

Spezies Skills: Entdecker / Wissbegierde

Klassen Skills: Windschnitt / Windstoß

Extra Skills: ??? / ??? / Analyse

Abwehr Skills: keine
 

Ich überflog meine Angaben. Viel sagte mir das nicht, dafür wusste ich zu wenig über diese Welt. Grob konnte ich zwar einen Sinn aus den Bezeichnungen ableiten, aber was sich genau dahinter versteckte war mir schleierhaft. Allem voran auch die Frage: Wie konnte ich meine anderen Skills einsetzen?

Über meinen Rang als Novize ärgerte ich mich aber. So viel zu meinem Wunsch, der mächtigste aller Magier zu sein. Der Götterdrache hatte mich abermals verarscht. Na großartig.

Interessant war aber, das meine beiden Zauber vermerkt waren. Wobei ich mich insgeheim fragte, was es mit den Fragezeichen bei meinen Extra Skills auf sich hatte.

Was es nicht gab waren Stufenangabe. In Spielen hatte normalerweise jeder Charakter ein Level. Durch den Abschluss von Quests oder das Erlegen von Gegnern bekam man in der Regel Erfahrung und stieg auf. Das war dann wohl der Unterschied zwischen Spiel und Realität.

Beim Blick auf die Angabe meines Alters riss ich erschrocken die Augen auf. Gerade noch so konnte ich einen Aufschrei unterdrücken. Dort stand, dass ich einundzwanzig Jahre alt sein sollte. Das konnte doch nicht stimmen, denn ich war sechsunddreißig. War das ein Fehler oder hatte der Götterdrache mir eine Jungkur spendiert? Ich musste so schnell wie möglich einen Spiegel finden, um das nachzuprüfen.

»Wie ich sehe, besitzen Sie zwei undefinierte Skills«, meinte Fiona, die sich ebenfalls über das Blatt gebeugt hatte, so dass ihre Brüste fast aus dem Kleid hüpften. »Aufgrund Ihrer Amnesie erfüllen Sie wohl nicht mehr die nötigen Voraussetzungen. Der Rest sieht soweit gut aus.«

Sie deutete auf meinen Extra Skill Analyse. »Sie sind wahrlich vom Licht gesegnet. Dieser Skill ist eine echte Rarität und wird Ihnen gute Dienste leisten. Damit wird zum Beispiel jeder Sammelauftrag ein Kinderspiel für Sie sein.«

Ich hob den Blick und sah gerade noch, wie Fiona mit den Schultern zuckte. »Da Sie lediglich ein Novize sind, kann ich Sie leider nicht allzu hoch einstufen. Mehr als den Silberrang kann ich Ihnen nicht anbieten.«

Silber? Das klang nach einem recht hohen Rang. Damit konnte ich mich abfinden.

Ungefragt reichte Fiona mir eine Tabelle auf der die Abenteurerränge notiert waren. Vom Schwächsten, Rang eins Selenit, bis zum Stärksten, Rang zwölf Diamant. Natürlich begann ich im unteren Bereich mit der Suche meiner Einstufung. Enttäuscht entwich mir ein leiser Seufzer. Silber war Rang zwei. So viel dazu.

Ich überflog die anderen Namen und erkannte das es sich hierbei um eine Liste von Mineralien handelte, angeordnet nach der Mohs Härteskala. Damit war die Frage geklärt, warum Silber als sehr weiches Edelmetall so weit unten stand. Rang drei war demnach Gold.

Arbeitseifrig zückte Fiona einen Holzstempel und schmetterte diesen, schneller als ich eingreifen konnte, auf meinen Charakterbogen. Silber. Damit stand es fest. Andere Länder, andere Sitten. Da konnte ich wohl nichts machen.

Anschließend zog sie eine kleine Karte hinter dem Tresen hervor. Von der Größe her erinnerte mich das Ding an meinen Personalausweis oder eine Bankkarte aus meinem vorherigen Leben. Erstaunlicherweise war diese Karte jedoch vollkommen transparent. Ob sie aus Glas bestand?

Fiona legte die Karte auf meinen Charakterbogen und tippe sie an. »Registrierung.«

Das kleine Rechteck änderte seine Farbe von transparent auf silbrig glänzend. Zusätzlich erschien das Wappen der Abenteurergilde, Schwert gekreuzt mit Zauberstab, auf blauem Grund.

»Bitte sehr. Ihr neuer Abenteurer-Ausweis.« Sie hielt mir die Karte entgegen. »Ihr alter Ausweis, falls Sie einen besessen hatten, ist durch diese Registrierung ungültig und zu Staub zerfallen. Denken Sie bitte daran, Ihren Status, sowie neu erlernte Skills, regelmäßig in einer Zweigstelle der Abenteurergilde zu aktualisieren.«

Blinzelnd nahm ich meine silberne Karte entgegen. Sie war sehr leicht und gänzlich glatt poliert - offenbar eine Art magischer Kristall.

Nebenbei bemerkte ich, wie Fiona einige Dokumente sortierte. »Auf diesen Zetteln finden Sie die wichtigsten Informationen für Abenteurer. Alles zusammen macht das neunzig Drachmen.«

»Bitte was?«, fragte ich und starrte auf ihre ausgestreckte Handfläche.

An den Fingern zählte sie auf: »Ein magisches Pergament, zehn Drachmen. Einmal Statuserfassung, fünf Drachmen. Rang-Zuweisung Silber, zwanzig Drachmen. Ein neuer Ausweis, fünfzig Drachmen. Beratung und Servicegebühren, fünf Drachmen. Das macht insgesamt neunzig Drachmen.«

Ich schluckte. Garret schuldete mir hundert Drachmen. Abzüglich aller Kosten, blieben mir am Ende nur noch zehn Münzen für eine Unterkunft und etwas zu Essen. Morgen schon wäre ich Pleite.

Begleitet von einem dumpfen Klonk ließ Garret einen kleinen Lederbeutel auf den Tresen fallen. »Hundert Drachmen, wie abgemacht.«

Bevor ich in der Lage war meinen Lohn entgegen zu nehmen, hatte Fiona sich den Beutel gekrallt. Sie zog die Kordel auf und schüttete einen enormen Berg Goldmünzen auf den Tresen.

Während ich verdattert auf das schlaffe Leder starrte, zählte sie die Münzen ab. Tonlos fragte ich: »Sag mal, was hat es mit diesem Beutel auf sich. Ich meine so viele Münzen sollten da gar nicht hineinpassen.«

»Ich verstehe nicht, was du meinst.« Aus den Augenwinkeln sah ich Garret die Stirn runzeln, dann schlug er sich in die Hände. »Entschuldige bitte, ich hab deine Amnesie ganz vergessen. Das ist ein magischer Geldbeutel. Mittels Magie wird der Innenraum stark ausgedehnt. Eine praktische Erfindung der Magier.«

Anschließend erklärte er mir einige Dinge. Je stärker die magische Ausdehnung war, desto mehr kostete so ein Behältnis. Einen kleinen Geldbeutel wie diesen, konnte sich aber nahezu jeder leisten.

Durch das erhöhte Fassungsvermögen, wurden magische Behältnisse überwiegend für den Transport von Waren eingesetzt. Leider gab es dabei ein kleines Problem: Das Gewicht aller Gegenstände im Inneren bleibt erhalten. Steckte man einen einhundert Kilo schweren Steinhaufen in eine Kiste, so wog die Kiste im Anschluss ebenfalls einhundert Kilo, zuzüglich ihres Eigengewichts.

Aufgrund der Magie im Inneren dieser Gegenstände war es unmöglich lebende Wesen damit zu transportieren, da sie dabei verstarben. Tote Dinge, wie ausgeweidete Fische oder erlegte Tiere, sowie Pflanzen, stellten kein Problem dar, solange sie durch die Eingangsöffnung passten.

Verrückt. Was es nicht alles gab auf dieser Welt. Meine Gedanken wanderten zu meinem alten Seesack. Womöglich war er doch nicht so nutzlos, wie ich erst dachte. Das olle Ding zu untersuchen, stand eh noch auf meiner Liste.

Ich fragte Garret, wo ich einen Geldbeutel erwerben könnte, da ich noch keinen hatte. Freundschaftlich schlug er mir auf den Rücken.

»Ich schenke dir diesen alten Beutel, dann hab ich endlich einen Grund, mir von meiner Tochter einen neuen geben zu lassen. Sie führt in diesen Dingen ein strenges Regiment, musst du wissen.«

Fiona zählte zehn Drachmen ab, verstaute diese im Geldbeutel und gab ihn mir. Mit einem betont freundlichem Lächeln sagte sie: »Hier ist Ihr Wechselgeld. Bitte beehren Sie uns bald wieder.«

Bestimmt nicht. Diese Frau war ja noch schlimmer als Garret. Ich musste dringend meine Finanzen in Ordnung bringen, bevor ich noch in der Gosse endete.

*

Die weniger freundliche Wirtin hatte anfangs, nachdem sie mich von oben bis unten kritisch gemustert hatte, zwanzig Drachmen für eine Nacht gefordert. Aufgrund ihrer Dreistigkeit war ich sehr versucht meine Magie gegen dieses Weib einzusetzen. Zum Glück war Garret eingesprungen, bevor ich explodierte.

Einige flüsternde Worte später kostete mein Zimmer für die Nacht nur noch fünf Drachmen, ein Sonderpreis, um mich zu besänftigen. Mit dem Abendessen, zwei Drachmen, dem Waschen meiner Robe, inklusive Wechselklamotten, ebenfalls zwei Drachmen, war nur noch eine Münze übrig geblieben.

Während ich auf mein Essen wartete, sah ich mich im halb gefüllten Wirtsraum um. Keine Tierohren. Damit war meine Laune am Boden. Lustlos schlang ich mein Abendessen hinunter. Wie hieß es so schön, der Hunger treibts rein. Lecker fand ich die wässrige Gemüsesuppe nicht gerade. Wenigstens war das Brot genießbar und das kleine Fleischstück mager. Mehr konnte ich für zwei Drachmen wohl nicht erwarten.

Etwa eine Stunde später saß ich niedergeschlagen im Schneidersitz auf meinem Bett. Ich hatte mir eine schlichte graue Boxershorts, oder etwas was zumindest danach aussah, geben lassen. Mehr als diese benötigte ich nicht zum Schlafen.

In den Fingern drehte ich geistesabwesend meine letzte Goldmünze. Auf beiden Seiten befand sich ein Drachenkopf mit geöffnetem Maul, wobei ihre Randfläche geriffelt war. Als ich genauer hinsah bemerkte ich, dass es sich um Buchstaben und Ziffern handelte, offenbar eine Methode um Fälschungen vorzubeugen.

Ich hob den Blick. Außer einem alten Bett, einem Waschzuber, einem Fenster und einem Kleiderschrank ohne Türen, gab es in dem winzigen Zimmer nichts zu sehen. Nicht mal einen Spiegel hatten sie hier. Es roch muffig und das Laken unter mir kratze leicht. Dennoch war es besser als im Freien zu schlafen.

Ich seufzte schwer und schloss die Augen. Mein Magen rumorte. Satt war ich nicht geworden. Morgen würde ich mir einen Auftrag suchen müssen. Wenn nicht, blieb mir nur, hungrig im Pferdestall zu schlafen, vorausgesetzt das kostete nichts.

Für einen Tag hatte ich viel erlebt und war dementsprechend müde. Ich war sogar zu träge, mir die Kristalllampe genauer anzusehen. Eines wollte ich aber noch ausprobieren: Meinen extra Skill Analyse. Die Frage war nur wie?

Erschöpft hielt ich die Münze hoch und sagte: »Analyse.«

Vor meinem geistigen Auge erschien etwas, was ich in Ermangelung eines besseren Wortes als Infofenster einstufen würde.

[Drachme]

»Ach ne, das wusste ich auch so schon«, schnaubte ich enttäuscht. Das Infofenster klappte auf und gab mehr Informationen preis. Ich las die wenigen Zeilen und wurde doch nicht schlauer. Weder die genaue metallische Zusammensetzung noch das Gewicht interessierte mich. Und das es ein Zahlungsmittel war, wusste ich auch so schon.

Ich legte die Münze zur Seite und drückte meinen rechten Zeigefinger in das Laken unter mir.

»Analyse.«

[Bettlaken]

»Was du nicht sagst.« Auch das aufgeklappte Analysefenster gab nicht viel her:

[Leinen, mittlere Verschmutzung.]

Die letzte Info ließ meine Laune auf einen neuen Tiefpunkt zusteuern. Deprimiert startete ich den nächsten Test. Ich wollte herausfinden, ob ich einen Gegenstand berühren musste, oder es genügte, darauf zu zeigen.

Mit einem Finger auf meinen alten Seesack neben dem Bett deutend sagte ich zum dritten Mal: »Analyse«

[Nimmervoller Beutel]

Ich blinzelte, das klang interessant. Nachdem ich das Infofenster erweiterte, klappte mir der Mund auf.
 

Gegenstand: Nimmervoller Beutel

Kategorie: göttlich

Verzauberungen: Unendlichkeit / Schwerelos / Zeitlos

Inhalt: 5 einfache Verbände / 2 geringe Heiltränke / 500 Drachmen / 2 Mahlzeiten / 1 Wasserschlauch (920ml Wasser) / ???
 

Mit einem Satz war ich auf den Beinen. Ich ging in die Hocke und zog den Seesack zu mir. Einen Handgriff später hatte ich die Kordel geöffnet und lugte mit einem Auge in den Sack.

Unendliche Schwärze empfing mich. Geräuschvoll ließ ich die Luft entweichen. Ich hatte gar nicht mitbekommen, den Atem angehalten zu haben.

Da ich nichts sehen konnte, versuchte ich es mit tasten. Bis zur Schulter verschwand mein Arm in dem Sack. Egal wie sehr ich mich streckte, ich konnte rein gar nichts berühren, weder die Gegenstände im Inneren noch die Wände.

Dann eben anders. Ich zog meinen Arm heraus und schüttelte den Beutel über dem Bett aus. Im Gegensatz zum Geldbeutel fiel sein Inhalt nicht heraus. Vielleicht lag das an der Verzauberung Schwerelos. Ohne eine Masse konnte selbst die Schwerkraft nichts ausrichten.

Nachdenklich setzte ich mich im Schneidersitz auf mein Bett. Bestimmt gab es da einen Trick. Andernfalls war das Ding vollkommen nutzlos, außer ich wollte Leichen verschwinden lassen. Bei diesem Gedanken schlich sich ein schiefes Grinsen in mein Gesicht.

Abermals steckte ich eine Hand durch die Öffnung. Ein erfolgloses Unterfangen, ich bekam nichts zu fassen. Aber wie kam ich an die Gegenstände im Inneren heran. Am dringendsten benötigte ich die Drachmen.

In dem Augenblick als ich an die Goldmünzen dachte, spürte ich etwas. Es klimperte leise als ich die Finger bewegte. Glatte, kalte Oberflächen konnte ich ertasten.

Ich griff zu und zog die Hand aus dem Sack. Zwischen meinen Fingern steckten einige Drachmen.

»Ne jetzt. Einfach daran denken und schon kommt das Gewünschte zu mir.« Ich schüttelte den Kopf.

Anschließend wiederholte ich den Vorgang bis ich aller Münzen habhaft geworden war. Die Drachmen wanderten in meinen neuen, magischen Geldbeutel.

Nachdenklich wog ich den Beutel mit einer Hand. Fünfhundert und eine Münze wogen locker ein ganzes Kilo. Ich hob den Seesack. Vielleicht einhundert Gramm? Auf jeden Fall deutlich weniger als das Gold.

Bei meinem nächsten Experiment verstaute ich den Geldbeutel im Seesack und wog ihn abermals. Tatsächlich. Das Gewicht des Goldes war verschwunden. Innerlich dankte ich der Verzauberung Schwerelos. Damit hatte ich einen Beutel, würdig für den mächtigsten aller Magier.

Ich tippte mir nebenbei gegen die Schläfe. Nach allem was ich wusste, war dieser läppische Seesack ein Vermögen wert, weit mehr als mein Zauberstab. Am besten ich hielt das fürs Erste geheim. Sicher war sicher.

Mithilfe von Analyse erfuhr ich außerdem, dass es einen neuen Eintrag unter der Rubrik Inventar des Nimmervollen Beutels gab:

[1 magischer Geldbeutel (501 Drachmen)]

Mein Analyse-Skill war ja doch nützlich. Damit konnte ich arbeiten. Meine Gedanken wanderten zu dem Gegenstand der mit drei Fragezeichen angezeigt wurde.

Ich streckte meine Hand durch die Öffnung. Kaum hatte ich daran gedacht, schon lag etwas auf meiner Handfläche. Zum Vorschein kam ein silberner Ring. Ich konnte weder eine Verzierung noch einen Edelstein entdecken.

Eines hatte ich aber gelernt. Ich sollte Dinge nicht nach ihrem Äußeren beurteilen. Die Frage war nur, was ich mit dem Schmuckstück anstellen sollte. Egal wie sehr ich mich anstrengte, mein Skill wollte mir nichts über den Ring verraten.

Aus einer kindischen Laune heraus machte ich einen Katzenbuckel, während ich den Ring zwischen beiden Händen drehten. Mit krächzender Stimme sagte ich: »Er ist zu mir gekommen. Mein Schatz!«

Selbstverständlich brachte mich das kein Stück weiter. Ich zuckte mit den Schultern. Ein Ring war zum Tragen da, also steckte ich ihn mir an den linken Mittelfinger.

Plötzlich glühte das Metall auf und etwas landete vor mir auf dem Bett. Mit pochenden Herzen hob ich den Blick. Vor mir saß ein silberfarbender Fuchswelpe, mitten auf meinem Nimmervollen Beutel.

Der oder die Kleine öffnete träge die Augen. Sie waren blau und von einer deutlichen Intelligenz geprägt. Stocksteif starrte ich den Fuchs an, und der Fuchs starrte zurück.

Nach einigen Sekunden erhob sich der Kleine und kam langsam auf mich zu. Bevor ich wusste wie mir geschah, lag er auch schon auf meinem Schoss. Zu einer Kugel zusammengerollt kuschelte er sich an mich.

Was zum Henker ging denn hier ab? Geistesabwesend streckte ich eine Hand aus und begann es zu streicheln.

Der kleine Welpe hob seinen Kopf und leckte mir über die Hand. Au Backe, war der niedlich. Das Fell des Fuchses war so schön warm und weich. Mein Herz schmolz dahin. Nur zu gerne ließ sich der Kleine von mir kraulen. Ich wünschte mir schon lange ein Haustier. Bisher war nur immer etwas dazwischen gekommen.

Ein leises Brummen ging von dem silbernen Fellhaufen aus. Konnten Füchse schnurren wie Katzen? Kurz hielt ich inne und betastete seinen Brustkorb. Tatsächlich der Kleine schnurrte mich an.

Langsam ließ ich die Finger über mein kleines Kuscheltier gleiten, während meine Augen immer träger wurden. Die Anstrengungen des Tages forderten ihren Tribut. Ich war hundemüde.

Genug Experimente für heute. Morgen war auch noch ein Tag. Mit der Hand wischte ich achtlos den Seesack vom Bett. Gleichzeitig ging das Licht aus. Die Frage, warum das so war, hob ich mir für ein andermal auf.

Ich hob den Fuchs von meinem Schoß und setzte den Kleinen neben meinem Kopfkissen ab. Mit großen Augen sah er zu mir auf. Sollte das etwa ein tadelnder Blick werden?

»Bin müde«, murmelte ich und bettete den Kopf neben meinem neuen Freund. »Wehe du beißt mich.«

Empört schüttelte der Kleine den Kopf und gab ein entsetztes Fiepen von sich. Es war eindeutig, ich musste schlafen. Mein Verstand interpretierte das Verhalten eines Tieres als wäre es ein Mensch.

Mir fielen die Augen zu. Das letzte was ich noch wahrnahm war, wie der Fuchs es sich zwischen meinem Hals und der rechten Schulter bequem machte. Erneut erklang sein brummendes Schnurren. Da schlief ich auch schon ein.



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